Heft 6. Haerle Hubacher Eigenheim Stapel. René Furer ISBN

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1 Heft 6 Haerle Hubacher Eigenheim Stapel ISBN René Furer

2 Heft 6 Christoph Haerle Sabina Hubacher Eigenheim Stapel 1 Drei Balance-Wohnparks bei Zürich Stapelbarkeit wird bei diesem Wohnentwurf gross geschrieben. Er ist deshalb Hongkong-gängig. Stahlbetondecken übernehmen als künstliche Bauplätze die Rolle des Erdbodens. Auf den Weg nach oben wird vom hohen Wohnwert des Einfamilienhauses möglichst viel mitgenommen. René Furer

3 So hat das um die Jahrtausendwende an der Melchrütistrasse in Wallisellen begonnen. Mit den drei Bildern wird der Übergang von der äusseren zur inneren Ansicht der Überbauung vollzogen. 04

4 Hier kommen verschiedenartige äussere Anschlüsse zum Vorschein. Das sind die Haltestelle des öffentlichen Verkehrs, das Portal zur Einstellhalle für Autos, das Erdgeschoss der Häuser mit ihrem Bodenanschluss

5 Eigenheim Stapel Im Mai 1968 brachte die Zeitschrift Bauen+Wohnen die Theorie des Wohnträgers von N. Habraken. Franz Füeg hat sie ins Deutsche übersetzt. Das war 40 Jahre nach dem Plan libre von Le Corbusier. Nach weiteren 40 Jahren ist diese Vorstellung im Glatttal bei Zürich verwirklicht. Das geschah zuerst in Wallisellen, und das fand in Uster und in Fällanden eine Fortsetzung. Architekten arbeiten an der Quadratur des Kreises; denn die Wohnwünsche sind widersprüchlich. Wer möchte nicht gerne behaglich in einem zentrumsnahen Landhaus leben? Dabei geht es immer wieder darum, im betriebsamen Umfeld die private Zurückgezogenheit durchzusetzen. Wie kann man in den Wohnquartieren unserer Städte und in den angrenzenden Vororten mit dem Bauland haushälterisch umgehen? Wie lassen sich Siedlungen verdichten? Für diese drängenden Fragen haben die Architekten Sabina Hubacher und Christoph Haerle diese Antwort: Das Eigenheim ist stapelbar. Sobald zum Nebeneinander noch das Übereinander hinzukommt, steigen die Anforderungen an die Decken dazwischen; denn sie haben die Aufgabe, ganz verschiedene Wohnwelten voneinander zu trennen. Sie haben im Aufriss das zu leisten, was die Brandmauern oder die Grenzabstände sonst auf dem Grundstück besorgen. Schalldecken wie Brandmauern Dafür braucht es eine fugenlose und bewehrte Betonplatte in der Stärkeklasse von 25cm. Der schwimmende Unterlagsboden dämpft darauf die Tritte. Die beiden Schichten erzeugen im Zusammenwirken die begehrte Abgeschiedenheit, welche dem einzelnen Stockwerk die Merkmale von einem neuartigen Bauplatz gibt. Um Schallbrücken zu vermeiden, braucht es für die Erreichbarkeit und bei den senkrecht durchgehenden Medienlinien in den zudienenden Nassräumen eine zusätzliche Sorgfalt. Mit der Randlage des Lifts und der Treppe, ausserhalb der Gebäudehülle, beschränkt sich die Duchlässigkeit der Decken auf ein zentral gelegenes Rohrleitungsbündel im Kernbereich. Als Eigentum ist das Geschoss nicht weiter teilbar; es bleibt da bei der einen Zuständigkeit. Damit ist ein Stockwerkeigentum in einem wörtlichen Sinne gegeben. Die Abgeschiedenheit bleibt auch dann gewahrt, wenn sich zwei Haushalte das Stockwerk teilen. Die stattlichen 200m 2 Wohnfläche werden in der Regel eine Aufteilung zum Zweispänner erfahren; aber der kommt nicht fest gefügt daher. Der Spielraum beschränkt sich dabei nicht bloss auf das Schaltzimmer. Verschachtelt Im annähernd quadratischen Grundriss ist zunächst das konzentrische Muster erkennbar. Die Nebenräume für die Körperpflege haben eine Binnenlage. Ihre Begrenzung wirkt nicht bloss tragend und aussteifend, sondern zugleich auch schalldämmend. Zwei Nischen bieten sich für das Andocken von Küchen an. Dieser Bedienungskern wird vom doppelten Ring der Innenräume und Zwischenräume umgeben. Dazu findet sich im Lageplan eine Entsprechung: Der ist ein Würfelspiel zwischen dem zentral gelegenen Garten und den peripheren Quartierstrassen. In zweiter Linie werden dem Ringmuster im Grundriss mit der Zimmerreihe und den Sonnenterrassen noch Raumschichten überlagert. Fortsetzung S

