Arbeitsgemeinschaft zum Schuldrecht, allgemeiner Teil im SS 2006 Beatrice Brunner, Thomas Habbe, Henry Posselt

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Transkript:

Übungsklausur Nr. 2: Chardonnay auf Abwegen Katja (K), Betreiberin eines kleinen Getränkehandels aus Potsdam, bestellte beim Weinhändler Vladimir (V) aus Frankfurt/Oder 10 Kisten eines australischen Chardonnays zum Preis von insgesamt 300. Beide vereinbarten, dass Vladimir der Katja die Kisten mit einem Speditionsunternehmen schicke und Katja die Transportkosten übernehme. Die Lieferung sollte im Laufe des 27.6. erfolgen. Vladimir beauftragte am Vormittag des 27.6. den Transportunternehmer Fred mit der Auslieferung und rief bei Katja an, dass der Transport auf dem Weg sei. Katja benachrichtigte daraufhin einen befreundeten Restaurantbesitzer, der Interesse an diesem Chardonnay angemeldet hatte und bereit war, für die 10 Kisten 350 zu zahlen. Sie teilte ihm mit, er könne in zwei Stunden vorbeikommen und sich den Wein abholen. Als Fred sich gerade kurz vor Berlin befand, teilte ihm Vladimir telefonisch mit, dass er den Wein doch nicht nach Potsdam, sondern zu einem anderen Restaurant nach Berlin-Treptow bringen solle. Der Inhaber des Restaurants hatte dringend diesen Wein benötigt und war daher bereit, 400 zu zahlen. Als der Wein in Potsdam ausblieb und Katja sich nach dem Verbleib erkundigte, klärte Vladimir sie über den anderweitigen Verkauf auf. Vladimir fügte hinzu, er werde Fred sogleich nach dessen Rückkehr mit 10 neuen Kisten Chardonnay zu Katja schicken. Katja erwiderte empört, das sei ihr jetzt egal, der Wein könne in Frankfurt/Oder versauern, bis er zu Essig vergoren sei. Nunmehr verlangt Katja den Erlös, den Vladimir durch den anderweitigen Verkauf erzielt hatte, heraus und will ansonsten nichts mehr mit Vladimir zu tun haben. Vladimir hingegen kann die Hysterie nicht verstehen und verlangt Bezahlung des vereinbarten Kaufpreises Zug um Zug gegen Lieferung von 10 Kisten Weins. Bestehen die geltend gemachten Ansprüche? Bearbeitungshinweise: Die aufgeworfenen Fragen sind im Rahmen eines Gutachtens zu beantworten; zulässiges Hilfsmittel ist nur der Gesetzestext. Die Aufgabenstellung ist für eine Bearbeitungszeit von zwei Stunden konzipiert. Das Gutachten ist handschriftlich anzufertigen. Bitte beschreiben sie die Blätter nur einseitig und lassen auf der linken Seite einen Korrekturrand von mindestens 7 cm. Vergessen Sie bitte ferner nicht, auf der Bearbeitung Ihren Namen zu vermerken.

