Der Transport von Positronen im galaktischen Zentrumswind
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- Birgit Reuter
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1 Der Transport von Positronen im galaktischen Zentrumswind Diplomarbeit in Physik von André Giesecke angefertigt im Max-Planck-Institut für Radioastronomie vorgelegt der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Bonn, im Juni 1998
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4 Ich versichere, daß ich diese Arbeit selbständig verfaßt und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt sowie Zitate kenntlich gemacht habe. Referent: Prof. Dr. R. Schlickeiser Koreferent: Prof. Dr. U. Klein
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6 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung Thema und Überblick Beobachtungsergebnisse Elektron-Positron-Annihilation im galaktischen Zentrum Modellierung der Beobachtungsdaten Modellvorstellung für die Annihilationsfontäne Herkunft der Positronen Positronen-Produktion und Annihilationsfluß Positronen für die Annihilationsfontäne Weitere mögliche Positronenquellen Coulomb-Verluste Mittlerer Energieverlust pro Coulomb-Stoß Energieverlustrate im Plasma Annihilation eines Positrons im Elektronengas Kinematische Definitionen Berechnung der Annihilationsrate Allgemeine Berechnung einer Reaktionsrate Spezialfall: Annihilationsrate Annihilationsrate im thermischen Elektronengas Positronentransport im interstellaren Medium Berechnung der Positronenverteilung Transportgleichung der Positronen im ISM Bedingungen zur analytischen Lösung Allgemeine Lösung der Fokker-Planck-Gleichung Spezialfall: Lösung im ISM Ansätze im ISM Reichweite der Positronen Graphische Darstellung der Positronenverteilung Energieabhängigkeit der Positronenverteilung N(γ, z) Höhenabhängigkeit der Positronenverteilung N(γ, z)
7 6 INHALTSVERZEICHNIS 6 Das Annihilationsspektrum Allgemeine Berechnung eines Spektrums Der energiedifferentielle Annihilationsquerschnitt Integrationsgrenzen Annihilationsspektrum im Fall der kosmischen Strahlung Zusammenfassung und Ausblick 57 Literaturverzeichnis 59 Danksagung 61
8 Kapitel 1 Einleitung 1.1 Thema und Überblick In den letzten Jahren haben Untersuchungen der galaktischen elektromagnetischen Strahlung im Gammabereich von einigen kev bis hin zu mehreren GeV mittels moderner satellitengestützter Detektoren eine Fülle neuer Erkenntnisse über unsere Milchstraße erbracht. Die vorliegende Arbeit greift zurück auf Ergebnisse des amerikanischen Oriented Scintillation Spectrometer Experiments (OSSE) an Bord des Compton Gamma-Ray Observatory (CGRO) sowie weiterer Beobachtungsergebnisse anderer Satelliten bzw. Sonden und Ballonexperimenten. Durch Kombination der OSSE-Daten vor allem mit den Daten des Transient Gamma-Ray Spectrometers (TGRS) und der Solar Maximum Mission (SMM) ergab sich eine Übersichtskarte der galaktischen Elektron-Positron-Annihilationslinie bei 511 kev ([Pur + 97]). Da OSSE das kleinste Gesichtsfeld hat und die größte Anzahl an Beobachtungen der zur Verfügung stehenden Instrumente, sind die Hauptmerkmale, die in den Übersichten gefunden wurden, in erster Linie durch die OSSE-Daten bestimmt worden. Demnach handelt es sich bei der Annihilationsstrahlung in unserer Galaxis wahrscheinlich um einen stationären Vorgang, d.h. innerhalb der bisherigen Beobachtungszeiträumen hat man bis heute keine zeitliche Änderung in Fluß oder Form der Annihilationsstrahlung, die auf eine variable Komponente im Positronenfluß deuten würde, entdeckt. