Master of Arts in European Studies (M.A.)

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1 Masterarbeit im Rahmen des Studiengangs Master of Arts in European Studies (M.A.) an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) Thema: Die deutsche Sicherheitspolitik in Europa - Konstruktivistische Analyse zur Erklärung der deutschen Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der Europäischen Union Erstgutachter: Zweitgutachter: Prof. Dr. Jürgen Neyer Prof. Dr. Timm Beichelt Vorgelegt von: Simone Peuten simone.peuten@gmail.com

2 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung: Problemaufriss, Forschungsfrage und Aufbau der Arbeit Die neuen Entwicklungen in den Internationalen Beziehungen und den Integrationstheorien: Einordnung von Konstruktivismus und Rationalismus Theoretische Erklärungsmodelle: Konstruktivismus vs. Rationalismus Konstruktivistische Ansätze zur Erklärung deutscher Präferenzen zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik Deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa Kontinuität in Zeiten des Wandels? Sicherheits- und Verteidigungspolitische Einbindung und Initiativen der BRD bis Deutsche Sicherheitsstrukturen nach der Wiedervereinigung Die Ausgestaltung der ESVP Neue sicherheitspolitische Herausforderung zur Jahrtausendwende und die europäische Reaktion Die Erhebung sicherheitspolitischer Identitäten: Eigene Anwendung des Konstruktivismus zur Erklärung deutscher Sicherheitspolitik in Europa Überlegungen zur Bestimmung des Erhebungsortes: Der Deutsche Bundestag als Forum der Identitätskonstruktion Fallauswahl: Ausgewählte Bundestagsdebatten Vertretene Parteien der 14. und 15. Legislaturperiode im Deutschen Bundestag Auswertungsmethode: Qualitative Inhaltsanalyse Eigene Analyseschritte der qualitativen Inhaltsanalyse von Bundestagsdebatten Kategoriensystem und technische Mittel zur Auswertung der ausgewählten Bundestagsdebatten Forschungsergebnisse Sicherheitskooperationen in der EU: Zielvorstellungen, Aufgaben und Entwicklung Institutionelle Vertiefung und Entscheidungsverfahren Militärische und zivile Handlungsfähigkeiten Die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen und bilaterale Beziehungen Konklusion Anhang Literaturverzeichnis

3 Abkürzungsverzeichnis ASEAN Association of Southeast Asian Nations (Verband Südostasiatischer Nationen) AU Afrikanische Union BRD Bundesrepublik Deutschland BVerfG Bundesverfassungsgericht CDU Christlich Demokratische Union Deutschlands CSU Christlich-Soziale Union in Bayern CIVCOM Committee for Civilian Aspects of Crisis Management (Ausschuss für nichtmilitärische Krisenbewältigung) DRK Demokratische Republik Kongo EEA Einheitliche Europäische Akte EGKS Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl EPG Europäische Politische Gemeinschaft EPZ Europäische Politische Zusammenarbeit ER Europäischer Rat ESS Europäische Sicherheitsstrategie ESVI Europäische Sicherheits- und Verteidigungsidentität ESVP Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik EU Europäische Union EUISS European Union Institute for Security Studies (Institut der Europäischen Union für Sicherheitsstudien) EUMC European Union Military Committee (Militärausschuss der EU) EUMS European Union Military Staff (Militärstab der EU) EUSC European Union Satellite Center (Satellitenzentrum der Europäischen Union) EVG Europäischen Verteidigungsgemeinschaft EWWU Europäische Wirtschafts- und Währungsunion FDP Freie Demokratische Partei GASP Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik GG Grundgesetz (der BRD) IB Internationale Beziehungen KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa MERCOSUR Mercado Común del Sur (Gemeinsamer Markt des Südens) NATO North Atlantic Treaty Organization (Nordatlantische Vertragsorganisation) OSZE Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa PDS Partei des Demokratischen Sozialismus PSK Politisches und Sicherheitspolitisches Komitee SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands STIP Social Theory of International Politics (Alexander Wendt: 1999) UdSSR Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken USA United States of America (Vereinigten Staaten von Amerika) VN Vereinte Nationen WEU Westeuropäische Union WTO World Trade Organization (Welthandelsorganisation) 3

4 1 Einleitung: Problemaufriss, Forschungsfrage und Aufbau der Arbeit Die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Europa zeichnete sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in vielen Bereichen durch ein hohes Maß an Kontinuität aus. Seit Gründung im Mai 1949, setzte die BRD auf eine Einbindung in die Internationale Gemeinschaft, vor allem zu ihren westlichen Partnern. Massive Veränderungen des internationalen Systems führten meist nur zu geringfügigen, häufig auch zu gar keinen Veränderungen in der deutschen außen- und sicherheitspolitischen Grundorientierung. Insbesondere das Ende des Kalten Krieges und der Zusammenbruch der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR), auf den die Wiedervereinigung Deutschlands folgte, hatten einen geradezu minimalen Effekt auf die deutschen Politiken. Diese Kontinuität der deutschen Politik ließ sich mit den etablierten Theorien der Internationalen Beziehungen (IB) nicht erklären. Auch der Wandel in der sowjetischen Politik in den 1980er Jahren stellte ein weiteres Ereignis dar, welches durch die vorhandenen Theorien weder vorauszusehen noch erklärbar war. Diese Erklärungsnot der diversen Theoriestränge in den IB führte zu einer schnellen Zunahme alternativer Ansätze, die sich insbesondere im Konstruktivismus niederschlugen. In den 1990er Jahren wurde nicht nur die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union (EU) ins Leben gerufen. Darüber hinaus wurde nur wenige Jahre darauf eine Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) 1 geschaffen, die als fester Bestandteil der GASP, die EU um eine verteidigungspolitische Komponente ergänzte. Diese gesamte Entwicklung vollzog sich in einem Zeitraum von nicht einmal zehn Jahren. Die BRD zählte hierbei vom Zeitpunkt der Idee gemeinsame ESVP zu einem der Befürworter dieses Projektes. Schnell übernahm sie darüber hinaus die Rolle eines Förderers. 2 Der Gründung der ESVP waren dabei jedoch rund 50 Jahre Europäische Integration vorausgegangen. Die BRD war in dieser zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stets an einer, über die wirtschaftliche Integration hinausgehenden, politischen Integration Europas interessiert. Die Erfahrungen der ersten Hälfte des Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) wurde mit dem Vertrag von Lissabon, der 2009 in Kraft trat, in Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) umbenannt. In dieser Arbeit findet, aufgrund des untersuchten Zeitraums von 1999 bis 2003, der Begriff ESVP Anwendung. Joerißen, Britta / Stahl, Bernhard (2003): Europäische Außenpolitik und nationale Identität. Vergleichende Diskurs- und Verhaltensstudien zu Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien und den Niederlanden. LIT Verlag, Münster. S

5 Jahrhunderts hatten Deutschland von dem nach Macht strebenden, nationalistischen Deutschen Reich zu einem integrationswilligen, modernen Rechtsstaat gewandelt. Die BRD wurde zu einer Zivilmacht, die eine große Skepsis gegenüber militärischer Macht und militärischen Mitteln der Außenpolitik entwickelte. 3 Auf den ersten Blick scheint es somit erstaunlich, dass die BRD als einer der Förderer eines verteidigungspolitischen Elements in der EU auftrat. Sollte dies einen Bruch in der stets von Kontinuität geprägten deutschen Sicherheitspolitik bedeuten? Diese Arbeit beschäftigt sich einerseits mit der Beantwortung eben dieser Frage. Darüber hinaus ist es das Forschungsziel dieser Arbeit, eine Erklärung für die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik in einem europäischen Rahmen zu erbringen. Wie in der vorliegenden Arbeit gezeigt werden soll, ist nicht davon auszugehen, dass die deutsche Förderung der ESVP einen Wandel in der deutschen Sicherheitspolitik suggeriert. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass die ESVP eine Möglichkeit der Europäer, sowie der Deutschen war, auf die Veränderungen des internationalen Systems (Wegfall des Eisernen Vorhangs) und auf die sich abzeichnenden neuen Herausforderungen (Kriege auf dem Balkan, internationaler Terrorismus) zu reagieren. Eine mögliche Erklärung liegt in der deutschen sicherheitspolitischen Identität begründet. Dies gilt es zu untermauern. Am Anfang der vorliegenden Arbeit steht die Diskussion der beiden konkurrierenden integrationstheoretischen Stränge dem Konstruktivismus und dem Rationalismus die für die Beantwortung der hier aufgeworfenen Forschungsfrage in Betracht gezogen werden. Wie hier erörtert wird, ist der konstruktivistische Ansatz des Sozialkonstruktivismus dazu am ehesten geeignet. Die für die Untersuchung relevanten Gesichtspunkte des Sozialkonstruktivismus werden hier im Einzelnen hervorgehoben. Die Frage nach Kontinuität und/oder Wandel der deutschen Sicherheitspolitik soll der zweite Bestandteil dieser Arbeit sein. Durch die Analyse der deutschen sicherheits- und verteidigungspolitischen Geschichte vor und nach der Wiedervereinigung, wird dieser Frage, insbesondere in Hinblick auf die deutsche Förderung eines verteidigungspolitischen 3 Der Begriff Zivilmacht wurde durch Hanns W. Maull geprägt. Vgl. hierzu: Maull, Hanns W.: Zivilmacht Deutschland. Erscheint in: Hellmann, Gunther / Schmidt, Siegmar / Wolf, Reinhard (Hrsg.): Handwörterbuch zur deutschen Außenpolitik. VS Verlag, Opladen [ ]. 5

6 Elements, nachgegangen. Dies wird ergänzt durch eine Betrachtung der Geschichte, Institutionalisierung und Strategisierung der ESVP. Das hierdurch erlangte Hintergrundwissen wird für das Verständnis der darauf folgenden empirischen Analyse zur Beantwortung der dieser Arbeit zugrunde liegende Forschungsfrage als notwendig erachtet. Die qualitative Inhaltsanalyse von Bundestagsdebatten, welche die ESVP zum Bestandteil hatten, wird als das geeignete konstruktivistische Analyseinstrument herangezogen, um Erkenntnisse über die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu erlangen. 2 Die neuen Entwicklungen in den Internationalen Beziehungen und den Integrationstheorien: Einordnung von Konstruktivismus und Rationalismus Die Debatte in den Integrationstheorien, welche die Erklärung von politischer Integration der Prozess der Entstehung, Ausdehnung, Vertiefung und Erweiterung der EU 4 zum Gegenstand haben, wird durch zwei große Theorie-Familien dominiert. Auf der einen Seite steht der Intergouvernementalismus, der die Mitgliedsstaaten einer politischen Union für die zentralen Akteure der Integration hält. Dem gegenüber steht der Supranationalismus, welcher supranationale Organe als den Motor der Integration ansieht. 5 Ihren Ursprung haben Integrationstheorien in den IB. Hier wurde Integration als regionaler Strukturwandel der internationalen Politik untersucht. Mit Beginn der europäischen Integration, fanden die Theorien auch Einzug in die Untersuchung dieser. Die Integrationstheorie der Frühzeit der europäischen Integration war der durch Ernst B. Haas 1958 begründete Neofunktionalismus, welcher der Familie supranationalistischer Theorien zuzurechnen ist. Einen Gegenentwurf zu dieser Theorie wurde ab Mitte der 1960er Jahre durch Stanley Hoffmann und dessen Intergouvernementalismus entwickelt. An diese Theorien anknüpfend, traten ab Anfang der 1990er Jahren der Liberale Intergouvernementalismus von Andrew Moravcsik und der, unter anderem durch Wayne Sandholtz und Alec Stone 4 5 Holzinger, Katharina / Knill, Christoph / Peters, Dirk / Rittberger, Berthold / Schimmelfennig, Frank / Wagner, Wolfgang (2005): Die Europäische Union. Theorien und Analysekonzepte. Ferdinand Schöningh, Paderborn. S. 17. Vgl.: Rittberger, Berthold / Schimmelfennig, Frank (2005): Integrationstheorien: Entstehung und Entwicklung der EU. In: Holzinger, Katharina / Knill, Christoph / Peters, Dirk / Rittberger, Berthold / Schimmelfennig, Frank / Wagner, Wolfgang: Die Europäische Union. Theorien und Analysekonzepte. Ferdinand Schöningh, Paderborn. S. 22 f. 6

