Heft 21. NEAT Bauplätze. René Furer ISBN

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1 Heft 21 NEAT Bauplätze ISBN René Furer

2 Heft 21 NEAT Bauplätze Ein Tunnelportal vermittelt von der lichten Weite davor zur dunklen Enge dahinter. Am riesigen Vorhaben wird entsprechend zwischen den eigentlichen Baustellen unter Tag und den zugeordneten Bauplätzen unterschieden. Als möglicher Zufluchtsort gewährt das vollbrachte Werk mit seiner Dauerhaftigkeit Sicherheit für alle Zeiten. In dieser unwirtlichen Geborgenheit kann nach der nächsten Eiszeit auch der erste SIKA-Kongress wieder tagen. Das Heft unterstützt mit seiner Anschaulichkeit die Erinnerung an die neuerliche Durchbohrung des Gotthards. Die Auslegeordnung auf dem Davor zeigt den Baufortschritt bloss mittelbar. Bei Betriebsbeginn wird das alles nach der kurzen Halbwertzeit von zehn Jahren weggeräumt. Nur mit Bildern ist das Baugeschehen vor seinem Verschwinden zu retten. 1 René Furer

3 Das Tell-Denkmal in Altdorf Der Fels mit seiner Eisdecke 2 3 Für die schnelle europäische Flachbahn wird der längste Tunnel der Welt gebaut. Seine zwei Röhren führen von Erstfeld nach Biasca, und damit vom Reuss-Delta im Kanton Uri in die Magadino-Ebene. Mit dem Ceneri-Zusatz wird darüber hinaus Zürich mit Mailand verbunden. Die Strecke als solche ist vertraut; neu ist ihr niedriges Längsprofil. Zur alten Gotthardbahn gehören Kehrtunnel und die Verblüffung beim mehrfachen Wiedersehen der Kirche von Wassen. Ihr Scheitelpunkt liegt auf 1150 m. Die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) kulminiert mit 550 m auf halber Höhe. Das entspricht der mittelländischen Münsterterrasse in Bern. Europa verflacht zusehends. Die beiden ersten Bilder beschwören die Geschichte und die Geografie der Schweiz als Ursprung. Der Gotthard wurde während Jahrtausenden auf 2091 m überquert, zuerst von Säumern, dann von Kutschern. Darunter gab es schlicht kein Durchkommen. Erst die vereinten Kräfte von Henry Bessemer ( ) und Alfred Nobel ( ) änderten das. Mit der Erfindung von Stahl und Dynamit wurde das Urgestein brechbar. Für den Einsatz von Sprengstoff erbringen Bohrer aus veredeltem Gusseisen die notwendige Vorleistung. Die jeweilige Baustelle ist mit dem Vortrieb als Handlungsort gegeben. Dort muss der harte Fels dem noch härteren Werkzeug und Wirkstoff weichen. Die drei Arbeitsschritte des Bohrens, Sprengens und Fräsens führen beim Ausbruch zum Rohbau. Auf das Vorbohren und Sprengen folgt noch das Ausfräsen des runden Querschnitts nach.

4 Die Alpen teilen Europa in Norden und Süden. Mit dem Aufwand von 30 Milliarden baut die NEAT jetzt die hohe Bahnschwelle um weitere 600 Höhenmeter ab. Nach dem frühen Eintauchen bei Erstfeld bleibt sie bis Biasca unter Tag. Vezio bringt dann nach dem Ceneri den zweiten Lichtblick. Nach der Schöllenen unterteilt Andermatt die Auffahrt zum Gotthard in zwei Stufen. Mit seiner Lage im Urserental zwischen der Furka und dem Oberalp-Pass ist es auch der Inbegriff für das alpine Wegkreuz. 4 5

5 So zeigt sich der Unterschied zwischen einem ruhenden und einem fliessenden Gewässer in Bildern. Zur Anmut der Passhöhe gehört oft ein kleiner See Höhenmeter weiter unten ist die Reuss in ihrer eigenen Schwemmebene unterwegs zum See zwischen den Vier Waldstätten. 6 7

6 8 9 Das grosse NEAT-Werk beginnt bei Altdorf mit Massnahmen zur Landschaftspflege. Die Gotthardbahn und die Kantonsstrasse verschwinden aus der Mitte des Reussdeltas. Sie werden beide an den Bergfuss der Grossen Windgällen am Ostrand der Ebene verlegt. Die sanfte Massnahme der Landschaftsarchitekten Feddersen & Klostermann ist beispielhaft für den Umgang mit einer verfuhrwerkten Lage aus der Gründerzeit.

