Onsite-Werkvertragsvergabe auch eine Herausforderung für das (strategische Personal-) Management Vortrag im Rahmen der Ver.di-Arbeitsdirektorenkonferenz Berlin, 9. Juni 2016 von, Hochschule Darmstadt 1
1. Einleitung Unternehmungsstrategie (1) (2) Personalstrategie (1) + (2) = (3) integrative Unternehmungsentwicklung 2
1. Einleitung Onsite-Werkverträge im Blickpunkt des öffentlichen Interesses Onsite-Werkverträge wegen direkter und indirekter Kostensenkung attraktiv Management von Werkvertragsunternehmen als (zusätzliche) Managementaufgabe Auswahl, Aufgabenverteilung, Koordination und Bewertung Personalmanagement dabei zuweilen in einem Teufelskreis gefangen Heute: Befunde aus einem HBS-Projekt (Praktiken der Onsite- Werkvertragsvergabe in Deutschland) 3
1. Einleitung Fragestellungen des Projekts Praktiken der Onsite-Werkvertragsvergabe in Deutschland 1. Wie verbreitet sind Onsite-Werkverträge (hier Verarbeitendes Gewerbe, Einzelhandel)? 2. Welche Motive liegen der Nutzung von Onsite-Werkverträgen zugrunde? 3. Welche Folgen haben Onsite-Werkverträge für die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen bei Werkvertragsunternehmen und Werkbesteller? 4. Welche Herausforderungen ergeben sich durch Onsite-Werkverträge und wie gehen die Akteure damit um? 5. Welche Regulierungsbedarfe existieren für Unternehmungen, Verbände und Politik? 4
1. Einleitung Laufzeit 1.1.2014 bis 31.9.2015 Förderung: Hans-Böckler-Stiftung, Abt. Mitbestimmungsförderung Projektteam: Markus Hertwig (TU Chemnitz), Johannes Kirsch (IAQ), Carsten Wirth (H-DA) Empirisches Programm / Methodik: Zwei Branchen: Verarbeitendes Gewerbe und Einzelhandel 1. zwölf Fallstudien in Betrieben von Werkbestellern, insgesamt 48 Interviews mit Managementvertretern/innen, Betriebsräten und Verbandsvertretern/innen 2. Repräsentative Telefon-Befragung (CATI) Operativ durchgeführt vom SOKO Institut, Bielefeld Zwei Branchen, deutschlandweit, Feldphase 3.7.2014 bis 2.9.2014 Interviewpartner: Entscheider/innen in Betrieben (Management, Personal, Einkaufs-Abt.) n = 1.082 5
1. Einleitung 1. Einleitung 2. Onsite-Werkverträge: Zum Untersuchungsgegenstand 3. Zentrale Ergebnisse der empirischen Untersuchung 3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung 3.2. Ergebnisse der Fallstudien 4. Praktische Implikationen (für das Personalmanagement) Zum Weiterlesen.. 6
2. Onsite-Werkverträge: Zum Untersuchungsgegenstand Dimension Leitfrage Mögliche Ausprägungen 1 Werkvertragsnehmer Wer ist Vertragspartner des Werkbestellers? Individuum/Freiberufler ( Solo- Selbstständigkeit ) Werkvertragsunternehmen / Fremdfirma 2 Räumliche Struktur Wo werden die Leistungen erbracht? In Betrieben des Werkvertragsunternehmens? vor den Toren Auf Betriebsgelände des Werkbestellers ( Onsite ) 3 Einsatzfelder der Werkvertragsarbeit skräfte Auf welche Tätigkeiten beziehen sich die Leistungen? Randbereiche der Wertschöpfung Zentrale Wertschöpfungsprozesse ( Kernbereiche bzw. Betriebszweck) 4 Zeitliche Dimension Wie dauerhaft ist die Beziehung? Begrenzte Zeiträume / Projekte von geringer Dauer Längerer, aber befristeter Zeitraum Langfristiger oder unbefristeter Werkvertrag 7
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Werkvertragsnutzer, Nicht-Nutzer und frühere Nutzer im Verarbeitenden Gewerbe nach Betriebsgröße (n=871, betriebsgewichtet) (Verbreitung) 100% Noch nie Werkverträge genutzt 90% 80% 70% 60% 50% 91,8% 66,1% 47,4% 11,2% 88,3% Werkvertragsnutzung liegt mehr als 12 zurück Werkvertragsnutzung innerhalb der letzten 12 Monate Onsite-Werkverträge in den letzten 12 Monaten 40% 30% 8,8% 20% 41,4% 10% 0% 2,7% 5,5% 1,3% 25,1% 8,1% 17,9 % 3,5% 8,2% 2,4% 0 bis 49 50 bis 249 mehr als 249 Gesamt 8
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Werkverträge und Onsite-Werkverträge im Einzelhandel nach Betriebsgröße (n=217, betriebsgewichtet) (Verbreitung) 100,0% 90,0% 80,0% 70,0% 60,0% 50,0% 40,0% Werkverträge Onsite- Werkverträge 30,0% 20,0% 10,0% 0,0% 11,0% 8,0% 6,7% 2,6% 3,1% 0,0% 2,0% 0,3% 1 bis 19 20 bi 49 50 und mehr Gesamt 9
