2. Wirtschaft und Güterverkehrspolitik als Determinanten des Schweizer Logistikmarktes
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1 2. Wirtschaft und Güterverkehrspolitik als Determinanten des Schweizer Logistikmarktes Die wichtigsten Fakten im Überblick Die Schweiz zählt mit einem Bruttoinlandprodukt von rund 550 Mrd. CHF (bei einer Einwohnerzahl von etwa 7,8 Mio.) zu den wettbewerbsstärksten Volkswirtschaften Europas und hat weltweit einen der höchsten Werte beim Bruttoinlandprodukt pro Kopf. Der Kapitalbestand Schweizer Unternehmen und Investoren im Ausland betrug im Jahr 2009 mehr als 865 Mrd. CHF und stieg damit im Vergleich zu 2008 um 5,7 %. Die Schweiz bietet sich als Standort für ausländische Unternehmen und als Abnehmer für deren Produkte an. Im Jahr 2009 betrug der Kapitalbestand ausländischer Akteure in der Schweiz 513 Mrd. CHF. Damit nahm der Kapitalbestand im Vergleich zu 2008 um 8 % zu. Die Schweiz ist vor allem ein Dienstleistungsland. Der tertiäre Sektor trägt rund 72 % zur Bruttowertschöpfung in der Schweiz bei. Durch die Schweiz verlaufen einige der wichtigsten Handelskorridore Europas. Eine besondere Bedeutung weist vor allem der auf der Nord-Süd-Achse durch die Schweiz fliessende alpenquerende Güterverkehr auf. Im Jahr 2010 wurden durch die Schweizer Alpen auf Strasse und Schiene insgesamt 38,3 Mio. t (+12 % gegenüber 2009) und damit etwa ein Drittel des gesamten alpenquerenden Güterverkehrs transportiert. Der Schienengüterverkehr nahm um 3,2 Mio. t bzw. um 15 % zu, die Gütermenge auf der Strasse hingegen nur um 0,9 Mio. t bzw. 7 %. 35
2 Logistikmarktstudie Logistikmarkt Die Schweizer Wirtschaft im europäischen Kontext Hinweis Dieser Abschnitt beleuchtet die allgemeine Wirtschaftslage der Schweiz, da diese starke Auswirkungen auf den Schweizer Logistikmarkt hat. Die Schweiz zählt zu den wettbewerbsstärksten Volkswirtschaften Europas. Das Bruttoinlandprodukt (BIP) der Schweiz betrug im Jahr 2010 bei einer Einwohnerzahl von 7,8 Mio. rund 550 Mrd. CHF. 3 Damit hat die Schweiz weltweit eines der höchsten BIP pro Kopf. Diese Wirtschaftsleistung wird von insgesamt Arbeitsstätten erbracht. Insgesamt sind 4,08 Mio. Erwerbstätige in diesen Arbeitsstätten beschäftigt, wobei 67,5 % Vollzeit angestellt sind. 4, 5 Aufgrund der vergleichsweise geringen Einwohnerzahl reicht der Binnenmarkt alleine nicht aus, die in der Schweiz produzierten Waren abzusetzen, sodass für viele schweizerische Unternehmen vor allem der europäische Markt von essenzieller Bedeutung ist. Aus diesem Grund hat die Schweiz mit der Europäischen Union (EU) einige bilaterale Abkommen mit dem Ziel eines schrittweisen Abbaus von Marktzugangsschranken abgeschlossen. 6 Direktinvestitionen im Ausland in Mio. CHF Direktinvestitionen in der Schweiz in Mio. CHF Kapitalbestand Kapitalexport Kapitalbestand Kapitalimport EU ,7 % ,7 % Vereinigtes Königreich ,6 % ,8 % 1521 Deutschland ,7 % ,5 % 3698 Frankreich ,3 % ,5 % 6720 Übriges Europa ,1 % ,5 % 958 Nordamerika ,9 % ,9 % USA ,5 % ,8 % Mittel-/Südamerika ,9 % ,6 % Restliche Welt ,2 % ,5 % 425 Total ,8 % ,0 % Tabelle 2: Ausgewählte schweizerische und ausländische Direktinvestitionen im Ausland und in der Schweiz in Mio. CHF (Quelle: SNB (2011): Direktinvestitionen) Direktinvestitionen > Hohe Auslandsinvestitionen schweizerischer Unternehmen führten im Jahr 2009 zu einem Kapitalbestand von mehr als 800 Mrd. CHF der Schweizer Investoren im Ausland. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 10,8 % (s. Tab. 2). > Der grösste Anteil des Kapitalbestandes schweizerischer Unternehmen findet sich in der Europäischen Union. > Auf der Gegenseite bietet sich die Schweiz als Standort für ausländische Unternehmen und als Abnehmer für deren Produkte an. Im Jahr 2009 betrug der Kapitalbestand ausländischer Akteure in der Schweiz 512 Mrd. CHF. Er nahm damit im Vergleich zum Vorjahr um 8 % zu. 36
