Sonderumfrage zum Mindestlohn im ersten Quartal 2015
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- Rosa Sommer
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1 Sonderumfrage zum Mindestlohn im ersten Quartal 2015 Bereits Mitte 2013, nachdem sich im Vorfeld der Bundestagswahlen nahezu alle Parteien für die Einführung eines Mindestlohns ausgesprochen hatten, hatte die Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) ihre Mitgliedsunternehmen hierzu befragt. Im Ergebnis wurden deutliche Lohnkostensteigerungen erwartet, die insbesondere für einzelne Branchengruppen starke negative Auswirkungen u.a. auf die Beschäftigung befürchten ließen. Da die allgemeine konjunkturelle Situation gegenwärtig recht gut ist und Arbeitsmärkte generell träge auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren, wäre es überraschend, wenn die vollen negativen Beschäftigungseffekte des gesetzlichen Mindestlohns bereits unmittelbar nach seiner Einführung in der Beschäftigungsstatistik ablesbar wären. Direkt spürbar sind aber bereits die Belastungen durch gestiegene Arbeits- und Bürokratiekosten, welche die Unternehmen insgesamt schwächen und sie zu verschiedenen Maßnahmen veranlassen, um mit diesen Kostensteigerungen umzugehen. Um zu ermitteln, welche Anpassungsreaktionen dabei im Vordergrund stehen, hat die IHK im ersten Quartal 2015 erneut Zusatzfragen unter ca. 650 Teilnehmern ihrer quartalsweisen Konjunkturumfrage gestellt. Die Fragen im Einzelnen: 1. Welche Auswirkungen hat der seit Januar geltende Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde allgemein auf Ihr Unternehmen? 2. Welche konkreten Auswirkungen haben sich bisher gezeigt? 3. Wie haben Sie reagiert oder werden Sie reagieren?
2 2 1. Auswirkungen unter dem Strich negativ Die allgemeinen Auswirkungen des Mindestlohnes fielen fast ausschließlich negativ oder neutral aus. Nur 0,3 Prozent der Unternehmen sehen positive Auswirkungen. Für 69,2 Prozent sind die Auswirkungen insgesamt neutral. Bei 30,5 Prozent allerdings zeigen sich negative Auswirkungen. Dabei sind einzelne Branchengruppen von den Regelungen besonders stark betroffen: Im Gastgewerbe, im Handel und im Verkehrsgewerbe beträgt der Anteil der negativ betroffenen Unternehmen über die Hälfte. Abb. 1: Unternehmen, die allgemein negative Auswirkungen durch den 2015 eingeführten Mindestlohn angeben; Anteile in Prozent nach Branchen Gastgewerbe Industrie Handel Verkehr Dienstleistungen Finanzdienstleister Baugewerbe 2. Lohnerhöhungen drücken den Gewinn, Bürokratie belastet zusätzlich Der Anteil der Unternehmen, die in den unteren Lohngruppen Erhöhungen auf das Mindestlohnniveau vornehmen mussten, betrug mit 21,4 Prozent insgesamt über ein Fünftel. Hinzu kamen aber weitere Lohnkostensteigerungen dadurch, dass Unternehmen auch höhere Lohngruppen anheben mussten, um angemessene Relationen zwischen den
3 3 einzelnen Lohngruppen zu wahren (sog. Kamineffekt ). Dies war bei 15,4 Prozent der Unternehmen der Fall. Die stärksten Auswirkungen für die Unternehmen hatte aber der durch das Mindestlohngesetz verursachte zusätzliche Bürokratieaufwand. Über alle Branchen hinweg waren davon 40,1 Prozent negativ betroffen. Insgesamt führten die zusätzlichen Belastungen durch den Mindestlohn bei 24,1 Prozent der Unternehmen unmittelbar zu einem gesunkenen Gewinn. Sonstige Auswirkungen gaben 7,1 Prozent der Unternehmen an, häufig wurden dabei Kostensteigerungen bei Dienstleistern und Lieferanten angegeben. Abb. 2: Konkrete Auswirkungen des Mindestlohnes auf die Unternehmen im IHK- Bezirk Halle-Dessau; Angaben in Prozent, Mehrfachantwort möglich zusätzlicher Bürokratieaufwand gesunkener Gewinn Lohnerhöhungen auf Mindestlohn nötig Lohnerhöhungen oberhalb des Mindestlohnes nötig Sonstiges Reaktionen: Preise erhöhen, Kosten senken, Beschäftigung anpassen Um die durch den gesetzlichen Mindestlohn verursachten Kostenanstieg zu kompensieren und so Investitionen und die Fortentwicklung des Unternehmens zu sichern, ergreifen die Unternehmen verschiedene Maßnahmen. Die am häufigsten genannte Reaktion war dabei die Erhöhung der Preise, um so zumindest einen Teil der gestiegenen Kosten an die jeweiligen Kunden weiterzureichen. Insgesamt geben 29,6 Prozent der Unternehmen an, dies zu tun bzw. es zu planen. Auch Kostensenkungen an
