Großveranstaltungen aus der Sicht der Feuerwehr 1998
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- Andrea Arnold
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1 Großveranstaltungen aus der Sicht der Feuerwehr 1998 Großveranstaltungen jeglicher Art bergen Risiken in sich, die sich bei einer Vertretung unglücklicher Umstände und unzureichender Vorbeugung dramatisch auswirken können. Beispiele in der Vergangenheit, aus dem In- und Ausland bezeugen diese Theorien. Die Baurechtsbehörde und auch die Feuerwehren haben reagiert und haben zur Vorbereitung und Durchführung solcher Veranstaltungen Richtlinien, Grundsätze, Organisationspläne und ähnliches erlassen. Diese Pläne sollen helfen, bereits im Vorfeld Risiken zu erkennen und einzuschätzen sowie eine effiziente Gefahrenabwehr und Gefahrenbekämpfung aufzubauen. Großveranstaltungen oder auch nur Veranstaltungen wie z. B. Volksfeste, Ausstellung, Messen, Umzüge, Flugtage sowie politische Veranstaltungen und Konzerte, die durch ihre Eigenart mit besonderen Gefahren verbunden sind, sind anzeige- bzw. genehmigungspflichtig. Als Rechtsgrundlage gelten die jeweils nach ihrer Art durchzuführenden Veranstaltungen wie z. B.: und andere. - Feuerwehrgesetz - Bauordnungen - Versammlungsstättenverordnung - Straßenverkehrsordnung - Rettungsdienstgesetze Durch die Gesetze, Verwaltungsvorschriften und Rechtsverordnungen werden die beteiligten Behörden zur Prüfung der Frage veranlaßt, ob die Durchführung der beabsichtigten Veranstaltung Gefahren für die öffentliche Sichterheit, insbesondere der Schutz von Leben und Gesundheit sowie von Sachgüter der Allgemeinheit erwarten läßt. Risikoanalyse Eine Risikoanalyse soll Aufschluß über das Gefährdungspotential geben. Das Gefährdungspotential unterscheidet sich in: - Gefahren durch die Veranstaltung und - Gefahren durch das Publikum einschl. die Anfahrten des Publikum, Fahrzeuge usw. - Gefahren durch die Veranstaltungsart. 1
2 Eine Klassifizierung des Gefahrenpotentials durch die Veranstaltungsarten ist wie folgt gegeben: - Hohes Gefährdungspotential * Flugtag * Demonstrationen * politische Veranstaltung - mittleres Gefährdungspotential * Straßenfeste * Flohmärkte * Messen - niedriges Gefährdungspotential * Theatervorstellungen * Tagungen Das Gefahrenpotential durch das Publikum betrifft meinen Überlegungen nach mehr den Bereich der Rettungsdienste. Eine Beurteilung der Gefährdung durch eine Veranstaltung/Tagungsart ist für den Einsatzleiter einer Feuerwehr von entscheidender Bedeutung: - welche Gefahrenquelle verbirgt sich dahinter - Verkehr - Gewässer - in geschlossenen Räumen * Engpässe, Treppen, usw. - Witterung - Fluchtwege usw. Maßnahmen Maßnahmen und Empfehlungen Die Sicherheit während derartiger Großveranstaltungen kann durch einen Reihe organisatorischer Maßnahmen erhöht werden. Die nachfolgende Aufzählung nennt einige möglich Maßnahmen: Einrichtung eines funktionierenden und zahlenmäßig starken Ordnungsdienstes (Unterrichtung in der Handhabung von Feuerlöschern, Wandhydranten...), nach außen zu öffnende Tore und Türen, 2
3 vorsorgliche Auslegung von Schlauchleitungen (ggf. auch zu Abkühlung der Fans durch den Ordnungsdienst), keine Zuschauerplätze, von denen keine oder nur schlechte Sicht auf die Bühne gegeben ist, Sicherstellung einer jederzeit möglichen Lautsprecherdurchsage, besondere Ausgänge, die in Anzahl und Breite der zu erwartenden Menschenmenge entsprechen (keine Kreuzung von Ausgangswegen), Festlegung und Offenhaltung von Sanitätsplätzen für Zelte inklusive Zuund Abfahrten für Rettungswagen, Feuerwehr und Polizei, Festlegung von Flächen für den Aufbau des Trosses, Sicherheitszone vor der Bühne mit Gittern und Ordnern, vorherige