SCLERODERMA LIGA e.v.

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1 SCLERODERMA LIGA e.v. Beilage zum Scleroderma INFOBRIEF Nr. 53 Psychotherapie bei Sklerodermie Referat: Dr. phil. Ralf Dohrenbusch, Psychologisches Institut, Universität Bonn Therapietagung Sklerodermie am in Mannheim In der Bevölkerung existieren eine Reihe von Vorurteilen über Psychotherapie sowie über Personen, die eine psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen. Vielfach bringen diese Vorurteile eine Scheu vor psychotherapeutischen Maßnahmen zum Ausdruck. Dabei kennen die wenigsten Personen Psychotherapie aus eigener Erfahrung und auch nur recht wenige sind in der Lage, Wirkungsweise und Wirksamkeit psychotherapeutischer Maßnahmen wirklich beurteilen zu können. Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Untersuchungen, die die Wirksamkeit und den Nutzen von Psychotherapie an Patienten mit psychischen, aber auch körperlichen Erkrankungen zweifelsfrei belegen. Der vorliegende Beitrag soll helfen, ein wenig die Scheu vor Psychotherapie zu nehmen und die Möglichkeiten psychotherapeutischer Einflussnahme einschätzen zu können. Dabei werden die Ausführungen zugeschnitten auf Patienten mit Sklerodermie. Wann sollten Sklerodermie Patienten die Möglichkeit einer Psychotherapie in Betracht ziehen? Psychotherapeuten sind gewöhnlich keine spezielle Zielgruppe für Sklerodermie- Patienten, weil es sich bei Sklerodermie primär um eine körperliche und keine psychische Erkrankung handelt. Als körperliche Erkrankung kann Sklerodermie jedoch zu zusätzlichen (psycho-therapeutisch behandelbaren) Störungen und Einschränkungen im Alltag führen. Diese können die psychische Stabilität verringern oder auch psychische Symptome auslösen oder verstärken. Aus der medizinischen und psychologischen Forschung ist bekannt, dass chronische Krankheiten wie z.b. die Sklerodermie häufig mit folgenden psychischen Beeinträchtigungen einher gehen: emotionaler Labilität und Anfälligkeit, geringer psychischer Belastbarkeit, verstärkten Stimmungsschwankungen, innerer Unruhe, erhöhter Reizbarkeit, depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen sowie verstärkten Ängsten, die insbesondere den Körper, das eigene Aussehen und die weitere Krankheitsentwicklung betreffen können. Diese Störungen können bei Sklerodermie-Patienten insbesondere dann auftreten, wenn sie die Krankheit ausschließlich als eine Form von (Lebens-)Bedrohung, körperlicher und seelischer Qual, als Last oder auch als Strafe ansehen, der sie sich hilflos ausgeliefert fühlen. Sind die genannten Beeinträchtigungen stark ausgeprägt, so kann eine psychotherapeutische Behandlung oder zeitlich befristete therapeutische Begleitung sinnvoll sein. Dass Sklerodermie-Patienten von den genannten Einschränkungen tatsächlich betroffen sind, zeigen verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen. Demnach sind bei dieser Patientengruppe psychische Störungen nicht selten, die als Hinweise auf eine psychische Überforderung gelten können. In einer Untersuchung an 54 Sklerodermie- Patienten (Roca et al., 1996) gaben etwa die Hälfte der Patienten leichte depressive Symptome an wie zum Beispiel ein andauerndes Gefühl innerer Leere, Antriebslosigkeit,

2 Interessenverlust oder deutlich weniger Freude an Tätigkeiten, die sonst als angenehm erlebt wurden. Etwa jeder sechste Patient beschrieb mittel bis schwer ausgeprägte depressive Symptome, also erhebliche depressive Verstimmung sowie körperliche Beeinträchtigungen wie z.b. Appetitlosigkeit, Druckgefühle in der Brust, deutliches Nachlassen der Sexualität, Rückzug von anderen Menschen u.a.. Besonders stark von Depressivität betroffen waren jüngere Patienten sowie Patienten mit Fingerulcera. Ohne Einfluss auf den Grad der Depressivität war die Krankheitsdauer (d.h. Patienten mit wenig eigener Krankheitserfahrung waren im Durchschnitt nicht depressiver als Patienten, die schon seit vielen Jahren an Sklerodermie litten), der Zustand der Haut, das Vorhandensein von Fingerkontrakturen, das Fehlen von Fingern oder die Mitbeteiligung des Verdauungssystems oder der Lunge. Kurzum: Der körperliche