SOA: EAI in neuen Schläuchen?

Transkript

1 SOA: EAI in neuen Schläuchen? Markus Weyerhäuser, Otto Krischer (IBM Deutschland GmbH) Abstract Wenige Themen beschäftigen die IT-Architekturgemeinde aktuell mehr als das allgegenwärtige Schlagwort der Service-orientierten Architektur (SOA). Häufig wird dieses Schlagwort mit anderen Hype-Begriffen wie Web-Services oder SOAP gleichgesetzt. Es stellen sich die Fragen: Handelt es sich bei SOA einfach nur um eine weitere neue Technologie zur Integration von Anwendungssystemen? Wo liegt der Unterschied zu klassischen Integrationstechnologien wie Enterprise Application Integration (EAI)? Und nicht zuletzt: Worin liegt der Nutzen einer SOA? Soviel vorweg: Der SOA-Ansatz geht weit über den Einsatz von Technologien hinaus. Eine SOA bedarf eines ganzheitlichen Vorgehensmodells und Architekturkonzepts und hat dann das Potenzial Geschäftsziele und IT in Einklang zu bringen. Obwohl im Rahmen einer SOA eine Reihe moderner Technologien wie zum Beispiel ein Enterprise Service Bus (ESB), Web- Services oder SOAP zum Einsatz kommen können, unterscheidet sich der mit SOA verbundene Ansatz gerade in der Ausrichtung an den Geschäftszielen von traditionellen technologisch getriebenen Integrationsansätzen à la EAI. Ein entscheidender Erfolgsfaktor für den Einsatz einer SOA ist die organisatorische Einbettung in die Unternehmensorganisation im Rahmen der IT Governance. Motivation für SOA Unternehmen verfügen heute über umfassende, über die Jahre gewachsene, in Teilen oft redundante IT Systeme. Deren Funktionieren ist für das Unternehmen essentiell. Umfang und Komplexität der meist mittels Spaghetti-Integration verbundenen IT Landschaft machen nicht nur Wartung und Betrieb zu einem zeit- und kostenintensiven Faktor, sondern lassen auch den Aufwand für Weiterentwicklung und Test immens ansteigen. Gleichzeitig haben sich die ökonomischen Rahmenbedingungen für die Unternehmen drastisch geändert. Der angebotsorientierte Bietermarkt ist einem nachfrageorientierten Kundenmarkt gewichen. Dieser ist hochgradig volatil und erfordert die zeitnahe Reaktion eines Unternehmens auf die Änderung seiner Bedürfnisse. Time-to-Market ist zum Schlüssel für den Erfolg eines neuen Produktes oder einer neuen Dienstleistung geworden. Eine höhere Flexibilität ermöglicht es dem Unternehmen rascher auf die sich ständig ändernden Anforderungen des Marktes zu reagieren, etwa im Fall der Erweiterung des Service-Angebots oder bei der Einführung neuer Produkte. Mergers und Acquisitions (M&As) sind ein weiteres Beispiel für die Notwendigkeit einer flexiblen Anpassungsfähigkeit in Unternehmen. Denn bei M&As müssen Prozesse und IT beider Unternehmen möglichst rasch harmonisiert sowie Redundanzen erkannt und beseitigt werden. Hierbei stellt der zeitliche Faktor einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil dar. Nicht zuletzt führt der Einsatz von SOA durch die damit verbundene Beseitigung von Redundanzen, die Reduktion der Komplexität, die Standardisierung und Vereinfachung der Architektur sowie die Wiederverwendung einmal bereitgestellter Services zu einer drastischen Kostenreduktion. Nach Erfahrung der Autoren lassen sich durch architektonische Maßnahmen bis zu 20 Prozent der Hardware- und Softwarekosten und bis zu 30 Prozent der