7 Sweet vertretene, supranationale Institutionalismus in Konkurrenz zueinander. 6 Weitere Dichotomisierungen der Theoriendebatte folgten. Neben der liberalen Variante des Intergouvernementalismus, existiert eine realistische. Zudem fanden Ende der 1990er Jahre die meta-theoretischen Konzepte des rationalistischen und konstruktivistischen Supranationalismus, als eine Art spill-over aus den IB, Einzug in die Integrationstheorien. 7 In den letzten Jahren hat sich die Debatte zwischen Konstruktivisten und Rationalisten zu der Vierten Debatte der IB entwickelt 8, welche sogar von Einigen als ihre signifikanteste Debatte bezeichnet wird. 9 Der erheblichste Unterschied der beiden Stränge liegt in ihrer Auffassung darüber, welche Faktoren das Integrationsverhalten von Akteuren beeinflussen. Im Folgenden werden zunächst die wesentlichen Unterschiede von Konstruktivismus und Rationalismus aufgezeigt. In dieser Gegenüberstellung werden die bedeutenden Elemente der beiden Stränge herausgearbeitet. Dabei lässt sich jedoch keine Definition von dem Konstruktivismus oder dem Rationalismus aufstellen, da zahlreiche und heterogene Auffassungen darüber bestehen, was beide ausmacht. Die Einteilung verschiedener konstruktivistischer Perspektiven in moderat, radikal, liberal-institutionalistisch et cetera, macht es beinahe unmöglich eine komplette Theorie aufzuzeigen. Da weder Konstruktivismus noch Rationalismus bisher über den Zustand einer Meta-Theorie hinausgekommen sind und es nicht der Anspruch dieser Arbeit ist, diesen Zustand zu verändern, werden an die Darstellung der Konstruktivismus-Rationalimus-Debatte anknüpfend, die für diese Arbeit wesentlichen Facetten herausgearbeitet. 2.1 Theoretische Erklärungsmodelle: Konstruktivismus vs. Rationalismus Der wesentlichste Unterschied von Konstruktivismus und Rationalismus liegt, wie bereits erwähnt, in ihrer Auffassung darüber, welche Faktoren das Integrationsverhalten von Akteuren beeinflussen. Rationalistische Analysen geben hierbei materiellen Faktoren einen Vorrang. Sie stellen Faktoren wie wirtschaftliche Interessen oder militärische Stärke in den Ebd. S. 22. Vgl.: Ebd. S. 23. Vgl.: Mayer, Peter (2003): Die Epistemologie der Internationalen Beziehungen: Anmerkungen zum Stand der Dritten Debatte. In: Hellmann, Gunther / Wolf, Klaus Dieter / Zürn, Michael (Hrsg.): Die neuen internationalen Beziehungen. Forschungsstand und Perspektiven in Deutschland. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden. S Zehfuss, Maja (2002): Constructivism in International Relations. The Politics of Reality. Cambridge University Press, Cambridge. S. 2. 7

8 Vordergrund ihrer Untersuchung. Diese Auffassung wird von Konstruktivisten abgelehnt. Im Konstruktivismus gilt die Annahme, dass ideelle Faktoren, wie Identitäten, Ideen, Normen oder Kultur, das Integrationsverhalten von Akteuren beeinflussen. Zwar streiten sie die Existenz einer materiellen Welt nicht ab, jedoch glauben sie, dass materielle Faktoren erst dadurch Einfluss auf menschliche Entscheidungen haben, dass ihnen eine bestimmte Bedeutung zugeschrieben wird. 10 Im Konstruktivismus besteht die für die Integrationsforschung relevante Welt aus Regeln, Normen, Kultur oder Diskursen, also aus sozialen Fakten. Diese existieren nur aufgrund menschlicher Vereinbarungen. 11 Es ist demnach unzureichend, beispielsweise wirtschaftliche Interessen alleine für das Verständnis eines Entscheidungsprozessen oder Integrationsschrittes heranzuziehen. Vielmehr gilt, dass [ ] nationale Interessen nur vor dem Hintergrund kulturell vermittelter Ideen in Bezug auf Europa verständlich sind, der Einsatz von Macht von der Anerkennung entsprechender Praktiken [ ] abhängt, und Entscheidungsregeln der Interpretation bedürfen, die umstritten sein kann. 12 Der Rationalismus geht davon aus, dass Akteure als eine Art Homo oeconomicus 13 agieren und sich Strukturen auf deren strategische Interaktion reduzieren lassen. Sie handeln nach einer Logik zweckrationalen Handels. Aufgrund der angenommenen festen Einbettung der Akteure in soziale Strukturen, lehnt der Konstruktivismus diese Annahme ab. Er geht von einem Akteurskonzept des Homo sociologicus aus, der nach einer Logik der Angemessenheit handelt. Das bedeutet, dass Akteure internationale Regeln auf der Basis von Rollen und Identitäten, die von stabilen, als legitim empfundenen und internalisierten Normen vorgegeben werden 14, befolgen. Die Interessen von Akteuren können aus der konstruktivistischen Perspektive nicht unabhängig von intersubjektiv geteilten Bedeutungsgehalten betrachtet werden. 15 Regeln und Normen haben hierbei sowohl einen regulativen (in Form von Gesetzen oder Rechtsprechung), als auch einen konstitutiven Effekt. Das heißt, sie wirken einerseits auf das Verhalten von Akteuren ein, definieren Schwellnus, Guido (2006): Sozialkonstruktivismus. In: Bieling, Hans-Jürgen / Lerch, Marika (Hrsg.): Theorien der europäischen Integration. VS Verlag, Wiesbaden. S Ebd. Ebd. Ein rational handelnder, eigeninteressierter, Nutzen maximierender, auf Reaktionen reagierender Akteur, mit festen Präferenzen, der über alle notwendigen Informationen verfügt. Schwellnus, Guido: Sozialkonstruktivismus. a.a.o. S Ebd. S

9 darüber hinaus die Rolle und die Identität von Akteuren und geben ihren Entscheidungen eine Bedeutung. 16 Das bedeutet jedoch nicht, dass Akteure in ihren Entscheidungen vollständig abhängig sind von den Strukturen (Institutionen), in denen sie eingebettet sind. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass Akteure und Strukturen sich gegenseitig konstituieren. Einerseits ist sinnvolles Handeln 17 stets regelgeleitet und bezieht sich auf intersubjektive Bedeutungsstrukturen, andererseits werden soziale Strukturen nicht nur von Akteuren erschaffen, sondern auch durch ihre Praxis reproduziert und verändert. 18 Auch bedeutet dies nicht, dass Akteure die Strukturen bewusst verändern können, sondern lediglich, dass sie die sozialen Strukturen in der Praxis reproduzieren. Diese wechselseitige Konstituierung stellt sich gegen den Rationalismus, welcher von einem methodologischen Individualismus ausgeht, also davon dass Akteure die sozialen Strukturen beeinflussen und dies nicht andersherum geschieht. 19 Der wesentliche Streitpunkt in der Vierten Debatte ist somit ein ontologischer, in dem es um die Beschaffenheit der sozialen Welt geht. Es handelt sich weder um einen epistemologischen Disput noch um einen Methodenstreit, wie Thomas Risse in seiner Darstellung der Konstruktivismus-Rationalismus-Debatte betont. 20 Man kann demnach nicht davon ausgehen, dass konstruktivistische Methoden rein qualitativ, rationalistische rein quantitativ arbeiten. Risse nennt als Beispiel hierfür die Arbeiten der Stanford School, die man im weitesten Sinne einer strukturalistisch-konstruktivistische Ontologie zuordnen kann, welche fast ausschließlich aus quantitativen Studien mit Zeitreihenanalysen bestehen (Boli/Thomas: 1997, 1998, 1999). Zudem nennt er die Arbeiten von Lars-Erik Cedermann (1995, 1997) und Barry O Neill (1999), welche zeigen, dass sich nicht mal mehr spieltheoretische Methoden eindeutig dem Rationalismus zuordnen lassen. 21 Trotzdem lässt sich feststellen, dass große Teile der konstruktivistischen Forschung mit qualitativen Ebd. Logik der Angemessenheit im Gegensatz zur Logik zweckrationalen Handelns im Rationalismus. Schwellnus, Guido (2006): Sozialkonstruktivismus. a.a.o. S Risse, Thomas (2003a): Konstruktivismus, Rationalismus und Theorien Internationaler Beziehungen warum empirisch nicht so heiß gegessen wird, wie es theoretisch gekocht wurde. In: Hellmann, Gunther / Wolf, Klaus Dieter / Zürn, Michael (Hrsg.): Die neuen internationalen Beziehungen. Forschungsstand und Perspektiven in Deutschland. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden. S Risse, Thomas (2003a): Konstruktivismus, Rationalismus und Theorien Internationaler Beziehungen warum empirisch nicht so heiß gegessen wird, wie es theoretisch gekocht wurde. a.a.o. Ebd. S

10 Methoden arbeiten. Häufig verwendete Analyseinstrumente sind Diskurs- oder Inhaltsanalysen sowie qualitative Auswertungen von Interviews oder Umfragen. 22 Zu nennen sind hier für den deutschsprachigen Raum unter anderem die Arbeiten von Rainer Baumann (2005), Wolfgang Wagner (2001) oder Marika Lerch (2005). 23 Bei der Konstruktivismus-Rationalismus-Debatte handelt es sich ebenso wenig um einen epistemologischen Disput, da bereits unter den verschiedenen konstruktivistischen Richtungen keine einvernehmliche Epistemologie vorherrscht. 24 Dies liegt schon darin begründet, dass es so etwas wie eine konstruktivistische Theorie in den IB (noch) nicht gibt und kein Einvernehmen darüber herrscht, welche Art von Wissen über die soziale Welt aus einer konstruktivistischen Perspektive gewonnen werden kann. 25 Demzufolge liegt in ihren Epistemologien nicht der Streitwert der beiden Metatheorien, da innerhalb dieser nicht einmal Einigkeit herrscht. Viele Wissenschaftler in den IB sind mittlerweile der Meinung, dass Konstruktivismus und Rationalismus nicht als miteinander unvereinbare Paradigmen 26 verstanden werden sollten. Ein Dialog über die Grundannahmen der beiden Disziplinen findet mittlerweile statt. 27 Fearon und Wendt empfehlen darüber hinaus, den ontologischen Streitpunkt nicht in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen, da weder konstruktivistische noch rationalistische Weltanschauungen dazu in der Lage sind, einen Großteil der politischen Fragen der IB zu beantworten. Sie raten zu einer pragmatischen Interpretation, [ ] in which these are two approaches to answering questions about international politics [ ] 28, und zu einem Dialog an Stelle einer Debatte zwischen den beiden Disziplinen Schwellnus, Guido (2006): Sozialkonstruktivismus. a.a.o. S Umfangreicher Überblick über verschiedene Methoden sind zu finden in: Ulbert, Cornelia / Weller Christoph (Hrsg.) (2005): Konstruktivistische Analysen der internationalen Politik. VS Verlag, Wiesbaden. Näheres hierzu in: Risse, Thomas (2003a): Konstruktivismus, Rationalismus und Theorien Internationaler Beziehungen warum empirisch nicht so heiß gegessen wird, wie es theoretisch gekocht wurde. a.a.o. S. 103 f. Dies wurde in der Positivismus-Post-Positivismus-Debatte, der so genannten Dritten Debatte der IB ausgetragen. Vgl. hierzu: Mayer, Peter: Die Epistemologie der Internationalen Beziehungen: Anmerkungen zum Stand der Dritten Debatte. a.a.o. Wagner, Wolfgang (2002): Die Konstruktion einer europäischen Außenpolitik. Deutsche, französische und britische Ansätze im Vergleich. Campus Verlag, Frankfurt. S. 24. Ulbert, Cornelia (2006): Sozialkonstruktivismus. In: Schieder, Siegfried / Spindler, Manuela (Hrsg.): Theorien der Internationalen Beziehungen. 2. Auflage. Verlag Barbara Budrich, Opladen. S Fearon, James / Wendt, Alexander (2002): Rationalism v. Constructivism: A Skeptical View. In: Carlsnaes, Walter / Risse, Thomas / Simmons, Beth A. (Hrsg.): Handbook of International Relations. Sage, London. S

