Rechtswissenschaftliches Institut. Grundrechte. Vorlesung Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 1

Ähnliche Dokumente
Soziale Grundrechte. Vorlesungen vom 22. und 25. November 2011 Prof. Christine Kaufmann Herbstsemester 2011

Soziale Grundrechte. Ziele. Ziele des Sozialstaates. Staatsrecht I. Vorlesung vom 17. Nov

Die Funktionen der Grundrechte

Grundrechte: Grundlagen. Ziele. Fallbeispiele. Staatsrecht I. Vorlesung vom 6. und 9. Oktober

Grundrechte: Grundlagen. Ziele. Menschenrechte/Bürgerrechte. Staatsrecht I Vorlesungen vom 7./10. Oktober 2008

Modul XI Monopole und Konzessionen

WS 2008/09 GLIEDERUNG

Begriff der Grundrechte

Vorwort. Internetadressen. Sachregister 563. Erster Teil: Allgemeine Grundrechtslehren 1

Grundrechte. Rechte gegen, durch, im und mit dem Staat Hartmut Vöhringer

GRUNDRECHTE Funktion Gewährleistungen Beschränkungen

Vorlesung Staatsrecht II. Prof. Dr. Dr. Durner

Übungen im öffentlichen Recht I Fall 5

Inhaltsverzeichnis. 1. Teil - Allgemeine Grund rechtslehren 1. A. Menschenrechte, Bürgerrechte, Grundrechte 3

GRUNDRECHTE IN DER GLEICHSTELLUNGS- UND INTEGRATIONSARBEIT Möglichkeiten und Grenzen

Kinder- und Jugendrechte in der Schweiz

Die einzelnen Freiheitsrechte I. Ziele. Übersicht: Persönliche Freiheit. Staatsrecht I. Vorlesungen vom 16./20. Okt.

Vorlesung Staatsrecht II

Grundrechte im Umweltrecht Wirkungen und Konstellationen

Schülerrechte Grundlegendes. Grundlegendes zum Thema Schulrecht

Der ETH-Rat beschränkt für einen bestimmten Studiengang die Anzahl Studienplätze (numerus clausus).

Bundesstaatsrecht Übung III

III. Rechtsbindung der Verwaltung

Vorlesung Öffentliches Recht I. Wirtschaftsfreiheiten III

Die einzelnen Freiheitsrechte II

Gliederung der Vorlesung

ÖFFENTLICHES RECHT I. Kontrollfragen zu 1: System und Grundbegriffe der deutschen Rechtsordnung

Verfassungsrechtliche Grenzen des Zugangsanspruchs Dritter zur Eisenbahninfrastruktur

Grund- und Menschenrechte von Folter- und Kriegsopfern

Sterbehilfe aus juristischer Sicht

Schweizer Bürgerrecht

Gesetzestext (Vorschlag für die Verankerung eines Artikels in der Bundesverfassung)

Vorlesung Telekommunikationsrecht. Datenschutz und öffentliche Sicherheit I

Gliederung. Öffentliches Recht I Sommersemester PD Dr. Jürgen Kühling, LL.M. A. Einführung. I. Konzept der Vorlesung

Prof. Dr. Christoph Gröpl Staatsrecht II Grundrechte Universität des Saarlandes

Kompetenzverteilung Bund/Kantone. Übersicht. Grundsatz von Art. 3 BV (1/3) Staatsrecht II Vorlesung vom 30. März 2010

Care-Migration: Von gesellschaftlichen Realitäten und menschenrechtlichen Pflichten

Inhaltsverzeichnis. Seite

Prof. Dr. Christoph Gröpl Presse- u. Rundfunkrecht Universität des Saarlandes

ich bin frei. Artikel 1: 60 JAHre MeNSCHeNreCHte ich SCHütze Sie Sie SCHützeN MiCH www. w amnesty.yde/60jahre

Militärpolizei in Rumänien

Denkmalschutz - mögliche Lösung. Die Verfassungsbeschwerde der D-AG hat Erfolg, wenn sie zulässig und begründet ist.

