Demenz-Agitation: was bringt eine Schmerztherapie?
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- Annika Dresdner
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1 Demenz-Agitation: was bringt eine Schmerztherapie? Associate Professor Dr. med. Bettina S. Husebø Frankfurt am Main (15. März 2012) - Agitiertheit und Schmerzen kommen bei Pflegeheimpatienten mit Demenz häufig vor. Eine bei diesen Personen anzutreffende Beeinträchtigung von Sprache und abstraktem Denkvermögen kann bei agitiertem und aggressivem Verhalten mit eine Rolle spielen.1,2 Die aktuelle Studie ging der Frage nach, ob eine entschiedenere Schmerzbehandlung eine gesteigerte Erregbarkeit bei in Pflegeheimen lebenden Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Demenz vermindern kann. Zum potenziellen Nutzen einer Schmerztherapie hinsichtlich der Verbesserung einer bestehenden Agitation liegen nur einige Studien vor, deren Ergebnisse uneinheitlich sind.3 Wir schlossen in diese Studie 60 Cluster (ein Cluster wurde definiert als eine einzelne unabhängige PH-Einheit) in 18 PH innerhalb von 5 Gemeinden in Westnorwegen im Oktober 2009 und Juni 2010 ein.4 An der Studie nahmen 352 Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Demenz und klinisch signifikanten Verhaltensstörungen teil; die Patienten wurden randomisiert und entweder einem stufenweisen Protokoll zur Schmerzbehandlung (SPTP: Stepwise Protocol for the Treatment of Pain; 33 Cluster; n=175) oder einer Kontrollgruppe (27 Cluster; 1 / 6
2 n=177) zugewiesen. Das SPTP erfolgte in Anlehnung an die Empfehlungen der American Geriatrics Society.5 In Abhängigkeit von der laufenden Medikation erhielten die Studienteilnehmer entweder Paracetamol oral (maximale Steigerung auf 3 g/tag), Morphin retard oral (max. 20 mg/tag) oder Pregabalin oral (maximal 300 mg/tag) gemäß eines fixen Dosierungsregimes. Patienten mit Schluckproblemen wurden mit einem transdermalen Buprenorphin-Pflaster versorgt (maximal 10 μg/stunde/7 Tage). Falls erforderlich, war eine Kombinationsbehandlung m öglich. Bei Patienten, die diese Therapie nicht vertrugen, wurde die Dosis reduziert oder der Patient wurde von der Studie ausgeschlossen und entsprechend seiner klinischen Symptomatik angemessen behandelt. Wir führten eine 8-wöchige multizentrische, cluster-randomisierte Studie mit einer zusätzlichen Nachbeobachtung nach 12 Wochen, d.h. 4 Wochen nach Therapieende, durch. Der primäre Zielparameter war der CMAI-Wert (CMAI: Cohen-Mansfield Agitation Inventory).6 Zu den sekundären Zielparametern zählten die NPI-NH (Neuropsychiatric Inventory-Nursing Home version),7 die MOBID-2-Schmerzskala (MOBID: Mobilisation-Observation-Behaviour-Intensity-Dementia),8 die Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL)9 sowie die über den Mini-Mental-Status-Test (MMSE) ermittelte Wahrnehmungsfähigkeit.10 In der Gruppe, die die standardisierte Schmerztherapie erhielt, ließ sich nach 8 Wochen im Vergleich zur Kontrollgruppe eine signifikante Verbesserung der Agitiertheit nachweisen (wiederholte Kovarianzanalyse, ANCOVA, p<0,001), dabei lag die durchschnittliche Reduktion bezüglich des CMAI-Werts bei ungefähr 17%. Zur Erläuterung des Zusammenhangs sei angemerkt, dass drei randomisierte kontrollierte Studien mit Risperidon (die einzige zugelassene pharmakologische Therapie für Agitiertheit/Aggression bei Demenzkranken), die 2 / 6
3 den CMAI-Wert als Zielparameter verwendeten, im Vergleich zu Placebo einen Therapievorteil von 3%, 13% bzw. 18% ergaben. Die Therapie der Schmerzen gewährte zudem einen signifikanten Nutzen hinsichtlich des Gesamtschweregrads der neuropsychiatrischen Symptome (NPI-NH) sowie der Schmerzen (MOBID-2), jedoch bestanden keine signifikanten Gruppenunterschiede für den ATL-Score und die Wahrnehmungsfähigkeit (MMSE). Es ist möglich, dass die Agitiertheit der Patienten aufgrund des Sedierungseffekts durch die Opioidanalgetika rückläufig war. Allerdings erhielt lediglich eine Minderzahl (25,6%) sedierende Substanzen und nur drei Patienten wurden wegen Benommenheit und Übelkeit von der Studie ausgenommen. In der Behandlungsgruppe verschlechterten sich