11 Der durch Alexander Wendt geprägte Sozialkonstruktivismus oder moderate Konstruktivismus lässt sich als ein solcher middle ground, Brückenschlag oder via media bezeichnen. Mit seinem 1999 veröffentlichten Werk Social Theory of International Politics (STIP) 29 lieferte Alexander Wendt eine Zusammenfassung seiner Überlegungen der letzten zehn Jahre. Seine zahlreichen Aufsätze hatten in den 1990er Jahren die Debatte in den Internationalen Beziehungen entscheidend geprägt und zur Etablierung des Konstruktivismus beigetragen. 30 Aus Wendts Arbeiten dieser Zeit lassen sich drei Fragestellungen ableiten. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit war das Akteur-Struktur-Problem. Hierbei ging es darum herauszufinden, wie Strukturen konzeptionalisiert sein müssen, um Vorgänge der internationalen Politik erklären zu können. Seine Erkenntnisse hierzu gingen in eine eher neo-realistische, also rationalistische Richtung: Anarchie 31 sei das entscheidende strukturelle Ordnungsprinzip, das handlungsleitend wirke. Seiner zweiten zentralen Fragestellung die nach dem Stellenwert von Anarchie zur Erklärung staatlichen Handelns auf den Grund gehend, hielt er daran fest, dass Anarchy is what states make of it 32. Er geht davon aus, dass das Studieren des Einflusses von Anarchie auf die Identitäten und Interessen von Staaten einen richtigen Ansatz darstellt. Jedoch ist es nicht die Anarchie selber, die das Handeln von Staaten erklären kann, was ihn in STIP darauf zurückkommen ließ, worauf sich dies zurückführen lässt. In diesem Aspekt liegt die Brückenfunktion die Wendt für sich beansprucht, indem er seiner Analyse über die Bedeutung von Anarchie im internationalen System einige zentrale konstruktivistische Annahmen zugrunde legt. 33 Der moderate Konstruktivismus zeichnet sich jedoch durch eine strukturalistische Sichtweise aus, die dazu neigt, den Akteur nicht in die Analyse einzubeziehen. Aufgrund der konstruktivistischen Betonung internationaler konstitutiver Normen, wird dies insbesondere von deutschen Konstruktivisten als ungenügend angesehen. 34 Sie haben eine Reihe akteurszentrierter Ansätze entwickelt, die sich besonders in empirischen Arbeiten niederschlagen In Anlehnung an Kenneth Waltz (Begründer des Neo-Realismus) Theory of International Politics (1979). Ulbert, Cornelia (2006): Sozialkonstruktivismus. a.a.o. S In den IB: Der Zustand des internationalen Systems. Wendt, Alexander (1992): Anarchy is what states make of it: the social construction of power politics. In: International Organization, 46: 2, S Vgl.: Ulbert, Cornlia (2006): Sozialkonstruktivismus. a.a.o. S Für eine vollständigere Darstellung von Sozialkonstruktivismus siehe: Ulbert, Cornlia (2006): Sozialkonstruktivismus. a.a.o. S Vgl.: Risse, Thomas (2003a): Konstruktivismus, Rationalismus und Theorien Internationaler Beziehungen warum empirisch nicht so heiß gegessen wird, wie es theoretisch gekocht wurde. a.a.o. S

12 2.2 Konstruktivistische Ansätze zur Erklärung deutscher Präferenzen zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik Rationalistische Ansätze betonen, dass Faktoren wie wirtschaftliche Interessen oder militärische Stärke das Integrationsverhalten von rational handelnden, eigeninteressierten Akteuren beeinflussen. Ihre Interessen werden dabei, je nach rationalistischem Ansatz, aus dem internationalen oder gesellschaftlichen Umfeld abgeleitet. Der realistische Ansatz, welcher dem Rationalismus zuzuordnen ist, prognostiziert, dass ein Wandel der machtpolitischen Realitäten im internationalen System, zu einem Wandel der nationalen Außenpolitiken führen muss. 35 Aus einer rationalistischen Perspektive hätte somit davon ausgegangen werden müssen, dass die BRD nach der Wiedervereinigung ihren außenpolitischen Kurs verändert. Das Erlangen der vollen Souveränität und der damit einhergehende Machtzuwachs hätten aus rationalistischer Sicht nicht dazu geführt, dass sich Deutschland für eine tiefere Integration der EU einsetzt. Denn die Abgabe von Souveränität, wozu die BRD weiterhin bereit war, bedeutet immer auch einen relativen Machtverlust. Dies kann der Rationalismus nicht erklären. Demnach wird an dieser Stelle dem Rationalismus keine Aufmerksamkeit mehr geschenkt. Stattdessen wird der Konstruktivismus auf seine Fähigkeit geprüft, Erkenntnisse über die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik liefern zu können. Angesetzt wird hier bei der Entstehung von Interessen, da diese von Konstruktivisten nicht als gegeben angesehen werden, sondern, wie beschrieben, sozial konstruiert sind. Deutschsprachige Konstruktivisten beschäftigen sich vornehmlich mit akteurszentrierten Erklärungen für Integrationsverhalten. In den letzten Jahren wurde eine Reihe von Methoden zur Erklärung europäischer Integrationsschritte entwickelt, welche der konstruktivistischen Integrationsforschung zuzuordnen sind. Sie behandeln zentrale Themen, [ ] wie die Entstehung, die Wirkung und der Wandel von Identitäten und Normen, die Legitimität supranationalen Regierens und die normativen Fundamente der 35 Vgl: Risse, Thomas (2003b): Deutsche Identität und Außenpolitik. Arbeitsstelle Transatlantische Außenund Sicherheitspolitik Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften Freie Universität Berlin, Berlin. se2.isn.ch%2fserviceengine%2ffiles%2fesdp%2f27137%2fipublicationdocument_singledocument %2FA C521-46FB-AC84-F071DD0D141D%2Fde%2F04_Risse-03-3.pdf&ei=rHfRS4b-Mp- VOPeW2f8N&usg=AFQjCNE5KVBQcoDnRAdsKZ7JzmUnCYuv2g&sig2=uhAkU3n2C8mtCQc7AH vlqw [ ]. S

13 Europäischen Union [ ]. 36 Durch diese Entwicklung gelang es dem Konstruktivismus von meta-theoretischen Überlegungen zur Ontologie und Epistemologie abzurücken und sich vermehrt durch empirische Studien mit dem politischen Leben der EU auseinanderzusetzen. Im Folgenden wird seine Bedeutung für die Integrationsforschung näher beleuchtet. Thomas Risse, einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren im Konstruktivismus, betont in seinem aktuellen Aufsatz Social Constructivism and European Integration, dass die Ansätze in der europäischen Integrationsforschung, die den Aufbau von Institutionen aus einer Akteursperspektive untersuchen, gut vorankommen. Er geht zwar nicht davon aus, dass konstruktivistische Ansätze neo-funktionalistische oder liberal intergouvernementalistische ersetzen können; sie können sie jedoch um die Erkenntnis, dass die Interessen und Identitäten von Akteuren sozial konstruiert sind, bereichern. 37 Die im vorhergehenden Kapiteln beschriebene gegenseitige Konstituierung von Akteuren und Strukturen, spielt auch in der Europäischen Integrationsforschung eine wesentliche Rolle. So haben sich viele Studien der letzten Zeit mit den Rückkopplungseffekten des Integrationsprozesses in die inländischen Strukturen beschäftigt (e.g. Kohler-Koch und Einsing 1999; Börzel und Risse 2007). 38 Konstruktivisten sehen Institutionen als soziale Strukturen an, die Akteuren und deren Verhalten beeinflussen. In ihrem Verhalten folgen Akteure der bereits erläuterten Logik der Angemessenheit. Human actors are imagined to follow rules that associate particular identities to particular situations, approaching individual opportunities for action by assessing similarities between current identities and choice dilemmas and more general concepts of self and situations. 39 Es geht darum, das Richtige zu tun statt gegebene Präferenzen zu maximieren oder zu optimieren. Die EU als soziale Struktur beeinflusst die in ihr agierenden Akteure hierbei tiefgehend. Das Richtige zu tun also bestimmten sozialen Normen zu folgen beeinflusst nicht nur das Verhalten der Akteure, sondern formt darüber hinaus ihre Identität. Konstruktivisten konzentrieren sich somit auf soziale Identitäten von Akteuren Schwellnus, Guido (2006): Sozialkonstruktivismus. a.a.o. S Risse, Thomas (2009): Social Constructivism and European Integration. a.a.o. S Ebd. S March, James G. / Olsen, Johan P. (1998): The Institutional Dynamics of International Political Orders. In: International Organization, 52: 4. S

14 um deren Interessen erklären zu können. Die Herausbildung und der Wandel von kollektiven Identitäten sind zentrale Themen in der konstruktivistischen Forschung. 40 Identitäten, wie auch (politische) Kulturen, sind dabei vor allem für die Untersuchung allgemein gültiger Einstellungen außenpolitischen Verhaltens geeignet. 41 Identität ist somit ein zentraler Aspekt konstruktivistischer Integrationsforschung. Insbesondere die Entstehung, die Wirkung und der Wandel von Identitäten werden hier untersucht. Identitäten entstehen dabei nicht zufällig. Es handelt sich vielmehr um gesellschaftliche Konstruktionen, die sich sowohl innerhalb einer Gesellschaft herausbilden, als auch von außen beeinflusst werden können. Einfluss von außen lässt sich beispielsweise durch die Einbindung in internationale Organisationen oder durch enge Partnerschaften zu anderen Ländern beschreiben. Identitäten beschreiben das, was uns gemeinsam ist und was uns auszeichnet, unsere gemeinsame Geschichte ebenso wie unsere kollektiven Visionen für die Zukunft. [ ] Darüber hinaus beinhalten nationale Identitäten kollektiv geteilte Vorstellungen über eine gute politische und soziale Ordnung. 42 Identitäten stellen einen solchen zentralen Faktor in der konstruktivistischen Integrationsforschung dar, weil davon ausgegangen wird, dass die Integrationsbereitschaft von Akteuren von deren Identifikation mit der EU abhängig ist. Dies betrifft neben der Bereitschaft zum EU-Beitritt bei Nicht-EU-Mitgliedern, die Bereitschaft von EU- Mitgliedern zur sektoralen Ausdehnung und, auf der vertikalen Ebene, zur institutionellen Vertiefung. 43 Bei der Ausweitung von Kompetenzen der EU um den Politikbereich Verteidigung handelt es sich um eine sektorale Ausdehnung. Unter den Aspekt institutionelle Vertiefung fällt beispielsweise die Bereitschaft, kollektive Entscheidungen auf EU-Ebene nicht mehr einstimmig, sondern nach dem Mehrheitsprinzip zu fällen. Daraus folgt, dass die Bereitschaft eines Mitgliedstaates zur Vergemeinschaftung seiner Sicherheits- und Verteidigungspolitik und die positive Einstellung gegenüber Ulbert, Cornelia (2006): Sozialkonstruktivismus. a.a.o. S Boekle, Henning / Rittberger, Volker / Wagner, Wolfgang (2001): Constructivist foreign policy theory. In: Rittberger, Volker (Hrsg.): German foreign policy since unification. Theories and case studies. Manchester University Press, Manchester S Risse, Thomas (2003b): Deutsche Identität und Außenpolitik. a.a.o. S. 3. Vgl.: Rittberger, Berthold / Schimmelfennig, Frank (2005): Integrationstheorien. a.a.o. S