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich zu drei entscheidenden Merkmalen zusammenfassen, die die Vernichtungsstrahlung in unserer Galaxie charakterisieren. Zunächst existiert Emission in einem zentralen Kern. Weiterhin gibt es eine flach verteilte Emission entlang der galaktischen Ebene und außerdem wurde mit OSSE, TGRS und SMM noch eine zusätzliche Emission bei positiven galaktischen Höhen z mit einem Maximum etwa bei l = 3.4 (±0.3) und b = 7.2 (±0.3) entdeckt. Diese erweiterte Emission scheint asymmetrisch fontänenartig aus dem galaktischen Zentrum zu kommen und das Maximum, der sogenannte Annihilationsfleck, befindet sich dann etwa 1000 pc über dem galaktischen Zentrum. Diese Annihilationsfontäne bei positiven galaktischen Höhen ist das zentrale Thema dieser Arbeit. Zunächst soll festgestellt werden, ob die Quellen der für diese zusätzliche Emission verantwortlichen Positronen im galaktischen Zentrum liegen können. Dazu führe ich in Kapitel 2 die möglichen Quellen der Positronen auf und schätze ab, inwieweit diese 7
9 8 KAPITEL 1. EINLEITUNG Quellen einen ausreichenden Positronenfluß liefern können, um den beobachteten Gesamtfluß an 511 kev Annihilationsstrahlung zu liefern. Dann soll geklärt werden, ob Konvektion und Diffusion innerhalb eines einfachen Modells als effektive Transportmechanismen und Gegenspieler zu den Energieverlustmechanismen Coulomb-Streuung und adiabatische Expansion ausreichen, um die beobachtete Reichweite von z 1000 pc und die damit zusammenhängende lange Lebensdauer der Positronen zu erklären. Ich gehe in Kapitel 3 kurz auf die Energieverluste durch Coulomb-Stöße ein, da dies der einzig relevanten Energieverlustmechanismus ist, der die Ausbreitung der Positronen in dem hier betrachteten nicht- und mittelrelativistischen Energiebereich beeinflußt. Die katastrophalen Verluste durch direkte Elektron-Positron Annihilation werden dann in Kapitel 4 behandelt. Hier berechne ich die Annihilationsrate eines Positrons in einem Plasma der Temperatur T aus der dann die Überlebensdauer eines Positrons in dem Plasma folgt. Die Ausbreitung der Positronen im interstellaren Medium (ISM) ergibt sich als orts- und energieabhängige Verteilungsfunktion, die eine Lösung einer modifizierten Fokker-Planck-Gleichung darstellt. Bedingungen für die Lösbarkeit und die Berechnung der Verteilungsfunktion werden ausführlich in Kapitel 5 behandelt. Schließlich soll mit der Positronen-Verteilung in Kapitel 6 die Ausbeute an 511 kev-vernichtungsstrahlung berechnet werden, um so einen direkten Vergleich der Theorie mit den beobachteten Daten zu ermöglichen. 1.2 Beobachtungsergebnisse Dieser Abschnitt dient zur Dokumentation der wesentlichen Ergebnisse von [Pur + 97]. Es sollen die wichtigsten Resultate der Beobachtungen der Milchstraße im Lichte der 511 kev Annihilationslinie aufgeführt und das Modell-Szenario erläutert werden, mit dem diese Beobachtungen zumindest qualitativ beschrieben werden können Elektron-Positron-Annihilation im galaktischen Zentrum In Abbildung 1.1 findet sich ein mittleres Spektrum des galaktischen Zentrums im Bereich von MeV, wie es von [Pur + 97] präsentiert wird. Herausragendes Merkmal ist eine starke Linienemission bei 509 ± 5 kev. Die gesamte Emission setzt sich in dem betrachteten Energiebereich zusammen aus einem einzelnen Potenzgesetz, dem Peak bei etwa 511 kev mit der Breite von 2.5 kev bedingt durch die instrumentelle Auflösung und einer Positronium-Kontinuumskomponente. Insgesamt ergibt sich hier ein Linienfluß von 2.4(±0.3) 10 4 cm 2 s keV Photonen und ein Positronium-Fluß von 10.0(±0.7) 10 4 cm 2 s 1 aus dem galaktischen Zentrum. Der Positronium Anteil ist konsistent mit dem Wert von f = 0.97 ± 0.03 der von [Kin + 96] für einen größeren Satz an OSSE-Beobachtungen der galaktischen Ebene angegeben wird. Da der angegebene Positronium-Fluß von dem bei der Anpassung benutzten Kontinuumsmodel abhängt, erfordert eine detaillierte Analyse des Positronium-Anteils eine strengere Behandlung des zu Grunde liegenden Kontinuums ([Kin + 96]). Die angepasste Intensität der 511 kev Linie ist allerdings nicht besonders empfindlich gegenüber Annahmen über Schärfe und Intensität des unterliegenden Kontinuums. Deshalb soll hier auf weitere Fragen hinsichtlich des Kontinuums an Gamma-Strahlung in dem betrachteten Energiebereich nicht näher
