Biologische Psychologie II
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- Hansl Lichtenberg
- vor 5 Jahren
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Transkript
1 Alles in Allem kam bei diesen Untersuchungen letztendlich heraus, dass Gedächtnisfunktionen auf keinen Fall diffus und gleichwertig über das Gehirn verteilt sind, sondern, dass z.b. die medialen Temporallappen für eine Langzeitspeicherung bestimmter Inhalte verantwortlich sind. H.M. hatte offensichtlich eine Störung der Gedächtniskonsolidierung für bestimmte Inhalte (Übertragung von Kurzzeiterinnerungen in einen Langzeitspeicher!) Da H.M. bei sensomotorischen Aufgaben sehr wohl von Erfahrung profitieren konnte, ohne sich aber an diese Erfahrung zu erinnern, wurde die Gegenüberstellung von explizitem und implizitem Gedächtnis eingeführt! Man ist also zur Idee gekommen, dass das Gehirn mehr weiss als es zugibt!
2 Es stellte sich im Folgenden heraus, dass ein solches amnestisches Bild bei mehreren anderen Patienten ebenso auftrat! Deshalb wurde folgender Begriff definiert: Mediale Temporallappenamnesie! In diesem Zusammenhang wurde es wichtig, die intakten impliziten Gedächtnisleistungen zu beurteilen. Dies geschah (und geschieht auch immer noch!) oft mit Hilfe so genannter Repetition-Priming-Tests! (Was ist Repetition Priming?) Weitere Untersuchungen ergaben, dass eine Unterscheidung von semantischem Gedächtnis und episodischem Gedächtnis sinnvoll ist!
3 Ein weiterer Fall von medialer Temporallappenamnesie ergibt sich oft nach einer cerebralen Ischämie, die nur den Hippocampus betrifft! Eine genaue Untersuchung eines betroffenen Patienten ergab, dass bereits die Schädigung einer ganz spezifischen Region des Hippocampus zu einer solchen Amnesie führen kann! die Pyramidenzellschicht der CA1-Region des Hippocampus!
4 Amnesie beim Korsakoff-Syndrom: Neben Gedächtnisstörungen liegen sensorische und motorische Störungen vor, sowie auch Verwirrung, Persönlichkeitsveränderung und mehrere sonstige organische Probleme! Post-mortem Untersuchungen deuten auf Läsionen des medialen Diencephalons hin, die für die entsprechenden Gedächtnisdefizite verantwortlich sind. (Kurzzeitgedächtnisverlust u. retrograde + anterograde Amnesie). Speziell die mediodorsalen Kerne des Thalamus sind betroffen und für die gedächtnisdefizite verantwortlich!
5 Amnesie bei der Alzheimer-Erkrankung: Zu einer retrograden, anterograden und das Kurzzeitgedächtnis betreffenden Amnesie kommt bei Alzheimer-Patienten noch eine teilweise Störung impliziter Gedächtnisfunktionen dazu! Im Speziellen ist das implizite Gedächtnis für verbales und perzeptuelles Material oft betroffen, während das implizite Gedächtnis für sensomotorisches Lernen meist normal funtionsfähig bleibt! Acetylcholin-Mangel durch Degeneration des basalen Vorderhirns! Posttraumatische Amnesie: Kommotionssyndrom (Gehirnerschütterung!)
6 Nun kommt noch mehr zur Konsolidierung von Gedächtnisinhalten: Es gibt eine bekannte und einflußreiche Theorie von Donald Hebb: Erinnerungen werden durch kreisende neuronale Aktivität In geschlossenen Schaltkreisen aufrechterhalten (so genanntes reverberatorisches Kreisen!). Diese Schaltkreise sind anfällig für Unterbrechungen, wie sie z.b. durch einen Schlag auf den Kopf passieren können! letztendlich besagt die Theorie weiters, dass reverberatorisches Kreisen zu strukturellen Veränderungen an beteiligten Synapsen führt. diese strukturellen Veränderungen sorgen dann für eine stabile Langzeitspeicherung (Genetik!).