15 Mehrheitsentscheiden, insbesondere in sensiblen Politikfeldern, von einem gewissen Maß an Identifikation mit der EU abhängig sind. Die gegenseitige Konstituierung von Strukturen und Akteuren spielt auch bei der Ausbildung oder Verstärkungen von Identitäten eine Rolle. Der Konstruktivismus geht hierbei davon aus, dass die Identifikation mit der EU durch die konkrete Erfahrung von und Beteiligung an EU-Politik gestärkt wird. 44 Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass die europäische Identität die nationale Identität verdrängt es geht vielmehr darum, dass sich multiple Identitäten ausbilden und verstärken. Umfragedaten, wie die Ergebnisse des Eurobarometers, zeigen, dass Individuen multiple soziale Identitäten besitzen. Da sowohl der Nationalstaat als auch Europa Imagined Communities 45 darstellen, muss kein Individuum einer sozialen Identität den Vorrang geben. 46 Entscheidend ist jedoch, wie groß die Übereinstimmung oder Anschlussfähigkeit der europäischen Integration an politische Ideen im nationalen Raum ist. 47 Die Bereitschaft zur Ausweitung der Kompetenzen der EU um den Politikbereich Verteidigung hängt demnach maßgeblich davon ab, wie anschlussfähig die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsidentität an die ESVP ist. Es lässt sich festhalten, dass Identitäten zum einen die Interessen und Präferenzen von Akteuren bestimmen beziehungsweise beeinflussen und zum anderen von innen und von außen (durch Normen) konstruiert werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass jede außenpolitische Einzelentscheidung sich mit dem Rückgriff auf die nationale Identität erklären ließe. Es geht um grundlegende Orientierungen und den Rahmen dessen, was als angemessenes Verhalten bestimmt wird, nicht um konkrete Einzelentscheidungen. 48 Für die Analyse der deutschen Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik bedeutet dies, dass man zunächst das Handeln der Bundesrepublik in Ebd. Der Begriff geht zurück auf Benedikt Anderson (1983) und beschreibt eine sozial konstruierte Gesellschaft. Dies bedeutet, dass sie sich von den Menschen, die sich dieser Gruppe zugehörig fühlen, vorgestellt wird. Risse, Thomas (2009): Social Constructivism and European Integration. a.a.o. S Rittberger, Berthold / Schimmelfennig, Frank (2005): Integrationstheorien. a.a.o. S. 39. Risse, Thomas (2003b): Deutsche Identität und Außenpolitik. a.a.o. S

16 ihrer internationalen Umwelt untersuchen muss. 49 Hierzu wird in dieser Arbeit erst einmal die Geschichte der sicherheits- und verteidigungspolitischen Einbindung der BRD vor und nach der deutschen Wiedervereinigung analysiert. Außerdem soll in diesem Teil der Arbeit die ESVP näher betrachtet werden. Durch diese erste Analyse wird die Frage nach Kontinuität und/oder Wandel der deutschen Sicherheitspolitik beantwortet. Da davon auszugehen ist, dass sich die deutsche Politik in diesem Bereich durch ein starkes Maß an Kontinuität auszeichnet, in welchem selbst das deutsche Engagement für ein Verteidigungselement der EU keinen Abbruch bedeutet, gilt es diese Kontinuität zu erklären. Wie erläutert wurde, bestimmen Identitäten die Interessen und Präferenzen von Akteuren. Somit sollen über die sicherheits- und verteidigungspolitischen Identitäten Deutschlands, die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der EU erklärt werden. In einem zweiten analytischen Teil der vorliegenden Arbeit werden diese Identitäten erhoben. Die qualitative Inhaltsanalyse von Bundestagsdebatten, welche die ESVP zum Thema hatten, wird hierzu als Analyseinstrument herangezogen. Auf diese Weise können sowohl vermutete Identitäten, als auch unvorhergesehene Identitäten, die beispielsweise erst durch Rückwirkungen der europäischen Einbindung auf die nationale Identität entstanden sind, erhoben werden. Zudem lassen sich aus den Debatten, die Einstellungen der Parlamentarier zur ESVP, ihre sicherheitspolitischen Interessen sowie ihr Sicherheitsverständnis analysieren. 3 Deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa Kontinuität in Zeiten des Wandels? Die bundesdeutsche Außenpolitik war immer auch eine Form der Sicherheitspolitik. Bereits die erste deutsche Regierung unter Konrad Adenauer betrieb eine Außenpolitik, die sich, insbesondere nach dem heutigen Sicherheitsverständnis, um die Sicherheit des neuen westdeutschen Staates drehte. Aus diesem Grund werden in den folgenden Kapiteln zur sicherheits- und verteidigungspolitischen Einbindung und Initiativen der BRD im 20. Jahrhundert, auch außen- sowie wirtschaftspolitische Aspekte betrachtet, die keine offensichtlichen sicherheitspolitischen Themen darstellen. Aufgrund der besonderen Rolle 49 Risse, Thomas (2003b): Deutsche Identität und Außenpolitik. a.a.o. S

17 Deutschlands, die im Folgenden näher erläutert wird, sind auch diese Themen, als Form bundesdeutscher Sicherheitspolitik, in die Analyse der deutschen sicherheitspolitischen Kontinuität und/oder Wandel einzubeziehen. Hinsichtlich der erhobenen Frage, ob die Förderung eines verteidigungspolitischen Elements innerhalb der EU einen Wandel in der deutschen Sicherheitspolitik bedeuten sollte, wird daran anschließend, der ESVP, als das neueste Element der deutschen Sicherheitsarchitektur, eine besondere Aufmerksamkeit zuteil. 3.1 Sicherheits- und Verteidigungspolitische Einbindung und Initiativen der BRD bis 1990 Die deutsche Außenpolitik nach Ende des 2. Weltkrieges war wesentlich durch die Politiken der Siegermächte geprägt. Der heraufziehende Ost-West-Konflikt und die damit einhergehende deutsche Teilung, die von keiner der Siegermächte beabsichtigt wurde, 50 bestimmten maßgeblich sämtliche Bereiche der westdeutschen Politik. Die Einbindung der westlichen Besatzungszonen in eine westeuropäische Einheit, die Abmilderung der Entnazifizierung und letztendlich die Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23. Mai 1949, resultierten aus der amerikanischen Containment-Politik, welche die Eindämmung des Kommunismus und Stalinismus verfolgte. Westdeutschland erhielt hiermit eine freie innerstaatliche Organisationsgewalt, verblieb jedoch in einer Abhängigkeit bezüglich seiner außen- und militärpolitischen Befugnisse. Die außen- und sicherheitspolitische Orientierung der BRD in Richtung Westen wurde somit zunächst fremdbestimmt. 51 In einzelnen Schritten trieb nun auch die neue Bundesregierung unter Konrad Adenauer, in Einheit mit ihren Partnern, die so genannte Westintegration voran. Die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) im Jahre 1951 markiert nicht nur den ersten Schritt dieser, sondern darüber hinaus die Einleitung des gesamteuropäischen Integrationsprozesses. Außerdem hatte ihre Gründung eine wichtige Bedeutung für die europäische Friedenssicherung: Kohle und Stahl waren wichtige Güter der Rüstungs- und Kriegsindustrie. Die Errichtung einer supranationalen Kontrollinstitution konnte nicht nur Vgl.: Kerschbaumer, Johannes (2007): 60 Jahre Europäische Sicherheitspolitik. Peter Lang, Frankfurt. S. 25. Ebd. S. 27 ff. 17

18 den Frieden in Europa stützen, sondern zudem das Konkurrenzverhältnis auf dem Gebiet der Montanindustrie zwischen Frankreich und Deutschland beenden. Neben der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa strebte die BRD, insbesondere durch die Regierung Adenauers, eine politische Integration an. In Form der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) sollte eine europäische Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik eine noch intensivere Konzentration auf den europäischen Friedensund Einigungsprozess herbeiführen. Aus Sicht der Siegermächte sollten die beiden Gemeinschaften zudem eine gewisse Kontrollfunktion über Deutschland erfüllen. Ziel war es, der BRD die Wiederbewaffnung zu ermöglichen. Eine geplante neue deutsche Armee sollte sich jedoch unter europäische Kontrolle stellen. Die 1952 unterzeichneten Verträge zwischen Deutschland, Frankreich, den Benelux-Ländern und Italien scheiterten jedoch letztendlich 1954 in der französischen Nationalversammlung, die sie nicht ratifizierte. Als Konsequenz daraus wurde durch die benannten Staaten sowie Großbritannien die Westeuropäische Union (WEU) gegründet. Ursprünglich stellte sie einen kollektiven Beistandspakt dar und sollte zur Förderung der europäischen Integration beitragen. Doch die WEU verlor mit der kurz darauf folgenden Aufnahme Deutschlands in die NATO im Jahr 1955, auf die unmittelbar danach die Gründung der Bundeswehr folgte, weitestgehend an Bedeutung. Die Verteidigung Europas und die Sicherheit seiner Mitgliedsstaaten oblagen fortan der NATO. Der WEU gelang es weder zu der politischen Integration Europas beizutragen, noch ihrem ursprünglichen Ziel, einer Etablierung der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, auch nur nahe zu kommen. 52 Die deutsche Politik setzte neben seiner multilateralen Einbindung auf eine starke bilaterale Zusammenarbeit mit seinen wichtigen Partnern. Von besonderer Bedeutung waren seit Gründung der BRD die Beziehungen zu Frankreich. Mit dem 1963 geschlossenen Elysée-Vertrag besiegelten Westdeutschland und die Französische Republik ihre Zusammenarbeit, unter anderem im Bereich der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Festgelegt wurde hier, dass sich die Regierungen beider Länder in allen wichtigen Fragen der Außenpolitik konsultieren und bemüht sind, sich in dem Gebiet 52 Ebd. S