2 Entwicklungskosten einsparen. Bereinigung der Anwendungslandschaft und Reduktion ihrer Komplexität senken den Wartungsaufwand durchschnittlich um 30 Prozent. Die Aufteilung des IT-Budgets zwischen neuen Projekten und Wartung verschiebt sich zu Gunsten von Innovationen. Die wertvolle Arbeit fachlich kompetenter IT-Mitarbeiter wird von lähmenden Routineaufgaben befreit und steht stattdessen für die Weiterentwicklung des Kerngeschäfts zur Verfügung. Infolgedessen steigt die Innovationsfähigeit des Unternehmens rapide an. SOA liefert somit einen entscheidenden Beitrag zur Entschärfung des Spannungsfeldes zwischen der Abhängigkeit von der IT einerseits und deren Inflexibilität gegenüber Änderungen andererseits. Das Geschäft als treibender Faktor Dreh- und Angelpunkt einer SOA ist die Identifikation und der Zuschnitt des künftigen Service-Portfolios. Es gilt die für das Erreichen der Unternehmensziele relevante Funktionalität zu identifizieren und diese in Form wiederverwendbarer Services zu schneiden. Hierbei ist es nicht ratsam in einem ersten Schritt das komplette Service-Portfolio umzusetzen, da dies zu unnötiger Komplexität und Laufzeit des Projektes führt. Im Sinne eines Think big start small -Ansatzes sollten diejenigen Services als erstes umgesetzt werden, die den höchsten geschäftlichen Wert darstellen. Ein möglicher Ansatz zur Ermittlung entsprechender Service-Kandidaten ist zum Beispiel die "Hot Spot Analyse" im Rahmen des "Component Business Modells (CBM). Dabei werden die Geschäftsfunktionen des Unternehmens analysiert und die Komponenten mit dem größten Potenzial, die so genannten Hot-Spots, heraus gearbeitet. Diese systematische Herangehensweise Top-Down aus Geschäftssicht garantiert die Vollständigkeit und Konsistenz der identifizierten Unternehmensfunktionen. Ein nützliches Nebenprodukt dieses Ansatzes ist die Ermittlung und Konsolidierung redundanter Prozesse und Funktionen. CBM liefert einen Überblick über Kosten und Nutzen aller Prozesse des Unternehmens. Die im CBM gewonnenen Erkenntnisse eignen sich zur Darstellung des geschäftlichen Nutzens und sind Grundlage für die Berechnung eines Business Cases. Damit ist es möglich SOA-Initiativen auf Basis unternehmerischer Entscheidungen zu priorisieren und den angesichts anfallender Anfangsinvestitionen notwendigen Rückhalt im Management zu erhalten. Nach erfolgter Priorisierung der SOA-Initiativen lässt sich aus dem CBM ein vollständiges und redundanzfreies Service-Portfolio einschließlich der zugehörigen Architektur ableiten. Die Service Identifikation folgt einer eigenen Methodik. CBM und Service Identifikation bilden eine Brücke und helfen die üblicherweise vorhandene Verständnislücke zwischen Fachbereich und IT zu schließen. Durch die Strukturierung der Unternehmensfunktionen durch CBM lassen sich zugleich Treiber und Besitzer der betroffenen Prozesse beziehungsweise der künftigen Services bestimmen. Investitionsschutz durch Legacy-Integration Eine SOA setzt typischerweise auf einer historisch gewachsenen Anwendungslandschaft auf. Die vorhandene Funktionalität von in die Jahre gekommenen Anwendungen bleibt erhalten und wird durch ihre Einbindung in Services sogar unternehmensweit verfügbar. Investitionsschutz ist daher eines der Hauptanliegen einer SOA: Kapselung der Anwendungen und Einbinden in eine Unternehmensarchitektur steigert nicht nur den Nutzen neuer Investitionen, sondern schützt und potenziert auch Investitionen in Altsysteme.

