Bindungsstörung. Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Von-Siebold-Str Göttingen
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- Ferdinand Heinrich
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1 Bindungsstörung Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Von-Siebold-Str Göttingen
2 Grundlagen Seit 2 Jahrzehnten eingeführte Kategorie Wenig empirisch gesichertes Wissen Entwicklungspsychiatrische Aspekte Hohes Risiko Entwicklung anderer psychiatrischer Störungen
3 Definition Unzureichende oder traumatisierende Beziehungen in den ersten Lebensjahren Symptomatik an Kleinkind- und Vorschulalter gebunden
4 Diagnose Diagnosestellung Pathogene psychosoziale Umstände Nicht nur intrapersonale, sondern auch interpersonelles Bindungsverhalten als Diagnosekriterium Explizit (DSM-IV) Implizit (ICD-10)
5 2 Grundformen (AACAP 2005) 1. Gehemmte Form Vermeidung Rückzug 2. Hypervigilanz Ungehemmte Form Nicht selektives, distanzlos-diffuses Kontaktverhalten
6 Klassifikation nach ICD-10 Reaktive Bindungsstörung des Kindesalters (F94.1) 1. Beginn vor dem 5. LJ 2. Widersprüchliche soziale Reaktionen in verschiedenen sozialen Situationen 3. Emotionale Störungen Rückzug, Aggressivität, Unglücklichsein, Überempfindlichkeit 4. Nachweis von zeitweiser sozialer Ansprechbarkeit mit gesunden Erwachsenen 5. Keine tiefgreifende Entwicklungsstörung
7 Klassifikation nach ICD-10 Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung (F94.2) 1. Anhaltende diffuse Bindungen in den ersten 5 Lj + Fehlen selektiver Bindungen 2. Wenig modulierte soziale Interaktionen 3. Anklammerndes, Aufmerksamkeit heischendes oder unterschiedslos freundliches (distanzloses) Verhalten 4. Kontakt- und Bindungsverhalten situationsübergreifend
8 Klassifikation nach DSM-IV Reaktive Bindungsstörung im Säuglingsalter oder in der Kindheit (313.89) inhibited type Disinhibited type Nachweis einer pathogenen Umgebung/Fürsorge! Nichtberücksichtigung der grundlegenden emotionalen Bedürfnisse Nichtberücksichtigung der körperlichen Bedürfnisse Häufige Wechsel der Bezugspersonen + Verhinderung stabiler Beziehungen
9 Epidemiologie I Inzidenz und Prävalenz unbekannt Schätzungen: 1% (Richters et al. 1994) Prävalenz in Risikogruppen (Kinder aus Institutionen, mißhandelte Kinder, Kinder mit Gedeihstörungen): ca. 40 % (z. B. Zeanah et al. 2004)
10 Epidemiologie II Studie UK rumänische Adoptivkinder mit unterschiedlicher Deprivationsdauer (O Connor + Rutter, 2000) Deprivationsdauer > 2 J vor Adoption 30% Bindungsstörung mit 6J Deprivationsdauer < 6 Mon 7% Bindungsstörung mit 6J
11 Somatische Begleiterkrankungen Psychosozialer Kleinwuchs Enge Assoziation mit emotionaler Deprivation + Verminderte Wachstumshormonsekretion + Schlafstörungen + Polydipsie + Polyphagie + Schmerzempfindlichkeit + Psychopatholog. Symptomen + Entwicklungsverzögerungen Beweisend für die Diagnose: Aufholwachstum mit Normalisierung der Hormone nach Ende der deprivierenden Bedingungen
12 Komorbidität I Fallberichte (Boris et al. 2000, Richters + Volkmar, 1994) Impulsivität Depressivität Angst Hyperkinetisches Verhalten Systematische Studien fehlen bislang