Zustand allein sagte vergleichsweise wenig aus über die Stimmung und das psychische Befinden der Betroffenen. Vielmehr waren psychologische Faktoren ausschlaggebend, also die Art und Weise, wie die Patienten mit der Krankheit und den damit verbundenen Beeinträchtigungen umgingen. Eine weitere Belastung mit Auswirkungen auf das Befinden stellen Schmerzen bei Sklerodermie dar. Eine Untersuchung an 142 Sklerodermie-Patienten (Benrud-Larson et al. 2002) kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich ein Drittel der Patienten schmerzfrei sind, jeder vierte Patient klagt zumindest über leichte Schmerzen und für immerhin jeden dritten sind die Schmerzen "sehr unangenehm" bis "sehr stark". Betroffene sollten wissen, dass sich gerade chronische Schmerzen wirksam durch psychologische Maßnahmen wie z.b. Entspannungs- und Konzentrationstrainings, Verhaltensübungen und andere Maßnahmen zur Verbesserung der Schmerzbewältigung positiv beeinflussen lassen. Andauernde Schmerzen können also auch ein Anlaß sein, um einen Psychotherapeuten aufzusuchen. Nicht zuletzt sind die Hautveränderungen und auch die damit verbundenen Veränderungen des Aussehens für manche Patienten so belastend, dass sie sich davon psychisch überfordert fühlen und zeitweise resignieren. Manche fühlen sich bereits bei geringfügigen Veränderungen verunstaltet und in ihrer Attraktivität beeinträchtigt und sehen der weiteren Krankheitsentwicklung mit großer Angst entgegen. In der Folge ziehen sie sich gegebenenfalls von Freunden und Bekannten oder nach Möglichkeit auch ganz aus der Öffentlichkeit zurück und isolieren sich, was wiederum eine depressive Symptomatik begünstigen kann. Psychotherapeutische Maßnahmen können in diesen Fällen dazu beitragen, das Selbstwertgefühl der Betroffenen trotz der körperlichen Veränderungen zu erhalten bzw. zu fördern und eine möglicherweise verzerrte negative Wahrnehmung des eigenen Körpers zu korrigieren. Grundsätzlich kann Psychotherapie als begleitende oder unterstützende Maßnahme immer dann hilfreich und nützlich sein, wenn die Patienten an den genannten psychischen Begleitsymptomen wie z.b. an depressiven Verstimmungen, Schlaflosigkeit oder Ängsten leiden. In diesen Fällen ist Psychotherapie sogar als die Behandlung der Wahl anzusehen, die einer medikamentösen Behandlung psychischer Symptome meist vorzuziehen ist. Aber auch für den Fall, dass Sie als Patientin oder Patient sich einfach von den krankheitsbedingten körperlichen Belastungen überfordert fühlen, wenn Sie sich z.b. durch Ihr Aussehen verunsichert oder deprimiert fühlen, gibt es psychotherapeutische Hilfsmöglichkeiten. Psychotherapeuten sprechen in diesen Fällen häufig von "Anpassungsstörungen". Durch diese Kennzeichnung (Diagnose) haben Therapeuten die Möglichkeit, psychotherapeutische Maßnahmen zur Verbesserung der Krankheitsbewältigung mit

3 den Krankenkassen abzurechnen, auch wenn ein Patient oder eine Patientin außer Sklerodermie keine definierten psychischen Störungen (z.b. Depressionen) aufweist. Insbesondere bei jüngeren Patienten, die ihre Sklerodermie-Diagnose noch nicht so lange kennen, wird man daher von einer Anpassungsstörung sprechen, wenn die Patienten auf die Erkrankung stark verunsichert, traurig oder auch mit Wut reagieren. Wie in Untersuchungen gezeigt werden konnte, sind die sogenannten Anpassungsprobleme bei Sklerodermie-Patienten dann besonders ausgeprägt, wenn sie an diffuser (statt zirkumskripter) Sklerose erkrankt sind, starke Schmerzen haben, viele depressive Symptome aufweisen und arbeitslos oder bereits berentet sind. In diesen Fällen sollte also besonders die Möglichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung erwogen werden. Was ist vor dem Beginn einer Psychotherapie zu bedenken? Wenn Sie sich für eine Psychotherapie entschieden haben, sollten Sie im Vorfeld einige Vorbereitungen treffen. Anders als bei einer organmedizinischen Behandlung sind psychotherapeutische Erfolge meist an engere Voraussetzungen gebunden, die Sie berücksichtigen sollten. Folgendes sollten Sie im Vorfeld beachten: Informieren Sie sich vorab über psychotherapeutische Methoden, vor