3 Auf Basis dieser Regelungen wird es den in der Schweiz angesiedelten Unternehmen erleichtert, auf dem Markt der EU mit seinen rund 500 Mio. Verbrauchern aktiv zu sein. Neben der starken Verflechtung über Kapitalbeteiligungen ist die Schweiz über den Aussenhandel eng mit dem Ausland verbunden. Die relative Höhe des Aussenhandelsvolumens verdeutlicht die Einbindung der Schweizer Wirtschaft in den internationalen Wertschöpfungsprozess. Dabei sind vor allem Chemikalien und Maschinen seit Jahren die wichtigsten Handelsgüter. Die Einfuhr von chemischen Erzeugnissen belief sich im Jahr 2010 auf etwa 43,2 Mrd. CHF und die Ausfuhr auf rund 79,4 Mrd. CHF. Im Gegensatz dazu beträgt der Warenwert für die Einfuhr von Maschinen 41,1 Mrd. CHF und der Warenwert der Ausfuhren rund 68,4 Mrd. CHF. 7 Sektor Bruttowertschöpfung der Schweiz Bruttowertschöpfung (BWS) in Mio. CHF Primärer Sektor Land- und Forstwirtschaft, Fischzucht ,52 % Sekundärer Sektor Industrie, Energie Bau Tertiärer Sektor Handel, Gastgewerbe, Verkehr und Nachrichtenübermittlung Kreditinstitute, Versicherungen, Ver mietung, F & E, unternehmens bezogene Dienstleistungen Öffentl. Verwaltung, Erziehung und Unterricht, Gesundheit, sonstige Dienstleistungen ,95 % 4,22 % 3,81 % 1,34 % 2,76 % Total vor Berichtigung ,70 % Gütersteuern Gütersubventionen ,85 % 0,67 % Total nach Berichtigung ,79 % Tabelle 3: Anteil der Wirtschaftssektoren am BIP in Mio. CHF (Quelle: BfS (2001): Produktionskonto nach Branchen) > Die Wirtschaftsstruktur der Schweiz ist die eines Dienstleistungslandes. > Der tertiäre Sektor (Dienstleistungen) beschäftigt etwa 73,8 % aller Arbeitskräfte und trägt gut 68 % zur Bruttowertschöpfung 8 bei. 9 Dabei sind vor allem Handel, Gastgewerbe und der Finanzdienstleistungsbereich von entscheidender Relevanz (s. Tab. 3). > Die restlichen 30 % der Bruttowertschöpfung werden fast ausschliesslich im sekundären Sektor erwirtschaftet, in dem vor allem die chemische Industrie, der Maschinenbau sowie die Nahrungsmittelund Getränkeindustrie zu erwähnen sind. > Innerhalb der Subsektoren hat die verarbeitende Industrie mit über 100 Mrd. CHF einen grossen Stellenwert. Da Logistikleistungen eng mit den Aktivitäten der Industrie und des Handels verbunden sind, lässt sich daraus auf die Bedeutung der Logistik in der Schweiz schliessen. 37
4 Logistikmarktstudie Logistikmarkt Der Einfluss von Wechselkursen auf den Schweizer Logistikmarkt EUR/CHF Abbildung 12: Die Entwicklung des Frankenkurses seit 2005 (Quelle: Bloomberg) Mit Schlagzeilen wie «Starker Franken bremst Schweizer Exporte» 10, «Starker Franken wird zum Jobkiller» 11 oder «Starker Franken: Bund ruft zum Krisengipfel» 12 kommentierte die Schweizer Presse im vergangenen Jahr die rasante Aufwertung des Frankens. Der im Jahr 2007 noch zu 1.68 CHF gehandelte Euro stürzte 2011 auf ein Allzeittief von CHF (s. Abb. 12) und stellte sowohl Politiker als auch die Wirtschaft vor zahlreiche offene Fragen. Wie stark sind die Exporte wirklich von den Wechselkursen abhängig («Ein Paradox starker Franken und starke Exporte» 13 )? Kann die Exportwirtschaft den Preisnachteil auf dem internationalen Markt durch Qualität und Exklusivität absorbieren? Inwiefern profitieren die Unternehmen von verbilligten Importen («Unternehmen können mit dem tiefen Euro viel Geld sparen» 14, «Wir Kursgewinner» 15 )? Und wie stark wird die Logistikbranche von Wechselkursschwankungen beeinflusst? Obwohl diese Fragen möglicherweise heute noch nicht abschliessend beantwortet werden können, scheint es, abgeleitet aus der Intervention der Nationalbank 16, als ob die negativen Einflüsse eines starken Frankens