[Vorbemerkung der Fragesteller:]



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Transkript:

Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Eva Bulling-Schröter, Kornelia Möller u. a. und der Fraktion DIE LINKE. Durch Insolvenzverwalter von den Beschäftigten zurückgeforderte Lohnzahlungen in Oberfranken vom 9. Februar 2009 (BT-Drs. 16/11871) [Vorbemerkung der Fragesteller:] In den Städten Kulmbach und Rehau in Oberfranken wurde innerhalb der vergangenen zwölf Monate im Rahmen von zwei Insolvenzverfahren über mittelständische Betriebe von Arbeitnehmern bereits gezahlter Lohn für geleistete Arbeit durch den Insolvenzverwalter zurückgefordert. In beiden Fällen beriefen sich die Insolvenzverwalter auf die seit 1999 gültige Insolvenzordnung. Diesbezügliche Verfahren sind zum Teil durch Zahlung erledigt, teilweise noch bei den Gerichten anhängig. In beiden Fällen hatten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer trotz ausbleibender oder verspäteter Lohnzahlungen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens weitergearbeitet, in der Hoffnung, so das Überleben des Betriebes zu ermöglichen. Nach Informationen des ARD-Magazins Report München vom 26. Januar 2009 sind insgesamt zirka 160 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen, von denen Beträge bis in den fünfstelligen Bereich zurückgefordert werden. Die Insolvenzordnung lässt eine Interpretation zu, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben den übrigen Gläubigern rechtlich gleichstellt. Akzeptiert ein Beschäftigter verspätete Zahlungen, wird er quasi zum Kreditgeber seines Chefs, er wird somit ein Gläubiger unter vielen. Das hat zur Folge, dass innerhalb einer Frist von drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistungen und Zahlungen anfechtbar sind, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte ( 130 InsO). Offensichtlich ist es betroffenen Beschäftigten jedoch gleichzeitig unmöglich, ohne gravierende persönliche Folgen in der fraglichen Zeit zu kündigen. Denn nach Auskunft einer konfrontierten Arbeitsagentur seien verspätete Lohnzahlungen aus Sicht des Sozialleistungsrechtes kein hinreichender Grund, seitens der Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer zu kündigen. Werde dennoch gekündigt, drohten Sperrfristen für Leistungszahlungen.

- 2 - Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE. zum Insolvenzrecht am 21. September 2007 auf Bundestagsdrucksache 16/6488 die erläuterte Anfechtbarkeit der Lohnzahlungen als juristisch korrekt und rechtssystematisch schlüssig eingestuft, gleichzeitig aber erklärt, sie wolle die weitere Entwicklung in diesem Bereich sorgfältig beobachten. Nunmehr gibt es zumindest die genannten zwei Fälle, in denen die Regelungen in der Praxis dazu führen, dass Beschäftigte eingeklemmt zwischen Insolvenzrecht und Sozialleistungsrecht gezwungen werden, umsonst zu arbeiten. Nach Report München hat der Insolvenzverwalter einer kleinen Druckerei in Mainleus im Landkreis Kulmbach bei allen 40 Beschäftigten der Firma sämtliche Zahlungen der letzten drei Monate vor der Insolvenz angefochten. Rückforderungen hätten sich bei einzelnen Betroffenen bis auf über 12 000 Euro belaufen. Zudem habe die für die Druckerei zuständige Arbeitsagentur einer Beschäftigten mitgeteilt, verzögerte Lohnzahlungen seien kein Kündigungsgrund. Eine Kündigung seitens der Beschäftigten habe deshalb eine Sperrfrist bei der Zahlung von Leistungen zur Folge, berichtet die betroffene Arbeitnehmerin in der Sendung über die Auskunft der Arbeitsagentur. In ähnlicher Situation waren nach dem ARD-Magazin letztes Jahr Beschäftigte einer Holzfirma in Rehau. Auch sie hätten verspätete Lohnzahlungen akzeptiert und müssten deshalb nach der Insolvenz des Unternehmens ihren Lohn für geleistete Arbeit zurückzahlen. Der Insolvenzverwalter habe, um ein Exempel zu statuieren, 120 Arbeiterinnen und Arbeiter der Firma auf Rückzahlung von 225 000 Euro Lohn verklagt und in vielen Fällen Recht bekommen. 15 Beschäftigte hätten schon bezahlt, Beträge zwischen 2.500 und 6.000 Euro plus Verfahrens- und Anwaltskosten der Gegenseite. [Vorbemerkung der Bundesregierung:] In ihrer Antwort vom 21. September 2007 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bodo Ramelow, Dr. Barbara Höll, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. (BT-Drs. 16/6488) hat die Bundesregierung umfassend zu dem Problem der Anfechtung von Lohnnachzahlungen Stellung genommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf diese Stellungnahme verwiesen. Trotz der erheblichen publizistischen Aufmerksamkeit, die eine Anfechtung von Lohnnachzahlungen erregt, handelt es sich nach Auffassung der Bundesregierung nach wie vor eher