allem über die drei psychotherapeutischen Behandlungsmethoden, die über Ihre Krankenkasse abgerechnet werden können. Dies sind Verhaltenstherapie, tiefenpsychologisch fundierte Therapie und psychoanalytische Therapie. Wenn es Ihnen vor allem um eine Verbesserung Ihrer Krankheitsbewältigung oder um konkrete Verhaltensänderungen im Alltag geht, wird am ehesten eine Verhaltenstherapie für Sie in Frage kommen. Überlegen Sie vorher, welche Veränderungen Sie sich wünschen und was Sie von einer Therapie erwarten. Stellen Sie dem Therapeuten daher möglichst frühzeitig Fragen zum konkreten Vorgehen in der Therapie, sodass Sie sich gut vorstellen können, was auf Sie zukommen wird. Fragen Sie auch, ob der Therapeut Erfahrungen im Umgang mit chronisch kranken Patienten hat und ob er über schmerztherapeutische Qualifikationen verfügt. Normalerweise sind körperlich kranke Patienten in der Psychotherapie eher selten, sodass es sinnvoll ist, sich eine(n) Therapeuten/ Therapeutin mit entsprechenden Erfahrungen auszuwählen. Nutzen Sie sogenannte Probesitzungen, um wenigstens zwei verschiedene Psychotherapeuten kennen zu lernen, und entscheiden Sie sich dann für denjenigen oder diejenige, der/die Ihnen am ehesten zusagt bzw. am kompetentesten erscheint. Sympathie und die Fähigkeit des Therapeuten, sich auf Sie und Ihre spezielle Problematik einzustellen, spielen dabei immer auch eine wichtige Rolle. Ihre Krankenkasse übernimmt für Probesitzungen bei kassenzugelassenen Therapeuten auf jeden Fall die Kosten. Nicht alle Psychotherapeuten können ihre Leistungen über die Krankenkasse abrechnen. Stellen Sie sicher, dass die Finanzierung der Therapie gesichert ist, da sie nicht ganz billig ist. Im Durchschnitt werden 25 bis 40 einstündige Sitzungen für eine Therapie veranschlagt. Weitere allgemeine Informationen und Entscheidungshilfen im Vorfeld einer Psychotherapie erhalten sie über Patienten-Ratgeber, die sie im Buchhandel oder in den örtlichen Verbraucherzentralen finden.

4 Schwerpunkte der Psychotherapie für Sklerodermie-Patienten Es gibt keine eigene Psychotherapie für Patienten mit Sklerodermie, aber es gibt Schwerpunkte der Behandlung, die sich teilweise aus dem Krankheitsbild und teilweise aus den Besonderheiten des individuellen Patienten ergeben. Folgende Schwerpunkte bzw. Behandlungsziele sind bei Sklerodermie-Patienten naheliegend: Behandlung krankheitsbegleitender psychischer Störungen Depressionen und Ängste lassen sich heute vergleichsweise gut und wirksam psychotherapeutisch behandeln. Oft geht es in der Therapie darum, unterscheiden zu lernen, inwieweit bestimmte Situationen (z.b. Hautveränderungen) oder Ereignisse (z.b. Freunde ziehen sich zurück) tatsächlich bedrohlich sind oder dem Patienten lediglich durch die jeweilige Wahrnehmung und Bewertung der Situation oder des Ereignisses so bedrohlich oder unerträglich erscheinen. Um hier Veränderungen zu erreichen, kann es mitunter notwendig sein, in die Lebensgeschichte des Einzelnen hineinzugehen und Vergleiche zu anderen Situationen oder Personen zu ziehen. Verändern kann sich dann im Laufe einer Therapie, was Sie als Patientin oder Patient über sich, Ihre Leiden und deren Ursachen und über andere Personen denken, wie Sie sich fühlen und nicht zuletzt wie Sie sich in bestimmten Situationen verhalten. Stressbewältigung Viele Sklerodermie-Patienten haben die Erfahrung gemacht, dass Stress und Belastung im Alltag Auswirkungen auf das eigene Befinden, mitunter auch auf die körperlichen Symptome haben kann. Intelligent mit Belastungen und Konflikten umzugehen und Stress (Ärger, Konflikte) möglichst wirksam zu verringern, ist daher generell ein wichtiges Behandlungsziel. Für Sklerodermie-Patienten gilt dies um so mehr, als es dieser Patientengruppe nicht immer gelingt, psychische Belastungen in befriedigender Weise abzubauen. So haben Untersuchungen (Scholz, 1994) gezeigt, dass Sklerodermie-Patienten im Vergleich zu anderen Patientengruppen eher leichter erregbar sind (sich also etwas schneller aufregen), sie zugleich in ihrem Verhalten aber weniger Ärger und Aggressivität zum Ausdruck bringen. Das heißt nicht, dass