4 Prozessmanagement ganzheitlich einführen und verankern
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- Clara Schulz
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1 181 4 Prozessmanagement ganzheitlich einführen und verankern 4.1 Grundsätzliche Vorgehensstrategien Die Anfänge für die Einführung von Prozessorientierung sind eher selten Top-down- Projekte, die systematisch initiiert werden. In vielen Unternehmen ist es vor allem das Mittelmanagement, welches die Notwendigkeit und die Chancen von Prozessmanagement erkennen und die ersten Schritte in diese Richtung tun. Dies sind Projekte im Rahmen der Einführung von IT-Systemen, Vorbereitungen für Audits oder auch gezielte Projekte für die Optimierung einzelner Prozesse. Aus diesen Bereichen der Unternehmen (d. h. IT, Qualität, Six Sigma) kommen häufig auch die Führungskräfte oder Mitarbeiter. Diese beginnen das bereits erreichte Vorgehen weiter zu denken und sich mit Prozessmanagement als einem ganzheitlichen Management-System auseinanderzusetzen. Da es nicht immer gleich gelingt, das Topmanagement von den Vorteilen der Prozessorientierung zu überzeugen, werden auf der Basis des bereits Erreichten weitere Schritte»situativ«vorgenommen. Dieses Bottom-up-Vorgehen gerät jedoch spätestens dann an seine Grenzen, wenn es darum geht, neue prozessorientierte Rollen im Unternehmen einzuführen, die bereichsübergreifend Verantwortung übernehmen. Dies ist ein Eingriff in ausbalancierte Machstrukturen, deren Umsetzung zu einer größeren organisationalen Veränderung mit möglichen Widerständen und Blockaden führen kann. Spätestens an dieser Stelle führt ausschließlich ein Top-down-Vorgehen, d. h. unter aktiver Einbindung des Topmanagements zu einer erfolgreichen Umsetzung. In der Abbildung 84 finden Sie eine Gegenüberstellung der zu Beginn üblichen situativen Bottom-up-Vorgehensweise mit einem systematischen Top-down-Ansatz, welcher letztendlich für eine vollständige Umsetzung der Prozessorientierung notwendig ist: Management-Unterstützung für Prozessmanagement Bottom-up-Vorgehen (»situativ«) Management entscheidet über einzelne Projekte und duldet dezentrales Vorgehen. Top-down-Vorgehen (»systematisch«) Management ist der sichtbare Treiber und führt die Initiative Unternehmensstrategie und Prozessmodell verknüpfen Das Prozessmodell wird vom Management verabschiedet und bindet es eng in der Strategieentwicklung ein Ziele für die prozessorientierte Organisation festlegen Einzelne haben Vorstellungen über Potenziale, die BPM für das Unternehmen bietet Management einigt sich auf gemeinsame Ziele und kommuniziert diese als Leitfaden für die Implementierung
2 182 4 Prozessmanagement ganzheitlich einführen und verankern Bottom-up-Vorgehen (»situativ«) Top-down-Vorgehen (»systematisch«) Veränderungsbereitschaft im Unternehmen her stellen Einführung Prozessmanagement wird als organisationales Veränderungsprojekt aufgesetzt Prozessmodell entwickeln und implementieren Kompetenzen aufbauen Methodenframework aufnehmen und festlegen Rollen definieren und etablieren Isolierte Prozesse werden dokumentiert und publiziert Einzelne Mitarbeiter bauen über externe Seminare Wissen auf Vereinzelte Entscheidungen über Methoden- und Tooleinsatz Rollen innerhalb einzelner Prozesse werden eingeführt Ein vollständiges Prozessmodell mit durchgängigen Ende-zu-Ende Prozessen wird entwickelt Breit angelegte zielgruppenspezifische Inhouse Schulungen. BPM wird zur Kernkompetenz im Unternehmen entwickelt Priorisiertes und abgestimmtes Vorgehen bei der Entwicklung und Einführung von Methoden und Tools bereichsübergreifende Prozessverantwortung wird etabliert. Es gibt Regeln für die Zusammen arbeit mit der Linie. Förderung der neuen Rollen. Führungsprozesse des Prozessmanagement beschreiben und ein führen Definition und Einführung der Prozesse des Prozess managements Prozesseffizienz her stellen Ausgewählte Prozesse werden optimiert Prozessverbesserung wird als kontinuierliche Aufgabe implementiert Prozesscontrolling aufbauen Führungs- und Anreizsysteme neu ausrichten Schrittweise Aufbau eines Prozesscontrolling als Instrument der Unternehmenssteuerung Systematische Berücksichtigung der Prozessorientierung z. B. in den Zielvereinbarungen und in anderen Führungssystemen BPM- und IT-Strategie harmonisieren Einführung von IT-Systemen führt zu isolierten Prozessveränderungen Ableitung der BPM-Anforderungen an die IT-Alignment der Strategien. Abb. 84: Gegenüberstellung Bottom-up- versus Top-down-Vorgehen Über das Bottom-up-Vorgehen lässt sich Vorarbeit für die Einführung von Prozessmanagement leisten, solange ein Top-down-Vorgehen nicht möglich ist. Allerdings lassen sich erst durch das Top-down-Vorgehen Entscheidungen treffen, die eine durchgängige nachhaltige Implementierung des Prozessmanagements ermöglichen.