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Motive der Nutzung von Onsite-Werkverträgen (Verarb. Gewerbe und Einzelhandel) Quelle: IAQ-Betriebsbefragung Werkverträge 2014; n = 92 97; ungewichtete Daten (Einzelhandel und verarbeitendes Gewerbe), in Prozent 10
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung WVAK erhalten eine geringere Entlohnung als unsere Stammbelegschaft WVAK arbeiten häufiger Überstunden als unsere Stammbelegschaft WVAK haben längere Arbeitszeiten als unsere Stammbelegschaft 0% 20% 40% 60% 80% 100% Stimmt voll und ganz stimmt zum Teil stimmt nicht stimmt überhaupt nicht Quelle: Betriebsbefragung Onsite-Werkverträge 2014 n=60 bis 80; ungewichtet 11
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Antworten auf die Frage: Wer haftet bei Schäden oder wer übernimmt die Kosten, falls Nacharbeiten erforderlich sind? 38 4 in der Regel der Besteller 58 in der Regel das Werkvertragsunternehmen unterschiedlich / fallabhängig Quelle: Betriebsbefragung Onsite-Werkverträge 2014 n=96; ungewichtete Daten 12
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Praxis der Werkvertragsnutzung Wer gibt Anweisungen? 26 18,8 55,2 Leitungspersonal WV-U Unser Leitungspersonal beide Quelle: Betriebsbefragung Onsite-Werkverträge 2014 n=96; ungewichtete Daten 13
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Praxis der Werkvertragsnutzung Für welche Tätigkeiten werden Werkvertragsarbeitskräfte eingesetzt? 14 19 völlig gleiche Tätigkeiten 24 überwiegend gleich Tätigkeiten 43 überwiegend andere Tätigkeiten völlig andere Tätigkeiten Quelle: Betriebsbefragung Onsite-Werkverträge 2014 n=100; ungewichtete Daten 14
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Indikator: Kumulation von Indizien (Additiver Index: Haftung, Qualitätskontrolle, Anweisungen, Tätigkeiten, Nutzung getrennter Bereiche im Betrieb) 100 90 80 70 74 60 50 40 30 20 10 0 42 32 32 26 10 10 keines 1 2 3 bis 5 15
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Rechtssicherheit: Einschätzungen von Nicht-Nutzern und früheren Nutzern Quelle: Betriebsbefragung Onsite-Werkverträge 2014 N=454-673; ungewichtete Daten 16
3.1. Ergebnisse der quantitativen Erhebung Management von Onsite-Werkverträgen: Risiken der Nutzung von Onsite- Werkverträgen Ziele der Werkvertrags-Nutzung wurden voll und ganz erreicht 88 Bei Nutzung von Werkvertragsunternehmen sind Preis und Koordinationsaufwand höher als bei Gesamtkosten bei Werkverträgen sind höher als die Gesamtkosten bei vergleichbaren Leistungen Insolvenz oder Kündigung eines Werkvertragsunternehmens würde Abläufe 32 29 42 Bei Arbeiten durch Werkvertragsarbeitskräfte treten häufiger Qualitätsmängel auf als bei eigenem Nutzung von Werkverträgen führt zu Wissensverlust Einsatz von Werkvertragsarbeitskräften schafft Konflikte mit Stammbelegschaft 5 11 16 0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100 17
3.2. Ergebnisse der Fallstudien 18
3.2. Ergebnisse der Fallstudien Schlaglichter aus den Interviews: Sabotage (NI 1-BW-WB-Mgt 1). Es ist mittlerweile nach meiner Erfahrung sehr schwierig, leistungswilliges Personal zu bekommen. Es ist kaum in Deutschland zu bekommen (NI 1-BW-WB-Mgt 1). Dieser Mitarbeiter arbeitet jetzt sehr eng mit einem anderen Mitarbeiter zusammen. Das heißt also: Nach einer gewissen Zeit ist es ja mein Mitarbeiter [Betonung auf mein durch den Gesprächspartner; Anm. d. Verf.], der hier ist, der dem Auswärtigen sagt: Machen sie mal das. Machen sie mal dies. Das bedeutet, dass da eine sehr enge Zusammenarbeit entsteht, die man schlecht isolieren kann (ME 1-BW-WB-Mgt 1). Wir haben dann an der einen oder anderen Stelle Contraktoren, wo man sagen muss, da wäre es eigentlich besser, wenn diese Kernfunktion oder Kernkompetenz bei uns wäre (ME 1-BW-WB-Mgt 1). 19
