Gutachtenstil in der juristischen Fallbearbeitung

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Transkript:

Gutachtenstil in der juristischen Fallbearbeitung Das Ergebnis wird immer nach der Begründung festgestellt. Die Argumentation geht also der rechtlichen Schlussfolgerung vor an: - Die Rechtsfolge X setzt Tatbestand Y voraus. - Tatbestand Y liegt vor. - Daher ist Rechtsfolge X gegeben. Im Urteilsstil ist das Ergebnis der Begründung voranzustellen: - Rechtsfolge X ist gegeben. - Denn Tatbestand Y liegt vor.

Prüfung in Vier Schritten 1.. Benennen des Merkmals 2. Definition des Merkmals 1. Rechtsfolge X setzt Tatbestand Y voraus. 2. Unter Tatbestand Y versteht man. 3. Subsumtion 3. Tatbestand Y liegt hier vor. 4. Ergebnis 4. Damit ist Rechtsfolge X gegeben.

Die Subsumtion Der Schwerpunkt der Prüfung liegt in der so genannten Subsumtion ( subsumieren, lat. subsumere, einen Begriff unterordnen). Zu untersuchen ist, ob das benannte und definierte Tatbestandsmerkmal tatsächlich im konkret zu bearbeitenden Fall vorliegt. Dies ist oft problematisch. Dann muss unter umfassender Auswertung des Sachverhalts argumentiert werden ( Arbeit am Sachverhalt ).

Voraussetzungen für einen Anspruch aus 823 I BGB 1. Rechts- oder Rechtsgutsverletzung A muss eines der in 823 I BGB bezeichneten Rechtsgüter oder Rechte des P verletzt haben.

1 Rechts- oder Rechtsgutsverletzung Benennen des Merkmals A kann, indem er auf den 2CV einschlug, das Eigentum des P verletzt haben.

2 Rechts- oder Rechtsgutsverletzung Definition Das Eigentum gewährt nach 903 BGB das Recht, nach Belieben mit einer Sache zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen. Das Eigentum wird demnach verletzt, wenn in diese umfassende Herrschaftsbefugnis eingegriffen, insbesondere die Sachsubstanz zerstört oder beschädigt wird.

3 Rechts- oder Rechtsgutsverletzung Subsumtion Der A zertrümmerte die Motorhaube des im Eigentum von P stehenden 2CV.

4 Rechts- oder Rechtsgutsverletzung Ergebnis Damit hat er das in 823 I BGB genannte Eigentumsrecht des P verletzt.

Voraussetzungen für einen Anspruch aus 823 I BGB 2. Verletzungshandlung Ein Anspruch aus 823 I BGB setzt ferner eine Verletzungshandlung voraus.

1 Verletzungshandlung Benennen des Merkmals Der Wagen muss durch eine Handlung des A beschädigt worden sein.

2 Verletzungshandlung Definition Eine Handlung ist jedes von einem menschlichen Willen beherrschte oder zumindest beherrschbare Verhalten.

3 Verletzungshandlung Subsumtion A beschädigte den 2CV des P willentlich.

4 Verletzungshandlung Ergebnis Somit liegt auch eine Verletzungshandlung des A vor.

Voraussetzungen für einen Anspruch aus 823 I BGB 3. Kausalität Für einen Anspruch aus 823 I BGB muss zwischen Verletzungshandlung und Rechts- oder Rechtsgutsverletzung ein Kausalzusammenhang bestehen.

1 Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Rechtsverletzung Benennen des Merkmals Die Eigentumsverletzung muss kausal auf der Handlung des A beruhen.

2 Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Rechtsverletzung Definition Kausal ist jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele. ( conditio sine qua non )

3 Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Rechtsverletzung Subsumtion Hätte A nicht mit einem Hammer auf den Citroën 2CV eingeschlagen, wäre dieser nicht beschädigt worden.

4 Kausalität zwischen Verletzungshandlung und Rechtsverletzung Ergebnis Damit ist die Verletzungshandlung des A kausal für die Verletzung des Eigentums von P.