7 Cargo wird auf dieser Strecke ganz gross geschrieben. Im NEAT-Programm ist der Vorrang des Güterverkehrs nicht offensichtlich. So sieht das befreiende Nachher in seiner Randlage am Hangfuss aus. Die nachträgliche Aufschüttung wird dem Hochbetrieb auf der Bahnlinie eine zusätzliche Geborgenheit geben

8 Der Längsschnitt zeigt die drei Stationen für Zwischenangriffe in Amsteg, Sedrun und Faido. Von diesen Ausgangspunkten erfolgt der Vortrieb dann in den beiden einander entgegen gesetzten Richtungen. Erstfeld ist dazu der nördliche Auftakt. Die beiden Firmentafeln oben sind ein Hinweis auf die mehrschichtige Arbeitsteilung und die entsprechenden Zuständigkeiten

9 Die Autobahn folgt dem Verlauf des Flusses. Sie überquert ihn auch und wechselt so vom rechten ans linke Ufer. Das Zwischenlager für den Ausbruch ist, zusammen mit der Verarbeitungsstation im Hintergrund, von beeindruckender Grösse Der Bilderbogen zeigt den weiten Werkplatz von Erstfeld in seiner Lage im Reussdelta. Der Besucherpavillon an der Dorfstrasse räumt dazu den Überblick ein.

10 Schon der vorausgegangene Bilderbogen weist in diese Richtung: Auf Tunnelbauplätzen kommen Hebezeuge bloss vereinzelt für schweres Gerät zu einem Auftritt. Förderbänder sind zweckmässig, und sie werden deshalb für den Transport von Schüttgut entsprechend verbreitet eingesetzt. 17

11 Beim Blick auf die Silos der Zwischenlager stellt sich ein anderes Bild ein: Da wird mit Hilfe der Schwerkraft in der Lotrechten herunter gewirtschaftet. 19 Ein Wohnquartier mit Einfamilienhäusern gehört auf dem Bauplatz zu den Vorgaben. Das führt dieses Mischbild herbei.

12 In Erstfeld erstreckt sich der Bauplatz in der Schwemmebene vom Fluss zum Dorf auf dem Hangfuss hin. Die beiden Fotos zeigen die Kante hinter dem Zwischenlager des Ausbruchs aus entgegengesetzten Richtungen. Vor dieser Halde und dem Portal zur Baustelle im Tunnel ist der Bahnanschluss mit der Zufahrtsstrasse gebündelt. Das trifft auch für die A2 und die Reuss zu. Der Lageplan zeigt auch, wie die Autobahn hier den Fluss überquert. 20 Die weite Allmend besetzt die Mitte des Bauplatzes. Ihr wurde das bestehende Wohnquartier einverleibt. Die Büros der Unternehmen und die Unterkunft des Personals liegen zusammen am Reussufer. Die Kantine, die neben der Verpflegung auch der Ort für die Unterhaltung und Geselligkeit ist, besetzt die Nahtstelle dazwischen. Auch der nördliche Betriebsbereich ist bemerkenswert. Vor dem Portal gibt es da zwei gegenläufige Bewegungen: Der ausgebrochene Fels macht nach dem Zerkleinern den weiten Sprung ins Zwischenlager. Von dort tritt er dann über die beiden Stationen des Kieswerks und des Betonwerks den Rückweg zur Auskleidung des Tunnels an. Sobald zu den verschiedenen Korngrössen von Kies und Sand noch der Zement und das Wasser hinzukommen, ist es dann mit dem Brei soweit.