19 der Verteidigung anzunähern und zu gemeinsamen Konzeptionen zu finden. 53 Darüber hinaus wurde durch die Regierung Willy Brandts ab 1969 eine Entspannungspolitik gen Osten eingeleitet, welche zunächst eine Annäherung an Polen zuließ. Diese neue deutsche Ostpolitik ermöglichte darüber hinaus das Zustandekommen der ersten Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) im Jahr 1973, an der neben den Ostund Westeuropäischen Ländern 54 auch die Vereinigten Staaten von Amerika (USA), die UdSSR und Kanada teilnahmen. An dem Erfolg der KSZE bedeutete diese doch letzen Endes die Überwindung des Ost- West-Konfliktes war die 1970 eingeführte Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) maßgeblich beteiligt. 55 Die Bemühungen zu einer multilateralen, außenpolitischen Zusammenarbeit in Europa zu finden, wurden beim Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaften 56 (EG) in Den Haag im Jahre 1969 wieder aufgenommen und mündeten in der Gründung der EPZ. Über den Erfolg der KSZE hinaus konnte die EPZ in den ersten 17 Jahren ihres Bestehens jedoch nicht viel leisten. Sie erfuhr keinen Bedeutungszuwachs und erhielt zudem keine rechtliche Grundlage. Ihre Symbolkraft ging durch die Unfähigkeit ihrer Mitglieder, insbesondere in Krisensituationen zu einer gemeinsamen Position zu finden, weitestgehend verloren. Erst ab 1981 kam durch den Erlass neuer Leitlinien wieder Bewegung in die Fortentwicklung der EPZ. Zudem brachte der damalige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher, gemeinsam mit seinem italienischen Kollegen Emilio Colombo, eine Initiative zum Entwurf einer Europäischen Akte ein, welcher unter anderem die Aufnahme der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit in den Aufgabenbereich der EG beinhaltete. Dieser Vorschlag fand jedoch keinen direkten Einzug in die letztendlich erst 1987 beschlossene Stiftung Deutsches Historisches Museum (o.j.): Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit. Quelle: BGBl II S Politisches Archiv des Auswärtigen Amts, Vertragsarchiv. html/dokumente/diezuspitzungdeskaltenkrieges_vertragelyseevertrag/index.html [ ]. Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutsche Demokratische Republik, Bundesrepublik Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Heilige Stuhl, Irland, Island, Italien, Jugoslawien, Liechtenstein, Luxemburg, Malta, Monaco, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, San Marino, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechoslowakei, Türkei, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Zypern. Kerschbaumer, Johannes (2007): 60 Jahre Europäische Sicherheitspolitik. a.a.o. S Gründungsmitglieder der Europäischen Gemeinschaften (Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und Europäische Atomgemeinschaft) von 1957: Belgien, Deutschland (BRD), Frankreich, Italien, Luxemburg und Niederlande. 19

20 Einheitliche Europäische Akte (EEA). 57 Die EEA stellte gleichwohl einen wichtigen Schritt in Richtung Gründung der Europäische Union dar. Durch die Einbeziehungen der EPZ in die EEA, in der es hieß: The High Contracting Parties, being members of the European Communities, shall endeavour jointly to formulate and implement a European foreign policy 58, erhielt diese schließlich eine rechtliche Verankerung und der Weg zu einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik war geebnet. 3.2 Deutsche Sicherheitsstrukturen nach der Wiedervereinigung Die internationalen Entwicklungen seit 1989 der Wegfall des Ost-West-Konfliktes, die Auflösung der Sowjetunion und die deutsche Wiedervereinigung trieben den politischen Integrationsprozesses in Europa weiter voran. Die deutsche Wiedervereinigung löste allerdings auch Bedenken bei einigen EG-Mitgliedern aus. Es wurde befürchtet, dass das deutsche Engagement für Europa nach der Wiedervereinigung abnehmen könnte. Diese Bedenken wurden jedoch vom damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl durch mehrere Aktionen zerstreut. Zunächst forderte er in einem gemeinsamen Brief mit dem französischen Präsidenten François Mitterrand den Europäischen Ratspräsidenten, den irischen Premierminister Charles Haughy, dazu auf, das Thema Politische Union auf die Agenda des anstehenden Gipfeltreffens in Dublin zu setzten. Eine Politische Union sollte parallel zum Prozess der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) entwickelt werden, um die Koordination der Außen- und Sicherheitspolitik zu verbessern. 59 Die Staats- und Regierungschefs konnten sich auf dem Ratsgipfel schließlich darauf einigen ihre Außenminister mit der Entwicklung von Vorschlägen für eine politische Säule der EU zu beauftragen. Zudem erklärte Kohl auf diesem Treffen, dass der Prozess der deutschen Einheit in einen stabilen europäischen Rahmen eingebettet ist. 60 Auch die Grundgesetzänderung um den so genannten Europa-Artikel 61 kann als ein weiteres Bekenntnis Deutschlands zur europäischen Integration gedeutet werden. Darüber Algieri, Franco (2006): Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. In: Weidenfeld, Werner (Hrsg.): Die Europäische Union. Politische Systeme und Politikbereich. Bundeszentrale für politische Bildung: Bonn. S Europäische Gemeinschaften (1987): Single European Act. Official Journal of the European Communities L169, /SEA /Single%20European%20Act.pdf [ ]. Haftendorn, Helga (2006): Coming of Age. German Foreign Policy since Rowman & Littlefield Publishing Group, Lanham. S Zitiert nach: Kerschbaumer, Johannes (2007): 60 Jahre Europäische Sicherheitspolitik. a.a.o. S Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (2003): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. Textausgabe. Stand: Juli Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn. Artikel 23, S. 23 f. 20

21 hinaus war die Einbindung Gesamtdeutschlands in die NATO für Deutschland sowie für seine Partner von großem Stellenwert. Durch das Entgegenkommen der Sowjetunion, die im Gegenzug Sicherheitsgarantien erhielt, konnte dieser realisiert werden. 62 In dem deutschen Bekenntnis zur EG und zur NATO spiegelt sich das Streben der deutschen Eliten nach Kontinuität ihrer Sicherheitspolitik auch nach der Wiedervereinigung wider. Die GASP wurde letztendlich mit dem Vertrag von Maastricht, durch ihre Eingliederung in die Säulenstruktur der hiermit gegründeten Europäischen Union, realisiert. Die Ausgestaltung der GASP stellte sich dabei als äußerst schwieriger Prozess heraus. Strittige Punkte waren unter anderem die Aufnahme militärischer Aspekte durch die Eingliederung der WEU, wie auch die Frage nach Entscheidungsverfahren beziehungsweise Abstimmungsprinzipien. Die BRD favorisierte hierbei Mehrheitsentscheidungen. 63 Dies zeigt die Offenheit Deutschlands zur Beschränkung seiner Souveränität zugunsten gemeinsam getroffener Entscheidungen innerhalb der EU. In Bezug auf den Verteidigungsaspekt plädierte Deutschland für die Eingliederung der WEU. Als klarer Gegner dieser Position trat vor allem Großbritannien auf. Man erachtete die EG-Mitglieder als unfähig, Mehrheitsentscheidungen zu treffen und bestand auf einen intergouvernementalen Charakter und auf Konsens in Fragen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Zwar erklärte sich Großbritannien bereit, die Zuständigkeit der EU auf Verteidigungspolitik zu erweitern, doch sollte dies nur in enger Anbindung an die NATO geschehen. 64 Letzten Endes wurde die GASP als zweite Säule der EU intergouvernemental gestaltet. Im Vertragstext wurde die Schaffung einer Verteidigungskomponente auf lange Sicht in Aussicht gestellt: Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik umfasst sämtliche Fragen, welche die Sicherheit der Europäischen Union betreffen, wozu auf längere Sicht auch die Festlegung einer gemeinsamen Verteidigungspolitik gehört, die zu gegebener Zeit zu einer gemeinsamen Verteidigung führen könnte Vgl. Haftendorn, Helga (2006): Coming of Age. German Foreign Policy since a.a.o. S. 4. Ebd. S Kerschbaumer, Johannes (2007): 60 Jahre Europäische Sicherheitspolitik. a.a.o. S Europäische Gemeinschaften (1992): Vertrag über die Europäische Union, unterzeichnet zu Maastricht am 07. Februar Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C191, _DE_0001.pdf [ ] Artikel J.4 (1). 21

22 Wie sich schnell zeigte, war die GASP hierdurch noch nicht mit den notwendigen Instrumenten ausgestatten worden. Ihr fehlte es sowohl an Institutionen, als auch an den notwendigen Arbeitsverfahren, um tatsächlich eine gemeinsame europäische Außenpolitik betreiben zu können. Mit dem Ausbruch des Bosnien-Krieges wurde den Europäern dies noch vor Inkrafttreten des Vertrages schmerzlich aufgezeigt. Die EU-Mitgliedsstaaten waren weder in der Lage eine gemeinsame Position zu finden, noch waren sie befähigt, gemeinsam in den Krieg einzuschreiten. Man war auf das Eingreifen der NATO angewiesen, um dem schrecklichsten Krieg Europas seit dem 2. Weltkrieg ein Ende zu setzen. Die BRD verfügte Anfang der 1990er Jahre selbst nicht über die entscheidenden verteidigungspolitischen Strukturen, die der neuen Weltordnung entsprochen hätten. Seit 1972 bestand ein innerdeutscher Konsens darüber, dass die Bundeswehr nicht außerhalb der Bündnisgrenzen der NATO eingesetzt werden dürfe. Grund hierfür war der damalig bevorstehende Beitritt der BRD und der DDR bei den Vereinten Nationen (VN). Es sollte vermieden werden, dass bundesdeutsche Soldaten in UN-Missionen eingesetzt würden, in denen sie gegen Soldaten der DDR kämpfen müssten. 66 Der Wegfall dieses Zustands veranlasste die Verbündeten, die deutsche Scheckbuchdiplomatie zunehmend zu kritisieren. Besonders im Zuge des ausbrechenden Bosnien-Krieges wurde auch ein militärisches Engagement Deutschlands verlangt. Die inneren Entwicklungen und der äußere Druck drängten die BRD zu einem Umdenken. Im Deutschen Bundestag entfachte eine hitzige Debatte, die letztendlich in einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mündete, welches den Einsatz von Bundeswehr-Truppen außerhalb der Bündnisgrenzen zur Friedenssicherung und Friedenserzwingung legitimierte. 67 Jedoch legte das BVerfG in seinem Urteil fest, dass die Zustimmung zu solchen Einsätzen dem Deutschen Bundestag obliege. Die Bundeswehr wurde hierdurch zu einer Parlamentsarmee. Diese rechtliche Legitimierung lässt dabei noch lange nicht auf einen Wandel in der deutschen Sicherheitspolitik schließen. Zunächst einmal wurde hierdurch nur der Weg für mögliche Out-of-Area -Einsätze der Bundeswehr frei gemacht. Die 1990er Jahre zeigten allerdings, dass die BRD weiterhin vermehrt auf den Einsatz Interpretation der Artikel 24 und 87a GG des damaligen Leiter des Völkerrechtsreferendars des Auswärtigen Amtes Dr. Fleischhauser. Vgl.: Haftendorn, Helga (2001): Deutsche Außenpolitik zwischen Selbstbeschränkung und Selbstbehauptung Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart/München. S Vgl.: Haftendorn, Helga (2001): Deutsche Außenpolitik zwischen Selbstbeschränkung und Selbstbehauptung. a.a.o. S

23 politischer und diplomatischer Mittel setzte und militärische Mittel nur als letzten Ausweg betrachtete. 68 Die Erfahrungen des Bosnien-Krieges lösten auch in der Europäischen Union einen Weiterentwicklungsprozess aus. Als Reaktion auf die dort gezeigte Handlungsunfähigkeit der EU wurden mit dem Vertrag von Amsterdam (1997) Maßnahmen zur Verbesserung und Stärkung der GASP vorgenommen. Durch ihn wurde in dem bereits zitierten Artikel J.4 (1) des Vertrags von Maastricht aus der Umschreibung auf längere Sicht, schrittweise. 69 Zudem wurde der Artikel um den Zusatz falls der Europäische Rat dies beschließt 70 erweitert. Dieser Fall trat noch vor Ende des Jahrzehnts ein. Im Rahmen der Schlussfolgerung des Vorsitzes des Rates von Köln im Jahr 1999, den Deutschland inne hatte, wurde eine Erklärung des Europäischen Rates zur Stärkung der Gemeinsamen Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik 71 abgegeben. Sie gilt als Geburtsstunde der ESVP, da hier ihr operativer sowie institutioneller Aufbau beschlossen wurde. Das bereits seit den 1980er Jahren angestrebte Vorhaben der BRD konnte mit der Schaffung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU hierdurch endgültig realisiert werden. 72 Die damalige Bundesregierung, zusammengesetzt aus einer Koalition der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und dem Bündnis 90/Die Grünen, hatte sich dieses Ziel in ihrem Koalitionsvertrag von 1998 festgeschrieben und hielt damit an der Politik ihrer Vorgängerregierung aus der Christlich Demokratischen Union Deutschland/Christlich-Soziale Union in Bayern (CDU/CSU) und Freie Demokratische Partei (FDP) fest: Risse, Thomas (2003b): Deutsche Identität und Außenpolitik. a.a.o. S. 11 f. Europäische Gemeinschaften (1997): Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften C340, _DE_0005.pdf [ ]. Artikel J.7 (1). Ebd. Europäischer Rat (1999a): Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat (Köln). Köln, 3./ und Verwaltung/Euro pa/wirtschafts u Waehrungsunion/Schlussfolgerungen_20zum_20Europ_C3_A4ischen_20Rat_20in_ 20K_C3_B6ln_20am_203._20und_204._20Juni_201999,templateId=raw,property=publicationFile.pdf [ ]. Anhang III. Vgl.: Regelsberger, Elfriede (2002): Deutschland und die GASP ein Mix aus Vision und Pragmatismus. In: Müller-Brandeck-Bocquet, Gisela (Hrsg.): Europäische Außenpolitik. GASP- und ESVP-Konzeptionen ausgewählter EU-Mitgliedsstaaten. Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden. S. 30 ff. 23

