Neues Trassenpreissystem der DB: Ursache für weitere Marktanteilsverluste des Schienenverkehrs?

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Transkript:

Neues Trassenpreissystem der DB: Ursache für weitere Marktanteilsverluste des Schienenverkehrs? Konferenz Verkehrsökonomik und -politik Berlin, 11.Juni 2015 Hans Leister, Zukunftswerkstatt Schienenverkehr

Nutzer-Finanzierung Verkehrs-Infrastruktur Idee Anfang der 1990er Jahre: Verkehrsreform, Anlastung der Infrastrukturkosten nutzungsabhängig auf die Nutzer. Erster Baustein: Bahnreform 1.1.1994. Schienenverkehr: Nutzungsabhängige Anlastung der Vollkosten aus Betrieb, Instandhaltung und eines Teils Investitionen auf die Nutzer. Auf die nutzungsabhängige Anlastung der Infrastrukturkosten bei anderen Verkehrsträgern warten wir bis heute! (Mineralölsteuer ist eine Energiesteuer, keine Straßen- Infrastrukturabgabe. Der Schienenverkehr zahlt sie ebenso wie der Straßenverkehr, elektrische angetriebene Straßenfahrzeuge zahlen nichts.)

Streitwert Trassenpreis EU Regel: Trassenpreis muss mindestens die unmittelbaren Kosten der Zugfahrt decken. Aufschläge bis zur Vollkostendeckung können erhoben werden. Trassenpreise spielen heute rd. 4,3 Mrd Euro pro Jahr für DB Netz ein. Nach TPS 2017 beabsichtigt DB Netz: 1/3 Anlastung als unmittelbare Kosten des Zugbetriebs, 2/3 als Aufschlag nach Markttragfähigkeit der Marktsegmente. Heute werden die 4,3 Mrd. Euro zu fast 2/3 vom SPNV bezahlt (rd. 2,8 Mrd.). Güterverkehr trägt 700 Mio, Fernverkehr ca. 830 Mio. Die Trassenpreise des SPNV sind de facto Teil der vom Bund an die Länder überwiesenen Regionalisierungsmittel.

TPS 2017: Verteilung Vollkosten Schienennetz nach relativer Markttragfähigkeit 1. Die absolute Markttragfähigkeit für die Vollkostenanlastung der Infrastrukturkosten ist nicht gegeben. 2. Daher ergibt die noch so gerechte Verteilung der Vollkosten nach relativer Markttragfähigkeit keinen Sinn, sondern führt zu weiteren Marktanteilsverlusten des Schienenverkehrs. 3. Die Markttragfähigkeit des SPNV (rd. zwei Drittel des Trassenpreisaufkommens) ist ein absurder Begriff, da es sich gerade nicht um einen Markt handelt. Gefahr: Der untaugliche Versuch der Verteilung von Vollkostenaufschlägen nach relativer Markttragfähigkeit führt bei nicht gegebener absoluter Markttragfähigkeit zu Marktanteilsverlusten.

Beispiel Schienenpersonen-Fernverkehr DB Fernverkehr zahlt rd. 1 Mrd. Euro pro Jahr für Infrastrukturkosten (rd. 830 Mio Trassenpreise plus Stationspreise plus Anlagenkosten, z.b. Abstellgleise). DB Fernverkehr macht einen Umsatz im Schienenpersonen-Fernverkehr von rd. 3,9 Mrd. Euro. Über 25% des Umsatzes müssen für die Infrastruktur aufgewandt werden!

Beispiel Schienenpersonen-Fernverkehr

Beispiel Schienengüterverkehr

Trassenpreis wirkt im Markt wie eine Schienenverkehrssteuer

Ist die Bus-Maut die Lösung? Mit der Bus-Maut wären die beiden tendenziell umweltfreundlichen und energieeffizienten Verkehrsmittel mit Infrastrukturkosten belastet, Bus und Bahn. Der Marktführer Individualverkehr sowie der Luftverkehr wären damit noch erfolgreicher im Markt, zum Schaden von Energiebilanz und Klima. Solange der Pkw keine nutzungsabhängige Maut bezahlt, wäre die Busmaut ungerecht: Warum sollen 50 Leute in einem Auto bezahlen, eine Person allein nicht?

Vollkosten-Anlastung für alle? Oder: günstig für alle? Die Anlastung aller Kosten von 644.000 km Straßennetz auf die Nutzer dieses Straßennetzes, Pkw, Lkw und Bus, war das visionäre Ziel der Verkehrsreform, die bei der Bahnreform vollzogen ist. Real ist die Vollkosten- Anlastung auf der Straße in absehbarer Zeit nicht umsetzbar. Auch die Erweiterung der Lkw-Maut bringt nur bedingt Entlastung für den Schienengüterverkehr. Die Nicht-Anlastung der Vollkosten der Verkehrsinfrastruktur kann als Wirtschafts- Fördermaßnahme bei hoher Energiebesteuerung - durchaus sinnvoll sein. Dann aber bitte für alle, auch für die Schiene!

Erwartung an die Bundesnetzagentur und DB Netz Die Schienen-Branche erwartet Ehrlichkeit: Wenn die absolute Markttragfähigkeit nicht gegeben ist, muss man das der Bundesregierung und dem Gesetzgeber auch laut und deutlich sagen. Verteilung der Vollkosten nach relativer Markttragfähigkeit im Schienen-System ist keine sinnvolle Option und bedeutet weitere Marktanteilsverluste für die Schiene.

Vorschlag: Deutliche Reduzierung der Trassenpreise Über die Regionalisierungsmittel bezahlt der Bund ohnehin rd. 2/3 der Trassenpreise. Eine Halbierung der Trassenpreise würde den Bund so netto nur 600 Mio Euro kosten. Die übrigen 1,2 Mrd Euro könnten von den Regionalisierungsmitteln umgeschichtet werden.

Initialzündung für mehr Schienenverkehr Eine deutliche Reduzierung der Trassenpreise und ein höherer Beitrag des Bundes für die Schieneninfrastruktur wäre eine Harmonisierung der Infrastrukturfinanzierung, im Sinne vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen für Schiene und Straße. Ein ähnliches Modell hat heute bereits Österreich: Nur ein geringerer Teil der Schienen-Infrastrukturkosten wird direkt angelastet. Das führt zu geringeren Fahrpreisen und höherem Marktanteil der Schiene. Geringere Trassenpreise könnten auch in Deutschland bewirken, dass der Schienenverkehr in die Offensive gehen kann!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Hans Leister Zukunftswerkstatt Schienenverkehr General director passenger services, Europe Railroad Development Corporation hans.leister@hkx.de Präsident mofair