Organisationsentwicklung und Demokratie an guten Schulen

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Transkript:

DGfE-KONGRESS BILDUNG IN DER DEMOKRATIE Mainz, 15. März 2010 Gute Schule: 6 Qualitätsbereiche 1. LEISTUNG 2. VIELFALT Michael Schratz Organisationsentwicklung und Demokratie an guten Schulen 3. UNTERRICHT 4. VERANTWORTUNG 5. SCHULLEBEN Institut für LehrerInnenbildung und Schulforschung Universität Innsbruck 6. SCHULENTWICKLUNG 1. LEISTUNG Gute Schulen verstehen und fördern Leistung als menschliches Grundvermögen und Grundbedürfnis, dessen Ausbildung und Kultivierung für eine humane Entwicklung des Einzelnen und der Gesellschaft zukunftswichtig ist. Sie individualisieren, kultivieren, objektivieren Art und Maß dessen, was Leistung bedeutet, nach den Prinzipien der Fairness, Vielfalt und Transparenz. In guten Schulen wissen deshalb Schülerinnen und Schüler, ob sie sich in einer Situation befinden, in denen gelernt und Lernen gefördert werden soll, oder ob es darum geht, Leistungen zu messen und zu beurteilen. Regelmäßige Anwendung und vielfältige Verfahren der Lernstandserhebung sowie unterstützender Rückmeldungen schaffen ein förderliches Lernklima für Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler. Ein solches Leistungsethos ist demokratisch begründet. Es dient der individuellen Entwicklung und der des Gemeinwesens. In diesem Zusammenhang ist Evaluation nicht ein Mittel bürokratischer Kontrolle, sondern der Qualitätsverbesserung. 1

2. VIELFALT Gute Schulen individualisieren Unterricht und Erziehung und fördern alle Kinder mit gleichem Engagement und je nach Voraussetzung in unterschiedlicher Weise. Unterschiede der Begabung, der Herkunft, des Geschlechts, der Leistung oder Interessen werden wahrgenommen und angenommen, sie werden beim gemeinsamen Lernen so einbezogen, dass alle Kinder bestmögliche Entwicklungschancen er halten. Gekonnter und achtungsvoller Umgang mit Vielfalt lt wird für unser Leben und Lernen immer wichtiger kulturell, fachlich, politisch, und wirtschaftlich gleichermaßen. Bei Lehrerinnen und Lehrern gehört dies zu den wesentlichen Bestandteilen beruflicher Kompetenz und Entwicklung. 3. UNTERRICHT Im Zentrum guter Schulen steht exzellenter Unterricht, und Unterricht wird hier durch kollegiales Lernen systematisch verbessert. Entscheidend für guten Unterricht ist nicht die glanzvolle Inszenierung didaktischer Muster, sondern die wirksame Förderung jedes Einzelnen, seines Lernens und seiner Entwicklung in allen Bereichen. Unterricht kann als didaktische Inszenierung auch ganz unspektakulär k sein, wenn er bei den Schülern persönlich wirksam wird. Unterricht und Erziehung stehen in einem engen Zusammenhang. Sie sind an guten Schulen verbunden durch die Sorge der Erwachsenen für die bestmögliche Gesamtentwicklung der Kinder und Jugendlichen. Martin beim Lösen einer Aufgabe Lisa bei der Hausaufgabe 2

Grundmuster von Unterricht Lehrer/in: Schüler/in: FRAGE ANTWORT Lehrer/in: RICHTIG FALSCH 1, 2, 3 INDIVIDUALISIERUNG PERSONALISIERUNG Individuen Lehrplan Lernfragen Persönlichkeiten Lebensplan Lebensfragen Öffnungsgrade im Unterricht (nach Peschel 2002) Stufe 0: Organisatorische Öffnung "Differenzierung von oben, Lehrperson bestimmt, z.b. Freiarbeit, Wochenplan, Werkstätten, Stationen. Lernen muss Passung haben. Stufe 1: Methodische h Öffnung "Individualisierung von unten", Schüler bestimmt. Lernen ist ein eigenaktiver Konstruktionsprozess des Einzelnen. Stufe 3: Soziale Öffnung Demokratie und Stufe 2: Selbstverwaltung, Soziale/persönliche Methodische & Öffnung durch inhaltliche Öffnung Basisdemokratie und Stoffbezogene Mit/Selbstbestimmung bzw. interesse-geleitetes Lernen des Schülers. Lernen ist am effektivsten, wenn es vom Lernenden als selbstbestimmt und signifikant erlebt wird. Schülermitgestaltung (Unterrichtsablauf, Rahmenbedingungen, Regelstrukturen etc.) Soziale Erziehung ist am effektivsten, wenn die Strukturen vom Einzelnen selbst mitgeschaffen und als notwendig/sinnvoll erlebt werden. 3