Festlegung von Vertragsstrafen bei Verstößen gegen gemachte Auflagen (Freihaltung von Rettungswegen). Panik Definition und Entstehungsursachen Die entscheidende Verhaltensweise während einer Panik ist die schnelle, geradlinige Wegbewegung (= Flucht). Sie wird hervorgerufen durch eine plötzliche Bedrohung, verbunden mit einer existenziellen Angst, die das Denken lähmt, so daß man nicht mehr sinnvoll und überlegt handeln kann. Panische Reaktionen treten sowohl bei einzelnen Personen (Sprung aus dem Fenster bei völliger Überschätzung der akuten Gefahrenlage) als auch bei Menschenansammlungen auf. Der Anfang einer Massenpanik hat jedoch meist seinen Ursprung im panikartigen Verhalten einzelner Personen. Auslöseereignisse einer Massenpanik, die weltweit nur ein- oder zweimal pro Jahr beobachtet wird, können sein: Wetterphänomene (Blitze, Erdbeben, Platzregen, früher auch Sonnenfinsternis), technische Ereignisse (Brand, Explosion, Einstürze), ungewöhnliche akustische Ereignisse (Schüsse, Explosionen, Donner, Sirenen), gruppenweise Drohgebärden und Fluchtbewegungen. Massenpaniken bei Großveranstaltungen haben sich ereignet 3
4 am 11. Mai 1985 in Bradford: Abbrand einer hölzernen Zuschauertribüne; 52 Tote und 211 Verletzte, am 29. Mai 1985 in Brüssel: Fußballfan-Schlacht im Heysel-Stadion; 38 Tote und 454 Verletzte. Ablauf Noch nie ist es gelungen, eine Massenpanik zu stoppen. Das rücksichtslose, wie besinnungslose Verhalten wächst sich bei eingeengten Fluchtwegen zur tödlichen Bedrohung für Gestürzte oder an der Spitze der Fluchtbewegung rennende Personen aus. Bei plötzlich versperrten Fluchtwegen werden die vordersten Personen rettungslos zerquetscht. Untersuchungen haben ergeben, daß bei 40 beteiligten Personen auf einem ebenen, 2 mtr. breiten Gang nach rund 100 Sekunden Bewegung mit einem Staudruck von 300 kg zu rechnen ist. Auch beim plötzlichen Austritt ins Freie besteht, bedingt durch die momentane Druckentlastung, auch die Gefahr des Niederstürzens und des Zertrampelt werdens. Präventive Maßnahmen Die Verhaltensweisen von Personen unter dem Einfluß von Angst und Panik bleiben im Bau- und Betriebsgenehmigungsverfahren in der Regel als unvermeidliches Restrisiko unberücksichtigt. Der Verlauf von Massenpaniken kann, im Gegensatz zum Panikverhalten einzelner Personen, nur durch vorab getroffene Präventivmaßnahmen innerhalb gewisser Grenzen gesteuert bzw. beeinflußt werden. Diese möglichen Maßnahmen bei Massenveranstaltungen, die nur zum Teil brandschutzrelevanter Natur sind, resultieren aus den Ursachenforschungen infolge vergangener Katastrophen: Freihalten von Tribünenunterräumen von Abfall, Gerümpel und jeglicher Brandlast, wirksame Trennung rivalisierender Fußballfans, möglichst Schaffung eines freien Auslaufs (in Sportstadien Fluchttore auf das Spielfeld), Besucherkontrollen (Waffen, Feuerwerkskörper, Alkohol), frei passierbare Fluchtwege. Insbesondere bei der Konzeption und Anordnung von Flucht- und Rettungswegen werden zum Teil Aspekte vernachlässigt, die im Panikfall zu einer Katastrophe führen können: abgewinkelte, unübersichtliche, sich verengende Rettungswege (Trichterwirkung), Absätze und schadhafte Treppen (Stolpergefahren), Mauervorsprünge und scharfe Kanten (Verletzungsgefahr), 4
