Professor Dr. Peter Krebs. Bachelor - Deutsches und Europäisches Wirtschaftsrecht



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Professor Dr. Peter Krebs Bachelor - Deutsches und Europäisches Wirtschaftsrecht Modul 4.3: Übungen im Bürgerlichen Recht Lösungsvorschlag - Übungsfall 9 - Miete eines Geschäftslokals Frage 1 Vorüberlegung Ein eventueller Schadensersatzanspruch setzt einen Schaden seitens des M voraus. Nach 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB werden nur Schäden am Integritätsinteresse ersetzt. In dieser Hinsicht ist M dem Sachverhalt zufolge kein Schaden entstanden. Er begehrt den Ersatz seines positiven Interesses. Hierfür kommen nur die Minderung gem. 536 BGB oder ein Schadensersatzanspruch gem. 536a BGB in Betracht. I. Minderung M könnte gegen V einen Anspruch auf Herausgabe eines Teils des für den Monat November gezahlten Mietzinses aus 536 Abs. 1 S. 1 BGB i.v.m. 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB haben. 1. Herausgabeanspruch, 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB Für einen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch müsste M ohne Rechtsgrund eine Zahlung an V geleistet haben. - Vorliegend könnte eine Überzahlung angesichts geminderter Miete gem. 536 BGB einschlägig sein. - Dies setzt voraus, dass das spezielles Gewährleistungsrecht der 536 ff. BGB hier einschlägig ist. o Nach h.m. greift das spezielle Mietgewährleistungsrecht, sobald Mietsache übergeben wurde. Damit ist diese Voraussetzung erfüllt. a. Mietminderung gem. 536 Abs. 1 BGB Zu prüfen ist, ob sich der Mietzins des M für den Monat November gemindert hat. aa. Mietvertrag Ein wirksamer Mietvertrag zwischen V und M liegt vor. bb. Sachmangel Weiter müsste ein Sachmangel vorliegen. - Der Mangelbegriff des Mietrechts orientiert sich an dem des Kaufrechts. Vorrang hat der subjektive Fehlerbegriff, also Beschaffenheits- und Verwendungsvereinbarungen. o Laut Sachverhalt war im Mietvertrag ein Telefon- und Internetanschluss vereinbart. Hierin liegt eine Beschaffenheitsvereinbarung (ähnlich den 434 Abs. 1 S. 1, 633 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Anschluss betrifft außerdem unmittelbar die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache.

2 o Das Fehlen des Telefon- und Internetanschlusses im Monat November stellt mithin unproblematisch einen Sachmangel und damit zugleich eine Minderung der Gebrauchstauglichkeit dar. Zwischenergebnis: Die Miete hat sich gem. 536 Abs. 1 BGB um einen noch zu bestimmenden Betrag gemindert b. Verlust der Gewährleistungsrechte gem. 536b BGB M könnte seine Gewährleistungsrechte gem. 536b BGB verloren haben. - 536b BGB schließt die Gewährleistungsrechte der 536 f. BGB aus, wenn der Mieter den Mangel bei Vertragsschluss kennt oder fahrlässig nicht kennt. o M kannte den Mangel bei Vertragsschluss nicht. o M wusste aber, dass die Bauarbeiten noch nicht weit gediehen sind. DIese fälschliche Einschätzung ohne weitere Nachfrage kann angesichts der Häufigkeit von Terminschwierigkeiten bei Bauwerken als grob fahrlässig eingestuft werden (a.a. gerade noch vertretbar). - Der Gewährleistungsausschluss greift gem. 536b S. 2 BGB aber nicht, wenn der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hat. o Laut Sachverhalt kannte der Kundenbetreuer der V den Mangel und hat ihn M absichtlich verschwiegen, um den Vertragsschluss nicht zu gefährden. o Da der Kundenbetreuer laut Sachverhalt zuständig ist, wurde er auch wirksam bevollmächtigt ( 54 f. HGB). Sein Wissen ist der V gem. 