- 3 - um Einzelfälle. Befragt man die Vertreter der Verbände der Insolvenzverwalter zu diesen Vorgängen, so wird regelmäßig erklärt, ein honoriger Insolvenzverwalter würde davon Abstand nehmen, Lohnnachzahlungen anzufechten. In vielen Fällen sind diese Forderungen von den Arbeitnehmern nicht einbringlich, so dass die Insolvenzverwalter von vornherein von deren Einforderung absehen. Will der Insolvenzverwalter den Betrieb fortführen, so ist er auf die Unterstützung seitens der Mitarbeiter angewiesen. Wird der Lohn nicht ordnungsgemäß gezahlt oder werden sogar Lohnnachzahlungen angefochten, so können die Arbeitnehmer von ihrem Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich ihrer Arbeitskraft Gebrauch machen, so dass das betroffene Unternehmen umgehend zusammenbrechen würde. Um die vielfach kritisierten Vorgänge zutreffend einordnen zu können, muss man sich zunächst die Rechtslage vor Augen führen. Von ganz entscheidender Bedeutung ist dabei, dass regelmäßige Lohn- und Gehaltszahlungen nicht angefochten werden können. Von der Anfechtung sind somit allenfalls Lohnnachzahlungen betroffen. Erfolgt die Zahlung nicht später als 30 Tage nach der Erbringung der Dienstleistung, so ist eine Insolvenzanfechtung regelmäßig ausgeschlossen. Dies wird in der Öffentlichkeit nicht immer zutreffend dargestellt. Hat der Arbeitnehmer jedoch seinem Arbeitgeber den fälligen Lohn über einen längeren Zeitraum hin gestundet und ihm damit einen Kredit gegeben, so ist eine Anfechtung der Lohnnachzahlung möglich, wenn der Insolvenzverwalter nachweist, dass der Arbeitnehmer die Zahlungsunfähigkeit beim Erhalt der Nachzahlung kannte oder ihm Umstände bekannt waren, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. Die Situation des Arbeitnehmers ist dann mit der des Vermieters, Lieferanten oder Handwerkers vergleichbar, der in der Hoffnung auf eine für ihn oftmals existenzielle Fortsetzung der Geschäftsbeziehung auf sofortige Bezahlung verzichtet und die Geschäftsverbindung auf Kredit fortsetzt. Nachdrücklich widerspricht die Bundesregierung dem Eindruck, die Arbeitnehmer seien nach der geltenden Rechtslage nahezu schutzlos. Zunächst ist auf das Zurückbehaltungs- und Kündigungsrecht der Arbeitnehmer bei Nichtzahlung des Arbeitsentgelts zu verweisen. Auch INSONET, ein Netzwerk der IG Metall für Insolvenzrecht, führt insofern aus, verspätete Zahlungen von Arbeitsentgelt seien zwar hoch gefährlich, andererseits würden sie jedoch zu Arbeits-/Leistungsverweigerung/Zurückhaltung der Arbeitsleistung berechtigen. Ergänzend wird in dieser Schrift darauf hingewiesen, dass nach aller Erfahrung der Insolvenzverwalter ein früherer Insolvenzzeitpunkt eine größere Insolvenzmasse zur Folge habe. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen der Bundesregierung. Insofern ist eine frühe Verfahrenseröffnung