3.2. Ergebnisse der Fallstudien Schlaglichter aus den Interviews (2): Der interne Verrechnungssatz für unsere eigenen Ingenieure ist etwas höher wie der von den Externen, obwohl das wahrscheinlich so eine kleine Milchmädchenrechnung ist, weil ja die gesamte Infrastruktur auch von den Externen genutzt wird, obwohl die dafür quasi nichts bezahlen (ME 1-BW-WB-Mgt 1). 20
3.2. Ergebnisse der Fallstudien Getränke Süßwaren Milch Maschinenbau Fahrzeugbau Lebensmittel B X X X?? X Abhängigkeit X X?? Störungen X X X? X Fehlselektionen Personalprobleme WU Scheinwerkvertrag Betrug Sabotage Strafzahlungen X X X X X X? X X X?? X?? X X Insolvenzen X X X X Konflikte mit BR X X X 21
3.2. Ergebnisse der Fallstudien Getränke Milch KoLeiRechnung X X X X X X Imageschaden? X X X Süßwaren Maschinenbau Fahrzeugbau Kundenbeschwerden Reorganisationsaufwand Behinderung Kompetenzaufbau Konflikte zwischen WU s. Lm B X X X X X X X X X 22
4. Praktische Implikationen (für das Personalmanagement) Allgemein Vorsicht: unerkannte Handlungsbedingungen unerkannte Handlungsfolgen und deren Rückkopplungseffekte Kosten-Leistungsrechnung ist nicht auf zwischenbetriebliche Beziehungen ausgerichtet erheblicher Aufwand ein entsprechendes Kostenrechnungssystem zu etablieren und zu praktizieren Auflösung der strikten Trennung zwischen den Beschäftigten in sozialen Prozessen Gefahr der Scheinwerkverträge Abhängigkeiten können sehr teuer werden Autonomie- Abhängigkeitsmanagement erforderlich Onsite-Werkvertragsvergabe als mikropolitischer Prozess Reflexion auf Akteurskonstellationen, Ressourcen, Regeln Onsite-Werkverträge als Managementmode 23
4. Praktische Implikationen (für das Personalmanagement) Personalmanagement als proaktiver und strategischer Akteur, das (ggfs. im Zusammenspiel mit dem Betriebsrat und anderen Abteilungen) Planungen beeinflusst Beeinflussung der Unternehmungsstrategie Veränderung der Bedeutung von Abteilungen Schwächung der Betriebsräte Schwächung der Personalabteilung? Hohe Dynamik in der zwischenbetrieblichen Zusammenarbeit Notwendigkeit eines Personalmanagements über Unternehmensgrenzen hinweg ohne Scheinwerkverträge zu praktizieren Auswahl, Aufgabenverteilung, Koordination und Bewertung beeinflussen 24
4. Praktische Implikationen (für das Personalmanagement) Im Bereich formal hochqualifizierter Arbeit: Keine systematischen Lernprozesse Wissensverluste (inter-) organisationale Lernprozesse organisieren Innovationsmanagement (in Netzwerken) Im Bereich formal geringqualifizierter Arbeit: Neue Managementaufgaben Schaffung menschenwürdiger Unterbringung Absicherung gegen Imageschäden durch Verankerung sozialer Mindeststandards Network Social Responsibility Führungskräfteentwicklung HRM für formal Geringqualifizierte 25
Zum Weiterlesen.. Hertwig, M./Kirsch, J./Wirth, C. (2015): Onsite-Werkverträge: Verbreitung und Praktiken im Verarbeitenden Gewerbe. In: WSI- Mitteilungen, 68(6), S. 457-465 Hertwig, M./Kirsch, J./Wirth, C. (2016): Onsite- Werkverträge: Mitbestimmung im Leerlauf oder Handlungsfeld für Betriebsräte? In: Arbeit und Recht, 64 (4), S. 141-145. Weitere Veröffentlichungen aus dem Projekt Praktiken der Onsite-Werkvertragsvergabe in Deutschland : Hertwig, M./Kirsch, J./Wirth, C. (2015): Eine neue Wertschöpfungskette? Onsite-Werkverträge in Deutschland. In: Die Mitbestimmung, 61 (7/8), S. 18-21. Hertwig, M./Kirsch, J./Wirth, C. (2016): Onsite-Werkverträge und Industrielle Beziehungen: Praktiken der Betriebsräte zwischen Ablehnung und Akzeptanz. In: Industrielle Beziehungen Zeitschrift für Arbeit, Organisation und Management, 23 (2), S. 113-141. Hertwig, M./Kirsch, J./Wirth, C. (2016): Betriebsräte brauchen mehr Mitbestimmung bei Werkverträgen. In: Gegenblende, 8 (36). Abrufbar unter http://www.gegenblende.de/36-2016/++co++df16c368-fc9a-11e5- b38a-52540066f352. 26
Ich stehe nun für Ihre Fragen gerne zur Verfügung! 27