7 Eine Möglichkeit, die zeitlichen Aspekte einer Gedächtniskonsolidierung zu untersuchen, ergibt sich mit Hilfe so genannter elektrokonvulsiver Schocks (EKS)!... Ein EKS ist ein intensiver, kurzer, krampf-induzierender Stromstoß!... Ein EKS wird über am Kopf befindliche Elektroden verabreicht! Idee: ein EKS unterbricht momentane neuronale Aktivität und löscht dadurch nur diejenigen Inhalte, die noch nicht zu strukturellen synaptischen Veränderungen geführt haben! Die Dauer einer so definierten retrograden Amnesie liefert eine Schätzung der Zeitspanne, die für eine Gedächtniskonsolidierung notwendig ist! Rattenstudie (1969)!
8 Durstige Ratten wurden 5 Tage hintereinander für jeweils 10min in eine Box gesetzt, die eine kleine Nische enthielt (Gewöhnungsphase). Am 6ten Tag wurde ein Wasserspender in die Nische gestellt (15min Trinken nachdem der Spender entdeckt wurde!). Lernphase! Ratten der Versuchsgruppe bekamen dann jeweils einen EKS nach entweder: 10sek 1min 10min 1h 3h Am nächsten Tag wurde das Aufsuchen der leeren Nische gemessen!
9 Gerne schliessen wir daraus, dass die Konsolidierungsidee von Herrn Hebb für bestimmte Gedächtnisinhalte ausreichend erklärend ist, während andere Inhalte vermutlich durch andere Konsolidierungsprozesse langfristig gespeichert werden!
10 In den 70er Jahren wurde der so genannte delayed-nonmatching-to-sample-test entwickelt. Dieser diente als Test eines Tiermodells für die Amnesie nach Läsionen der medialen Temporallappen (siehe H.M.) Bei Affen, die einer bilateralen mediotemporalen Lobektomie unterzogen wurden als auch bei Menschen mit Temporallappenamnesie wurden vergleichbare Verhaltensergebnisse gefunden!
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13 Delayed-nonmatching-to-sample-Test für Ratten (die Mumby-Box): Gesunde Ratten schneiden nach kurzen Verzögerungen genauso gut ab wie gesunde Affen! Erst ab Verzögerungen von mehr als 1m sind Ratten schlechter!
14 Aufgrund vieler Läsionsstudien verschiedener Teile der medialen Temporallappen betreffend haben Anfang der 90er Jahre einige Forscher die Rolle des Hippocampus für Objekterkennung in Frage gestellt! Das Ergebnis unzähliger Untersuchungen war, dass die bilaterale Entfernung des rhinalen Kortex zu schweren Defiziten in der Objekterkennung führt! hingegen Eine bilaterale Entfernung des Hippocampus alleine führt nur zu einem mäßigen oder keinem Defizit! Eine bilaterale Entfernung der Amygdala zeigt überhaupt keinen Effekt!
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16 Der rhinale Kortex spielt also bei der Objekterkennung eine wichtigere Rolle als der Hippocampus! Welche Rolle spielt denn nun der Hippocampus? Der Hippocampus spielt eine Rolle beim räumlichen Gedächtnis! Es wurden die so genannten hippocampalen Ortszellen gefunden: Ortszellen sind Neuronen, die nur dann feuern, wenn sich das entsprechende Versuchstier an einem bestimmten Ort befindet (Ortsfeld; ähnlich wie rezeptives Feld anderer Neuronen!). Das geht sogar so weit, dass es über mehrdeutige Raumsituationen, die künstlich geschaffen werden, möglich ist, zu zeigen, dass eine solche Ortszelle durch ihr feuern anzeigt, was eine Ratte denkt, wo sie sich befindet und nicht notwendigerweise, wo sie sich tatsächlich befindet!
17 Auch bei Vögeln wurde die Theorie der Ortszellen im Hippocampus bestätigt! Vögel, die besonders viele verschiedene Futterverstecke haben, die sie auffinden müssen, haben einen größeren Hippocampus! Bei Gambelmeisen wurde sogar entdeckt, dass das Verstecken und Finden von Futter sogar eine Voraussetzung dafür ist, dass deren Hippocampus heranwächst! Bei Londoner Taxifahrern mit mehr als 20 Jahren Berufserfahrung wurde festgestellt, dass diese mehr graue Substanz im posterioren Hippocampus besaßen als Kontrollpersonen! es gibt drei nennenswerte Theorien über die Funktion des Hippocampus (im Zusammenhang mit räumlichem Gedächtnis!)