24 Die neue Bundesregierung wird sich bemühen, die GASP im Sinne von mehr Vergemeinschaftung der Außen- und Sicherheitspolitik weiter zu entwickeln. Sie wird sich deshalb für Mehrheitsentscheidungen, mehr außenpolitische Zuständigkeiten und die Verstärkung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität einsetzen. 73 Die deutsche Ratspräsidentschaft 1999 war geprägt von der sich zuspitzenden Lage auf dem Balkan. Am 24. März, am gleichen Tag an dem die NATO ihre Luftangriffe gegen Jugoslawien begann, tagten die EU-Außenminister in Reinhartshausen. Die Bundesregierung brachte hier ein Arbeitspapier ein, welches Vorschläge zur Stärkung einer gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik beinhaltete. Hierbei wurde die Diskussion zur Übernahme der Petersberger Aufgaben der WEU 74 durch die EU erneut angestoßen. 75 Darüber hinaus fand im Mai ein französisch-deutscher Gipfel in Toulouse statt, nach welchem die Absicht der beiden Staaten zur Ausformung der Eurokorps 76 zu einem europäischen Krisenreaktions-Korp und zur europäischen Zusammenarbeit in der Rüstungsindustrie bekundet wurde. 77 Die deutsche, über die Parteigrenzen hinausreichende, kontinuierliche Bemühung um eine europäische Vergemeinschaftung der Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die bilaterale Übereinkunft von Frankreich und Deutschland, die Balkankrise, wie auch die zielorientierte deutsche Ratspräsidentschaft hatten somit einen großen Einfluss auf den bedeutsamen Entschluss zur Gründung der ESVP im Juni Schröder, Gerhard / Fischer, Joschka et al. (1998): Aufbruch und Erneuerung - Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert. Koalitionsvereinbarung zwischen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bonn, 20. Oktober [ ]. S. 45. Verankert in Artikel 17 des Vertrags über die Europäische Union. Sie betreffen: humanitäre Aktionen oder Evakuierungsmaßnahmen, friedenserhaltende Maßnahmen, Kampfgruppeneinsätze für das Krisenmanagement, einschließlich Maßnahmen zur Wiederherstellung des Friedens. Siehe: Europäische Union (o.j.): Petersberger Aufgaben. [ ]. Haftendorn, Helga (2001): Deutsche Außenpolitik zwischen Selbstbeschränkung und Selbstbehauptung. a.a.o. S. 332 f aus der Deutsch-Französischen Brigade als europäischer Einsatzverband gegründet. Heute sind Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Spanien beteiligt und er ist ein Krisenreaktions-Korp für die EU und für die NATO. Quelle: Bundesministerium der Verteidigung (2009): Eurokorps PNPIHSYGYRqbm-pEwsaCUVH1fj_zcVH1v_QD9gtyIckdHRUUAIoSycw!!/delta/base64xml/L2dJQS EvUUt3QS80SVVFL zzfov9rmk8!?yw_contenturl=%2fc1256f b1b%2fw26ruc8n809 INFODE%2Fcontent.jsp [ ]. Auswärtiges Amt / Ministère des Affaires étrangères (o.j.): Deutsch-französischer Gipfel in Toulouse. [ ]. 24

25 Wie gezeigt wurde, zeichnet sich die Außen-, Sicherheits-, und Verteidigungspolitik der BRD im 20. Jahrhundert durch ein hohes Maß an Kontinuität aus. Von Adenauer, über Brandt bis zu Kohl wurde das Grundmuster der deutschen Einbindung in Europa und in der Welt nie in Frage gestellt. Die BRD setzte stets auf eine multilaterale Einbindung in die NATO, die VN, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) et cetera. Darüber hinaus hatten enge bilaterale Beziehungen zu den wichtigsten Partnern, insbesondere zu Frankreich, einen hohen Stellenwert für die deutsche Politik. Alleingänge in außenpolitischen Angelegenheiten gab es nur äußerst selten. Auch zeigte die Bundesrepublik fortwährend ein großes Interesse an der politischen Integration Europas. Letztlich hatte sie das Ziel einer sicherheits- und verteidigungspolitischen Zusammenarbeit in Europa seit Anfang ihres Bestehens gewollt. Durch die nähere Betrachtung der ESVP ihrer Struktur, ihrer Institutionen sowie ihrer strategischen Ausrichtung wird im Folgenden unterstrichen, dass auch das Auftreten der BRD als einer der Förderer eines verteidigungspolitischen Elements in der EU, keinen klaren Bruch in der deutschen Sicherheitspolitik darstellt. Als letzten wichtigen Aspekt zur Beantwortung der Frage nach der deutschen sicherheitspolitischen Kontinuität, gilt es die ESVP und die, mit der Schaffung dieser, verfolgten Ziele, zu verstehen. Somit soll der folgende Teil dieser Arbeit einerseits diese Frage nach Kontinuität in der deutschen Sicherheitspolitik in Europa abschließend beantworten und darüber hinaus das erforderliche Hintergrundwissen für die qualitative Inhaltsanalyse zur Erhebung der deutschen sicherheitspolitischen Identität liefern. 3.3 Die Ausgestaltung der ESVP Nach dem Ratsgipfel von Köln vollzog sich eine rasante Entwicklung und stetige Fortentwicklung der ESVP, welche noch im selben Jahr auf dem Europäischen Gipfel von Helsinki losgetreten wurde. Neue ständige politische und militärische Gremien, das Politische und Sicherheitspolitische Komitee (PSK), ein Militärausschuss (European Union Military Committee; EUMC) sowie ein Militärstab (European Union Military Staff; EUMS), wurden für die Institutionalisierung der ESVP geschaffen. Diese neuen Institutionen wurden ab März 2000 als Interimsgremien eingesetzt. Zudem wurde die Mitwirkung der Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten im Rat für Allgemeine 25

26 Angelegenheiten beschlossen. 78 Im Rahmen der Helsinki Headline Goal wurden darüber hinaus die Grundsätze und Planziele für die militärische Krisenreaktion festgeschrieben. Die Staats- und Regierungschefs beschlossen hierbei bis zum Jahr Soldaten in maximal 60 Tagen für einen mindestens einjährigen Einsatz zur Verfügung stellen zu können. Der Europäische Rat (ER) von Nizza beschloss schließlich im Dezember 2000 die Eingliederung der ESVP als Bestandteil der GASP in die EU. Zudem wurden die Interimsgremien (PSK, EUMC und EUMS) in ständige EU-Institutionen umgewandelt. Wie bereits in der Schlussfolgerung des ER von Köln festgehalten, sollte auch die nichtmilitärische Krisenbewältigung der Union gestärkt werden. 79 Der Rat für Allgemeine Angelegenheiten beschloss im Mai 2000 auf Ersuchen des ER von Lissabon (März 2000) die Einsetzung eines Ausschusses für nichtmilitärische Krisenbewältigung (Committee for Civilian Aspects of Crisis Management; CIVCOM). 80 Für diese Gleichstellung der zivilen und der militärischen Fähigkeiten der ESVP hatten sich insbesondere Deutschland sowie die nordeuropäischen Staaten, Luxemburg und die Niederlande eingesetzt. 81 Der ER von Santa Maria da Feira (Juni 2000) begrüßte den Beschluss und legte zudem die EU- Prioritäten für die nichtmilitärische Krisenbewältigung fest. Bis zum Jahr 2003 sollten die Mitgliedsstaaten in der Lage sein, bis zu fünftausend Polizisten im Rahmen von Missionen der VN, der OSZE oder in autonomen Polizeieinsätzen der EU bereitzustellen. Als weitere Prioritäten wurden die schnelle Einsatzbereitschaft von Personal zur Stärkung des Rechtsstaats und der Zivilverwaltung sowie des Katastrophenschutzes festgeschrieben. 82 Somit gelang es den EU-Mitgliedsstaaten in einem Zeitraum von nur einem Jahr, die ESVP mit militärischen wie auch nichtmilitärischen Strukturen auszustatten. Hierdurch wurde die EU, unter anderem auf Initiative Deutschlands, zur einzigen europäischen Organisation, Europäischer Rat (1999b): Schlussfolgerung des Vorsitzes Europäischer Rat (Helsinki). Helsinki, 10./ [ ]. Europäischer Rat (1999a): Schlussfolgerungen des Vorsitzes Europäischer Rat (Köln). Punkt 56, S. 21. Europäische Gemeinschaften (2000): Beschluss des Rates vom 22. Mai 2000 zur Einsetzung eines Ausschusses für die nichtmilitärischen Aspekte der Krisenbewältigung. Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 127/1, :127:0001:0001:DE:pdf [ ]. Kerschbaumer, Johannes (2007): 60 Jahre Europäische Sicherheitspolitik. a.a.o. S Europäischer Rat (2000): Schlussfolgerung des Vorsitzes Europäischer Rat (Santa Maria Da Feira) 19. und 20. Juni r1.d0.htm [ ]. 26

27 die den Einsatz militärischer und ziviler Mittel zur Krisenbewältigung ermöglichen konnte. 83 Die Mitglieder WEU verständigten sich auf ihrem Ministerratstreffen im November 2000 in Marseille auf ihre Eingliederung in die EU. Im Vertrag von Nizza wurde daraufhin auf den Paragraphen des Vertrages von Amsterdam, in dem der WEU ein integraler Bestandteil in der Entwicklung der EU zugesprochen wurde, indem sie der Europäischen Union Zugang zu einer operativen Kapazität insbesondere im Zusammenhang mit den Petersberger Aufgaben eröffnet 84, verzichtet. Des Weiteren wurden eine Reihe von Bestimmungen, welche die Beziehungen zwischen EU und WEU zuvor geregelt hatten, aufgehoben. 85 Bei der Überführung der WEU-Institutionen in die EU, bilden jedoch die Beistandsverpflichtung aus Art. V des Brüsseler Paktes sowie die parlamentarische Versammlungen der WEU eine Ausnahme. 86 Ehemalige Institutionen der WEU, das Institut für Sicherheitsstudien und das Satellitenzentrum, gingen ab Januar 2002 in dem Institut der EU für Sicherheitsstudien (EUISS) und im Satellitenzentrum der EU (EUSC) auf. An dieser Stelle soll noch auf das teilweise schwierige Verhältnis zwischen der NATO und der EU, beziehungsweise auf die Meinungsverschiedenheiten zwischen einzelnen EU- und NATO-Mitgliedern, bei der Ausgestaltung dieser Beziehungen eingegangen werden. Die EU-Mitglieder betonten stets, dass die ESVP keine Abwendung von der NATO bedeuten solle. Trotzdem existierten grundsätzlich verschiedene Zielvorstellungen, wohin das Projekt ESVP führen sollte. Eine große Diskrepanz bestand vor Beginn der ESVP- Ausgestaltung vor allem zwischen Großbritannien und Frankreich. Großbritannien verfolgte eine Stärkung der europäischen Dimension innerhalb der NATO und sah somit keine Notwendigkeit für eine eigene strategische Ausrichtung. Frankreich hingegen strebte ein generell stärkeres Gewicht Europas in seiner Sicherheits- und Verteidigungspolitik und auf längere Sicht, eine autonome Handlungsfähigkeit an. 87 Auch die Koexistenz der verschiedensten sicherheitspolitischen Kulturen innerhalb Europas stellte ein Problem dar Haftendorn, Helga (2001): Deutsche Außenpolitik zwischen Selbstbeschränkung und Selbstbehauptung. a.a.o. S Europäische Gemeinschaften (1997): Vertrag von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union. a.a.o. Erklärung zur Westeuropäische Union, Punkt 1. Europäische Gemeinschaften (o.j.): Westeuropäische Union (WEU). western_european_union_de.htm [ ]. Westeuropäische Union (o.j.): What is WEU today? [ ]. Vgl. Algieri, Franco (2006): Die Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU. a.a.o. S