5 unebener oder glatter Belag. In Panik geratene Einzelpersonen können unter Umständen durch energisches Eingreifen zur Vernunft gebracht werden. Ebenso ist es möglich, ggf. durch beruhigenden Zuspruch bzw. durch Einleitung der Rettungsmaßnahmen durch die Feuerwehr panikartige Fehlreaktionen zu verhindern. Dies gilt z.b. für riskante Selbstrettungs- oder Sprungversuche, die durch Ansprechen per Megaphon vereitelt werden konnten. All diese Faktoren spielten bei der Überlegung zur Planung von Großveranstaltungen eine wichtige und entscheidende Rolle. Beispiel Mannheim Seit einigen Jahren hat sich die Stadt Mannheim als Veranstaltungsort zahlreicher Konzerte, Open-Air und nicht zuletzt durch das Nationaltheater und den Rosengarten von geistigem, künstlerischem und gesellschaftlichem Leben einen Namen in der Region Rhein-Main, Odenwald, Pfalz ja bis ins Saarland erworben. Als Versammlungsstätte im Freien hat sich neben dem Herzogenriedpark und dem Luisenpark in den letzten Jahren mehr und mehr das Maimarktgelände herauskristallisiert wurde erstmals von Seiten des Amts für Baurecht- und Umweltschutz der Stadt Mannheim geprüft, im Rahmen von Open-Air-Veranstaltungen mit Besuchern durchzuführen. Das Maimarktgelände liegt im Ostteil der Quadrate-Stadt und dient in erster Linie der größten deutschen Regional- und Verbraucherausstellung Maimarkt, der alljährlich von Ende April bis Anfang Mai stattfindet. Das Maimarktfeld umfaßt eine Fläche von m². Bei einer angestrebten Besucherzahl von (wurden anl. des Konzerts der Rolling Stones erreicht) ergibt dies rechnerisch eine theoretische Besucherbelegung von 1,8 Personen je m². Erfahrungen ähnlicher Veranstaltungen in Mannheim zeigen auf, daß ein Gefahrenschwerpunkt immer vor dem Bühnenbereich zu suchen ist, sowie an den Ein- und Ausgängen. Nach der Versammlungsstättenverordnung Baden-Württemberg sind für je 450 Besucher eine lichte Ausgangsbreite von mind. 1 m ( 98 VstättVO) vorgesehen. Eine Ausgangsbreite von 177 m wäre erforderlich. Der Sicherheitswachdienst nach 119 VstättVO wurde von der BF Mannheim bei einer Besucherzahl von auf 9 Mann mit folgenden Fahrzeugen festgelegt: 1 ELW 2 1 TLF 8 1 TLF 16 5
6 Bei einem Besucherandrang von Zuschauern würde im Bereich des Sanitätsdienstes 4 Sanitäter pro 1000 Besucher und pro Besucher 1 Arzt festgelegt. Räumlich verteilt wurde das Sanitätspersonal auf 3 Sanitätsstationen mit folgender Ausstattung: 1 Behandlungszelt 1 Zelt für Ruhebereiche 1 Aufenthaltszelt 1 NEF, 1 RTW, 2 KTW 3-4 Transportfahrzeuge Erstmals wurde 1995 die Rollings Stones World Tour als Open-Air Veranstaltung durchgeführt. Am fand auf dem Maimarktgelände die Open-Air-Veranstaltung PUR und andere Gruppen statt. Die Sicherheitswache wurde durch die BF gestellt. Der Personaleinsatz betrug 9 Mann. An Fahrzeugen und Geräten wurde zur Durchführung der Wache folgendes benötigt: 1 ELW 2 1 TLF 16 1 TLF 8 6 FuG 10, 1 TelAS 1 Dienstfahrrad Zusätzlich zu den üblichen Auflagen der Sicherheitswache wurden nachstehend aufgeführte Aufgaben und Arbeiten übernommen: - Überprüfung der Hydranten - Überprüfung der Zufahrtsmöglichkeiten Bereits im Vorfeld der Veranstaltung wurden Bedingungen und Auflagen aus der Sicht des Brandschutzes gefordert. Von Seiten des Ordnungsamtes der Stadt wurden Auflagen auf der eingangs beschriebenen Gefahrenanalyse/Risikobewertung für das Konzert erlassen. Inhaltlich wurden dabei Parkplatzerfordernisse, Absperrungen, Fluchtwege, Ordnerdienst, Beleuchtung sowie Fragen des Immissionsschutzes geregelt. Schlussbetrachtung Bei jeglicher Art von den aufgeführten Veranstaltungen ist meiner Meinung nach grundsätzlich eine Risikoanalyse durchzuführen. Anhand des ermittelten Gefährdungspotentiales sind im Einvernehmen mit der Baurechtsbehörde entsprechende Dienstanweisungen bzgl. von Feuerwehrsicherheitswachen zu fertigen. Erfahrungsgemäss sollten bereits im Vorfeld mit dem Veranstalter die Problematik der Feuerwehr und des Rettungsdienstes durchgesprochen werden. Quellenangabe: Skript BI-Lehrgang 1/97 LFS Bruchsal Einsatzplan der BF Mannheim zum PUR-Konzert Reinhold Albrecht 6
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