Studiengang HBK/TU Braunschweig MEDIENWISSENSCHAFTEN

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Staatliche Neutralität bei der Vergabe öffentlicher Aufträge

Staatsrecht II Rechtsstellung der Ebenen im Bundesstaat Bundesgarantien für die Kantone Eidgenossenschaft als Bundesstaat

Auslegung des öffentlichen Rechts. Ziele. Grundlagen (1/3) Staatsrecht I Vorlesung vom 2. Oktober 2009

Rechtsgleichheit und Diskriminierungsverbot. 11. und 15. November 2011 PD Patricia Schiess Herbstsemester 2011

Kinder- und Jugendpolitik in der Schweiz : Fragen, Herausforderungen und Perspektiven

Vorlesung Öffentliches Recht I. Einführung

Inhaltsübersicht Literaturverzeichnis Materialienverzeichnis Abkürzungsverzeichnis

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft

Fall 7: Eigentumsgrundrecht (Art. 14 I GG)

Kinderrechte sind das Fundament

6. Exkurs: Bedeutung des kantonalen Verwaltungsrechts 37 VI. Gewährleistung der Kantonsverfassungen 39

Übungen Recht II FS Wirtscha8s- und Sozialwissenscha8liche Fakultät der Universität Fribourg Susanne Brütsch, MLaw

Modul 55104: Deutsches und Europäisches Verfassungsrecht

Künstliche Befruchtung aus juristischer Sicht

1. Freier Warenverkehr

Lösungsvorschlag: Akupunktur

Prof. Dr. Bernhard Rütsche Ordinarius für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie

Verwaltungsrecht I. Wintersemester 2015/16. Einführung. 1. Vorlesung. Priv.-Doz. Dr. Ulrich Jan Schröder

Aarau, 24. Juni

NORMATIVITÄT DER VERFASSUNG STAATSRECHT II STAATSORGANISATIONSRECHT VERFASSUNGGEBENDE GEWALT DES VOLKES DR. ULRICH PALM

Verfassungsinhalte. Verfassungsprinzipien. Organisationsregeln. Kompetenzen (Art. 44) Grundrechte. (Art. 62) Freiheitsrechte (Art. 1, 2, 4 ff.

Konversatorium zum Grundkurs Öffentliches Recht II Grundrechte Fall 5: Obligatorische Zivilehe

Fall 6 - Schweinestall

Rechtswissenschaftliches Institut. Verwaltung Verwaltungsrecht

Vernehmlassungsverfahren 27 quater Sozialziele 80 57d 66 Ausbildungsbeihilfen

Rechtliche Grundlagen FeM - ambulant

Die Öffentlichkeit von Strafbefehlen und Einstellungsverfügungen

Baustelle Demokratie

Grundkurs Öffentliches Recht II im Wintersemester 2016/17

Modul 55104: Staats- und Verfassungsrecht

Übung zur Vorlesung im Öffentlichen Recht: Grundrechte und Verfassungsprozessrecht Wiss. Mitarbeiterin Andrea Löher Universität Trier

Hartmut Aden Grundrechte, Grundfreiheiten und Rechtsanwendungstechnik für die Sicherheitsbranche

G. Prüfung der Verletzung eines Gleichheitsrechts

Lösung Fall 1 Die verlängerte Legislaturperiode. Frage 1: Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes

Die Geltung des nemo tenetur - Grundsatzes für juristische Personen

Spannungsverhältnis Demokratie. Menschenrechte versus Volksrechte in der Schweiz

Überwachung von Abgeordneten des Deutschen Bundestages durch den Verfassungsschutz

Fallbesprechung zum GK ÖR III

Sozialversicherungsrecht I (Grundlagen)

Foliensatz von Kaspar Zbinden vom Version 3.0.