13 Das Bild zeigt den soeben beschriebenen Ablauf. Der Ausbruch kommt oben auf dem Förderband hoch hinein, während der Güterzug darunter der Entsorgung dient Auf den Beginn in Erstfeld folgt in Amsteg sogleich der erste Zwischenangriff. Das Bearbeitungswerk für den Ausbruch steht vorgeschoben im Blickfeld der Strasse und der Bahn. Wir wissen schon: Nach der NEAT-Eröffnung wird das alles verschwinden. Im grossen Bau wird der hauptsächliche Zuschlagstoff zum Beton vom Abfall getrennt. Anschliessend wird nach Korngrössen gesiebt. Aus dem Granulat ist dann die ausgewogene Kies-Sand-Mischung für den Beton herstellbar.

14 Der vorausgegangene Bogen hat das schon angekündigt: Der Bauplatz in Amsteg ist auch nördliches Besucherzentrum. Seine Ausrüstung ist entsprechend. Die vorzügliche Darbietung ermutigt zur selbständigen Aneignung des Stoffes Zwischen der Kantine und der Unterkunft stehen die Nassräume als Massivbau da. Beim Beginn des Feierabends ist das nach dem Arbeitstag immer die erste Station.

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16 28 29 Sedrun hat einen bemerkenswerten Lageplan. Der Bauplatz im Talgrund und die Unterkunft auf der Hangterrasse bilden zusammen einen Doppeldecker.

17 Das Wohnen ist vom Arbeiten abgehoben. Eine Seilbahn überwindet die Höhenmeter dazwischen. So kann man die fordernde Schichtarbeit hinter und unter sich lassen. Das gibt dem Geländefaktor zusätzlich eine humanistische Seite. Die Freizeit geht zum Arbeitstag auf Distanz In der Surselva liegen der Werkplatz und die Unterkunft zusammen mit dem Dorf Sedrun, das auch ein Kurort ist, als Dreierstaffel übereinander am Steilhang. Im Bereich der Unterkunft hat auch die Strasse als Rückgrat ihren Wohnwert. Als Zugehöriger sieht man sich und grüsst sich beim Vorübergehen, en passant.

18 32 33 In Sedrun wird ausgehend vom Zwischenangriff in den beiden einander entgegengesetzten Richtungen ausgebrochen. Das führt auch die entsprechende Grösse der Halde herbei. Die Axonometrie zeigt, wie hier auch ein Spurwechsel möglich ist. Diese Verfügbarkeit erhöht die Betriebssicherheit.

19 34 35 Polmengo liegt bei Faido. Zum Dorf in der Leventina gehört vorübergehend eine NEAT- Baustelle. Die Talenge bündelt hier die Eisenbahn und die Autobahn mit dem Ticino, und der Ausbruch überquert die Staatsstrasse auf dem Rollband. Hier wirkt der Werkplatz gegenwärtig als belebender Dorfteil.

20 36 37 Auf das Trennen von Sand und Kies nach Korngrössen folgt das Mischen. Das Bild oben ist dazu aufschlussreich. Da gibt es eine Folge mit 5 Stufen vom feinen Sand bis zum groben Kies. Das kleinere Bild darüber zeigt das Abfallportal; der Verlad steht bevor.

21 Bohrköpfe verkörpern als Werkzeuge beim Tunnelbau die Spitzentechnik; aber der beständige Frontdienst ermüdet. Der endet im besten Fall als Vorzeige beim südlichen Besucherzentrum 38 in Bodio vor Biasca. 39

22 40 41 Mit drei zusätzlichen Schritten werden wir jetzt auch den Ceneri noch hinter uns bringen. Das beginnt bequem bei Camorino in der Magadino-Ebene mit der Aufbereitung des dortigen Ausbruchs.

23 42 43 Für den Cenerei-Tunnel erfolgt der Zwischenangriff in Sigirino. Auch dort hat das Gelände die Ablösung der Unterkunft vom Bauplatz herbei geführt.