28 Um das Projekt ESVP nicht von Beginn an scheitern zu lassen, wurde somit zunächst auf eine strategische Ausrichtung dieser verzichtet. 88 Bereits 1992 wurden erste Vereinbarungen zwischen der WEU und der NATO geschlossen. Sie dienten zur Stärkung des europäischen Pfeilers innerhalb der NATO und als Verteidigungskomponente der EU. Seit 1994 bestand die Idee zur Schaffung einer Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsidentität (ESVI). Diese sollte Europa in die Lage versetzen selbstständig zu agieren, falls beispielsweise die USA in einer Krise in Europa nicht eingreifen wollen würden. Die Aufgaben und Zuständigkeiten zwischen Europa und Nordamerika sollten aus diesem Grund definiert werden. Im Zuge dessen kam es 1996 zu der ersten Berlin-Plus Vereinbarung, in der die Nutzung von NATO- Ressourcen in WEU-Krisenmanagement-Operationen beschlossen wurde. 89 Durch die geschaffenen politischen und militärischen Strukturen im Rahmen der ESVP, war die EU Jahre später in der Lage, zumindest innerhalb eines gewissen Rahmens, ohne den Rückgriff auf die NATO-Strukturen agieren zu können. Ein wichtiges Anliegen beider Organisationen war hierbei jedoch die Vermeidung doppelter Bereitstellung von Ressourcen. Aus diesem Grund wurden auf dem Ratsgipfel in Feira vier Ad-hoc Arbeitsgruppen eingerichtet, die das Verhältnis klären sollten. Kurz darauf fanden erste Treffen zur Entwicklung der militärischen Krisenreaktionsfähigkeit der EU statt. In den darauf folgenden Monaten kam es zwischen dem PSK und dem Nordatlantikrat zu ersten Treffen auf Botschafterebene. Im Mai 2001 fanden zudem erste Treffen auf Ministerebene zwischen dem Nordatlantikrat und dem Rat für Allgemeine Angelegenheiten statt. Auf dem Treffen des Europäischen Rates in Göteborg wurde ein Übungsprogramm EU- NATO-Kooperation festgelegt. Jedoch bestand hiermit noch kein Zugang der EU zu NATO-Kapazitäten, den es galt herzustellen. Dieser Zugang wurde erst durch die Berlin- Plus Vereinbarungen zwischen den beiden Organisationen im März 2003 ermöglicht. Sie bilden die Grundlage für ein militärisches Handeln der EU im Falle eines Nicht- Eingreifens der NATO Lang, Sibylle (2007): Bestimmungsfaktoren und Handlungsfähigkeiten der Europäischen Sicherheitsund Verteidigungspolitik. Peter Lang GmbH, Frankfurt am Main. S. 20 f. NATO (2010): NATO s relations with the European Union. Brüssel, issues/nato-eu/index.html [ ]. Berlin-Plus umfasst: ein NATO-EU-Sicherheitsabkommen, das den Austausch von geheimen Informationen regelt / die Garantie über Zugang der EU zu den Planungskapazitäten der NATO in einer von der EU-geleiteten Operation / die Voraussetzung der Verfügbarkeit von NATO-Kapazitäten, wie beispielsweise Hauptquartiere für EU-geführte Krisenmanagement-Operationen / die Prozeduren für Freigabe, Überwachung, Rückgabe und Rückforderung der NATO-Kapazitäten / die Richtlinien und 28

29 Nach Abschluss der Berlin-Plus Vereinbarung war der Weg für gemeinsame Militäraktionen sowie selbstständige Operationen der EU mit Rückgriff auf NATO- Strukturen frei und das Verhältnis der beiden Organisationen zueinander festgeschrieben. Ab 2003 fanden die ersten zivilen und militärischen Einsätze unter europäischer Flagge statt. Mit Rückgriff auf die Mittel und Fähigkeiten der NATO gemäß des Berlin-Plus Abkommens, führte die EU deren Mission Allied Harmony in Mazedonien ab dem unter dem Namen Concordia weiter. Die erste autonome ESVP-Operation Artemis fand auf Ersuchen und unter dem Mandat der UN, die in der vom Bürgerkrieg zerrütteten Demokratischen Republik Kongo (DRK) den Ausbruch eines Genozids befürchteten, zwischen Juni und September 2003 statt. Unter französischer Leitung konnte die Situation durch den Einsatz von circa Soldaten aus EU- und Nicht-EU-Ländern stabilisiert werden. Somit wurde die Operation durch Europa als Erfolg gewertet, obwohl es auch vorher bereits bekannte Lücken im Bereich der militärischen Fähigkeiten gab. 91 Die deutsche Bundeswehr beteiligte sich an beiden Einsätzen. Im Rahmen von Artemis wurden 35 Soldaten für Lufttransporteinsätze bereitgestellt. Zudem waren circa 60 Soldaten für medizinische Evakuierungen einsatzbereit und zwei Soldaten waren im Hauptquartier in Frankreich stationiert. Für Concordia wurde durch bis zu 40 Bundeswehrsoldaten die Sicherheit eingesetzter internationaler Beobachter der EU und der OSZE gewährleistet. 92 Bis heute war die Bundeswehr an mehreren EU-Einsätzen beteiligt. Ihren größten Beitrag leistet sie im Rahmen der EU-Mission Althea in Bosnien und Herzegowina (zurzeit 900 Soldaten 93 ) und durch die bis zu Soldaten 94 die vor der Küste Somalias zur Piraterie-Abschreckung eingesetzt werden (Operation Atalanta). Seit Aufgabenbereiche des stellvertretenden NATO-SACEUR, der stets ein Europäer ist und den Oberbefehl für unter Berlin-Plus geführte EU-Operationen inne hat / die Regeln für NATO-EU-Konsultation. Quelle: Bundesministerium der Verteidigung (2006): Die Berlin-Plus-Vereinbarung. Berlin, Rqbm-pEwsaCUVH1fj_zcVH1v_QD9gtyIckdHRUUAzX2PKw!!/delta/base64xml/L2dJQSEvUUt3QS8 0SVVFLzZfOV9RMkc!?yw_contentURL=%2FC1256F B1B%2FW26RSC32434INFODE%2F content.jsp#headerblock [ ]. Pfetsch, Frank R. (2005): Die Europäische Union. Eine Einführung. Geschichte, Institutionen, Prozesse. 3. Auflage. Wilhelm Fink Verlag, München. S Zahlen entnommen aus: Presse und Informationszentrum Einsatzführungskommando der Bundeswehr (2009): Friedensschaffende Einsätze. Stand vom: /portal/a/einsatzbw/kcxml/04_sj9spykssy0xplmnmz0vm0y_qjzkln_sjdw32bmlb2egu-pfw0acu VH1fj_zcVH1v_QD9gtyIckdHRUUA5XlamQ!!/delta/base64xml/L3dJdyEvd0ZNQUFzQUMvNElVRS 82XzFMX0Y0SA!! [ ]. Presse- und Informationszentrum Einsatzführungskommando der Bundeswehr (2010a): Bosnien und Herzegowina. Stand: E/W2763FV5827 INFODE/05_EUFOR_Bosnien-Herzegowina_ pdf [ ]. Presse- und Informationszentrum Einsatzführungskommando der Bundeswehr (2010b): Somalia. Stand: L189INFODE/06 _ATALANTA_Somalia_ pdf [ ]. 29

30 dem ersten ESVP-Einsatz war die EU bis heute weltweit an 24 militärischen wie zivilen Einsätzen beteiligt oder autonom tätig. 95 Sie reichen von militärischen Operationen, über Beobachtungsmissionen bis zu Polizeioperationen. 3.4 eue sicherheitspolitische Herausforderung zur Jahrtausendwende und die europäische Reaktion Wie im Vorkapitel erwähnt, sahen die EU-Mitglieder zunächst davon ab, der ESVP zu einem strategischen Konzept zu verhelfen. Doch die interne Zerrissenheit Europas in der Irak-Frage 96 führte zu einem Umdenken in diesem Punkt. Trotz des Fehlens einer kodifizierten Strategie, lassen sich von dem Zeitpunkt der Schaffung der GASP an, Grundideen und Ziele feststellen. So normiert der Vertrag von Maastricht die Wahrung des Friedens und die Stärkung der internationalen Sicherheit, die Entwicklung und Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten. 97 Mit der Aufnahme der Petersberger Aufgaben wurden die Ziele der ESVP darüber hinaus abgesteckt. Dies stellte jedoch vielmehr einen politischen Kompromiss, als eine tatsächlich wahrgenommene Bedrohungslage für die europäische Sicherheit dar. 98 Im Frühjahr 2003 erhielt Javier Solana von den EU-Außenministern den Auftrag ein sicherheitspolitisches Strategiepapier zu entwerfen. Zu dieser Wende hatte zuletzt die Unstimmigkeit in der Irak-Frage geführt. Diesem Punkt voraus ging jedoch die nun klar wahrgenommene zunehmende Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, die der Welt am 11. September 2001 in aller Härte vor Augen geführt wurde. Die Staats- und Regierungschefs kamen zu dem Schluss, dass zur Wiederherstellung der Glaubwürdigkeit der GASP/ESVP und zur sicherheitspolitischen Positionierung der EU in der Welt, eine gemeinsame Strategie unerlässlich sei. Da dies noch möglichst vor der anstehenden Rat der Europäischen Union (o.j.): EU Common Security and Defence Policy (CSDP). [ ]. Für eine Übersicht, siehe Abbildung 3 im Anhang. Europa teilte sich in der, von den USA gestellten, Frage nach einer Beteiligung an der Militäroffensive im Irak, dem der Besitzt von Massenvernichtungswaffen vorgeworfen wurde, in eine Koalition der Willigen und der Unwilligen. Europa war nicht in der Lage, zu einer gemeinsamen Meinung zu kommen, geschweige denn, wie durch die GASP/ESVP beabsichtigt, mit einer gemeinsamen Stimme zu sprechen. Europäische Gemeinschaften (1992): Vertrag über die Europäische Union. a.a.o. Artikel J.1. Vgl.: Lang, Sibylle: Bestimmungsfaktoren und Handlungsfähigkeiten der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik. a.a.o. S