im Vergleich zur Kontrollgruppe weder ATL noch Wahrnehmungsfähigkeit, was darauf schließen lässt, dass ein Sedierungseffekt die erzielte Verbesserung der Agitiertheit in der aktiven Gruppe nicht hinreichend erklären kann. Diese Ergebnisse unterstreichen die Wichtigkeit von effektiver Schmerzerfassung und Schmerzbehandlung als Teil der Gesamttherapie zur Vermeidung von Agitiertheit und Aggression bei Demenzkranken sowie zur Einsparung von antipsychotischen und anderen psychotropen Arzneimitteln bei älteren Patienten im Allgemeinen.11 Der Zweck weiterer Untersuchungen liegt darin, nachzuweisen, welche Verhaltensstörungen (Beurteilung über NPI-NH und CMAI-Skala) mit Schmerzen assoziiert sind und auf eine individualisierte Schmerztherapie bei Patienten, die zum Ausgangszeitpunkt an offen bzw. nicht offen gezeigten Schmerzen leiden, ansprechen.12 Es gibt Hypothesen, die davon ausgehen, dass einige verhaltensbezogene und neuropsychiatrische Symptome aufgrund unbehandelter Schmerzen zunehmen und sich folglich durch eine individualisierte Schmerztherapie verbessern lassen. Andere Symptome stehen möglicherweise in 3 / 6
4 direktem Zusammenhang mit der Demenz oder mit anderen unerfüllten Bedürfnissen und sprechen somit nicht auf eine Schmerztherapie an. Des Weiteren liegt eine zukünftige Aufgabe darin, in einer randomisierten, multizentrischen, doppelblinden, placebokontrollierten Parallelgruppen-Studie den Effekt einer Schmerzbehandlung auf Depressionen und Angstzustände bei Demenzpatienten zu erforschen. Zusammenfassend zeigt diese Studie auf, dass ein standardisierter, effektiver analgetischer Behandlungsansatz eine entscheidende Rolle im Management von Agitiertheit in Pflegeheimen lebenden Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Demenz spielt und in der Folge Verordnungen von psychotropen Arzneimitteln reduzierbar sind. Außerdem bestätigen die Ergebnisse, dass eine systematisch durchgeführte Schmerztherapie die neuropsychiatrische Gesamtsymptomatik sowie die Schmerzen bei diesen Patienten signifikant vermindert. Studienfinanzierung: Finanziert durch den Norwegischen Forschungsrat (Prüfplan-Code des Sponsors: ), Universität Bergen (09/1568) und das Kavli Forschungszentrum für Altern und Demenz, Bergen. 4 / 6
5 Referenzen 1. Cohen-Mansfield J, Libin A. Verbal and physical non-aggressive agitated behaviors in elderly persons with dementia: robustness of syndromes. J Psychiatri Res 2005; 39(3): Testad I, Aasland AM, Aarsland D. Prevalence and correlates of disruptive behavior in patients in Norwegian nursing homes. Int J Geriatr Psychiatry 2007; 22(9): Husebo BS, Ballard C, Aarsland D. Pain treatment of agitation in patients with dementia: a systematic review. Int J Geriatr Psychiatry Husebo BS, Ballard C, Sandvik R, Nilsen OB, Aarsland D. Efficacy of treating pain to reduce behavioural disturbances in residents of nursing homes with dementia: cluster randomised clinical trial. BMJ 2011; AGS Panel. The management of chronic pain in older persons. J Am Geriatr Soc 1998; 46: Cohen-Mansfield J, Libin A. Assessment of agitation in elderly patients with dementia: correlations between informant rating and direct observation. Int J Geriatr Psychiatry 2004; 19(9): Cummings JL, Aarsland D. Neuropsychiatric Inventory NPI. Neurology Husebo BS, Strand LI, Moe-Nilssen R, Husebo SB, Ljunggren AE. Pain in older persons with severe dementia. Psychometric properties of the Mobilization-Observation-Behaviour-Intensity-Dementia (MOBID-2) Pain Scale in a clinical setting. Scand J Caring Sci 2010; 24: Sheikh K, Smith DS, Meade TW, Goldenberg E, Brennan PJ, Kinsella G. Repeatibility and validity of a modified actvities of daily living (ADL) index in studies of chronic disability. Int Rehab Med 1979; 1: Folstein MF, Folstein SE, Mchugh PR. Mini-Mental State - Practical Method for Grading Cognitive State of Patients for Clinician. J Psychiatr Res 1975; 12(3): Rosenberg PB, Lyketsos CG, Plank E. Treating agitation in dementia. BMJ 2011; Aarsland D, Husebo B, Ballard C. Authors' reply to McShane and Regnard. BMJ 2011; 343:d / 6
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