6 ½ Zimmer ½ Zimmer + Studio N Normalgrundriss leer Mögliche Wohnungstrennung Mögliche Zimmerunterteilung Küchenstandorte Schrankwand Zimmerbereich Wohnbereich Steigschacht 3 ½ + 3 ½ Zimmer

7 Der Bilderbogen zeigt die Wohnstapel mit ihrem Umschwung an Zwischenräumen. Die Treppe bringt die periphere Anordnung der Erreichbarkeit zum Vorschein

8 So wurde dann am Talweg in Uster der zweite Abschnitt gebaut

9 Karthago ist heute ein wohlhabender Vorort der tunesischen Hauptstadt. Le Corbusier & Pierre Jeanneret bauten dort 1928 über der Mittelmeerküste ein Wohnhaus, das den Plan libre vorführt. Die Firmitas des Stockwerkrahmens bringt für die Utilitas des Einteilens darin einen Spielraum. Das ist eine Vorstufe zur Unterscheidung von N. Habraken zwischen dem Wohnträger und den Wohnmitteln

10 Fortsetzung von S.7 Die Machart und das Aussehen Der Wetterschild aus Solarglas und seine Hinterlüftung wirken mit den Kartonwaben der Auskleidung zusammen. Als Aussenseite der mehrschichtigen Gebäudehülle unterstützen sie die darauffolgende Dämmschicht. Die Machart des Ganzen ist nicht bloss wegen der Durchsichtigkeit erkennbar. Am Flächenschluss sieht man auch die rahmenden Profile, die Befestigung und die Fugen. Das Erscheinungsbild der Balance verbindet die Natur der Baustoffe mit der Kunst der Farbe. Beides hat es auch in der Moderne bisher schon gegeben; aber es kam eher als Nebeneinander vor. Den angrenzenden Aussenräumen sind verschiedene Farben zugeordnet. Die Bindung der Gebäudeseiten an den Baukörper kommt entsprechend dazu erst in zweiter Linie in Betracht. Abwickeln Der Lageplan ist ein von den Umständen bedingtes Würfelspiel. Die drei verschiedenen Auslegungen zeigen das. Wohnüberbauung Balance Melchrütistrasse, Wallisellen Auftraggeber: Streich AG Generalunternehmer, Brüttisellen Werkplanung: Diener und Müller Architekten, Fällanden Umgebung: Stephan Rotzler, Landschaftsarchitekt, Zürich Ausführung: Indem man eine ausgewogene Lösung (Balance!) anstrebt, stellen sich beim wiederholten Durchspielen Verbesserungen ein. Andreas Streich ist nicht bloss Bau-, sondern Wohnunternehmer. Seine Tätigkeit beginnt nicht erst mit dem Humusabtrag, sondern schon mit dem Landerwerb. Als Bauträger leitet er die Planung, die dem Bauen zum Wohnen voraus geht. Er ist die Person, die alles bündelt und dabei auch viel zu bewegen vermag. Die Fristenlösung Um 1960 war es das Verdienst von Kenzo Tange, dass die Uhren in den baulich-räumlichen Bestand einzogen. Sie ticken nicht alle gleich. Für den Aufbau gibt es eine andere Lebenserwartung als beim Ausbau. Innnerhalb von einem Bauzyklus können sich mehrere Wohnzyklen folgen. Auch ohne Benützerwechsel kommt es da zu Erneuerungen, dem sprichwörtlichen Tapetenwechsel. Das Allgemeine und das Besondere Aufgabenstellung: Das Erstellen von kostengünstigen, grossen Eigentumswohnungen, in Randlage eines Wohngebietes mit starker Fluglärmbelastung Fortsetzung S.22 Das Bauen zum Wohnen bleibt eine weit offene Frage. Mit jedem Einzelfall stellt sich deshalb auch die allgemeine Aufgabe, damit zur Formulierung einer zeitgemässen Wohnform beizutragen. Der Landschaftsstapel der Holländer für die EXPO 2000 in Hannover ist als Zeitgenosse ein naher Geistesverwandter der Balances. Da gibt es die gleiche Empfindsamkeit für das Gedränge auf der Erde, und die Suche nach einem angemessenen Umgang damit. N Situation Melchrütistrasse, Wallisellen