3 Legacy Transformation erfolgt in einer SOA, indem die Funktionalität bestehender Systeme analysiert, den Geschäftszielen gegenüber gestellt und als Services in den Service Layer eingebunden wird. Dass sich hinter den Services eine heterogene Anwendungslandschaft mit unterschiedlichsten Zugriffsmechanismen und Schnittstellen verbirgt, ist für den Servicenehmer transparent: Er sieht lediglich die Service-Schnittstelle, nicht aber die Systemschnittstelle. Um dies leisten zu können, muss der Service-Layer über entsprechende Adaptoren verfügen und die Services über Abteilungsgrenzen hinweg anbieten können. Als Ideal hat sich hierfür die Verwendung eines Enterprise Service Bus herausgestellt. Er steuert Mechanismen für Verteilung, Übertragung und übergreifende Prozesssteuerung als Services bei, die gerade Altsystemen häufig in hinreichender Flexibilität fehlen. Zuschnitt der Services Potenzial für Wiederverwendung entsteht nur dann, wenn die Services einerseits genügend grob granular sind, um eine in sich abgeschlossene geschäftliche Bedeutung zu tragen. Andererseits müssen sie jedoch auch fein granular genug sein, um in unterschiedlichem Kontext Verwendung finden zu können. Wesentlich ist jedoch, einen nahtlosen Zusammenhang zwischen geschäftlichen Aufgaben und Zielen und verfügbaren Services herzustellen. Die Methodik zur Definition des Service-Portfolios besteht aus einem kombinierten Ansatz, der die Geschäftsprozesse und ihre Anforderungen Top Down analysiert. Zugleich geht die Methodik Bottom Up von der verfügbaren Funktionalität und den Randbedingungen bestehender Anwendungen aus. Die Service Identifikation stellt den Bezug zwischen geschäftlicher Aufgabe und Anwendungsarchitektur her. Ein Service modelliert ein in sich abgeschlossenes Stück Geschäftslogik. Häufiger Diskussionspunkt sind die Grenzen eines Dienstes. Hierfür gibt es kein allgemeingültiges Kriterium. Eine gute Regel besagt jedoch, dass ein Service den Teil eines Geschäftsvorganges umfasst, der üblicherweise innerhalb einer Abteilung von einer Person in einem Arbeitsgang erledigt wird. Ein Service beinhaltet eine Leistungsbeschreibung, eine Beschreibung seiner Schnittstellen und gegebenenfalls Randbedingungen, die es ermöglicht den Dienst zu nutzen, und schließlich die Implementierung des Dienstes. Letztere ist durch die Schnittstelle vollständig gekapselt, der Servicenehmer nutzt den Service als Black-Box. SOA-Governance: Eine notwendige Voraussetzung für Wiederverwendung Ein Grundsatz der IT-Architektur ist das Prinzip der Einmaligkeit: Say things once and only once!. Es besagt, dass gleiche Funktionalität in der IT-Architektur nur einmal vorkommen soll. Durch den Einsatz von SOA kann dieses Ziel erreicht werden, da es möglich wird, einmal umgesetzte Funktionalität unternehmensweit zu nutzen. Dieses Vorgehen führt jedoch dazu, dass mit der Weiterentwicklung der SOA die Zahl verfügbarer Services rasch ansteigt. Aus diesem Grund ist ein Service Repository von Beginn an ein notwendiger Bestandteil einer unternehmensweit einsetzbaren SOA. Das Service Repository enthält die grundlegende Information über die verfügbaren Services, wie zum Beispiel die Syntax der Services und ihrer Aufrufparameter, eine Beschreibung der Semantik der Services, die verfügbaren Versionen der Services aber auch Eigentümer und Nutzungskosten. Das Vorhandensein eines Repository ermöglicht erst die Wiederverwendung. Gleichzeitig ist es ein wesentliches Werkzeug des Architekten zur Steuerung des Ausbaus der SOA. Damit eine SOA ihren Wert beibehält, muss sie eine lebendige Struktur bleiben, die sich auch weiterhin den Änderungen des Marktes anpasst. Dies ist die Motivation für das Aufsetzen eines Governance Modelles, durch welches die Pflege und Anpassung des Service-Portfolios