10 1.2. BEOBACHTUNGSERGEBNISSE 9 eingegangen werden. Auch die Positronium-Komponente wird im weiteren Verlauf keine Rolle mehr spielen, da ich mich auf die direkte Annihilation, die für die 511 kev Linie verantwortlich ist, beschränken werde. Abbildung 1.1: Spektrum im Bereich von MeV mit OSSE Daten aus dem Bereich des galaktischen Zentrums Die Meßergebnisse lassen sich zu den folgenden wesentlichen Daten zusammenfassen, mit denen dann eine Modellierung der 511 kev Linienemission in der Milchstraße möglich ist. Der zentrale Kern der Milchstraße ergibt einen 511 kev Annihilationslinienfluß von cm 2 s 1 bei einer Ausdehnung von 4 (Halbwertsbreite). Die gesamte aus der galaktischen Ebene kommende Annihilationsstrahlung der 511 kev Linie ergibt einen beobachteten Fluß von 10 3 cm 2 s 1, wobei die latitude Ausdehnung mit 12 Halbwertsbreite relativ breit ist. Eventuell könnte die Strahlung der galaktischen Ebene auch aus einer schmalen und einer ausgedehnten Komponente zusammengesetzt sein. Die
11 10 KAPITEL 1. EINLEITUNG longitudinale Ausdehnung der Emission der galaktischen Ebene entspricht einer flachen Verteilung mit einer Halbwertsbreite von 30. Aus der Annihilationsfontäne ergibt sich ein 511 kev Linienfluß von cm 2 s 1 mit einer Halbwertsbreite von 10, zentriert bei l 2 und b 12 (alle Daten sind entnommen aus [Pur+97] Modellierung der Beobachtungsdaten Frühere Anstrengungen, um die Verteilung der 511 kev Emission zu modellieren, waren nur mäßig erfolgreich ([Pur + 93], [RSL94]). Diese Modelle bestanden im allgemeinen aus Komponenten, die galaktische Emission in anderen Wellenlängen repräsentierten (z.b CO-Maps von [Dam + 87]) oder aus geometrischen Modellen, die voraussetzten, daß die Emission einer galaktischen Verteilung folgt. Als zusätzliche Daten verfügbar waren, nahmen die Hinweise auf eine Anwesenheit einer mehr diffusen Komponente der Emission zu. Diese Komponente wurde anfangs als ein ausgedehnter Halo, zentriert um das galaktische Zentrum modeliert, aber es war so nicht möglich, die 511 kev Daten genügend genau zu beschreiben. Das neue 511 kev Verteilungsmodell von [Pur + 97] wurde deshalb aus mehreren einfachen geometrischen Komponenten konstruiert. Die Emission in der galaktische Ebene wurde aus einer flachen longitudinalen Verteilung mit gaußartigen Schultern und einem ebenfalls gaußartigen Höhenprofil modelliert. Die Intensität, sowie Latitude und Longitude der ebenen Komponente sind freie Parameter der Anpassung. Der zentrale Kern wurde durch eine zweidimensionale zirkulare Gauß-Funktion modelliert und die Intensität und Halbwertsbreite der Zentrumsausdehnung sind freie Parameter. Ebenfalls mit einer zirkularen Gauß-Funktion läßt sich die Annihilationsfontäne bei positiven galaktischen Höhen anpassen, wobei wiederum Intensität, Zentrumsausdehnung und Halbwertsbreite die freien Parameter bestimmen. Die bei der Modellierung der Meßergebnisse verwendeten Daten sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Bei der Annihilationsfontäne handelt es sich um ein signifikant ausgedehntes Emissionsfeld und nicht um eine Punktquelle, die lediglich aufgrund des beschränkten Auflösungsvermögens der Instrumente nicht mehr dargestellt wird. Eine Modellrechnung mit einer Punktquelle und Vergleich mit den Beobachtungsdaten ergab eine 5σ Wahrscheinlichkeit, daß die beobachtete Fontäne diffus ist ([Pur + 97]). Eine gute Anpassung der Daten kann allerdings auch möglich sein, wenn man zusätzlich noch eine oder mehrere Punktquellen an verschiedenen Orten in der vermeintlichen Fontänenregion hinzufügt. Desweiteren lassen sich die Daten der Annihilationsfontäne durch Anpassung mit einem Finger oder Schornstein, der aufwärts vom galaktischen Zentrum weisst, modellieren. Letztlich ist das vorhandene Material noch nicht ausreichend, um mit endgültiger Sicherheit entscheiden zu können, ob die Emission überhaupt eine Verbindung zum galaktischen Zentrum hat, oder ob es sich dabei um ein isoliertes Merkmal handelt.
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