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen. o o Somit wusste V von dem Mangel und hat M nicht darüber aufgeklärt. Ferner hat der Kundenbetreuer den Mangel absichtlich und zum Zwecke der Manipulation des M verschwiegen. Auch seine Arglist ist der über 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Zwischenergebnis: M hat seine Gewährleistungsrechte nicht nach 536b BGB verloren. c. Höhe des Anspruchs Fraglich ist, in welchem Umfang sich die Miete gemindert hat. Hierfür ist eine Schätzung im Einzelfall vorzunehmen. - Die telefonische Erreichbarkeit per Festnetz hat angesichts der Verbreitung von Handys und Mobilfunkflatrates nicht mehr dieselbe Bedeutung wie im 20. Jhd. (viele Menschen nutzen ihr Festnetztelefon kaum noch) - Ein Internetanschluss ist hingegen wesentlich: Die Minderungshöhe hängt vom Ausmaß der Herabsetzung der Gebrauchstauglichkeit ab. Im Gegensatz zu einem SE-Anspruch kann nicht ohne Weiteres auf die Kosten der Ersatzbeschaffung (die bei einem HotSpot o.ä. für einen Monat sehr hoch sein können) abgestellt werden. o Fraglich ist, inwieweit der Online-Shop des M Einfluß auf die mangelnde Gebrauchstauglichkeit hat. o Die gewerbliche Nutzung der Räume und vor allem der Online-Shop sprechen dafür, dass der Internetanschluss einige Bedeutung für M hat. Daher kann eine Minderung i.h.v. 15 % des Mietzinses vertreten werden. Ergebnis: M hat gegen V einen Herausgabeanspruch gem. 536 Abs. 1 i.v.m. 812 Abs. 1 S. 1 BGB i.h.v. 450. II. Schadensersatz, 536a BGB M könnte gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz gem. 536a Abs. 1 BGB haben. 1. Mietvertrag Ein wirksamer Mietvertrag liegt vor.

3 2. Sachmangel Im Fehlen des Telefon- und Internetanschlusses liegt ein Sachmangel (s.o.). 3. Vertretenmüssen Fraglich ist, ob V den Sachmangel der fehlenden Anschlüsse zu vertreten hat. - Gem. 276 BGB hat V Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten. o Laut Sachverhalt beruht die Verzögerung auf einer Terminüberschneidung bei der Telefongesellschaft. Derartige Organisationspannen bedeuten eine Verletzung der im Verkehr üblichen Sorgfalt ( 276 Abs. 2 BGB). - Fraglich ist, ob V für die Fehler der Telefongesellschaft einstehen muss. o Die Telefongesellschaft ist ein Erfüllungsgehilfe der V i.s.d. 278 BGB. V hat ihr Verschulden daher gem. 278 BGB zu vertreten. 4. Schaden Der Schaden des M beläuft sich auf die überschüssig gezahlte Miete (s.o.: 450 ). Ergebnis: M hat gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz i.h.v. 450 gem. 536a Abs. 1 BGB. Frage 2 I. Ordentliche Kündigung, 542 Abs. 1 BGB M könnte das Mietverhältnis ordentlich kündigen, gem. 542 Abs. 1 BGB. - Bei Zeitmietverträgen scheidet eine ordentliche Kündigung aus, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart wurde. o M und V haben einen Mietvertrag über eine gewerbliche Immobilie über 5 Jahre geschlossen. Da im Vertrag keine Kündigungsmöglichkeiten vorgesehen sind, ist eine ordentliche Kündigung ausgeschlossen. Ergebnis: M kann das Mietverhältnis nicht ordentlich kündigen. II. Außerordentliche, fristlose Kündigung, 543 BGB M könnte gegenüber V ein Recht zur fristlosen Kündigung gem. 543 BGB haben. - Fraglich ist zunächst das Verhältnis des 543 BGB zu 314 BGB. o 543 BGB ist einer der mietrechtlichen Spezialfälle zu 314 BGB, der daher nach der Kollisionsregel der lex specialis vorliegend ausscheidet. 1. Mietvertrag M und V haben einen Mietvertrag geschlossen. 