4 sowie der Architektur gesteuert wird. Eine stringente Governance des Service-Portfolios und der Architektur insgesamt setzt Kenntnis und die Möglichkeit zur Verwaltung der Services voraus. Entscheidend für den Erfolg einer SOA ist es, die SOA Konformität einzelner Vorhaben zu forcieren und aus diesen ein Gesamtbild zu formen. Ein geeignetes Mittel hierfür ist die Errichtung eines Kompetenzzentrums oder einer "SOA Fabrik". Die Aufgaben eines solchen Kompetenz- oder Service-Centers reichen von Vorgaben für die IT Strategie, der Entwicklung eines IT Bebauungsplans und IT Standards über die Kontrolle der Einhaltung und der Messung des Erfolgs der Maßnahmen bis hin zur kompetenten Beratung des einzelnen Projekts bezüglich Technologien oder bereits vorhandener Komponenten und Services und zu deren Erstellung. Gerade die Konzentration der Entwicklung ist ein gutes Mittel, um Wiederverwendung zu forcieren und damit den Anspruch einer SOA zu fördern. Voraussetzung hierfür ist die Erkenntnis, dass SOA von strategischer Bedeutung für das Unternehmen ist. In der Anfangsphase lässt sich ein SOA Kompetenzzentrum nicht aus der lokalen Sicht eines oder weniger einzelner Projekte finanzieren, die sich lediglich auf das Einhalten des eigenen, knappen Budgets konzentrieren. Es handelt sich hierbei um eine allgemeine Querschnittsfunktion, somit muss sie mit entsprechendem Infrastruktur-Budget ausgestattet werden. Denkbar ist eine Finanzierung auf Umlagebasis oder als Service Center. Doch auch hier gilt die nicht neue Erkenntnis, dass Governance eine Aufgabe des Managements ist und durch dessen Rückhalt und treibende Kraft getragen werden muss. Wege zu einer Enterprise SOA SOA ist ein Schlüssel zu enormen Veränderungen. Ausrichtung der IT an den Prozessen, Kosteneinsparungen und mehr Flexibilität können das Geschäft von Unternehmen maßgeblich beeinflussen. Allerdings darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Einführung einer erfolgreichen SOA sorgfältiger Planung bedarf. Unternehmen, die am Anfang des Weges zu einer SOA stehen, sind gut beraten auf bereits gemachte Erfahrungen, so genannte Best Practices, zurückzugreifen. Da diese jedoch typischerweise nicht im eigenen Hause vorhanden sind, bedarf es eines kompetenten Partners. Abgesehen von seiner Fähigkeit Technik und Geschäft gleichermaßen zu beherrschen ist ein wesentliches Kriterium für dessen Wahl seine Befähigung mit den drei wichtigsten Fallstricken für eine SOA umgehen zu können: SOA muss in die Gesamtstrategie des Unternehmens eingebettet werden. Insbesondere in der Anfangsphase bedarf die Einführung einiger Investitionen, die nicht allein von den Vorreitern im Unternehmen getragen werden können. Schließlich kommt eine erfolgreiche SOA als Dienst-Leistung dem gesamten Unternehmen zu Gute. Daneben bedarf es der konzertierten Zusammenarbeit über verschiedene fachliche und technologische Abteilungen hinweg. Dies erfordert umfassendes Know-how und eine übergreifende Projektsteuerung. SOA ist keine Insellösung. Wenn auch der Ausgangspunkt einer SOA üblicherweise in einem Pilotprojekt liegt, sollte dennoch von vornherein die Erweiterung in Richtung einer unternehmensweiten Architektur unter Einbindung weiterer Anwendungen und Prozesse geplant werden. SOA darf nicht im Sinne von viel hilft viel als technologisches Wundermittel verstanden werden. SOA ist ein Ansatz, um Technologie und Geschäft enger miteinander zu verzahnen. Sie hilft die typischen Friktionen an dieser Nahtstelle zu

5 vermeiden. Eine SOA ohne Betrachtung des Geschäftsmodells könnte dies nicht leisten. Die induzierten Maßnahmen liegen nicht allein auf Seiten der IT, sondern können und müssen auch Strukturen und Prozesse im Unternehmen betreffen. Fundiertes Wissen über das Unternehmen und seines Geschäfts ist daher ein Muss. Zusammenfassung Rein technologisch betrachtet verspricht der Einsatz von SOA die Lösung des Integrationsproblems durch den Einsatz moderner Integrationstechnolgien wie zum Beispiel Web-Services oder dem Einsatz eines ESB. Soweit ist Ähnlichkeit zu klassischen Integrationsansätzen mittels EAI gegeben. Jedoch geht das Konzept der SOA viel weiter: Durch die Verfolgung eines Ansatzes, der durch die fachlichen Anforderungen getrieben ist schließlich werden die Services fachlich abgeleitet wird der impendence mismatch zwischen IT und Geschäft minimiert. Die von der IT bereitgestellten Services richten sich an den fachlichen Anforderungen aus und lassen sich flexibel zu Geschäftsprozessen kombinieren. Der Aufbau einer SOA muss im Kontext einer Unternehmensarchitektur gesehen werden. Wesentlich für den Erfolg ist dabei die Etablierung eines organisatorischen Rahmenwerks, wie etwa durch den Aufbau eines Competence-Centers zur zentralen Verwaltung und Weiterentwicklung der Services eines Unternehmens.