Lösungs- und Formulierungsvorschlag: A. K könnte gegen V einen Anspruch auf Zahlung von 400 gemäß 285 haben. I. Das setzt einen Anspruch der K gegen V auf Leistung eines Gegenstandes voraus. V ist aufgrund eines Kaufvertrages verpflichtet, K zehn Kisten mit Weinflaschen zu übergeben und zu übereignen, 433 I 1. II. V müsste von dieser Leistungsverpflichtung befreit sein. In Betracht kommt ein Ausschluss gemäß 275 I, 2. Alt. wegen objektiver Unmöglichkeit. 1. Die Unmöglichkeit hängt davon ab, ob es sich bei der Leistungspflicht um eine Stück- oder Gattungsschuld handelt. Während der Leistungsgegenstand bei der Stückschuld konkret individualisiert ist, erscheint dieser bei der Gattungsschuld lediglich anhand abstrakter Merkmale umschrieben. a. K hat von V keine konkreten Weinflaschen gekauft. Die Bezeichnung zehn Kisten Chardonnay erscheinen daher als Merkmale abstrakter Umschreibung. Ursprünglich handelte es sich um eine Gattungsschuld. Im Falle einer Gattungsschuld tritt Unmöglichkeit ein, wenn die gesamte Gattung untergeht. Hier hat V indes noch zehn Kisten vom gekauften Wein. b. Aus der Gattungsschuld könnte durch Konkretisierung eine Stückschuld hervorgegangen sein, 243. Das setzt voraus, dass der Schuldner das seinerseits Erforderliche getan hat. Was das Erforderliche ist, hängt davon ab, ob es sich um eine Bring-, Hol- oder Schickschuld handelt. Dies ist durch Auslegung des Vertrages gemäß 133, 157 unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln in 269 zu ermitteln. i. In Betracht kommt, daß V und K eine Schickschuld vereinbart haben. Bei dieser befindet sich der Leistungsort beim Schuldner, der Erfolgsort beim Gläubiger. Der Vereinbarung von V und K läßt sich die nicht eindeutig entnehmen, wo Leistungsort sein soll, daher bestimmt 269 I, II BGB den Ort des Schuldners. Im Falle einer Schickschuld hat der Schuldner das Erforderliche getan, wenn er aus der Gattung einen Gegenstand mittlerer Art und Güte ausgesondert und diesen einer geeigneten Transportperson übergeben hat. V hat zehn Kisten Wein für K ausgesucht und an ein Speditionsunternehmen übergeben. Es ist nicht ersichtlich, daß der Wein nicht mittlerer Art und Güte sein könnte. Die Gattungsschuld ist mit Übergabe an die F zur Stückschuld geworden. ii. Durch die Anweisung an den Spediteur könnte V die Konkretisierung jedoch wieder rückgängig gemacht haben. Ob diese Möglichkeit besteht, ist umstritten. Nach einer Auffassung stellt die Konkretisierung nichts Endgültiges dar. Folgt man dieser Auffassung, dann hat V die Konkretisierung rückgängig gemacht, womit aus der Stück- erneut eine Gattungsschuld geworden ist. Nach der Gegenansicht ist der Eintritt der Konkretisierung grundsätzlich bindend. Der Schuldner kann sich aber gemäß 242 ausnahmsweise nicht darauf berufen, wenn er kein Interesse an einer Erfüllung gerade mit dem Gegenstand der Stückschuld hat. Folgt man dieser Auffassung, konnte V die Konkretisierung nicht rückgängig machen. K kann sich auf die Konkretisierung auch berufen; ihr Interesse an der Erfüllung gerade mit den umgeleiteten Kisten resultiert daraus, dass sie hierüber bereits disponiert hat. Für die erstgenannte Auffassung spricht, dass mit der Konkretisierung die Leistungsgefahr auf den Gläubiger übergeht. Dies dient dem Schutz des Schuldners, so dass er auch darauf verzichten können muss. Dem lässt sich jedoch entgegengehalten, dass die Konkretisierung auch den Interessen des Gläubigers dient. Sie gibt dem Gläubiger die Möglichkeit, bereits vor Erfüllung über die Ware zu disponieren, wie gerade der vorliegende Fall zeigt. Gegen die Zulässigkeit einer Entkonkretisierung spricht außerdem, dass das Gesetz eine solche Möglichkeit nicht vorsieht. iii. V konnte die Konkretisierung nicht rückgängig machen; aus der Gattungs- ist endgültig eine Stückschuld geworden. Die Verpflichtung des V beschränkt sich auf die an den Dritten umgeleiteten Kisten. 2. Bei einer Stückschuld tritt objektive Unmöglichkeit ein, wenn der Schuldner noch nicht geleistet hat und niemand mehr leisten kann. V hat die geschuldeten zehn Kisten an den Dritten umgeleitet. Dieser ist Inhaber eines Restaurants und benötigt den Wein dringend. Er wird den Wein daher alsbald ausgeschenkt haben. Was diese zehn Kisten betrifft, kann weder V, noch