2. Außerordentliches Kündigungsrecht, 543 BGB Ein Kündigungsrecht erfordert einen wichtigen Grund i.s.d. 543 Abs. 1 BGB. - Ein wichtiger Grund liegt gem. 543 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor, wenn der vertragsgemäße Gebrauch ganz oder zum Teil nicht rechtzeitig gewährt wird. - Es bedarf einer Wertung anhand der in 543 Abs. 1 S. 2 BGB genannten Parameter: o Die Haltestelle wird auf lange Sicht nicht gebaut, erfahrungsgemäß wird es mindestens einige Jahre dauern, bis ein eventueller weiterer Vorstoß der V Erfolg hat. o Ob M die Fortsetzung des Mietverhältnisses zugemutet werden kann, bemisst sich im Rahmen der vorgeschriebenen Interessensabwägung. Das Interesse des M an der Haltestelle war ursprünglich auf eine Zunahme an Laufkundschaft gerichtet. Angesichts der exponierten Position, die die Haltestelle im Prospekt der V einnahm und der damit avisierten Erschließung zweier zusätzlicher Stadtviertel, liegt es nahe,

4 dass es M beim Vertragsschluss entscheidend auf die Haltestelle ankam. Ihr Wegfall könnte insofern durchaus eine außerordentliche fristlose Kündigung begründen. Dass die Baumaßnahmen auf unbestimmte Zeit und nicht endgültig eingestellt wurden, ist angesichts der relativ kurzen Mietdauer von 5 Jahren unerheblich. Die Sinneswandlung, die sich bei M angesichts des Ausbleibens von Kundschaft einstellte, könnte gegen dessen Interesse sprechen, den Vertrag gerade wegen der fehlenden S-Bahn-Haltestelle zu kündigen. Da dieser Umstand der V laut Sachverhalt aber nicht bekannt ist, kann M sich praktisch betrachtet weiterhin auf die Bedeutung der Haltestelle für sein Geschäft berufen. Hinzu tritt, dass M keine Sicherheit über diesen Wegfall hat. Laut Sachverhalt ist es lediglich seine Einschätzung, dass auch die Haltestelle sein Geschäft nicht in die schwarzen Zahlen brächte. o M kann sich bei praktischer Betrachtung darauf berufen, dass es ihm angesichts des Wegfalls der geplanten Haltestelle unzumutbar ist, das Mitverhältnis fortzusetzen. o A.A. vertretbar: Stellt man auf das wirkliche Interesse des M ab und lässt praktische Erwägungen außer Acht, könnte man den Wegfall der Haltestelle als zureichenden Grund für die erforderliche Unzumutbarkeit verneinen. Zu berücksichtigen wäre aber auch hier die Unsicherheit, mit der die Einschätzung des M behaftet ist. Zwischenergebnis: M hat gegenüber V ein Recht zur außerordentlichen Kündigung, 543 BGB. 3. Fristsetzung, 543 Abs. 3 BGB Weitere Voraussetzung für eine außerordentliche Kündigung ist gem. 543 Abs. 3 S. 1 BGB die Setzung einer angemessenen Frist zur Behebung der Pflichtverletzung. - Da M sich für die Kündigung auf den Wegfall der geplanten Haltestelle beruft, greift vorliegend 543 Abs. 3 Nr. 1 BGB, demnach eine Fristsetzung nicht erforderlich ist, wenn sie für die Behebung des Mangels keinen Erfolg verspricht. Ergebnis: M hat gegenüber V ein Recht zur außerordentlichen, fristlosen Kündigung des Mietvertrages gem. 543 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB. III. Anspruch auf Aufhebung des Vertrages aus 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB M könnten gegen V einen Anspruch auf Aufhebung des Vertrages aus 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB haben. 1. Schuldverhältnis, 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB Durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen über die Miete eines Ladenlokals kam vorliegend ein vorvertragliches Schuldverhältnis i.s.d. 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB zustande. 2. Pflichtverletzung V müsste eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt haben. In einem vorvertraglichen Schuldverhältnis sind die Parteien zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach Maßgabe des 241 Abs. 2 BGB verpflichtet. Zu den Pflichten der V hätte es insofern gehört, auf das Risiko hinzuweisen, dass keine Haltestelle gebaut werden könnte. o V hat den M nicht entsprechend unterrichtet. Zudem muss sich V vor Vertragsschluss so verhalten, dass das Vertragsziel nicht gefährdet wird.