3 4.2 Phasen erfolgreicher Organisationsveränderungen 183 Ebenso lässt sich bottom-up die Ganzheitlichkeit bei der Umsetzung (siehe BPM&O-Modell) nicht berücksichtigen, da es den Akteuren in der Regel am Durchgriff zu allen betroffenen Elementen mangelt. 4.2 Phasen erfolgreicher Organisationsveränderungen Die Einführung von Prozessmanagement ist ein wesentlicher Veränderungsprozess für die Organisation. Dieser muss sowohl methodisch als auch durch eine zielgerichtete Kommunikation in das Unternehmen gut vorbereitet werden. Veränderungsprozesse in Organisationen durchlaufen verschiedene Phasen, in denen die Organisationsmitglieder sich unterschiedlich leistungsfähig fühlen. Einen typischen Ablauf stellt die Abbildung 85 dar. Die vorgestellten Phasen geben eine Orientierung, auch wenn man sich deren Abfolge nicht streng linear vorstellen sollte. Die Phasen verlaufen durchaus gelegentlich in Schleifen und in jeder Phase bilden sich die anderen Phasen im Kleinen noch einmal ab. Dennoch bietet das Phasenmodell Unterstützung, um die emotionalen Dynamiken in organisationalen Veränderungsprozessen besser und am Ende erfolgreich zu bewältigen. Zur Erläuterung des Modells gehen wir gleich auf den für uns zentralen Veränderungsprozess zum prozessorientierten Unternehmen ein. In Phase 1 muss zunächst ein gemeinsames Verständnis darüber entwickelt werden, ob es überhaupt einer größeren Veränderung bedarf. Geht es dem Unternehmen aktuell gut, wird man eine gravierende Änderung wie die Einführung der Prozessorientierung eher als Risiko betrachten. Die Einschätzungen darüber, ob es gerade hoch Wahrgenommene Leistungsfähigkeit des Systems gering Routine unterbrechen wir müssen uns verändern Zukunftsbilder schaffen Architektur entwickeln Route planen Mutig entscheiden ins kalte Wasser springen Konsequent umsetzen Lust auf Neues mit breitem Involvement verbinden Die Mühen der Hochebene meistern Erfolge verankern Zeit Abb. 85: Phasen einer gelungenen Organisationsveränderung (Heitger & Doujak, 2002)
4 184 4 Prozessmanagement ganzheitlich einführen und verankern jetzt ein guter Zeitpunkt ist, ein so fundamentales Projekt anzugehen, oder ob man im Moment am besten alles so belässt wie bisher, gehen weit auseinander. In dieser Phase müssen die Veränderungswilligen viel Überzeugungsarbeit leisten. Durch die andauernde oft eher konträre Diskussion sinkt die wahrgenommene Leistungsfähigkeit und nur langsam setzt sich die Einsicht durch, dass jetzt mit etwas Neuem begonnen werden muss. Während dieses Austausches werden auch bereits erste Ideen darüber sichtbar, wie das Zukunftsbild des prozessorientierten Unternehmens aussehen soll. Trotzdem ist eine explizite gemeinsame Konkretisierung der zukünftigen Organisation und der Formen der Zusammenarbeit nötig (Phase 2). Der Grad der Prozessorientierung ist für jedes Unternehmen individuell festzulegen und diese Diskussion muss zunächst vor allem im Führungsteam geführt werden. Dabei zeigt sich, dass unter bestimmten Schlagwörtern nicht jeder das gleiche versteht. In dem Maße wie die Einigung über eine gemeinsame Zukunftsvorstellung steigt, erhöht sich auch die gefühlte Leistungsfähigkeit wieder. Die Phasen 3 und 4 sind geprägt von der Umsetzung der Veränderung. Neue Methoden, Organisationsmodelle, Rollen sowie Verhaltensweisen müssen festgelegt und eingeführt werden. Insbesondere die jahrhundertealte Prägung durch funktionale Organisationsstrukturen und Vorgehensweisen sind dabei zu überwinden. Die Schwierigkeiten bei der Einübung der neuen Handlungsweisen führen wieder zu allgemeiner Unsicherheit