daher alsbald ausgeschenkt haben. Was diese zehn Kisten betrifft, kann weder V, noch jemand anderes die Verpflichtung gegenüber K erfüllen. III. Ein Anspruch aus 285 setzt schließlich voraus, dass der Schuldner für den untergegangenen Gegenstand Ersatz erlangt hat (Identität). V hat für die umgeleiteten zehn Kisten einen Kaufpreis von 400 erhalten; dabei handelt es sich um das wirtschaftliche Äquivalent für das geschuldete Eigentum, vgl. 433 II. IV. Weiterhin müßte K diesen Ersatz verlangen. K erklärt, daß sie den von V in Treptow erlangten Kaufpreis herausverlange, was als Ersatzverlangen auszulegen ist. Gleichzeitig erklärt K, daß sie mit V nichts mehr zu tun haben möchte, dies könnte als Rücktritt ausgelegt werden. Weil der Gläubiger mit Geltendmachung des Surrogats eigentlich am Kaufvertrag festhalten will, schließen sich Rücktritt und Surrogatverlangen aus. Fraglich ist also, wie die Erklärung der K auszulegen ist. 1. Tritt K zurück, kann K kein Surrogat (in Höhe von 400,- ) geltend machen. Statt dessen braucht K keinen Kaufpreis mehr bezahlen (300,- ). Sie kann wegen 346 Abs. 4 BGB gleichzeitig nach 280 I, III, 283 BGB Schadenersatz in Höhe von 50,- geltend machen, weil sie den Wein für 350,- hätte verkaufen können. Nach möglicher Aufrechung erhält K 50,-. 2. Verlangt K das Surrogat heraus (400,- ), ist sie zur Zahlung des Kaufpreises (400,- ) verpflichtet, Schadenersatz kann sie wegen 285 II BGB nicht mehr geltend machen, der Schaden ist niedriger als der Surrogatanspruch. Nach möglicher Aufrechnung erhält K 100,-. 3. Zwischenergebnis: K verlangt das Surrogat heraus, weil dies ihr 50,- mehr erbringt. [Dies sollte sie auch deshalb tun, weil 285 I BGB schlicht voraussetzt, daß der Schuldner ein Surrogat erlangt, während der Schadenersatzanspruch Verschulden voraussetzt, was nicht immer gegeben sein muß.] IV. Ergebnis: K kann von V Herausgabe des für die umgeleiteten Kisten erzielten Erlöses von 400 verlangen. Weitere Ansprüche sind nicht ersichtlich. V. Sofern V das erhaltene Geld nicht mehr hat oder mit seinem übrigen Geld vermischt hat [davon dürfte auszugehen sein, obwohl der Sachverhalt dazu nichts aussagt], hat K einen Schadenersatzanspruch in gleicher Höhe aus 280 I, III, 283 BGB. B. V könnte gegen K einen Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 300 gemäß 433 II haben. I. Dieser Anspruch ist entstanden; den insoweit erforderlichen Kaufvertrag haben die Parteien geschlossen. II. Der Anspruch aus 433 II könnte aber gemäß 326 I 1 entfallen sein. 1. Das setzt voraus, dass es sich bei dem Schuldverhältnis um einen gegenseitigen Vertrag handelt. Nur bei einem gegenseitigen Vertrag stehen sich Leistung und Gegenleistung gegenüber. Der zwischen V und K bestehende Kaufvertrag ist ein gegenseitiger Vertrag; dem Anspruch des Käufers auf Übereignung der Sache steht der Anspruch des Verkäufers auf Zahlung des Kaufpreises gegenüber. 2. Ferner müsste die mit der Kaufpreisforderung im Gegenseitigkeitsverhältnis (Synallagma) stehende Verpflichtung gemäß 275 ausgeschlossen sein. Vorliegend ist die Verpflichtung zur Lieferung des Weins gemäß 275 I, 2. Alt. ausgeschlossen (siehe oben); diese steht auch im Synallagma zum Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises (siehe oben). 3. Schließlich dürfte kein Ausschlusstatbestand erfüllt sein. In Betracht kommt vorliegend lediglich 326 III. K hat den Ersatz herausverlangt, den V für den geschuldeten Gegenstand erhalten hat, 326 III 1, 1. Alt. (siehe oben). Trotzdem könnte der Kaufpreisanspruch teilweise erloschen sein, sofern der Ersatz im Wert hinter dem ursprünglich geschuldeten Gegenstand zurückbleibt, 326 III 2, 441 III. Vorliegend übersteigt aber der Wert des Ersatzes (400 ) den des Weines (350 ).

4. Zwischenergebnis: Die Voraussetzungen von 326 III sind erfüllt; der Anspruch auf Zahlung des Kaufpreises daher ausnahmsweise nicht gemäß 326 I 1 entfallen. III. Der Anspruch aus 433 II könnte ferner durch einen Rücktritt der K gemäß 323 I, 346 I erloschen sein. 1. Wie oben dargestellt, verlangt K das Surrogat heraus, sie will also am Vertrag festhalten und gerade nicht zurücktreten. 2. Zwischenergebnis: K ist nicht zurückgetreten, der Anspruch auch insoweit nicht erloschen. iv. Ergebnis: V kann von K Zahlung von 300 als Kaufpreis Zug-um-Zug gegen Zahlung der 400 ( 320 I) verlangen.

Anmerkung: Häufig gemachte Fehler Sehr viele Bearbeiter haben die Fallfrage nicht beachtet und prüften Ansprüche der K auf Übereignung neuer Weinflaschen oder auf Schadensersatz zusätzlich oder sogar anstelle des Surrogatanspruchs aus 285. Häufig wurden Schadensersatz- und Surrogatanspruch vermengt und 285 zusammen mit 280 I geprüft. Die Abgrenzung zwischen Bring- und Schickschuld erfolgte oft nur sehr oberflächlich oder gar nicht. Das Problem der Entkonkretisierung wurde von den meisten Bearbeitern nicht gesehen. Im Rahmen des Kaufpreisanspruchs des V wurde teilweise 326 III nicht gesehen. Teilweise wurde ein Rücktritt geprüft, wobei zumeist trotz vorheriger Bejahung der Unmöglichkeit 323 und nicht 326 V herangezogen wurde. Dass sich Rücktrittserklärung und Surrogatverlangen gegenseitig ausschließen, wurde nicht gesehen.