5 o Selbst wenn die Zahlung der Urlaube in irgendeiner Weise förderlich für das Bauvorhaben gewesen wäre, wäre sie als Gefährdung des Vertragsziels zu werten. Ohne diese Handlung der V wäre das Risiko, dass der Bau nicht zustande kommt möglicher höher gewesen, was die Hinweispflicht des V noch verschärft hätte. Fraglich ist, ob G im Namen der Gesellschaft gehandelt hat. o Da sich die V gem. 166 BGB zumindest das Wissen des G, der sie gem. 35 Abs. 4 GmbHG vertritt, zurechnen lassen muss, wusste V von den bezahlten Urlauben. Hierzu zählt auch das Wissen um die Gefahr, dass dieses Verhalten als Bestechungsversuch gedeutet werden kann. Zwischenergebnis: V hat eine Pflicht aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis verletzt. 3. Vertretenmüssen V müsste die Pflichtverletzung zu vertreten haben. Zu vertreten hat sie gem. 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, 276 Abs. 2 BGB. Fraglich ist, welche Sorgfalt die V hinsichtlich der eben beschriebenen Pflichtverletzung trifft. o Soweit V ein konkretes Risiko hinsichtlich des Baus bekannt ist, trifft sie unproblematisch eine Hinweis- oder Aufklärungspflicht. o Indem G das allgemeine Risiko durch Bestechung zu senken versuchte, hat er ein konkretes Risiko erst geschaffen. Hierüber hat die V den M nicht aufgeklärt. - Fraglich ist, ob sich die V das Handeln und Wissen des G zurechnen lassen muss. o Da V als juristische Person gem. 35 Abs. 4 GmbHG von G vertreten wurde, kommt es nach 166 Abs. 1 BGB auf die Kenntnis des G an. Ferner hat die V das Verschulden des G gem. 278 BGB in gleichem Umsatz wie eigenes Verschulden zu vertreten. G klärte den M vorsätzlich nicht auf. Dies muss sich die V zurechnen lassen. Hinzu tritt die in der eigentlichen Bestechung liegende Pflichtverletzung des G. Auch für diese fällt ihm, bzw. der V Vorsatz zur Last. Zwischenergebnis: V hat die o.g. Pflichtverletzungen gem. 276, 278 BGB zu vertreten. 4. Rechtsfolge Fraglich ist, ob M als Rechtsfolge eine Aufhebung des Vertrages verlangen kann. Über 311 Abs. 2 BGB wird das Integritätsinteresse geschützt, das i.r.d. cic-haftung nach h.m. auch das Disposiitionsinteresse, also das Interesse, frei über die Eingehung vertraglicher Bindungen zu entscheiden, umfasst. Dieses Interesse des M wurde durch die Pflichtverletzung des V verletzt. Rechtsfolge ist i.r.d. Naturalrestitution gem. 249 Abs. 1 BGB die Verpflichtung des V, den Zustand wiederherzustellen, der ohne seine Pflichtverletzung bestanden hätte. o Hierfür bedarf es der Betrachtung des hypothetischen Kausalverlaufs. Dabei stellt sich die Frage, ob M den Mietvertrag auch dann geschlossen hätte, wenn V ign auf das Risiko aufmerksam gemacht hätte, dass die Haltestelle vielleicht nicht gebaut wird. Dies liegt angesichts von Ms Plan, mehr Laufkundschaft zu erhalten, nahe. (A.a. vertretbar). Ergebnis: M kann von V die Aufhebung des Mietvertrages gem. 311 Abs. 2 Nr. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB verlangen. IV. Störung/Wegfall der Geschäftsgrundlage, 313 BGB Ferner könnte M ein Kündigungsrecht aus 313 Abs. 1, 3 BGB haben.

