Gesundheitsreform Wie wirkt ein Gesundheitsfonds auf die Landeshauptstadt München?
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- Reinhold Kirchner
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1 Gesundheitsreform 2007 Wie wirkt ein Gesundheitsfonds auf die Landeshauptstadt München? Robert Schurer Direktor AOK Bayern Die Gesundheitskasse Direktion München 1
2 Gesundheitsreform 2007 Ein Konstrukt mit Tücken: der geplante Gesundheitsfonds Arbeitgeber Gesundheitsfonds zahlt prozentualen Beitrag zahlt prozentualen Beitrag (+ Sonderbeitrag in Höhe von 0,9 Prozent) Arbeitnehmer Rückerstattung, wenn der Pauschalbeitrag aus Gesundheitsfonds höher ist als die Kosten zahlt Pauschale pro Versicherten (plus Risikoausgleich) zahlt Zusatzprämie (prozentual oder nominal), wenn die Kosten der Kasse höher sind als die Pauschale aus dem Fonds Krankenkassen Staat zahlt Bundeszuschuss aus Steuermitteln für Krankenversicherung der Kinder 2
3 Gesundheitsreform 2007 Finanzierung Aus dem Gesundheitsfonds erhalten die Krankenkassen für jeden Versicherten bei jeder Krankenkasse in allen Regionen Deutschlands eine gleich hohe Grundpauschale. Dazu kommt ein alters- und risikojustierter Zu- oder Abschlag (Reform des Riskostrukturausgleichs wird vom auf verschoben). GKV-Leistungsausgaben je Mitglied im Bund: 2674 Euro GKV-Leistungsausgaben je Mitglied in München: über 4000 Euro (Gutachten IFG,Prof. Dr. Neubauer, Nov. 2005) Wie sollen die Gesundheitsausgaben für die Versicherten in München künftig finanziert werden? 3
4 Effekte einer 95 %-Unterfinanzierung von GKV-Leistungsausgaben in München durch den geplanten WSG-Gesundheitsfonds 3,06 Mrd. 3,18 Mrd. 3,02 Mrd. 159 Mio. 235,80 19,65 GKV- Leistungsausgaben in der Landeshauptstadt München in 2004 (1) GKV- Leistungsausgaben in der Landeshauptstadt München in 2006 (2) WSG- Regelung zum Gesundheitsfond mind. 95 % (3) Maximalbetrag der Lücke zwischen Fonds-Mittel und Leistungserbringer (4) Zusatzbeitrag jährlich je Mitglied (5 + 6) Monatlicher Zusatzbeitrag (6) 4
5 Effekte einer 95 %-Unterfinanzierung von GKV-Leistungsausgaben in München durch den geplanten WSG-Gesundheitsfonds (1) Institut für Gesundheitsökonomik München, Oktober 2005; Gesundheit als Wirtschaftsfaktor, Zusatzauswertungen (IFG-Studie) (2) Teuerungsrate für 2005 und 2006 mit je 2 % unterstellt Veränderung Leistungsausgaben gesamt in GKV 2005 zu Vorjahr: 2,59 % Veränderung Leistungsausgaben AOK Bayern 2006 zu Vorjahr: 2,66 % (3) Gesundheitsfond startet im Jahr 1 mit 100 % aller GKV-Ausgaben; unberücksichtigt bleibt, ob die jeweilige Krankenkasse ab dem 01. Januar Zusatzbeiträge erheben muss, weil die Pauschalzuweisung die IST-Ausgaben nicht finanziert. Wann 95 % erreicht werden, bleibt offen entsprechend der bisherigen Teuerungsrate im Jahr 3 nach Inkrafttreten des Fonds. Unberücksichtigt bleiben mögliche Be- und Entlastungswirkungen in der Zukunft durch gesetzliche Regelungen. (4) Ohne Fortschreibung der GKV-Ausgabenentwicklung; unterstellt wird Verteilung der Fondsmittel nach Grundpauschale und risikoadjustierten Zuschlägen auf Münchner Versicherte bei allen Krankenkassen wie im Bundesschnitt also keine abweichende Risikostruktur (5) Bei GKV-Versichertenzahl in 2004: (IFG-Studie); ergibt bei gesamtbayerischer Familienquote von 1,41 (Gutachten Rürup/Wille) GKV-Mitglieder, die potentiell Zahler von Zusatzbeiträgen sind (6) Rechnerisch notwendiger Geldbedarf nicht identisch mit Kalkulation wegen Begrenzung auf 1 % beitragspflichtige Einnahmen und anderer Effekte 5
