Sichere Rückkehr nach Afghanistan? RBK Karlsruhe 12. Dezember 2016

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Transkript:

Sichere Rückkehr nach Afghanistan? RBK Karlsruhe 12. Dezember 2016

Bisherige Entscheidungspraxis besonders gefährdete Personen und Gruppen: u.a. ehemalige Mitglieder der Streitkräfte, der Polizei, des Sicherheitsapparates, Dolmetscher, sog. Ortskräfte, Beschäftigte bei ausländischen Firmen, Journalisten, Geschäftsleute, Frauen, Menschen mit Behinderung, Konversion, Homosexualität (vgl. UNHCR April 2016) Subsidiärer Schutz: familiäre Probleme, lokale Verfolgung durch Warlords u.ä. Besonders Schutzbedürftige: Familien ( 60 Abs. 5), unbegleitete Minderjährige Krankheitsfälle ( 60 Abs. 7) Einzelfälle individueller Verfolgung Interne Schutzalternative, insbesondere für junge, gesunde Männer

Lage und Entwicklung seit Abzug der ISAF bzw. der Bundeswehr desolate wirtschaftliche Situation (Arbeitslosigkeit in Städten bis zu 80 %) Sicherheitslage extrem verschärft, insbesondere unter der neuen Regierung: mehr Tote, mehr Anschläge, keine Sicherheit mehr, auch nicht in den Großstädten Kabul, Mazar-e Sharif, Herat Erstarken der Taliban, aber auch einer Vielzahl anderer Gruppen (lokale Milizen, IS usw). Destabilisierung der Regierung aktuell und ganz besonders brisant: Rückkehr/Abschiebung von ca. 2 ½ Mio. Afghanen aus Pakistan bis März 2017 vgl. dazu insbesondere die Auskünfte der SFH und die Erkenntisquellen der Landesflüchtlingsräte, Stand 9.12.2016

.es gibt sichere Gebiete in Afghanistan

Was folgte es kann erwartet werden, dass die Afghanen in ihrem Land bleiben (de Maizière, November 2015) Rückführungsabkommen der EU und Deutschlands mit der afghanischen Regierung, 2. Oktober 2016 Ankündigung von ersten Abschiebungen noch in diesem Jahr

Die neue Entscheidungspraxis des Bundesamts grundsätzlich: wie bisher alles wird langsam besser, es gibt sichere Gebiete etc. weiterhin positive Entscheidungen bei den Risikogruppen (s.o.) und auch im Einzelfall Verwendung alter Erkenntnismittel (Stand von vor zwei Jahren, Bsp. Herat als weiterhin sicheres Gebiet) gefühlt willkürliche Entscheidungen mehr Ablehnungen in Einzelfällen, trotz glaubhafter Verfolgungsgeschichte, Beispiel: kurzfristige Entführung durch Taliban kein Problem Verschärfung bei 60 Abs. 7, auch bei UMF Schutzquote: in 2015 bereinigt (nach Abzug der DÜ u.a. erledigter Verfahren fast 80 %, in 2016 ca. 50 %

Gerichtliche Entscheidungen in BaWü noch keine neuere, oder gar einheitliche Rechtsprechung einige Entscheidungen aus Bayern, die einerseits die bisherige Rspr., teilweise aber auch das BAMF bestätigen und Schlimmes ahnen lassen, Bsp.: VGH München, 27.07.2016 ( junge gesunde Männer -Rspr.); VG Augsburg (Europäisches Reintegrationsprogramm) OVG NRW, (Beschl. vom 18.08. 2016) : keine ausreichende Gefahr der Zwangsrekrutierung, inländische Fluchtalternative Kabul, gilt auch für UMF; ganz aktuell ebenso VG Augsburg, Urteil vom 17.10.2106

Forderung anzuerkennen, dass es angesichts der sich dramatisch verschlechterten Sicherheitslage und der besonderen Kriegsstrategie der Taliban keine sicheren Gebiete in Afghanistan gibt. jede Verfolgung prinzipiell landesweit Gültigkeit besitzt. der afghanische Staat nirgendwo in der Lage ist Schutz vor Verfolgung oder Gewalt zu bieten. Das systematische Versagen rechtsstaatlicher Kontrolle führt stattdessen zu unkontrolliertem Machtmissbrauch staatlicher Akteure und andauernder Immunität von Gewaltakteuren. Rückkehrer durch ihren Aufenthalt im Westen gezielter Bedrohung durch die Taliban aber auch krimineller Banden ausgesetzt sind. es für kein Gefahrenprofil verlässliche Zahlen zu Opfern gibt und geben kann. der Einbruch der Wirtschaft und die für diesen Winter prognostizierte humanitäre Katastrophe Rückkehrern nicht erlaubt ihr Überleben selbstständig zu sichern. Familien in der Regel nicht in der Lage, häufig aber auch nicht bereit sind Rückkehrer zu unterstützen. Auch Rückkehrer, die längerfristig im Iran gelebt haben, keinerlei Chance haben sich in Afghanistan vor akuten sozio-ökonomischen Gefahren und Gewalt zu schützen. (Friederike Stahlmann, MPI f. ethnologische Forschung, stahlmann@eth.mpg.de)

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