6 1. Gemeinsame Geschäftsgrundlage Der Bau der geplanten Haltestelle müsste gemeinsame Geschäftsgrundlage der Parteien sein. Dafür müsste der Bau der Haltestelle kein Bestandteil des Vertrages, wohl aber für den Vertragsschluss als wesentlich vorausgesetzt sein. Der Geschäftswille der Parteien müsste auf dem Bau der Haltestelle aufgebaut haben. - Als Geschäftsgrundlage kommen aber nur Umstände in Betracht, die nicht zugleich Vertragsinhalt sind. Daher können Umstände, die unter die Sachmängelhaftung fallen, nicht zugleich Geschäftsgrundlage i.s.d. 313 BGB sein. Ergebnis: Soweit sich der Wegfall der Haltestelle in Frage 3 als Sachmangel darstellt, scheidet ein Anspruch über 313 BGB aus. Hilfsweise Prüfung: - Sieht man im Wegfall der Haltestelle keinen Sachmangel, müsste zumindest M diese für den Vertragsschluss als wesentlich vorausgesetzt und den Vertrag ohne sie nicht oder nur mit anderem Inhalt abgeschlossen haben. o Dass M dies für sich in Anspruch nimmt, ergibt sich bereits aus seinem Begehren, wegen des Wegfalls der Haltestelle zu kündigen. - Weitere Voraussetzung ist, dass V sich auf eine entsprechende Kündigungsklausel redlicherweise hätte einlassen müssen. o V müsste sich stark widersprüchlich verhalten, wenn sie zugleich mit der Haltestelle werben, deren Wegfall aber nicht als Kündigungsgrund zulassen wollte. Zudem unterstreicht der Prospekt die besondere Bedeutung der Haltestelle für die Mietverträge. Soll die Haltestelle damit ein gewichtiger Grund für den Vertragsschluss sein, muss ihr Wegfall auch als Kündigungsgrund akzeptiert werden. - Der Bau der S-Bahn-Haltestelle ist Geschäftsgrundlage des Mietvertrages. 2. Schwerwiegende Änderung der Umstände, 313 Abs. 1 BGB Die zur Geschäftsgrundlage gewordenen Umstände müssten sich gem 313 Abs. 1 BGB schwerwiegend verändert haben. - Ein Störung ist nur dann schwerwiegend, wenn nicht ernstlich zweifelhaft ist, dass zumindest eine der Parteien bei Kenntnis der Änderung den Vertrag nicht oder nur mit einem anderen Inhalt geschlossen hätte. o Da der geplante Bau zumindest so weit verzögert wurde, dass er für den vorliegenden Mietvertrag wegfällt, liegt eine schwerwiegende Störung der Geschäftsgrundlage vor. 3. Unzumutbarkeit des Festhaltens am unveränderten Vertrag, 313 Abs. 1 BGB Ferner müsste dem M das Festhalten am unveränderten Vertrag unzumutbar sein. - Dies ist der Fall, wenn der Fortbestand des unveränderten Vertrages aufgrund der veränderten Situation zu einem Ergebnis führt, das mit Recht und Gerechtigkeit nicht zu vereinbaren ist und eine untragbare Härte darstellt. o Da 313 BGB und 314 BGB in einander ähnlicher Weise auf die Unzumutbarkeit der Beibehaltung des unveränderten Vertrages abstellen, kann hier auf die obige Argumentation zum Vorliegen eines wichtigen Kündigungsgrundes ( 543 BGB) verwiesen werden, der ein Spezialfall des 314 BGB ist: M ist die unveränderte Fortsetzung des Vertrages unzumutbar. 4. Kündigungsrecht, 313 Abs. 3 S. 2 BGB Kündigen könnte M gem. 313 Abs. 3 S. 1 BGB unter anderem dann, wenn eine Anpassung des Vertrages nicht möglich wäre. M hoffte in der Mall zusätzliche Kunden zu finden, wofür er insbesondere auf die neue Haltestelle zählte. Aus diesem Blickwinkel ist es schwer darstellbar, den Vertrag so anzupassen, dass er auch ohne die Haltestelle interessengerecht aufrechterhalten werden kann.