6 Effekte einer 95 %-Unterfinanzierung von GKV-Leistungsausgaben in München durch den geplanten WSG-Gesundheitsfonds Eine Maximallücke von ca. 160 Mio. aus einer politisch gewollten Unterfinanzierung von GKV-Leistungsausgaben in der Landeshauptstadt München von mind. 95 % führt zu folgenden Einschätzungen: Es wird entscheidend darauf ankommen, wie die Krankenkasse eine strukturelle Lücke ausgleichen können. Besondere Bedeutung hierzu kommt der Diskussion um einen Risikostrukturausgleich zu. Eine Risikoadjustierung, die eine strukturelle Lücke schließen würde, brächte deutlich mehr Geld aus dem Gesundheitsfonds auch für GKV-Versicherte in München, damit auch zu den Krankenkassen und Leistungserbringern. Fondszuweisungen sollen mittels der Mechanik eines Risikostrukturausgleiches (RSA) erfolgen. Unterschiede zwischen räumlichen Ballungszentren/Großstädten und ländlichen Regionen bzgl. des regionalen Versorgungsangebotes und des hiermit verbundenen Preis- und Mengengefüges können auch bei einem zielgerichteten/morbiditätsorientierten RSA nicht ausgeglichen werden. Die Folge ist, dass die Kassen in Ballungsräumen mit den Fondsmitteln nicht auskommen werden. 6
7 Effekte einer 95 %-Unterfinanzierung von GKV-Leistungsausgaben in München durch den geplanten WSG-Gesundheitsfonds Untersuchungen zur Wirkung von Zusatzprämien und der vorgesehen Härtefallregelung ( soziale Abfederung ) zeigt, dass der große Teil der Kassen ab einem Zusatzbeitrag von 15 je Mitglied und Monat keine Chance hat, das volle Zusatzbeitragsvolumen von ihren Mitgliedern zu heben. Unterschiede bei den Kassen dazu hängen mit unterschiedlichen Einkommensstrukturen zusammen. Die Analyse des AOK- Bundesverbandes ergibt, dass bei einem rechnerisch notwendigen Zusatzbeitrag in Höhe von 15 über 90 % aller AOK-Mitglieder von der Härtefallregelung betroffen sind. Dies bedeutet, dass die von Härtefallregelung betroffenen Mitglieder nicht den kalkulatorischen Zusatzbeitrag der einzelnen Kasse zahlen, sondern einheitlich 1 % der beitragspflichtigen Einnahmen. Dies bedeutet Beitragsausfälle für die Kassen und verstärkten Druck auf alternative Kompensationen. 7
8 Effekte einer 95 %-Unterfinanzierung von GKV-Leistungsausgaben in München durch den geplanten WSG-Gesundheitsfonds Den Kassen stehen zum Schließen von Finanzierungslücken folgende Möglichkeiten zur Verfügung (siehe auch Gutachten Rürup/Wille): Zusatzbeiträge absolut oder prozentual Satzungs- und Mehrleistungen abbauen Leistungserbringer geringer zu honorieren Kombinationen der vorgenannten Varianten Deutlich wird bei diesen Alternativen, welche fatalen Wirkungen für Versicherte, Kranke und Leistungserbringer ein Gesundheitsfonds mit einem Ausgleich von 95 % der GKV- Ausgaben haben wird. 8
9 Gutachten zur Quantifizierung länderspezifischer Verteilwirkungen eines Gesundheitsfonds Die ermittelten finanziellen Effekte des vorgesehenen Gesundheitsfonds auf die Bundesländer (z. B. Gutachten Institut für Mikrodaten-Analyse, IfMDA, Drabinsky, 12/06 und Rürup/Wille, 01/07) lassen sich auf München nur bedingt übertragen. Bekannt ist aber für die Landeshauptstadt München der höhere Anteil besser verdienender Haushalte (Stat. Bundesamt, Bayer. Landesamt für Statistik) sowie die überdurchschnittlichen Leistungsausgaben je GKV-Mitglied in München (IfG, Nov. 2005). Insofern haben die Gutachten, die sich mit den finanziellen Auswirkungen einer Gesundheitsreform 2007 auf die Bundesländer insbesondere Bayern und Baden Württemberg beschäftigen durch die Ausgangssituation in der Landeshauptstadt München einen besonders realen Hintergrund. 9