13 Komorbidität II Grundlegende sozial-emotionale Störung Kinderpsychiatrische Vulnerabilität Verlaufskomorbidität Störung des Sozialverhaltens Hyperkinetische Störungen Angststörungen Emotionale Störungen Ca. 70% allgemeine oder umschriebene Entwicklungsverzögerung (Berliner Kollektiv)
14 Ätiologie / Pathogenese I Biographische + Biologische Faktoren (als Vulnerabilität) Leicht irritierbare Neugeborene zeigen höhere Wahrscheinlichkeit für unsichere Bindung (Fremmer-Bombik 1996) Risiko Bindungsstörung
15 Ätiologie / Pathogenese II Tiermodell Deprivation Verhaltensänderung Morphologische + biochemische Veränderungen (z. B.Braun et al., 2000)
16 Ätiologie / Pathogenese III Biographische Ursachen Zusammenhang Deprivationsdauer und Sx einer Bindungsstörung (O Connor et al. 1999; O Connor + Rutter 1999 Aber: 70% mit Deprivation keine SX einer Bindungsstörung KOMPLEXE Interaktion pathogener + protektiver Faktoren Multifaktorielles Ätiologiemodell ( developmental puzzle )
17 Diagnostik I Exploration Fremdanamnese Bezugsperson Sonstige Ggf. videogestütze Interaktionsbeobachtung Kind Qualität des Kontaktverhaltens Reaktion auf Trennung Spielbeobachtung Ggf. projektive Testverfahren
18 Diagnostik II Somatische Abklärung z. B. endokrinologische Untersuchung Entwicklungsneurologische Untersuchung z. B. ergotherapeutisch Krankengymnastisch Pädaudiologisch-logopädisch PsU zu Beginn oft nur eingeschränkt verwertbar ( Verlaufsbeobachtung)
19 Differentialdiagnosen Hyperkinetische Störungen Tiefgreifende Entwicklungsstörungen Intelligenzminderung Anpassungsstörungen Akute Belastungsstörungen
20 Behandlung I Hauptziel (DGKJ, 2007) Herstellung und Sicherung eines entwicklungsfördernden bindungsstabilen Milieus
21 Behandlung II Jugendhilfe Bei Verbleib in der Familie Hilfeplanung nach KJHG ( 27, 35a, 36) Intensive sozialpädagogische Betreuung mit Beratung der Familie Kinderpsychiatr. Verlaufskontrollen Ggf. Einschränkung der elterlichen Sorge nach 1666 BGB Stat. Kinderpsychiatr. Behandlung Sonderpädagogische Pflegestelle
22 Behandlung III Wenn stationäre / teilstationäre Behandlung in KJP Milieutherapeutisch orientiertes, konstantes Bezugspersonensystem
23 Gedeihstörungen Behandlung IIII Somatische Maßnahmen ernährungsmedizinische Maßnahmen Psychosozialer Kleinwuchs Pädiatrische Endokrinologie (keine Therapie durch Wachstumshormone) Psychotherapeutische Maßnahmen NUR auf Basis des sozial- und heilpädagogischen Maßnahmen und bei entsprechendem Entwicklungsalter CAVE! Erneute Beziehungsabbrüche
24 Behandlung V Psychopharmakotherapie In Abhängigkeit der beeinträchtigenden Symptomatik
25 Primär Prävention Verbesserte gesellschaftliche Aufklärung! Bedeutung von Beziehungskonstanz Schulunterricht Schwangerenberatung Beratung von Ärzten Sekundär Verbesserte Früherkennung Langfristig abgesicherte Verlaufskontrollen (nach Intervention)
26 Verlauf I Frühe Auffälligkeiten im Bindungsverhalten Risiko späterer psychischer Auffälligkeiten bei psychosozialen Hochrisikofamilien (Rutter + Sroufe 200; Greenberg 1999; Dozier et al. 1999) Hohe Stabilität im Lj (obwohl in Pflegefamilie) (O Connor + Rutter 2000) Bindungsverhalten zwischen 6 und 11 Jahren (Kreppner 2004)
27 Verlauf II VERMUTUNG Gehemmte Bindungsstörungen Internalisiernde Störungen Ungehemmte Bindungsstörungen externalisiernde Störungen
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