und damit zum Tiefpunkt der subjektiv eingeschätzten Leistungsfähigkeit. Mit den ersten Umsetzungserfolgen wächst aber auch die Zuversicht. Führungskräfte und Mitarbeiter sind zunehmend bereit, sich auf das Neue einzulassen. Der Nutzen der Prozessorientierung wird allgemein erkannt und die Ausarbeitung neuer Modelle der Zusammenarbeit, z. B. zwischen der prozessorientierten und der funktionalen Organisation, verläuft überwiegend konstruktiv. Die größte Gefahr in dieser Phase ist es, die Veränderung zu frühzeitig für erfolgreich beendet zu erklären. Aus einer systemischen Betrachtung heraus sind die neuen Kommunikations- und Entscheidungsmuster in der Organisation noch lange nicht ausreichend etabliert und verankert. Die Verlagerung der Aufmerksamkeit des Topmanagements auf andere Themen führt dann möglicherweise dazu, dass die alten starken Muster der funktionalen Organisation wieder greifen und die erreichten Veränderungserfolge zunichte machen. Die Verankerung der Veränderung in der Organisation muss deshalb mit besonderer Sorgfalt betrachtet und umgesetzt werden (Phase 5). Nach intensiver Projektarbeit in den vorangegangenen Phasen muss nun der Geist des Neuen zur täglichen Routine werden. Für die prozessorientierte Organisation heißt dies, dass z. B. die Prozessverantwortlichen die kontinuierliche Führung des operativen Prozessmanagements übernehmen. Die Prozessorientierung geht weit über die selektive Verbesserung einzelner Prozesse hinaus und die gesamte Organisation wird über die Prozesse geführt. Mit der erfolgreichen Umsetzung und Verankerung der Veränderung hat nun auch die wahrgenommene Leistungsfähigkeit der Organisation den Ausgangspunkt über-
5 4.3 Vorgehensmodell 185 schritten. Die Organisation fühlt sich in der prozessorientierten Organisation leistungsfähiger und effektiver als vor deren Einführung. 4.3 Vorgehensmodell In vielen Projekten zur Einführung von Prozessmanagement hat sich gezeigt, dass die erfolgreiche Umsetzung der organisationalen Veränderung der wesentliche Erfolgsfaktor auf dem Weg zur prozessorientierten Organisation darstellt. Unserem Vorgehensmodell haben wir deshalb das obige Phasenmodell für Organisationsveränderungen zugrunde gelegt. Im Folgenden stellen wir nun unser Vorgehensmodell für die Einführung und den Ausbau des Prozessmanagements in einer Organisation vor: Standort bestimmen Prozessorientierung konkretisieren Projekt aufsetzen Schrittweise implementieren Verankerung sicherstellen Vorgehen reflektieren und kommunizieren Abb. 86: Vorgehensmodell»Prozessmanagement einführen und verankern«wie auch bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, ist das Vorgehen nicht strikt linear zu sehen. Über die kontinuierlich mitlaufende Reflexion, welche durch die Andeutung der systemischen Reflexionsschleife dargestellt ist, wird regelmäßig überprüft, ob Wiederholungen oder Schleifen zwischen den Phasen notwendig sind. Auch bilden sich die ersten drei Phasen (Standort bestimmen, Ziele konkretisieren, Projekt aufsetzen) in leicht veränderter Form im Rahmen der Implementierungsphase aller Teilprojekte erneut ab. Wir beschreiben das Vorgehen im Folgenden kurz, um danach jede Phase ausführlich in einem eigenen Kapitel, inklusive der dort anzuwendenden Methoden und Vorgehensweisen, vorzustellen. Vorgeschlagene Vorgehensweisen sind dabei als beispielhafte Anregungen zu verstehen. Im Verlaufe des Projektes ist hier sicher auch hin und wieder etwas Abwechslung gefragt, um den Aufmerksamkeitsfokus aller Beteiligten hoch zu halten.
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