Dienstvereinbarungen Thomas Schmitz Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht
Rechtsnatur Eine Dienstvereinbarung ist ein schriftlicher, privatrechtlicher Vertrag, der für eine Einrichtung des Rechtsträgers zwischen Dienstgeber und MAV im Rahmen der gesetzlichen Aufgaben der Mitarbeitervertretung und für die von ihr repräsentierte Belegschaft zur Festlegung von Rechtsnormen über den Inhalt, den Abschluss oder die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zustandekommt. Die Betriebsparteien bestimmen den sachlichen und personellen Geltungsbereich der Dienstvereinbarung. Schranken für die Festlegung des persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs ergeben sich aus der durch das Gesetz eingeräumten Rechtsetzungskompetenz und der Regelung der Zuständigkeit der Betriebsparteien (BAG, Urt. v. 1.8.01-4 AZR 82/00 - AP 613 a BGB Nr. 225).
Zweck Dienstvereinbarungen haben den Zweck, dass die Beteiligung der MAV in einer Vielzahl von Sachverhalten mit identischem oder gleichem Gegenstand abstrakt-generell geregelt wird, um hinsichtlich der beabsichtigten Maßnahme die Mitbestimmung nicht konkret-individuell durchzuführen (LAG Hamm, Urt. v. 29.4.10-11 Sa 1464/09 - BeckRS 10, 72062). Der Abschluss einer Dienstvereinbarung stellt sich als vorweggenommene Mitbestimmung dar (BVerwG, Urt. v. 30.3.09-6 PB 29/08 - ZTR 09, 339).
Rechtsetzungskompetenz der Betriebsparteien Eine Dienstvereinbarung bedarf aufgrund der normativen Wirkung einer Ermächtigungsgrundlage. Die unmittelbare und zwingende Wirkung einer Dienstvereinbarung erfordert eine nach dem Gesetz bestehende Ermächtigungsgrundlage (BAG, Urt. v. 10.10.06-1 AZR 811/05 - NZA 07,637). Dienstgeber und Mitarbeitervertretung sind zum Abschluss von Dienstvereinbarungen nur über Angelegenheiten berechtigt, für die nach der Mitarbeitervertretungsordnung eine Rechtsetzungskompetenz besteht (BAG, Urt. v. 14.3.12-7 AZR 147/11 - NZA 12, 1183).
Rechtsetzungskompetenz der Betriebsparteien Nach 28 II MAVO sind Dienstvereinbarungen nur zulässig, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen nach 38 I Nr. 2-13 MAVO gegeben sind oder nach 38 I Nr. 1 MAVO eine Öffnungsklausel in den kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien besteht, die den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen regelt. Im Gegensatz zum Betriebsverfassungesetz besteht keine umfassende Regelungskompetenz der Betriebsparteien, die den Abschluss einer freiwilligen Dienstvereinbarung ermöglicht (BAG, Urt. v. 16.3.04-9 AZR 93/03 - AP 2 ArbzG Nr. 2). Nach 55 MAVO kann durch anderweitige Regelung oder Vereinbarung das Mitarbeitervertretungsrecht nicht abweichend von der Mitarbeitervertretungsordnung geregelt werden.
Rechte und Pflichten aus einer Dienstvereinbarung I. Rechtsbeziehungen der Betriebsparteien Durchführung der Regelungen der Dienstvereinbarung Unterlassung dienstvereinbarungswidriger Maßnahmen II. Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien Unmittelbare und zwingende Wirkung
Durchführung der Regelungen der Dienstvereinbarung Unterlassung dienstvereinbarungswidriger Maßnahmen Die MAV hat einen Anspruch auf die Durchführung der Dienstvereinbarungen und die Unterlassung von dienstsvereinbarungswidrigen Maßnahmen. Dies folgt aus der Rechtsnatur der Dienstvereinbarung. Die Durchführungspflicht beinhaltet, dass der Dienstgeber durch geeignete technische oder organisatorische Maßnahmen sicherstellt, dass die Arbeitnehmer in der Einrichtung die Regelungen der Dienstvereinbarung beachten. Die Unterlassungspflicht impliziert die Einwirkung auf Dritte durch Vornahme aller möglichen und zumutbaren Handlungen in der Gestaltung der betrieblichen Arbeitsorganisation, um zu verhindern, dass die Regelungen der Dienstvereinbarung durch die Arbeitnehmer verletzt werden (BAG, Beschl. v. 29.4.04-1 ABR 30/02 - NZA 04, 670).
Durchführung der Regelungen der Dienstvereinbarung Unterlassung dienstvereinbarungswidriger Maßnahmen Die MAV hat einen Anspruch auf die Durchführung der Dienstvereinbarungen und die Unterlassung von dienstvereinbarungswidrigen Maßnahmen. Dies folgt aus der Rechtsnatur der Dienstvereinbarung. Die Durchführungspflicht beinhaltet, dass der Dienstgeber durch geeignete technische oder organisatorische Maßnehmen sicherstellt, dass die Arbeitnehmer in dem Betrieb die Regelungen der Dienstvereinbarung beachten. Die Unterlassungspflicht impliziert die Einwirkung auf Dritte durch Vornahme aller möglichen und zumutbaren Handlungen in der Gestaltung der betrieblichen Arbeitsorganisation, um zu verhindern, dass die Regelungen der Betriebsvereinbarung durch die Arbeitnehmer verletzt werden (BAG, Beschl. v. 29.4.04-1 ABR 30/02 NZA 04, 670).