11 Wohnüberbauung Balance Talweg, Uster Wohnüberbauung Balance Lätzackerstrasse, Fällanden Auftraggeber: Streich AG, Generalunternehmer, Auftraggeber: Streich AG, Generalunternehmer, Brüttisellen Brüttisellen Werkplanung: Hans Andres, Architekt, Zürich Werkplanung: Hans Andres, Architekt, Zürich Umgebung: Rotzler, Krebs Partner, Landschaftsarchitekten, Winterthur Ausführung: Umgebung: Zulauf Seippel Schweingruber, Baden Ausführung: Aufgabenstellung: Das Erstellen von kostengünstigen grossen Wohnungen, in einem Neubaugebiet Aufgabenstellung: Das Erstellen von kostengünstigen, grossen Eigentumswohnungen, im ausserhalb von Fällanden. Um ein differenziertes Spitalquartier von Uster. Die Gesamtkonzeption Miet- und Eigentumsangebot schaffen zu können, Balance Wallisellen sollte so weit als möglich wurde die Gesamtkonzeption Balance durch günstigere Twinwohnungen ergänzt. übernommen werden N N Situation Talstrasse, Uster Situation Lätzackerstrasse, Fällanden

12 wurde in Fällanden an der Letzackerstrasse die dritte Überbauung bezogen. 21

13 N Grundriss Twinwohnung Fortsetzung von S.16 Sachverhalt und Sprache im Wandel Der Schock des Neuen, der mit den Balances zur Pracht gedieh, muss auch beim Reden darüber und beim Schreiben bewältigt werden. Sobald sich in der Sache selber etwas bewegt, gerät auch die gewohnte Sprache aus den Fugen. Dem begegnet die beständige Anstrengung des Begriffs, und die kann zum treffenden Ausdruck führen. Zusammmenfassend Skizze alternative Grundrissaufteilung Es gibt die waagrechte Einteilung des Bauvolumens nach Geschossen. Daran oder darin werden die lotrecht durchgehenden Festpunkte für die Erreichbarkeit und die Medien angeordnet. Auch die Gebäudehülle gehört mit zur Grundausrüstung. Seit 120 Jahren werden Geschäftshäuser und Industriebauten mehr und mehr nach dieser Regel entworfen. Stahl und Portlandzement sind als Baustoffe die Voraussetzung für das entsprechende Tragwerk mit einem Stockwerkrahmen. Die Deckenstärke ist ein beständiges Merkmal unserer gegenwärtigen Hochkultur der Moderne. Künstliche Bauplätze sind auf einen leistungsfähigen Trittschalldämmer angewiesen, und der ist im Glattal und am Übergang ins dritte Jahrtausend als bewehrte Ortbetonplatte herstellbar. Das aufliegende Kissen des schwimmenden Bodens setzt diesen Unterbau voraus. N Typenhäuser mit Umgebung

14 Die Sonnenterrassen sind eine Einladung an die vielen und verschiedenen Geschossgärtner, und die lassen sich die Gelegenheit nicht entgehen

15 Zwischen dem Baubüro und der Baustelle gibt es die Bauhütte als Werkstatt. Sie ist ein Zelt, nicht mehr als ein Wetter- und Sichtschutz. Mit den Bildern vom dritten Abschnitt in Fällanden wird jetzt der Bauvorgang nachvollzogen. 27

16 Aus den angelieferten Werkstücken werden Bauteile. Man sieht das am Zwischenlager der Stützen, vor ihrem Einbau ins Tragwerk. Holz wirkt als Schallstopper, ist das Gegenteil von einem Mitschwinger. Der Metallbauer besorgt mit seinem Formstück die Vermittlung zur aufliegenden Betondecke. 29

17 So sieht der Aufbau aus, den man Rohbau nennt. Mit der Deckenteilung und mit dem aussteifenden Kern ist der Rahmen gegeben. Auf den Aufbau des Wohnträgers folgt der Ausbau mit den Wohnmitteln. Ein eingespieltes Team kümmert sich um die Wünsche der Bewohner und besorgt mit leichtem Werkzeug das Nötige

18 Die Hüllzone kommt als Davor noch hinzu. Mit dem Flächenschluss für die Klimagrenze und dem Umgang ist sie von der doppelten Art

19 Zwischen Innen und Aussen wird nicht bloss getrennt, sondern auch vermittelt. Der Umgang wirkt vor den Fenstern als deren räumliche Ausweitung. 39

20 Zwischenräume Der Zwischenraum übernimmt im Eigenheimstapel die Rolle des Umschwungs. 100m 2 privater Aussenraum ergänzen die 200m 2 Wohnfläche. Die Sonnenterrassen dienen neben dem Hinaussitzen auch dem Heimkommen und Weggehen. Für den Empfang sind sie als Übergangsbereich ein Puffer zwischen dem halböffentlichen Treppenhaus und der Wohnung. Der Kranz der Zwischenräume entspricht dem Umschwung. Er bildet auch den Unterschied zwischen dem grossen und dem kleinen Grenzabstand ab.