7 Daher ist eine eventuelle Anpassung des Vertrages vorliegend als nicht möglich zu bewerten. (A.A. vertretbar.) Ergebnis: M kann den Mietvertrag mit V gem. 313 Abs. 1, 3 BGB kündigen. Frage 3 Vorüberlegung Sofern M aufgrund der fehlenden Haltestelle einen Teil der bereits gezahlten Miete zurückverlangen will, kommt nur ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch in Betracht. Damit ist einzig 536a BGB einschlägig. I. Schadensersatzanspruch aus 536a Abs. 1 BGB M könnte gegenüber der V-GmbH einen Anspruch auf Schadensersatz gem. 536a Abs. 1 BGB haben. 1. Mietvertrag Ein für einen mietrechtlichen Schadensersatzanspruch erforderlicher Mietvertrag liegt vor. 2. Sach- / Rechtsmangel Das Ladenlokal müsste einen Sach- oder Rechtsmangel gem. 536 Abs. 1 BGB aufweisen. Hierunter ist die nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache von dem vertraglich geschuldeten Zustand zu verstehen. a. Wegfall der Haltestelle als Sachmangel Im Fehlen der S-Bahn-Haltestelle könnte ein Sachmangel liegen. - Fraglich ist zunächst, ob das Fehlen der Haltestelle generell als mietrechtlicher Sachmangel in Betracht kommt. Wäre dem nicht so, könnte die weitere Prüfung dahinstehen. o Im Kauf- und Mietrecht beschränkt sich der Mangelbegriff nicht auf Mängel, die dem Vertragsgegenstand unmittelbar anhaften, sondern bemisst sich an einem Vergleich der Ist- mit der Soll-Gebrauchstauglichkeit und erfasst damit zumindest prinzipiell auch mangelhafte Beziehungen der Mietsache zur Umwelt. o Der BGH erkennt als Fehler i.s.d. 537 Abs. 1 BGB a.f. indes nur Umstände an, die zumindest eine unmittelbare Einwirkung auf die Gebrauchstauglichkeit der Mietsache haben. Umstände wie ein im Prospekt angekündigter überdachter Fußweg zum Bahnhof oder eine ausreichende Zahl an Parkplätzen seien zwar für die Attraktivität eines Einkaufszentrums von erheblicher Bedeutung, wirkten jedoch nicht unmittelbar auf die Gebrauchstauglichkeit der einzelnen Ladenlokale (BGH NJW 2000, 1714). - Da die BGH-Entscheidung aber aus der Zeit vor der Schuldrechtsreform stammt und der Fehler- durch den Mangelbegriff ersetzt wurde, um das Miet- an das Kauf- und Werkvertragsrecht anzugliedern, liegt es nahe, den Mangelbegriff an diesen Komplexen zu orientieren. - Auch wertungsmäßig könnte es geboten sein, den weiten Mangelbegriff zu übernehmen. o Die Umwelt einer Mietsache beeinflusst unstreitig deren Gebrauchstauglichkeit. Denn die Lage einer Immobilie beschreibt letztlich nichts anderes, als deren Verhältnis zur Umwelt: Es ist unerheblich, ob die Mietsache in der Nähe einer Haltestelle liegt, oder eine Haltestelle in der Nähe der Mietsache. Die vertragswidrige Lage einer Mietsache fällt aber problemlos unter den mietrechtlichen Mangelbegriff. Aus diesem Grund wird