24 45 Die lange Tunnelfahrt im düsteren Einerlei kann zur Entbehrung werden. Diesem Frust begegnet man mit hoffnungsvoller Erwartung. In Gedanken bereiten wir schon die Ausfahrt vor. Wolken haben wir zuhause schon genug gesehen. Palmen und Zypressen bringen die sonntägliche Verfremdung des Exotischen. In der Reise- und Ferienliteratur werden diese Empfindungen immer wieder beschrieben. Niemand erwägt den Rückblick. Weiter gehts in der allgemeinen Richtung von Arkadien.

25 46 47 Für die Abwicklung des Bahnbetriebs zählen die Strecken zwischen den Haltestellen. Tunnel sind bloss ein Teil davon. Die Flachbahn unter dem Gotthard rückt Zürich und Mailand mit ihren Hauptbahnhöfen als Grosstädte und Umschlagplätze in den Vordergrund. Mailand hat als Endstation diesen krassen Gegensatz zwischen dem stadtseitigen Zugang vom Platz davor und der Bahnsteighalle dahinter.

26 48 49 Die Bilder von der Baustelle und ihrer Abschrankung im Zürcher Hauptbahnhof gehören zur Jahrtausendwende. Mit einer vorübergehenden Lösung wurde damals neben der Sihlpost das grosse gegenwärtige Vorhaben vorbereitet, das Durchmesserlinie heisst.

27 50 51 Das ist der gegenwärtige Stand der Dinge, 10 Jahre später. Die Durchfahrt zwischen Altstetten und Örlikon bringt auch Bern und St. Gallen einander näher. Der ganze und grosse Baubetrieb muss sich hier mit der Enge in der Stadtmitte abfinden, und mit der Enge ist nicht das Quartier gleichen Namens gemeint.

28 Impressum Heft 21 weitere Hefte von René Furer 52 NEAT Bauplätze Heftübersicht und Bestellung über den Verfasser René Furer war von Dozent für Architekturtheorie an der ETH Zürich. Text und Bilder René Furer Kontakt René Furer Bodenacherstraße 101 CH-8121 Benglen Gestaltung Grafilu Druck Vögeli AG, Langnau 2012 René Furer, Benglen ZH Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck, Aufnahme in elektronische Datenbanken, Mailboxen sowie sonstige Vervielfältigungen, auch auszugsweise und in Ausschnitten, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. ISBN Heft 1 Entwurfsfaktoren Der Bauzyklus ISBN Heft 2 Herzog & de Meuron Rehab Burgfeld ISBN No.03 Lord Norman Foster Millau ISBN Heft 4 Rudolf Gabarel Waldfriedhof Davos ISBN Heft 5 Gigon/Guyer Kalkriese ISBN Heft 6 Haerle Hubacher Eigenheim Stapel ISBN Heft 7 K. Moser, O.R. Salvisberg Zwei Eingänge ISBN Heft 8 Herzog & de Meuron Allianz-Arena ISBN Heft 9 Bob Gysin + Partner BGP Ein Glashaus ISBN Heft 10 Märkte im Orient ISBN Heft 11 Wohnungsbau Die Schweiz im 20. Jh. ISBN Heft 12 Theo Hotz Sihlcity ISBN Heft 13 Christoph Haerle Rieselbrunnen ISBN Heft 14 architextur verfeinert vergröbert ISBN Heft 15 Atlas Oasen ISBN Heft 16 Die Geburt der Allee ISBN Heft 17 Großgeräte in der Landschaft ISBN Heft 18 Reyner Banham Behälter ISBN Heft 19 Archigram in Monte-Carlo ISBN Heft 20 Le Palais Idéal du Facteur Ferdinand Cheval à Hauterives ISBN Heft 21 NEAT Bauplätze ISBN Heft 22 Main-Donau-Kanal ISBN Heft 23 Savoyen ISBN Heft 24 Weltklasse in Zürich ISBN Heft 25 EM2N Die Viadukt Bögen ISBN