Titel: Erfolglose Klage einer Yezidin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
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- Hella Frei
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1 VG München, Urteil v M 4 K Titel: Erfolglose Klage einer Yezidin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft Normenkette: AsylG Schlagworte: Irak, Folgeantrag, Yezide, irakischer Staatsangehöriger, Asyl, Bescheid, Asylanerkennung, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutzstatus Tenor Die Klage wird abgewiesen. I Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. II Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Tatbestand Die 1993 geborene Klägerin ist irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit aus... Sie reiste nach eigenen Angaben am Juni 2011 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Zur Begründung ihres Asylantrags trug sie im Wesentlichen vor, sie sei wegen ihres Ehemannes nach Deutschland gekommen, den sie im Irak in dessen Abwesenheit geheiratet habe. Mit Bescheid vom 11. November 2011 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag ab (Ziff. 1), stellte fest, dass die Voraussetzungen des 60 Abs. 1 AufenthG (Ziff. 2) sowie Abschiebungsverbote nach 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG (Ziff. 3) nicht vorliegen. Die dagegen erhobene Klage wurde durch rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 17. Januar 2012 abgewiesen (M 4 K ). Am... Juli 2015 stellte die Klägerin einen Folgeantrag, den sie mit der Verfolgung der Yeziden durch die Terror-Organisation IS begründete. Mit Bescheid vom 25. Februar 2016 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden Bundesamt) den Asylantrag ab (Ziff. 2), erkannte die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutz nicht an (Ziff. 1 u. 3) und verneinte Abschiebungsverbote nach 60 Abs. 5 u. 7 AufenthG (Ziff. 4). Außerdem wurde die Abschiebung angedroht (Ziff. 5). Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen. Mit Schreiben vom 19. März 2016, bei Gericht am selben Tag eingegangen, erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage und beantragte, Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge wird aufgehoben. I
2 Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass bei der Klägerin Abschiebungshindernisse vorliegen. Der Klägerin drohe durch die Terroristen des IS wegen ihres yezidischen Glaubens eine Gruppenverfolgung; eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Die Klägerin stamme aus... das zum Zentralirak gehöre. Mit Beschluss vom 15. April 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen. Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Entscheidungsgründe Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13. Mai 2016 entschieden werden, obwohl die Beklagte nicht erschienen ist. In der ordnungsgemäßen Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann ( 102 Abs. 2 VwGO). Die Klage ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. 113 Abs. 1 und 5 VwGO). Das Gericht legt den insoweit ungenauen Klageantrag zugunsten der Klägerin ( 88 VwGO) so aus, dass eine umfassende Überprüfung des Bescheids begehrt wird. Der Klägerin steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder ein Anspruch auf Asylanerkennung oder auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ( 60 Abs. 2 AufenthG, 4 AsylG) noch auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach 60 Abs. 5 bis 7 AufenthG zu. Auf die zutreffenden Darlegungen im angefochtenen Bescheid, denen das Gericht folgt, wird nach 77 Abs. 2 AsylG Bezug genommen. Ergänzend ist auszuführen: Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach 60 Abs. 1 AufenthG, 3 ff. AsylG, da ihr bei einer Rückkehr ins Heimatland nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung wegen ihrer Religion droht. 1. Nach 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Ab-kommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl II S. 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, vgl. 3a, 3b AsylG. Verfolgung i. S. des 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, 3 Abs. 1, 3a AsylG kann - anders als im Rahmen von Art. 16a Abs. 1 GG, der grundsätzlich nur Schutz vor staatlicher Verfolgung gewährt - nach 3c AsylG ausgehen von (Nr. 1) dem Staat, (Nr. 2) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, oder (Nr. 3) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Nummer 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. In allen drei Fällen ist aber eine Verfolgung in diesem Sinn ausgeschlossen, wenn interner Schutz besteht, vgl. 3e AsylG. Der Klägerin droht in ihrer Herkunftsregion in ihrem Herkunftsland keine Verfolgung i. S. des 60 Abs. 1 AufenthG, insbesondere besteht keine Gruppenverfolgung als Angehörige des yezidischen Glaubens durch nichtstaatliche Akteure.