Übungen Öffentliches Recht III

STAATSBEGRIFF klassische Definition: erweiterte Definition:

2: System, Funktionen, Ausgestaltung

VERWALTUNGSGERICHT DES KANTONS ST.GALLEN

Datenschutz in der Volksschule

Das Recht auf Selbstbestimmung in der Humanforschung

I. Die Schweiz in der internationalen Gemeinschaft

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Kinderrechte: Entstehung, Inhalt, Notwendigkeit und Durchsetzung

Typische Klausurprobleme zur öffentlichrechtlichen Streitigkeit i. R. d. 40 I 1 VwGO

Vielfalt anerkennen Teilhabe und Gerechtigkeit. Tagung der PH an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Aarau 14. Nov. 2015

Abschlussbesprechungen 2. Teil

Empfehlung der Kultusministerkonferenz zur Förderung der Menschenrechtserziehung in der Schule

Psychische Behinderung und das Verbot der Diskriminierung Tagung «Diagnose: Psychisch behindert»

GLÜCKSSPIEL ALS GRUNDRECHT?

Transkript:

Grundrechte Vorlesung Prof. Dr. Andreas Glaser 22.09.2016 Seite 1

Allgemeine Grundrechtslehren

Grundrechte für Primaten? - Kantonale Volksinitiative «Grundrechte für Primaten», eingereicht am 22. Juni 2016 im Kanton Basel-Stadt durch den Verein «Sentience Politics» - Ablauf der Sammelfrist: 22. Dezember 2017 - Forderung: Recht auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit für nichtmenschliche Primaten: «11 Grundrechtsgarantien 2 Diese Verfassung gewährleistet überdies: Bild: Zoo Basel c. (neu) Das Recht von nichtmenschlichen Primaten auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit.» 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 3

Rechtswissenschaftliches Institut Auswirkungen auf die rechtliche Beurteilung? 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 4

Begriffe Grundrechte= grundlegende Rechte des Einzelnen gegenüber dem Staat, die durch eine Verfassung oder durch Völkerrecht gewährleistet sind Menschenrechte = Grundrechte, die jeder natürlichen Person zustehen o Beispiel: Recht auf Hilfe in Notlagen (Art. 12 BV: «wer») o Beispiel: Rechtsgleichheit (Art. 8 Abs. 1 BV: «alle Menschen») Bürgerrechte= Grundrechte, die den Bürger/innen eines bestimmten Staates vorbehalten sind o Beispiel: Niederlassungsfreiheit (Art. 24 Abs. 1 BV: «Schweizerinnen und Schweizer») 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 5

Begriffe Verfassungsmässige Rechte (vgl. Art. 189 Abs. 1 Bst. d BV) = justiziable Rechtsansprüche, die nicht ausschliesslich öffentliche Interessen, sondern auch Interessen und Schutzbedürfnisse des Einzelnen betreffen und deren Gewicht so gross ist, dass sie nach dem Willen des demokratischen Verfassungsgebers verfassungsrechtlichen Schutzes bedürfen Beispiele: o Gewaltenteilungsgrundsatz o Vorrang des Bundesrechts (Art. 49 Abs. 1 BV) o Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Art. 127 Abs. 2 BV) 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 6

Rechtsquellen Bundesverfassung: Art. 7 36 BV Kantonsverfassungen o Art. 9 18 KV ZH o 7 24 KV AG EMRK UNO-Pakt I und II 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 7

Dimensionen von Grundrechten Geltung der Grundrechte in der gesamten Rechtsordnung (Art. 35 Abs. 1 BV) Grundsatz: Grundrechte als subjektive Ansprüche des Einzelnen gegenüber dem Staat (vgl. Art. 35 Abs. 2 BV: «wer staatliche Aufgaben wahrnimmt») o Abwehransprüche o Leistungsansprüche o Schutzansprüche Ausnahmen: o Wirksamkeit der Grundrechte unter Privaten bei entsprechender Eignung des betreffenden Grundrechts (Art. 35 Abs. 3 BV) sog. «mittelbare Drittwirkung» o Unmittelbare Drittwirkung gemäss Art. 8 Abs. 3 S. 3 BV: «Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit.» 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 8