4 4 anderer Stelle im Unternehmen nennen 19,4 Prozent. Obwohl bislang nur 7 Prozent der Unternehmen konkrete Entlassungen als Reaktion auf den Mindestlohn umgesetzt haben oder planen, sorgt der Mindestlohn dennoch für eine deutliche Eintrübung der Beschäftigungsabsichten. So geben insgesamt 21,9 Prozent der Unternehmen an, dass sie als Folge des gesetzlichen Mindestlohns auf Neueinstellungen verzichten werden. Von 15,7 Prozent wird eine Änderung der Arbeitszeiten ihrer Beschäftigten genannt. Dies dürfte in der Regel auf eine Reduzierung hinauslaufen. Dazu passt, dass 10,6 Prozent angeben, die Produktivität der Arbeitsplätze erhöhen zu wollen, um dadurch den Anstieg der Arbeitskosten so weit wie möglich zu kompensieren. Auch reagieren 9,3 Prozent mit einer Änderung der Entlohnungsstruktur, indem z.b. freiwillige Zulagen nicht mehr separat gezahlt werden. Und schließlich planen 2,3 Prozent sogar eine Änderung ihrer Geschäftstätigkeit (z.b. vollständige oder teilweise Aufgabe des Betriebs). Abb. 3: Reaktionen der Unternehmen im IHK-Bezirk Halle-Dessau auf die Auswirkungen des Mindestlohnes; Angaben in Prozent, Mehrfachantwort möglich Erhöhung der Preise Verzicht auf Neueinstellungen Kostensenkungen an anderer Stelle Änderungen der Arbeitszeiten Steigerung der Produktivität Änderungen der Entlohnungsstruktur (z.b. Zulagen) Entlassungen Sonstiges Änderung der Geschäftstätigkeit (z.b. Aufgabe)
5 5 Zusammenfassung und Ausblick Die Einführung des einheitlichen gesetzlichen Mindestlohnes ist ein beispielloser staatlicher Eingriff, dessen negative Folgen insbesondere in der regionalen Wirtschaft im Süden Sachsen-Anhalts spürbar werden dürften. Arbeitskosten steigen, langjährig bewährte Strukturen für Leistungsanreize und die erprobte Arbeitsteilung in den Betrieben werden gefährdet. Hinzu kommt ein enormer Anstieg der administrativen Tätigkeiten durch zusätzliche Bürokratie. All das dürfte die Leistungsfähigkeit der Unternehmen beeinträchtigen und ihre Wachstumschancen verringern. Der mit den steigenden Arbeitskosten einhergehende sinkende Unternehmensgewinn wird darüber hinaus die Investitionsspielräume der Unternehmen beschränken und ihre Wachstumskraft zusätzlich schwächen. Auch wenn in der gegenwärtigen konjunkturellen Stärkephase der deutschen Wirtschaft keine Massenentlassungen zu befürchten sind, sorgen doch die bereits deutlich spürbare Zurückhaltung bei Neueinstellungen, die Reduzierung von Arbeitszeiten und Sparmaßnahmen in den Unternehmen für einen negativen Einfluss auf die Beschäftigungspläne. Es steht zu befürchten, dass die negativen Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Erwerbstätigkeit und die Arbeitslosigkeit der betroffenen Gruppen spätestens im nächsten Abschwung deutlich sichtbar werden. Zugleich stellt die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes einen Bruch mit dem Konzept der Sozialen Marktwirtschaft dar, das auf freie Preis- und Lohnfindung durch die Betroffenen setzt(e), ergänzt durch einen starken, steuerfinanzierten Sozialstaat. Der gesetzliche Mindestlohn ist grundsätzlich schlechter geeignet als die Sozialsysteme, um den Lebensstandard von Personen mit geringem Einkommen zu verbessern. Denn für den Lebensstandard ist nicht der Brutto-Stundenlohn eines Arbeitnehmers
6 6 entscheidend, sondern das nach Abzug von Steuern und Erhalt staatlicher Leistungen monatlich tatsächlich netto verfügbares Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft (z.b. einer Familie). Dieses Einkommen ist zielgenau nur über steuerfinanzierte Einkommenstransfers zu beeinflussen. Insofern ist der gesetzliche Mindestlohn ein denkbar unbrauchbares Mittel, um die damit verfolgten Ziele zu erreichen. Hinzu kommen erhebliche unerwünschte Nebenwirkungen: Ein Mindestlohn nützt nur dem, der ihn bekommt. Und das größte Armutsrisiko in Deutschland ist und bleibt die Arbeitslosigkeit. Um eine Verschlechterung der Chancen vieler Menschen am Arbeitsmarkt und einen Anstieg der Arbeitslosigkeit und der damit verbundenen Armut zu vermeiden, wäre es dringend geboten, sich wieder auf die Grundsätze der Sozialen Marktwirtschaft zu besinnen und die Sicherung angemessener Einkommen nicht durch staatliche Preissetzung, sondern durch eine Reform des Sozialstaates anzustreben bei Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK) Redaktion: Geschäftsfeld Standortpolitik Telefon: (03 45)
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