8 dem Unmittelbarkeitskriterium des BGH mangelnde Trennschärfe vorgeworfen. o Ersatz für sein positives Interesse kann der Mieter angesichts solcher Leistungsstörungen außerdem einzig nach 536a BGB verlangen. Es wäre unbillig, ihm dieses Instrument mit dem Hinweis auf das vage Kriterium der Unmittelbarkeit des Einflusses zu versperren. Selbst für mittelbare Einflüsse bleiben die 536 ff. BGB das angemessenste Instrument. Zwischenergebnis: Grundsätzlich kommt der Wegfall der Haltestelle als Sachmangel in Betracht. Er würde auch nicht am Kriterium der Unerheblichkeit scheitern. b. Prüfung Sachmangel Fraglich ist, ob der Bau der Haltestelle derart Einzug in den Mietvertrag hielt, dass ihr Wegfall im vorliegenden Fall einen Sachmangel darstellt. Im Mietvertragsrecht dominiert, wie in Kauf- und Werkvertragsrecht, der subjektive Fehlerbegriff. - Im eigentlichen Mietvertrag liegt keine Beschaffenheitsvereinbarung. - Eine Beschaffenheitsvereinbarung könnte aber in einer Bezugnahme auf den Prospekt liegen. Eine solche, stillschweigende Vereinbarung kann nach jüngerer Rspr. des BGH (NJW 2010, 2648) auch aus den den Mietvertragsschluss begleitenden Umständen folgen, ohne in der Vertragsurkunde enthalten zu sein. o M und V haben den Vertrag vor dem Hintergrund des Verkaufsprospekts geschlossen. Dabei kam es M für V ersichtlich auf den Bau der Haltestelle in besonderem Maße an. Der Sachverhalt lässt auch vermuten, dass die Haltestelle zu einem deutlich stärkeren Publikumsverkehr geführt hätte, insoweit können Ms persönliche Bedenken dahinstehen. o Die Bedeutsamkeit von Prospektangaben ist für die Hauptleistungspflichten eines Kaufvertrages ausdrücklich in 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 BGB geregelt. Im Werkvertragsrecht vermied der Gesetzgeber allerdings eine entsprechende Regelung bewusst. Gleichwohl unterstreicht dies die Bedeutung von Prospektangaben für vertragliche Hauptleistungspflichten. Zwischenergebnis: Unter Berücksichtigung des Prospekts stellt der Wegfall des S-Bahn- Anschluss vorliegend einen Sachmangel i.s.d. 536 Abs. 1 BGB dar. c. Unerhebliche Minderung, 536 Abs. 1 S. 3 BGB Denkbar wäre eine unerhebliche Minderung der Tauglichkeit i.r.d. 536 Abs. 1 S. 3 BGB. Sie würde die Gewährleistung ausschließen. Laut Sachverhalt hegt M nach einigen Monaten Zweifel am Nutzen der Haltestelle. o Ms Zweifel betreffen aber nur die Frage, ob sein Geschäft durch die Haltestelle Gewinn abwerfen würde. Dass die Haltestelle den Kundenverkehr deutlich erhöht hätte, wird im Sachverhalt nicht bezweifelt. o Lässt man mittelbare Beeinträchtigungen der Tauglichkeit grundsätzlich als Sachmangel gelten, hat die Haltestelle nicht nur unerhebliche Bedeutung für die Gebrauchstauglichkeit der Ladenlokale. 3. Zeitpunkt der Mangelentstehung, 536a Abs. 1 BGB Für Sachmängel, die schon vor Vertragsschluss vorlagen, trifft den Vermieter gem. 536a Abs. 1 Fall 1 BGB eine Garantiehaftung. Für Mängel, die nach Vertragsschluss auftreten, haftet der Vermieter nur, wenn er sie zu vertreten hat ( 536a Abs. 1 Fall 2 BGB). Fraglich ist daher vorliegend, wann die S-Bahn-Haltestelle wegfiel. o Für den Zeitpunkt des Wegfalls ist darauf abzustellen, ob die Mangelursache als Gefahrquelle bereits bei Vertragsschluss vorliegt. o Da diese Frage im vorliegenden Fall Probleme aufwerfen könnte, soll hier die Prüfung des Vertretenmüssens vorgezogen werden. Wenn V den Mangel zu vertreten hat, kann die vorliegende Entscheidung dahinstehen.