Grundrechtsbindung Alle Stellen, die staatliche Aufgaben wahrnehmen (Art. 35 Abs. 2 BV) sämtliche Behörden und sonstigen öffentlich-rechtlich organisierten Aufgabenträger in Bund, Kantonen und Gemeinden Problematisch: Privatrechtlich organisierte Träger o Beispiele: SBB AG, Schweizerische Post AG, AXPO AG vgl. BGE 129 III 35 (Schweizerische Post gegen Verein gegen Tierfabriken) o Massgebliches Abgrenzungskriterium: staatliche Aufgabenwahrnehmung = Verantwortlichkeit des öffentlichen Gemeinwesens für die Aufgabenerfüllung 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 9

Schutzbereich von Grundrechten: Persönlicher Schutzbereich Natürliche Personen o Stets Grundrechtsträgereigenschaft o Jedoch Beschränkungen bei Bürgerrechten auf Schweizer/innen o Beginn: Geburt, Ende: Tod o Grundrechtsmündigkeit der Kinder «im Rahmen ihrer Urteilsfähigkeit» (Art. 11 Abs. 2 BV) Juristische Personen o Grundrechtsträgereigenschaft bei Eignung des konkreten Grundrechts seiner Natur nach Eigentumsgarantie (Art. 26 BV), Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) o Ausnahmsweise auch jur. Personen des öffentlichen Rechts, wenn sie privatrechtlich handeln und wie eine Privatperson betroffen sind 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 10

Schutzbereich von Grundrechten: Sachlicher Schutzbereich Definition des Lebensbereichs, der Tätigkeit, des Interesses der Person, die vor staatlichen Eingriffen grundsätzlich geschützt sind o Beispiele: «Leben» (Art. 10 Abs. 1 BV), «persönliche Freiheit» (Art. 10 Abs. 2 BV), «Religion» (Art. 15 Abs. 2 BV), «Meinung» (Art. 16 Abs. 2 BV), «Eigentum» (Art. 26 Abs. 1 BV), «freie Wahl des Berufes» (Art. 27 Abs. 2 BV) Kein umfassender Schutz aller Lebensbereiche und Tätigkeiten Kerngehalt des jeweiligen Grundrechts (vgl. Art. 36 Abs. 4 BV) als Ausschnitt des sachlichen Schutzbereichs mit engem Bezug zur Menschenwürde (Art. 7 BV) Relevanz für Einschränkbarkeit eines Grundrechts 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 11

Einschränkung eines Grundrechts Eingriff = Berührung des sachlichen Schutzbereichs eines Grundrechts o Rechtsförmiger und unmittelbarer Eingriff = staatliche Massnahme, durch die der Schutzbereich eines Grundrechts bewusst und gewollt eingeschränkt wird Beispiel: Verfügung, mit der gewerbliche Tätigkeit einer Person untersagt wird o Faktischer Eingriff = nicht rechtsförmige, faktische Massnahmen (Realakte) Beispiel: Aufhängen eines Kruzifixes in staatlichem Schulzimmer o Mittelbarer Eingriff = nicht gewollt an den Grundrechtsträger gerichtete Einschränkungen bei hinreichender Intensität der Beeinträchtigung Beispiel: Sperrung einer Strasse, an der ein Betrieb gelegen ist 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 12