- 4 - für eine erfolgreiche Sanierung des Unternehmens in einem Insolvenzplanverfahren von ausschlaggebender Bedeutung. Deshalb sollte es auch kein Tabu sein, dass die Arbeitnehmer selbst einen Insolvenzantrag stellen. Insofern wird von der IG-Metall darauf hingewiesen, sie gewähre auch für Insolvenzanträge Rechtsschutz, so dass ihren Mitgliedern keine Kosten entstehen würden. Wird demgegenüber der Antrag auf Verfahrenseröffnung verschleppt, und sei es auch, weil einzelne Arbeitnehmer bereit sind, Abstriche von ihrem Lohn in Kauf zu nehmen, so besteht die Gefahr, dass die letzten Finanzmittel des Unternehmens verbraucht werden, ohne dass in einem geordneten Verfahren eine wirtschaftliche Neuausrichtung versucht werden konnte. Schließlich ist an den Insolvenzgeldanspruch zu erinnern. Das Insolvenzgeld sichert das gesamte Arbeitsentgelt einschließlich Zuschlägen für Überstunden, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, anteiligen Urlaubsvergütungen und Weihnachtsgratifikationen etc. für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden letzten drei Monate der Beschäftigung. Damit wird gewährleistet, dass jeder Arbeitnehmer in der Insolvenz seines Arbeitgebers jedenfalls drei offene Monatsgehälter in voller Höhe erstattet bekommt. Wird eine Lohnnachzahlung angefochten und muss der Arbeitnehmer den entsprechenden Betrag zurückzahlen, so lebt für Lohnansprüche, die in dem Insolvenzgeldzeitraum entstanden sind, der Anspruch auf Insolvenzgeld wieder auf. Wie bereits in ihrer Antwort vom 21. September 2007 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Bodo Ramelow, Dr. Barbara Höll, Petra Pau, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. ausgeführt, wird die Bundesregierung die weitere Entwicklung auf diesem Gebiet sehr sorgfältig beobachten. Der Bundesgerichtshof hat in einer vor wenigen Tagen getroffenen Entscheidung die Rechte der Arbeitnehmer grundlegend gestärkt und die Anfechtungsklage des Insolvenzverwalters abgewiesen. Sollte sich trotz dieser grundsätzlichen Weichenstellung weiterer Handlungsbedarfsbedarf ergeben, wird die Bundesregierung kurzfristig geeignete Regelvorschläge unterbreiten. Wir fragen die Bundesregierung: 1. Wie hat die Bundesregierung die in der Beantwortung der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 16/6488 im September 2007 angekündigte Beobachtung der weiteren Entwicklung der Problematik möglicher Rückforderungen gezahlter Löhne durch Insolvenzverwalter umgesetzt, und welche Schlussfolgerungen hat sie daraus gezogen?

- 5 - Da die amtliche Insolvenzstatistik keine Angaben zu Insolvenzanfechtungen enthält, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Gewerkschaften gebeten, zu ermitteln, in wie vielen Fällen es zur Anfechtung von Lohnnachzahlungen bisher gekommen ist. In der Information zum Arbeits- und Sozialrecht des Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom Januar 2009 wird mitgeteilt, dass insofern insgesamt zehn Verfahren bekannt seien. Vor dem Hintergrund, dass allein im Jahre 2007 in 20.491 Fällen ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Unternehmens eröffnet wurde, lässt sich an dieser Zahl ablesen, dass es sich bei der Anfechtung von Lohnnachzahlungen um außerordentlich seltene Ausnahmefälle handelt. Um ein detaillierteres Bild über diesen Fragenkreis zu erhalten, hat der Verband Insolvenzverwalter Deutschlands e. V., in dem zahlreiche renommierte Unternehmensinsolvenzverwalter vertreten sind, seine 460 Mitglieder gebeten, mitzuteilen, in welchen Fällen es nach ihrer Kenntnis zu einer Anfechtung von Lohnnachzahlungen gekommen ist. Sobald diese Umfrage abgeschlossen ist, werden der Bundesregierung zeitnah die gewonnenen Informationen übermittelt. 2. Wie bewertet die Bundesregierung aus heutiger Sicht, dass durch die Insolvenzordnung in den genannten Fällen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Betrieben den übrigen Gläubigern rechtlich gleichstellt werden, so dass innerhalb einer Frist von drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistungen und Zahlungen anfechtbar sind und gegebenenfalls zurück gezahlt werden müssen? Zur Vermeidung von Missverständnissen möchte die Bundesregierung noch einmal daran erinnern, dass lediglich Lohnnachzahlungen, nicht jedoch der Lohn, der innerhalb von 30 Tagen nach Erbringung der Arbeitsleistung gezahlt wird, angefochten werden können. Im Übrigen gilt der für das deutsche Insolvenzrecht konstituierende Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung auch für Arbeitnehmer. Allerdings hat der Gesetzgeber vor dem Hintergrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer Sonderrechte für diese Gläubigergruppe geschaffen. Insofern sei erneut an den Anspruch auf Insolvenzgeld erinnert oder auf die Sozialplanansprüche verwiesen, die auch in der Insolvenz durchgesetzt werden können.