Unmittelbare und zwingende Wirkung Nach 38 III a MAVO gelten Dienstvereinbarungen unmittelbar und zwingend. Unmittelbare Wirkung bedeutet, dass die Dienstvereinbarung Rechte und Pflichten im Arbeitsverhältnis begründet, ohne dass eine Willenserklärung der Vertragsparteien notwendig ist (BAG, Urt. v. 3.6.03-1 AZR 349/02 - AP 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt Nr. 19). Zwingende Wirkung bedeutet, dass durch andere Abmachungen von den Regelungen der Dienstvereinbarung nicht zum Nachteil der Arbeitnehmer abgewichen werden darf. Die Inhaltsnormen einer Dienstvereinbarung verdrängen danach vertragliche Regelungen. Als allgemeiner Grundsatz gilt das Günstigkeitsprinzip auch für das Verhältnis von Inhaltsnormen einer Dienstvereinbarung zu günstigeren vertraglichen Abreden (BAG, Beschl. v. 7.11.89 - GS 3/85 - NZA 90, 816).
Änderung einer Dienstvereinbarung Eine Dienstvereinbarung endet mit dem Inkrafttreten einer neuen Dienstvereinbarung über denselben Gegenstand. Im Verhältnis von Dienstvereinbarungen zueinander gilt das Ablösungsprinzip. Danach ersetzt die neue Regelung die frühere, auch wenn sie für die Arbeitnehmer ungünstiger ist. Es gilt nicht das Günstigkeitsprinzip, da es sich um gleichrangige Rechtsquellen handelt (LAG Köln, Beschl. v. 23.1.07-9 TaBV 66/06 - juris). Eine Kündigung der früheren Dienstvereinbarung ist nicht erforderlich (BAG, Urt. v. 14.8.01-1 AZR 619/00 - juris). Gleiches gilt, wenn eine neue Dienstvereinbarung nur teilweise die Regelungen der früheren Dienstvereinbarung ersetzt. Dann treten die früheren Regelungen insoweit außer Kraft (LAG Köln, Beschl. v. 6.9.05-4 Ta BV 41/05 - LAGE 98 ArbGG Nr. 44 a).
Beendigung einer Dienstvereinbarung Dienstvereinbarungen können von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Monatsende schriftlich gekündigt werden, 38 IV 2 MAVO. Die Kündigung der Dienstvereinbarung unterliegt grundsätzlich keiner inhaltlichen Kontrolle, insbesondere ist ein sachlicher Grund nicht erforderlich (LAG Rheinland- Pfalz, Urt. v. 24.7.12-3 Sa 82/12 - juris). Die Kündigung der Dienstvereinbarung erfordert neben dem Beschluss der MAV, der Einhaltung der Kündigungsfrist und des Kündigungstermins und dem Zugang der Willenserklärung an die andere Vertragspartei als richtigen Adressaten keine rechtlichen Voraussetzungen der Rechtswirksamkeit (BAG, Urt. v. 19.9.06-1 ABR 58/05 - juris).
Beendigung einer Dienstvereinbarung Die Mitarbeitervertretungsordnung beinhaltet nur Normen zu ordentlichen Kündigungen, doch steht dies der Zulässigkeit außerordentlicher Kündigungen nicht entgegen. Ein Dauerrechtsverhältnis kann durch außerordentliche fristlose Kündigung beendet werden, wenn die Fortsetzung bis zum vereinbarten Ende oder bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist einer Vertragspartei nicht zugemutet werden kann. Zu diesen Dauerrechtsverhältnissen gehören auch die Dienstvereinbarungen (BAG, Beschl. v. 28.4.92-1 ABR 68/91 - NZA 93, 31).
Nachwirkung einer Dienstvereinbarung Die Nachwirkung der Dienstvereinbarung ist in 38 V 1-3 MAVO geregelt. Im Fall der Ku ndigung wirkt die Dienstvereinbarung in den Angelegenheiten des 38 I Nrn. 2 bis 13 nach. In Dienstvereinbarungen nach 38 I Nr. 1 MAVO kann festgelegt werden, ob und in welchem Umfang darin begru ndete Rechte der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Außerkrafttreten der Dienstvereinbarung fortgelten sollen. Eine daru ber hinausgehende Nachwirkung ist ausgeschlossen.
Nachwirkung einer Dienstvereinbarung Nachwirkung bedeutet, dass die Dienstvereinbarung unmittelbar, aber nicht mehr zwingend gilt. Wenn die Nachwirkung besteht, gilt die Dienstvereinbarung für alle Arbeitsverhältnisse in ihrem Geltungsbereich, also nicht nur für diejenigen, die zum Zeitpunkt des Ablaufs begründet waren, sondern auch für die, die erst im Nachwirkungszeitraum begründet werden, da sich die Weitergeltung auf die normative Wirkung der Dienstvereinbarung nach 38 V MAVO entsprechend dem persönlichen und sachlichen Geltungsbereich bezieht. Insoweit besteht eine andere Rechtslage als bei der Nachwirkung eines Tarifvertrags (BAG, Urt. v. 22.7.98-4 AZR 403/97 - AP 4 TVG Nachwirkung Nr. 32).
Nachwirkung einer Dienstvereinbarung Eine zeitliche Begrenzung der Nachwirkung ist gesetzlich nicht geregelt (BAG, Urt. v. 15.10.03-4 AZR 573/02 - AP 4 TVG Nachwirkung Nr. 41). Die Nachwirkung endet, wenn die Regelungen der Dienstvereinbarung durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dies kann eine andere Dienstvereinbarung oder eine Regelungsabrede ivm mit einer einseitigen Leistungsbestimmung oder einer Änderung des Arbeitsvertrags sein.