Einschränkbarkeit eines Grundrechts Grundsatz: Einschränkbarkeit von Grundrechten unter den Voraussetzungen von Art. 36 Abs. 1 3 BV Ausnahme: Kerngehalt uneinschränkbar! (Art. 36 Abs. 4 BV) Anwendbarkeit: o Freiheitsgrundrechte (Art. 10, 13 18, 20 24, 26 28 Abs. 1 BV) o Einzelne Elemente (insb. Verhältnismässigkeitsprinzip, teilweise öffentliches Interesse) Beispiele: insb. Diskriminierungsverbot (Art. 8 Abs. 2 BV), z.t. Anspruch auf ausreichenden Grundschulunterricht (Art. 19 BV), Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), Öffentlichkeit von Gerichtsverhandlungen (Art. 30 Abs. 3 BV) Je nach Garantie unterschiedliche bundesgerichtliche Prüfprogramme o Nicht einschränkbar oder je eigenes Prüfprogramm: Art. 7, 8 Abs. 1, 9, 11, 12, 24, 25, die meisten in Art. 29 32 verankerten Verfahrensgarantien, Art. 33 34 BV 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 13

Einschränkungsvoraussetzungen 1. Gesetzliche Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV) Grundsatz (Art. 36 Abs. 1 S. 1 BV): Generell-abstrakte Norm (Verfassung, Gesetz, Verordnung) Verschärfende Ausnahme (Art. 36 Abs. 1 S. 2 BV): Schwerwiegende Einschränkungen zwingend durch formellesgesetz demokratische Legitimation! Erleichternde Ausnahme (Art. 36 Abs. 2 S. 3 BV): Entbehrlichkeit einer gesetzlichen Grundlage im Fall ernster, unmittelbarer und nicht anders abwendbarer Gefahr (sog. «polizeiliche Generalklausel») 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 14

Einschränkungsvoraussetzungen 2. Eingriffsrechtfertigende Interessen (Art. 36 Abs. 2 BV) Spezialregelung zu Art. 5 Abs. 2 BV Öffentliches Interesse o Interessen, die in der Rechtsordnung Anerkennung gefunden haben o Insbesondere Polizeigüter = öffentliche Sicherheit, öffentliche Ordnung, öffentliche Gesundheit, öffentliche Ruhe, öffentliche Sittlichkeit Schutz von Grundrechten Dritter o Ausgleich von Grundrechtskollisionen o Beispiel: Einschränkung der Meinungsfreiheit zugunsten des Schutzes des Privatlebens 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 15

Einschränkungsvoraussetzungen 3. Verhältnismässigkeit (Art. 36 Abs. 3 BV) Spezialregelung zu Art. 5 Abs. 2 BV Eignungder einschränkenden Massnahme zur Erreichung des hiermit bezweckten öffentlichen Interesses resp. Grundrechtsschutzes Dritter Erforderlichkeitder Massnahme im Hinblick auf zur Zweckerreichung gleichermassen geeignete, in ihrer Eingriffsintensität aber mildere Massnahmen Zumutbarkeit der Massnahme: Abwägung zw. Gewicht des verfolgten öffentlichen Interesses resp. des Grundrechtsschutzes Dritter und der Intensität der Grundrechtseinschränkung 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 16

Einschränkungsvoraussetzungen 4. Keine Beeinträchtigung des Kerngehalts (Art. 36 Abs. 4 BV) Unzulässigkeit einer Beeinträchtigung des Kerngehalts eines Grundrechts Gesonderte Ermittlung des Kerngehalts für jedes Grundrecht Vereinzelte Normierung o Recht auf Leben: Verbot der Todesstrafe (Art. 10 Abs. 1 S. 2 BV) o Recht auf körperliche und geistige Unversehrtheit: Verbot der Folter (Art. 10 Abs. 3 BV) Problematisch: Ermittlung des Kerngehalts eines Grundrechts 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 17

Grundrechtsprüfung: Schema Fällt eine staatliche Massnahme in den Schutzbereich eines Grundrechts, auf das sich der Betroffene berufen kann? Stellt die Massnahme einen Eingriffin den Schutzbereich des Grundrechts dar? Ist der Eingriff verfassungskonform, indem er die Voraussetzungen von Art. 36 BV erfüllt? Gesetzliche Grundlage? Öffentliches Interesse oder Grundrechte Dritter? Verhältnismässigkeit? Kerngehalt? 22.09.2016 Prof. Dr. Andreas Glaser Seite 18