9 4. Vertretenmüssen, 536a Abs. 1 Fall 2 BGB Fraglich ist, ob V den Wegfall der Haltestelle zu vertreten hat. - Zu vertreten hat der Schuldner gem. 276 BGB unter anderem Fahrlässigkeit, also das Außerachtlassen der im Verkehr gebotenen Sorgfalt. Gem. 278 BGB haftet der Schuldner außerdem für seine Erfüllungsgehilfen. o Laut Sachverhalt hat G einem Mitarbeiter der Stadt zwei teure Urlaube spendiert. o Der Geschäftsführer einer GmbH ist deren Erfüllungsgehilfe i.s.d. 278 BGB (s.o.). o Selbst wenn man im Handeln des G nicht den Straftatbestand der Bestechung eines Amtsträgers i.s.d. 334 StGB erfüllt sieht (was Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz voraussetzt), hat G zumindest den entscheidenden Grund für den eingetretenen Wegfall der Baugenehmigung geliefert. Unproblematisch widerspricht ein Verhalten, das Außenstehende leicht als Bestechung einer Amtsperson deuten könnten, der im Verkehr gebotenen Sorgfalt (s.o. Frage 2). Zwischenergebnis: V hat den Wegfall der Haltestelle zu vertreten. Auf den Zeitpunkt der Mangelentstehung und eine eventuelle Garantiehaftung kommt es daher nicht an. 5. Schaden Dem M müsste durch die Pflichtverletzung des V ein Schaden entstanden sein. - Der ersatzfähige Schaden bestimmt sich anhand der 249 ff. BGB sowie des Schutzzwecks des 536a Abs. 1 BGB. Einschränkungen erfährt er durch das Adäquanz- wie das Kausalitätsprinzip sowie wiederum den Schutzzweck der haftungsbegründenden Norm. - Jedenfalls als Schaden kommt danach angesichts des Sachmangels zuviel gezahlte Miete sowie entgangener Gewinn ( 252 BGB) in Betracht. o Schwierig abzuschätzen ist, in welcher Höhe M insoweit Schadensersatz verlangen kann. Der S-Bahn-Anschluss war für August 2011 versprochen, im September 2011 wurde das Vertragsverhältnis aufgehoben. o Für diesen Monat könnte M zum einen den einer Mietminderung entsprechenden Teil der Miete als Schadensersatz herausverlangen und zum anderen Gewinn, den er bei Fertigstellung der Haltestelle mit Wahrscheinlichkeit hätte erwarten können, 252 BGB. - Für die Mietminderung muss berücksichtigt werden, dass die Haltestelle im Mietzins über die gesamten 5 Jahre berücksichtigt war, M also für die ersten 10 Monate (Nov- Aug) relativ zuviel Miete gezahlt hat. - Die einvernehmliche Aufhebung des Vertragsverhältnisses spricht aber dafür, dass M und V diesen Umstand unberücksichtigt lassen wollten. Mithin kann die Monatsmiete ungeachtet der übrigen Mietzeit gekürzt werden. Da der entgangene Gewinn separat berechnet wird, ist in einem solchen Fall nur eine geringe Kürzung des Mietzinses von ca. 5 %, hier als 150 angebracht. - Da der Sachverhalt keine konkreten Angaben zu den Umsatz- und Kundenzahlen von Ms Geschäft macht, kann insoweit nur auf eine richterliche Schätzung gem. 287 ZPO verwiesen werden, für die 252 BGB den entgangenen Gewinn als zu schätzenden und zu ersetzenden Posten vorgibt. Ergebnis: M hat gegen V einen Anspruch auf Schadensersatz aus 536a Abs. 1 BGB in Höhe von 150 sowie den richterlich zu schätzenden entgangenen Gewinn, der bei rechtzeitiger Fertigstellung der Haltestelle entstanden wäre.