- 6-3. Wie bewertet die Bundesregierung, dass die Arbeitsagenturen bei Kündigungen seitens Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wegen verspäteter Lohnzahlungen gegen diese eine Sperrfrist verhängen können, andererseits aber bei drohender Insolvenz auf die Beschäftigten Rückzahlungsforderungen des Insolvenzverwalters zukommen? Kündigt ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis, weil der Arbeitgeber fortgesetzt mit der Zahlung des Lohns in Verzug ist und eine Insolvenz des Arbeitgebers droht, tritt grundsätzlich keine Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld wegen Arbeitsaufgabe ein, weil die Fortführung des Arbeitsverhältnisses in diesem Fall nicht zumutbar ist. Die Bundesagentur für Arbeit hat bei der Entscheidung, ob eine Sperrzeit eintritt, alle Umstände des konkreten Einzelfalles umfassend zu würdigen. Dabei ist insbesondere auch eine bevorstehende Insolvenz des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Wie bereits in der Vorbemerkung der Bundesregierung erläutert, kann der Insolvenzverwalter das in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzereignis vom Arbeitgeber nachgezahlte Arbeitsentgelt nur zurückfordern, wenn er nachweisen kann, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers hatte, oder die Umstände kannte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen. 4. Was beabsichtigt die Bundesregierung zu unternehmen, damit Beschäftigte künftig nicht mehr gezwungen werden eingeklemmt zwischen Insolvenzrecht und Sozialleistungsrecht umsonst zu arbeiten? Die Beschäftigten sind nicht gezwungen unentgeltlich zu arbeiten. Ansprüche auf noch nicht gezahltes Arbeitsentgelt für Arbeit, die in den letzten drei Monaten vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geleistet worden ist, werden durch das Insolvenzgeld ausgeglichen ( 183 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch). Erst bei einem Zahlungsverzug des Arbeitgebers für mehr als drei Monate zurückliegende Arbeit müssen die Beschäftigten damit rechnen, dass das vor der Insolvenz nachgezahlte Arbeitsentgelt zurückgefordert wird, ohne Insolvenzgeld in Anspruch nehmen zu können. Bereits vor einem solch erheblichen Zahlungsrückstand kann der Beschäftigte bei Nichterfüllung fälliger Entgeltansprüche ein Zurückbehaltungsrecht ausüben, ohne seinen Entgeltanspruch zu verlieren ( 615 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Ist der Arbeitgeber fortgesetzt mit der Zahlung des Arbeitsentgelts in Verzug, kann der Beschäftigte das Arbeitsverhältnis kündigen, grundsätzlich ohne mit einer Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld rechnen zu müssen. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 3 verwiesen.

- 7-5. Wie hoch ist seit September 2007 die Zahl der Insolvenzverfahren, bei denen von den Beschäftigten bereits ausgezahlter Lohn zurück gefordert wurde? 6. Wie viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer waren in diesem Zeitraum davon betroffen? 7. Wie hoch sind die geforderten Beträge im Durchschnitt und welchen Gesamtbetrag erreichten die vorgetragenen Forderungen? Die Fragen 5 bis 7 werden gemeinsam beantwortet. Bereits in der Antwort zu Frage 1 hat die Bundesregierung darauf hingewiesen, dass die Insolvenzstatistik zu den Fragen der Anfechtung und somit auch zu der Anfechtung von Lohnnachzahlungen keine Angaben enthält. Andere Erkenntnisse liegen der Bundesregierung insofern nicht vor.