überwiegen würden. Im Folgenden soll untersucht werden, inwiefern die schweizerische Wirtschaft und im Besonderen die Logistikbranche von den Wechselkursen abhängig sind. In einem ersten Schritt wird eine (stark abstrahierte) Vogelperspektive eingenommen, um mögliche Gewinner und Verlierer einer Aufwertung der heimischen Währung zu identifizieren. Anschliessend wird, unter Berücksichtigung besonderer Eigenschaften der Logistikbranche, beschrieben, inwiefern bzw. durch welche Kanäle die Logistik von den Wechselkursen beeinflusst wird. Abschliessend zeigen ausgewählte Handlungsempfehlungen, wie sich schweizerische Logistikdienstleister kurz-, mittel- und langfristig gegen Wechselkursrisiken absichern können. 38
5 Produktionsfaktoren in EUR Importe Exporte Verkauf in EUR Wertschöpfung Inbound- Transport (Beschaffungslogistik) Outbound- Transport (Distributionslogistik) Grenze CH EU Grenze CH EU Produktionsfaktoren in CHF Verkauf in CHF Abbildung 13: Prinzip-Darstellung von Inbound- und Outbound-Transporten aus Sicht eines Schweizer Unternehmens Einfluss des Wechselkurses auf Logistikdienstleister > Zur Vereinfachung der Darstellung der Wechselkurseffekte werden gesamtwirtschaftliche Aspekte, wie z. B. das Bruttoinlandprodukt oder die Inflation, aber auch politische Aspekte wie der Zoll oder gesetzliche Richtlinien, ausgeblendet. > Darüber hinaus wird die Wertschöpfung als «Black-Box» betrachtet. Abbildung 13 soll diese vereinfachte Perspektive bildlich darstellen. > Schweizerische Unternehmen können prinzipiell sowohl inländische (in CHF) als auch ausländische (in EUR) Produktionsfaktoren für ihren Produktionsprozess nutzen. Darüber hinaus können die hergestellten Produkte sowohl in der Schweiz (in CHF) als auch im Ausland (in EUR) verkauft werden. > Dabei übernehmen Logistikdienstleister die jeweiligen Transporte, wobei man bei den Importen (Einkäufen) von Beschaffungslogistik und bei den Exporten (Verkäufen) von Distributionslogistik spricht. > Der Wechselkurs übt zweifach Einfluss auf den Güterfluss und die Transportvorgänge aus. Er verändert die relativen Preise zwischen inländischen und ausländischen Inputs und Outputs. Geht man von einem aufwertenden Franken aus, so verbilligen sich die ausländischen Inputs. Die Unternehmen profitieren davon. Gleichzeitig werden aber Schweizer Produkte für ausländische Unternehmen teurer. Dies führt zu sinkenden Exporten oder schmelzenden Margen. > Vereinfacht ist festzuhalten, dass Unternehmen mit einem grossen Anteil an ausländischen Inputs und einem kleinen Anteil an ausländischen Verkäufen von einem starken Franken profitieren. Auf der anderen Seite leiden Unternehmen, welche einen kleinen Anteil der Inputs importieren und einen Grossteil der Verkäufe im Ausland verzeichnen. Basierend auf diesen Überlegungen stellt sich die Frage, ob die Eidgenossenschaft bei einer Aufwertung des Frankens netto gewinnt oder verliert. Hierzu sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: 1. Gemäss den Daten des Bundesamtes für Statistik ist die Schweiz seit dem Jahr 1981 (Daten verfügbar bis 1980) ein Nettoexporteur (nach Warenwert). Es ist also anzunehmen, dass die schweizerische Volkswirtschaft durch einen starken Franken im Schnitt eher verliert als profitiert. 2. Oft verhalten sich die Input- und die Outputseite bei starken Wechselkursschwankungen nicht unmittelbar synchron. Dies bedeutet, dass auf der einen Seite eine Aufwertung des Frankens nicht immer sofort und vollumfänglich zu tieferen Importpreisen für Kunden führt. 17 Auf der anderen Seite bewirkt eine Aufwertung auf der Outputseite jedoch sofort tiefere Margen und rückläufige Nachfrage. Der erste Effekt wird dadurch zusätzlich verstärkt. 39
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