18 1) Theorie der kognitiven Landkarte von O Keefe und Nadel, 1978 (cognitive map theory!): Nach dieser Theorie besteht die Funktion des Hippocampus darin, Erinnerungen an räumliche Positionen zu speichern. Genauer gesagt soll der Hipocampus aus dem sensorischen Input allozentrische Landkarten der Außenwelt konstruieren. 2) Theorie der konfiguralen Assoziationen von Rudy und Sutherland, 1992 (configural association theory!): Dieser Theorie zufolge ist das räumliche Gedächtnis nur eine besondere Manifestation einer allgemeinen Funktion des Hippocampus. Der Hippocampus soll bei der Erinnerung an die Verhaltensbedeutsamkeit von Reizkombinationen eine Rolle spielen, nicht aber von Einzelreizen. 3) Theorie von Brown und Aggleton (2001): Der Hippocampus soll demnach wichtig für die Wiedererkennung der räumlichen Anordnung von Objekten sein, deren Wiedererkennung mehr die Aufgabe des rhinalen Kortex ist! die Suche geht weiter!
19 Wo sind denn nun Erinnerungen im gesunden Gehirn gespeichert? Es wurde bereits die Idee erwähnt, dass Erinnerungen im Rahmen der Strukturen gespeichert sind, die an der ursprünglichen Erfahrung beteiligt waren (Hund)! Wir haben über den Hippocampus und über den rhinalen Kortex gehört (auch über die mediodorsalen Kerne des Thalamus und über das basale Vorderhirn)! Welche Strukturen sind noch in welcher Form beteiligt?
20 Inferotemporaler Kortex: Der inferotemporale Kortex entspricht dem sekundären sensorischen Kortex des visuellen Systems! Der inferotemporale Kortex ist an der visuellen Wahrnehmung von Objekten beteiligt ( Was-Bahn )! Er spielt vermutlich eine grosse Rolle bei der Speicherung visueller Erinnerungen! Eine Studie von Naya et al. (2001) unterstützt diese Idee: Die Autoren berichten, dass Neuronenaktivitäten im rhinalen Kortex und im inferotemporalen Kortex registriert wurden, während Affen die Beziehung zwischen zwei Objekten in Paaren von Bildern lernten. Beim Lernen war zuerst der inferotemporale Kortex aktiv und dann der rhinale Kortex! Beim Erinnern war zuerst der rhinale Kortex aktiv und dann der inferotemporale Kortex!
21 Amygdala: Die Amygdala ist für die Erinnerung der emotionalen Bedeutsamkeit von Erfahrungen wichtig! Eine Zerstörung der Amygdala führt beispielsweise dazu, dass keine Furcht entstehen kann, die normalerweise bei Angstreizen auftritt! Präfrontaler Kortex: Bei Läsionen des präfrontalen Kortex treten Defizite im Gedächtnis für die zeitliche Abfolge von Ereignissen auf, obwohl die Ereignisse an sich meist erinnert werden können! Ebenso treten Defizite im so genannten Arbeitsgedächtnis auf. Arbeitsgedächtnis bezeichnet die Fähigkeit, relevante Erinnerungen aufrechtzuerhalten, während eine Aufgabe durchgeführt wird! Der präfrontale Kortex ist groß und heterogen und hat deshalb vermutlich mehrere verschiedene Funktionen im Zusammenhang mit Gedächtnis!
22 Amygdala Modifiziert nach Nieuwenhuys et al., 1991
23 Cerebellum und Striatum: Kleinhirn und Nucleus caudatus + Putamen! Neben den expliziten Erinnerungen, die bisher im Zusammenhang mit bestimmten neuronalen Strukturen besprochen wurden, muss es natürlich auch Schaltkreise geben, die sensomotorisches Lernen ermöglichen, sowie auch den Abruf solcher Inhalte aus einem entsprechenden Gedächtnissystem! Beispiel: Untersuchungen bei der klassischen Konditionierung des Lidschlagreflexes von Hasen deuteten daraufhin, dass das Cerebellum sensomotorische Inhalte speichert! Das Striatum speichert vermutlich Erinnerungen an kosistente Beziehungen zwischen Reizen und Reaktionen Gewohnheitslernen!
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