Doing difference -> doing inequality Ein differenzsensibler Unterricht erfordert einen neuen Blick auf die Schülerinnen und Schüler, zugleich aber müssen sich pädagogische Institutionen und pädagogisch Handelnde fragen, inwiefern sie selbst am 'doing difference' beteiligt sind, welche Zuschreibungen sie vornehmen, wie sie in ihrer täglichen und notwendig anerkennenden Arbeit durch Anreden, Zuordnungen, Diagnosen, räumliche Settings etc. Differenz und damit Ungleichheit produzieren. Weil 'doing difference' immer auch 'doing inequality' bedeutet, gilt es schließlich zu überprüfen, welche Ressourcen den Subjekten (gerade auch auf solchen Identitätspositionen, die nicht die vorherrschenden und nicht die privilegierten sind) für ihre Darstellungsarbeit zur Verfügung stehen, bzw. wie die Pädagogik für deren Zugänglichmachung oder deren Aufwertung eintreten kann (Mecheril 2009, 201-202). 4. VERANTWORTUNG An guten Schulen übernehmen Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler und Eltern Verantwortung für das Lernen und für die Schule insgesamt. Partizipation und Demokratie werden in allen Bereichen des gemeinsamen Alltags, in Unterricht und Schulleben ebenso wie auf der Ebene formaler Organisation und in Gremien der Schulverfassung gepflegt und aktiv weiterentwickelt. Gute Schulen nehmen ihre Verantwortung t für Kinder und Jugendliche nicht segmentär, sondern ganzheitlich wahr und sie verantworten sich aktiv gegenüber den Beteiligten und der Öffentlichkeit. 4

5

5. SCHULLEBEN Gute Schulen zeichnen sich durch ein Schulleben aus, das der Dynamik einer aufgeklärten und sich aufklärenden demokratischen Öffentlichkeit Raum gibt, das eine soziale Kommunität darstellt, die Zugehörigkeit, Inklusion und Anerkennung verbürgt und die Entfaltung individueller Interessen und Potenziale Gelegenheit bietet. Gute Schulen ächten Gewalt. Sie fördern als kulturelle Einrichtung die Rituale, Bräuche und Symbolisierungen, ästhetische Präsentation, Verfeinerung ng und Provokation gleichermaßen. 6. SCHULENTWICKLUNG Gute Schulen gleichen Unternehmen ohne Erwerbscharakter. Sie handeln selbstständig und eigenverantwortlich und zeichnen sich durch integrative, demokratische Führung Management und Leadership aus. Sie kooperieren pädagogisch aktiv und herausfordernd mit ihrer Umgebung und verbessern sich professionell selbstkorrigierend durch Evaluation und Qualifikation. Sie erkennen Schwächen h und dhaben gelernt, sich himmer wieder neue Ziele zu setzen. Gute Schulen haben ein individuelles Profil, das als produktives Zusammenspiel von Ressourcen und Aufgaben aus einer zumeist jahrelangen intensiven Entwicklungsarbeit resultiert. Sie halten Verbindung mit anderen Schulen, mit der Öffentlichkeit, mit Wissenschaft, Politik und Einrichtungen von Wirtschaft und Kultur. 6

Wie lernen SchülerInnen? Wie lernt das Kollegium? Arbeiten an einer demokratischen Lern- und Lehrkultur ist Arbeit an der Evolution der Schule. Sie muss sich sozusagen immer wieder neu erfinden. Soll eine innovative Schule mehr sein als ein Modewort, sind Impulse vor Ort vonnöten, Kreativität, Querdenken und Professionalität, Mut zum Erproben von neuem, Gelassenheit und Zeit zur Reflexion. Wie lernen Systeme? 7