10 Gutachten zur Quantifizierung länderspezifischer Verteilwirkungen eines Gesundheitsfonds Die Simulation der AOK Bayern für die Abschätzung finanzieller Effekte eines vorgesehenen Gesundheitsfonds für die Landeshauptstadt München (siehe Seite 4) entspricht aber einer ganz anderen Herangehensweise, als die Analysen und Methodiken der Gutachten. Eindeutig muss jedoch der Kritik am sogen. regionalen Denkansatz im Gutachten Rürup/Wille widersprochen werden. Die Kritik verkennt in ihrer Begründung, dass anders als in dem Einheitsbeitragssystemen Renten- und Arbeitslosenversicherung im Gesundheitswesen und damit in der GKV deutlich unterschiedliche Versorgungsniveaus in den Ländern und Regionen existieren. Sie blendet auch aus, dass anders als in der GKV die Beitragsleistung zur Rentenversicherung eine proportional-adäquate Leistung im Rentenzahlbetrag auslöst, also eine Umverteilung der Finanzkraft diesem System fremd ist. Gerade im Gesundheitswesen ist das Regionalprinzip ein wesentliches Merkmal, das z. B. in der Ausgestaltung stationärer und ambulanter Versorgungsstrukturen Bedeutung erlangt. Verwerfungen jeglicher Art z. B. Höhe der Finanzkraft und Leistungsausgaben in der Region müssen bei den Krankenkassen über interregionale Transfers ausgeglichen werden. Verwerfungen zwischen den Gesundheitsrisiken durch einen RSA gleichen Unterschiede zwischen den Kassenarten bundesweit aus, bewirken aber nicht spezifisch regionale Umverteilungen. Diese fehlenden Effekte verstärken sich, wenn der Gesundheitsfonds keine vollständige Finanzierung der GKV-Ausgaben mehr übernimmt. 10
11 Eine weitere alternative Rechnung untersucht den Anteil an Krankenkassenausgaben, die bisher im Bereich von freiwilligen Leistungen lagen. Ausgangsbasis dafür müssen wieder die Leistungsausgaben der AOK Bayern sein. Zu den Satzungs- und Mehrleistungen zählen z. B. Leistungen im Bereich der Haushaltshilfe und zu Ermessensleistungen gehören Leistungen, die im pflichtgemäßem Ermessen der Kassen liegen (z. B. im Bereich der Rehabilitation). Ein weites Feld nehmen eingegangene vertragliche Verpflichtungen zur Förderung und Weiterentwicklung von besonderen Versorgungsformen ein: Modellvorhaben (z. B. mobile zahnmedizinische Betreuung älterer Menschen in Pflegeeinrichtungen in München ) und Verträge zur integrierten Versorgung mit einer in verschiedene Leistungssektoren übergreifenden Versorgung der Versicherten (derzeit 23 Integrationsverträge der AOK in der Landeshauptstadt München). Zu den freiwilligen Leistungen zählen ebenso die aus Strukturverträgen resultierenden Leistungen und Kosten mit Vertragspartnern, die über die Verpflichtung von Gesamtverträgen und Gesamtvergütungen (für alle Kassen einheitlich und gemeinsam) hinaus gehen. Für die Versicherten der AOK Bayern im Bereich der Landeshauptstadt München werden diese freiwilligen Leistungen mit 48 Mio. beziffert. Werden in einer Simulation diese Mehraufwendungen ebenfalls nur zu 2/3 auf die Versicherten anderer Krankenkassenarten in München übertragen ergibt sich daraus ein Anteil von freiwilligen Leistungen, die zwangsläufig bei einer Neuordnung der GKV-Finanzen zur Disposition stehen, in Höhe von 112 Mio.. 11
12 Eine weitere Herangehensweise für die Abschätzung finanzieller Nachteile durch einen Fonds ergibt sich über die Gesamtrechnung der AOK Bayern. AOK Bayern schätzt ihren gesamten Abfluss durch einen Gesundheitsfonds auf Basis der Daten des Jahres 2005 auf ca. 500 Mio.. Aufgrund der Wirtschaftskraft Bayerns finanziert die AOK Bayern Leistungen, die höher sind als in anderen Ländern (beispielsweise zahlt sie die bundesweit höchsten Honorare an die niedergelassenen Ärzte). Der Anteil der AOK-Direktion München an GKV-Leistungsausgaben für die Landeshauptstadt München an der genannten Summe beträgt 60 Mio.. Überträgt man den Anteil der bei der AOK versicherten Bevölkerung auf München ergibt sich für alle GKV-Versicherten in München wiederum ein dreistelliger Millionenbetrag. Selbst wenn unterstellt wird, dass die zusätzlichen Belastungen der AOK Bayern eingeschränkt auf Versicherte in München aufgrund der unterschiedlichen Versicherten- oder Morbiditätsstrukuren nur zu 2/3 auf die Gegebenheiten der Versicherten bei anderen Kassenarten übertragbar wären, ergäben sich negative Gesamtauswirkungen in Höhe von 140 Mio.. 12
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