3 Die rechtlichen Voraussetzungen für die Annahme einer Gruppenverfolgung sind in der höchstrichterlichen Rechtsprechung weitgehend geklärt (vgl. BVerwG v , Az.: 10 C 11.08, AuAs 2009, , juris). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus, welche die Regelver-mutung eigener Verfolgung rechtfertigt. Die Verfolgungshandlungen müssen im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale entsteht. Darüber hinaus müsste die Gruppenverfolgung im Herkunftsland landesweit drohen, d. h. keine innerstaatliche /inländische Fluchtalternative bestehen (vgl. BVerwG v , Az.: 10 C 11/07, BVerwGE 131, 186). Diese für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar ( 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG; Art. 6 Buchst. c QualRL). Die Klägerin stammt aus... und damit aus der Kurdischen Autonomie Region (KAR). Der Ort wird von kurdischen Peschmerga kontrolliert....gehört zur Überzeugung des Gerichts de jure zum Nordirak (vgl. Gutachten des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom ). Das Dorf... in der Provinz... liegt nordwestlich der Stadt... (vgl. die der Stellungnahme beigefügte Karte) und gehört zum de-jure - Gebiet der autonomen Region... Es trifft nicht zu, dass die Provinz... vollständig zum Zentral-Irak gehört. Die Grenzen von Kurdistan-Irak verlaufen nicht überall parallel mit den Provinzgrenzen von...,... und...; vielmehr gehören auch Gebiete der Nachbarprovinzen, etwa wie hier im Bezirk... der Provinz..., zum dejure -Herrschaftsbereich der kurdischen Regionalregierung, worauf auch die Stellungnahme des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien zu Recht hinweist (vgl. U. VG München v , M 4 K ). Insoweit geht aber auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon aus (vgl. z. B. BayVGH vom , Az.: 23 B ), dass für Yeziden im Nordirak keine i. S. von 60 Abs. 1 AufenthG relevante politische Verfolgung stattfindet (ebenso OVG Lüneburg vom , Az.: 9 LA 229/06 zur Situation der Yeziden). I Die Feststellung in Nr. 3 des Bescheids ist ebenfalls rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach 60 Abs. 2 AufenthG, 4 AslyG. Nach 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten die 3c bis 3e AsylG entsprechend. 1. Konkrete Anhaltspunkte für das Drohen eines ernsthaften Schadens nach 60 Abs. 2 i. V. m. 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AsylG (Todesstrafe, Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung) sind nicht ersichtlich. 2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG, wonach ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt ist, wenn eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht. a) Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts i. S. von Art. 15 Buchst. c QualRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsaus-einandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken.
4 Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende - und damit allgemeine - Gefahr in der Person des Klägers so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung i. S. von 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U. v Elgafaji, C-465/07 - Slg. 2009, I-921). Bezüglich der Gefahrendichte ist zunächst auf die jeweilige Herkunftsregion abzustellen, in die ein Kläger typischerweise zurückkehren wird. Zur Feststellung der Gefahrendichte ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich (zum ganzen vgl. BVerwG, U. v C 43/07 - BVerwGE 131, 198; BVerwG, U. v C 9/08 - BVerwGE 134, 188; BVerwG, U. v C 5/09 - BVerwGE 136, 360; BVerwG, U. v C 13/10 - NVwZ 2012, 454). b) Nach diesen Grundsätzen liegt eine Bedrohung i. S. des 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht vor. Die Klägerin stammt aus..., das in der KAR liegt (s. o.). Im Herrschaftsbereich der KAR findet kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt statt. Im Gegenteil ist dieses Gebiet zum Zufluchtsort vieler Binnenflüchtlinge aus den übrigen Landesteilen des Irak geworden. Das Vordringen von Kämpfern des ISIS bzw. IS ist an den Grenzen der KAR aufgehalten worden. Das Gebiet der KAR (einschließlich... ist von Kämpfen oder sonstigen Ereignissen, die als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt angesehen werden können, nicht betroffen (Lagebericht des Auswärtigen Amts vom , S. 4, 7, 12, 13, 14; EZKS, Gutachten vom ; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Sicherheitssituation in der KRG-Region, , mit Update vom ). Der Klägerin ist es, wie bereits oben dargelegt, möglich und zumutbar i. S. von 3c Abs. 1, 4 Abs. 3 Satz 1 AslyG in die KAR zurückzukehren. IV. Der Bescheid ist auch bezüglich der Feststellung in Nr. 4 rechtmäßig. Der Abschiebung des Klägers steht auch kein nationales Abschiebungsverbot nach 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen. 1. Eine Abschiebung ist gemäß 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten -EMRK- ergibt. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere ist die humanitäre Lage in der KAR nicht derart außergewöhnlich prekär, dass Art. 3 EMRK beeinträchtig ist (vgl. BayVGH, B. v a ZB juris Rn. 5; UK Home Office, Country Information an Guidance Iraq, Version 1.1. Juni 2015, S. 6 f.). 2. Der Abschiebung der Klägerin steht auch kein Abschiebungsverbot nach 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG entgegen. Nach 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Eine derartige Gefahr hat die Klägerin nicht vorgetragen, sie ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
5 Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. 708 ff. ZPO.
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