21 38 39 Wohnwunder obere Reihe Metron: Siedlung Zelgli, Windisch AG, 1981 untere Reihe Hannes Meyer: Siedlung Freidorf, Muttenz BL, Die Darstellung endet mit einer Reihe von Erfolgen im schweizerischen Siedlungsbau des vergangenen Jahrhunderts. Das beginnt 1919 mit dem Freidorf von Hannes Meyer in Muttenz, und das endet 1981 mit der Siedlung Bleiche in Worb bei Bern. Franz Oswald unterschied dort nach Schale und Individualbereich zwischen dem Aufbau und dem Ausbau. Die Balances sind dazu ein nächster Schritt, der vom Nebeneinander zum Übereinander führt. Wer möchte nicht gerne in einem zentrumsnahen Landhaus leben?

22 40 41 obere Reihe Hans Fischli & Oskar Stock: Siedlung Gwad, Wädenswil ZH, untere Reihe Scherer, Strickler+Weber, Metron: Terrassensiedlung Mühlehalde, Umiken AG, In den beiden Hangsiedlungen bekommt das Übereinander den Vorrang. Die Geschoss-Stufen sind die Vorgabe für den Entwurf des Lageplans und des Grundrisses.

23 42 43 obere Reihe Atelier 5: Siedlung Halen, Herrenschwanden BE, untere Reihe Franz Oswald: Siedlung Bleiche, Worb BE,

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25 S Le Corbusier & Pierre Jeanneret: Plan Obus für Algier, 1930 Die Vorstellung der beiden berühmten Architekten ging der Wirklichkeit um lange 70 Jahre voraus Drei verschiedene Überbauungsweisen: Das Wohnen bekommt Hausmerkmale, sobald es in sich selber ruht, die Einwirkungen von Nachbarn ausbleiben. Es gibt drei verschiedene Wege zu diesem Ziel, und das hat seine Tragweite. Da kommen nacheinander verschiedenartige Raumgrenzen ins Spiel. Beim freistehenden Einfamilienhaus gibt es das Zusammenwirken der Gebäudehülle mit den Grenzabständen. Beim Reihenhaus ist es die Brandmauer, die mit ihrer Masse auch den Raumschall zu dämmen vermag. Im Wohnstapel muss die Decke für die Abgeschiedenheit sorgen. Die Anforderungen an eine solche Trenndecke sind streng. In der Hauptsache braucht es zwei ganz verschiedene Schichten. Zuerst kommt eine Massivdecke in der Grössenordnung von 25cm. Keine Fugen, keine Einlegearbeiten. Das ist gegenwärtig nur mit Stahlbeton zu haben. Darauf kommt ein Kissen als Trittschalldämpfer. Die Erreichbarkeit der Geschosse und das Besorgen müssen losgelöst für sich selber stehen; ihre Randständigkeit ist sinnvoll. Die Grundausrüstung mit einem Trägerbauwerk ermöglicht das Hochstapeln der nordamerikanischen Vorstadtidylle. Die witzige Zeichnung von Site Inc. zeigt das.

26 48 Impressum Heft 6 Haerle Hubacher Eigenheim Stapel Heftübersicht über den Verfasser René Furer war von Dozent für Architekturtheorie an der ETH Zürich. Text und Bilder René Furer weitere Hefte von René Furer Heft 1 Heft 2 Entwurfsfaktoren Der Bauzyklus ISBN Herzog & de Meuron Rehab Burgfeld ISBN No.03 Lord Norman Foster Millau ISBN Heft 4 Heft 5 Heft 6 Heft 7 Heft 8 Heft 9 Rudolf Gabarel Waldfriedhof Davos ISBN Gigon/Guyer Kalkriese ISBN Haerle Hubacher Eigenheim Stapel ISBN K. Moser, O.R. Salvisberg Zwei Eingänge ISBN Herzog & de Meuron Allianz-Arena ISBN Bob Gysin + Partner BGP Ein Glashaus ISBN Heft 10 Märkte im Orient ISBN Kontakt furer@bluewin.ch René Furer Bodenacherstraße 101 CH-8121 Benglen Gestaltung Grafilu Druck Vögeli AG, Langnau Copyright 2008 René Furer, Benglen ZH Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck, Aufnahme in elektronische Datenbanken, Mailboxen sowie sonstige Vervielfältigungen, auch auszugsweise und in Ausschnitten, nur mit schriftlicher Genehmigung des Herausgebers. ISBN