Sklerodermie-Patienten ganz charakteristische Persönlichkeitsmerkmale aufweisen, die sie von anderen Personen eindeutig unterscheiden. Vermutlich bemühen sie sich aber "im statistischen Durchschnitt" etwas mehr als andere Menschen darum, trotz innerer Anspannung und hoher Erregung nach außen kontrolliert und rücksichtsvoll zu bleiben, um andere nicht zu belasten. Es kann vor diesem Hintergrund sinnvoll sein, in einer Psychotherapie mit Sklerodermie-Patienten ein etwas weniger kontrolliertes Verhalten einzuüben, um auf diese Weise den Körper zu entlasten. Dies gilt besonders dann, wenn ein Patient oder eine Patientin selbst das Gefühl hat, im Alltag zu vorsichtig und rücksichtsvoll aufzutreten und zu viel "in sich hinein zu fressen". Krankheitsbewältigung Hilfe zur Krankheitsbewältigung kann in einer Psychotherapie dadurch vermittelt werden, dass gezielt die Balance zwischen aktiven Maßnahmen (z.b. sich informieren, Selbsthilfe betreiben, Hilfsmöglichkeiten ausprobieren, sich selbst beobachten, Maßnahmen optimieren) und passiven Maßnahmen (vergessen, flüchten, ablenken, vermeiden) thematisiert und nach Möglichkeit auch eingeübt wird. Dazu zählt auch, dass

5 Sie als Patient(in) mit möglichst vielen verschiedenen Formen der Krankheitsbewältigung vertraut gemacht werden, die erkennbar über das hinausgehen, was Sie selbst schon betreiben. Auch eine verbesserte Stressbewältigung kann Teil eines verbesserten Umgangs mit der Krankheit sein. Beispielsweise konnte an Sklerodermie-Patienten gezeigt werden, dass diejenigen, die etwas aggressiver und fordernder mit ihrer Umwelt umgingen ( Stressbewältigung), auch weniger schmerzempfindlich waren und ihre Schmerzen besser ertragen konnten. Demnach können alltägliche Verhaltensweisen und der Umgang mit anderen Menschen Auswirkungen darauf haben, wie gut Sie als Patient die Krankheit verarbeiten. Entsprechend werden solche Inhalte vermutlich ziemlich weit oben auf der Themenliste einer Psychotherapie bei Sklerodermie-Patienten stehen. Soziale Kompetenz Rückzug von anderen Menschen und soziale Isolation sowie soziale Streitigkeiten und Konflikte sind generell häufige Inhalte psychotherapeutischer Sitzungen. Das Behandlungsziel besteht in diesen Fällen meist darin, soziale Vereinsamung zu vermeiden und länger andauernden Ärger und Enttäuschungen im Umgang mit anderen Menschen (Freunden, Ehepartner, Kinder, Arbeitskollegen u.a.) zu verringern.. Bei Sklerodermie kann es in diesem Zusammenhang gegebenenfalls notwendig sein, die Patienten schrittweise anzuleiten und zu ermutigen, mit anderen Menschen über die Erkrankung zu sprechen oder auch souverän auf unbedachte Äußerungen anderer zu reagieren. Die sogenannte Förderung der "sozialen Kompetenz" verfolgt Ziele dieser Art. In einer Verhaltenstherapie wird dann zum Beispiel gemeinsam überlegt und ausprobiert, wie Sie als Patient(in) leichter auf andere Menschen zugehen können, was Sie sagen können, um auf Ihre Erkrankung hinzuweisen, wie Sie sich gegen Vorwürfe oder übertriebenes Mitleid behaupten oder wie Sie andere dazu bringen können, mehr Rücksicht auf Sie und ihre Beschwerden zu nehmen. Gerade die oben bereits angesprochene Zurückhaltung und verringerte "Aggressivität" vieler Sklerodermie- Patienten kann als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Verbesserung der sozialen Fähigkeiten (sich durchsetzen können, Wünsche und Forderungen formulieren, Kritik äußern und akzeptieren) ein wichtiger Bestandteil der Therapie sein kann. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die hier genannten Behandlungsschwerpunkte im wesentlichen auf den Besonderheiten des Krankheitsbildes und krankheitsbegleitender Verhaltensmuster ausgerichtet sind. Im Einzelfall können selbstverständlich auch ganz andere Problembereiche im Vordergrund stehen. Wissenschaftliche Erfahrungen und Belege über krankheitsbezogene psychotherapeutische Maßnahmen und über die Wirksamkeit von Psychotherapie speziell bei Sklerodermie-Patienten liegen bislang nicht vor. PD Dr. Ralf Dohrenbusch Psychologisches Institut der Universität Bonn Klinische und Angewandte Psychologie Römerstr Bonn Tel.: Fax :