31 Osterweiterung der Union geschehen sollte, um so eine Verkomplizierung des Prozesses durch die dann 25 statt der bis zu diesem Zeitpunkt 15 nationalen Positionen zu umgehen, wurde die Europäische Sicherheitsstrategie (ESS) noch im Dezember 2003 durch den ER angenommen. 99 Ein sicheres Europa in einer besseren Welt lautet der Titel der ESS. 100 In ihr wird in drei Kapiteln das globale Sicherheitsumfeld analysiert und potenzielle Bedrohungen ermittelt, die strategischen Ziele der Union definiert sowie die Auswirkungen dieser auf die europäische Politik abgehandelt. Nach einer Analyse der globalen Sicherheitslage werden fünf Hauptbedrohungen für die europäische Sicherheit ermittelt: Terrorismus, die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, regionale Konflikte, das Scheitern von Staaten und die organisierte Kriminalität. Zur Verteidigung ihrer Sicherheit und Werte verfolgt die EU dabei drei Strategien. Als erste Strategie wird in der ESS die Abwehr von Bedrohung genannt. Hierbei setzt die EU auf den so genannten Erweiterten Sicherheitsbegriff. So werden und sollen zum einen Maßnahmen zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus und der Verbreitung von Waffen fortgeführt werden. Zudem gehen die Beteiligung an der Beilegung regionaler Konflikte und der Staatsaufbau, die sich demokratiefördernd auswirken und somit präventiv gegen organisierte Kriminalität vorgehen, in der Strategie auf. 101 Hiermit soll den neuen Bedrohungen, die seit dem Ende des Kalten Krieges vermehrt entstanden und nicht mehr von rein militärischer Natur sind, Einhalt geboten werden. Ein vernetzter Ansatz der zivil-militärischen Zusammenarbeit wird als ein geeignetes Instrument hierfür erachtet. Als zweites strategisches Ziel wurde die Stärkung der Sicherheit in der Nachbarschaft der Union definiert. Hierbei ist die EU daran interessiert und möchte darauf hinarbeiten, dass 99 Ebd. S. 30 ff. 100 Europäische Union (2003): Ein sicheres Europa in einer besseren Welt. Europäische Sicherheitsstrategie. Brüssel, [ ]. 101 Als Instrumente zur Bekämpfung werden genannt: Proliferation: Eindämmung von Ausfuhrkontrollen, Einsatz von politischen, wirtschaftlichen und sonstigen Druckmitteln, Angehen tieferer politischer Ursachen / Terrorismus: Aufklärungsarbeit, polizeiliche, justizielle, militärische und sonstige Mittel / Gescheiterte Staaten: militärische Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung, humanitäre Mittel zur Bewältigung der Notsituation / Regionale Konflikte: politische Lösungen, auch militärisch Mittel bei Beilegung des Konflikts, wirksame Polizeiarbeit, wirtschaftliche Instrumente zum Wiederaufbau, ziviles Krisenmanagement zum Regierungs-Wiederaufbau. 31

32 östlich der Europäischen Union und an den Mittelmeergrenzen ein Ring verantwortungsvoll regierter Staaten entsteht, mit denen [sie] enge, auf Zusammenarbeit gegründete Beziehungen pflegen [kann]. 102 Der israelisch-arabische Konflikt als eine strategische Priorität und das Aufbringen für ein stärkeres und aktiveres Interesse an den Problemen im Südkaukasus werden explizit genannt. Eine engere Zusammenarbeit verfolgt die EU auch mit ihrem dritten strategischen Ziel: Eine Weltordnung auf Grundlage eines wirksamen Multilateralismus. So strebt sie die Schaffung eine[r] stärkere[n] Weltgemeinschaft, gut funktionierende[r] internationale[r] Institutionen [ ] und eine[r] geregelte[n] Weltordnung 103 an. Internationale und regionale Organisationen die genannt werden sind die VN, die World Trade Organization (WTO), die NATO sowie die OSZE, der Europarat, der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN), der Gemeinsame Markt des Südens (MERCOSUR) und die Afrikanische Union (AU). Eine Welt demokratischer Staaten sieht sie als den besten Schutz für die Sicherheit Europas an und definiert in diesem Ziel einen Schwerpunkt der EU-Politik. Im dritten Teil der ESS werden vier Auswirkungen auf die europäische Politik beschrieben. So will die EU in der Verfolgung ihrer strategischen Ziele aktiver werden, um so durch die Übernahme von mehr Verantwortung auch ein größeres politisches Gewicht zu besitzen. Zudem will sie ihre Kapazitäten erweitern, wie beispielsweise durch die Einrichtung einer Verteidigungsagentur oder die Verbesserung der Mobilisierung ziviler und militärischer Mittel. Das Betreiben einer kohärenten Politik, durch die Bündelung der verschiedenen europäischen Mittel und Instrumente, stellt die dritte Auswirkung auf die EU-Politik dar. Zuletzt sieht die EU in der Zusammenarbeit mit ihren Partnern eine wichtige Ausrichtung ihrer Politik. So sollen über die multilaterale Zusammenarbeit hinaus, Partnerschaften zu wichtigen Akteuren geschaffen werden. Hierbei werden die USA, Russland, Japan, China, Kanada und Indien ausdrücklich genannt und alle die mit einbezogen, die Ziele und Werte mit der EU teilen und bereit sind, sich dafür einzusetzen. 104 Somit soll ein aktives und handlungsfähiges Europa geschaffen werden, welches zu einer gerechteren, sichereren und stärkeren Welt beitragen kann Europäische Union (2003): Ein sicheres Europa in einer besseren Welt. a.a.o. S. 8. Ebd. S. 9. Ebd. S

33 Nachdem die Europäische Sicherheitsstrategie eine Rüstungsagentur als ein wichtiges Element zur Entwicklung von flexibleren und wirksameren europäischen Militärstrukturen 105 genannt hatte, wurde die Einrichtung einer solchen unter dem Namen Europäische Verteidigungsagentur (EVA) vom Europäischen Rat im Juli 2004 beschlossen und so der institutionelle Aufbau der ESVP vorerst finalisiert. Die Aufgaben der EVA sind hierbei unter anderem die Entwicklung der Verteidigungsfähigkeiten im Bereich der Krisenbewältigung, die Förderung und Verbesserung der europäischen Rüstungszusammenarbeit und die Schaffung eines wettbewerbsfähigen europäischen Markts für Verteidigungsgüter. Zudem soll sie Forschungsprojekte, die das industrielle und technologische Potential im europäischen Verteidigungsbereich stärken, fördern. Die Agentur wurde bis ebenfalls von Javier Solana geleitet. Wie beschrieben, schuf der ER zu Beginn des 21. Jahrhunderts eine Reihe von Institutionen, welche die bereits bestehenden Institutionen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik um eine verteidigungspolitische Komponente ergänzen. Die ESVP wurde an die Sicherheitsbedürfnisse seiner Mitgliedsstaaten angepasst, welche sich in der neuen Weltordnung widerspiegeln. Darüber hinaus zeigt sich, dass das Verständnis für den Erweiterten Sicherheitsbegriff in der EU angekommen ist. In der BRD war bereits bevor dies als Begriff geläufig wurde, ein Verständnis für die erweiterte Sicherheit erkennbar. Schon im deutschen Weißbuch von 1975/76 hieß es nach Helmut Schmidt, dass der politisch-militärische Begriff Sicherheit wirtschaftliche Aspekte einschließt und dass die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern der Sicherheit dient. 107 Die Verteidigungspolitischen Richtlinien aus dem Jahr 1992 sowie das erste Weißbuch nach der Wende von 1994 machen deutlich, wie Deutschland sein Verständnis von Sicherheit ausgeweitet hat und wie es gedenkt, diese für sein Land zu gewährleisten. Die Verteidigungspolitischen Richtlinien definieren Grundsätze zur Sicherheitspolitik, den Auftrag der Bundeswehr und die wesentlichen Aufgaben der Streitkräfte. 108 Auch das Ziel Europäische Union (2004): Gemeinsame Aktion 2004/551/GASP des Rates vom 12. Juli 2004 über die Einrichtung der Europäischen Verteidigungsagentur. Amtsblatt der Europäischen Union L245/17, [ ]. Mit Inkrafttreten des Vertrages von Lissabon überging die Leitung der Europäischen Verteidigungsagentur an die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton. Frank, Hans (2001): Sicherheitspolitik in neuen Dimensionen. In: Sicherheitspolitik in neuen Dimensionen: Kompendium zum erweiterten Sicherheitsbegriff. Mittler, Hamburg. S. 17. Bundesministerium der Verteidigung (1992): Verteidigungspolitische Richtlinien Bonn, [ ]. 33

34 der Förderung der Demokratisierung und des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts in Europa und weltweit 109 waren in den Verteidigungspolitischen Richtlinien von 1992 zu finden. Ebenfalls wurde erkannt, dass nicht-militärische Risiken eine bedeutendere Rolle spielen. Es wurde jedoch davon ausgegangen, dass diese Risiken nicht mit militärischen Potentialen ausbalanciert werden könnten. 110 Diese Einstellung änderte sich bereits mit dem Weißbuch, das zentrale Grundsatzdokument der Sicherheitspolitik der BRD, von Hier hieß es, dass ein neuer Ansatz erforderlich sei, der politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, soziale, ökologische sowie militärische Aspekte berücksichtigt. 111 Dabei bedarf die Sicherheit des deutschen Staates nicht mehr nur einer Beseitigung von eintreffenden Konflikten. Vielmehr ist das Ziel, Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen. Hierzu gilt es bereits mögliche Ursachen, die zu Konflikten führen könnten, zu beseitigen oder zumindest zu reduzieren. 112 Diese präventive Sicherheitspolitik scheint ein weiterer Grundsatz der deutschen Politik zu sein, welcher sich, neben der Hervorhebung zivil-militärischer Zusammenarbeit, auch in der gesamteuropäischen Sicherheitsstrategie wieder finden lässt. In Anbetracht der Tatsache, dass die ESVP mit handlungsfähigen militärischen Instrumenten ausgestattet wurde, lässt sich nicht leugnen, dass die deutsche Sicherheitspolitik in Europa zumindest einem Anpassungsprozess unterzogen wurde. Bereits in den 1990er Jahren hatte sich dieser durch die ersten Militäreinsätze der Bundeswehr angedeutet. Die Grundsätze der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik blieben trotzdem stabil. Deutschland war nie ein generell pazifistischer Staat, verzichtete dennoch aus genannten Gründen, bis zur Wiedervereinigung auf den Einsatz militärischer Mittel. Mitte der 1990er Jahre wurde jedoch auch Deutschland bewusst, dass die veränderte Weltordnung eine Anpassung der im internationalen System agierenden Akteure verlangte. Dabei zeigte sich, dass Deutschland trotz seiner neuen Machtposition in der Welt, diese keinesfalls auszuspielen vermochte. Stattdessen wurde auch auf eine Vergemeinschaftung der sensiblen Politikbereiche Sicherheit und Verteidigung gesetzt. Für diese sich weiter fortsetzende Bundesministerium der Verteidigung (1992): Verteidigungspolitische Richtlinien a.a.o. Punkt 7 Ebd. Punkt 18. Berndt, Michael (2006): Vom Weißbuch 1994 zum Weißbuch 2006 (Thesen und Material). Oberhof, [ ]. Vgl.: Steiner, Michael (2001): Die deutschen sicherheitspolitischen Interessen. In: Sicherheitspolitik in neuen Dimensionen: Kompendium zum erweiterten Sicherheitsbegriff. Mittler, Hamburg. S. 35. Vgl. auch: Berndt, Michael (2006): Vom Weißbuch 1994 zum Weißbuch a.a.o. 34

35 Kontinuität der deutschen sicherheitspolitischen Einbindung in Europa soll im Folgenden eine Erklärung aufgezeigt werden. Nach einer konstruktivistischen Perspektive, wie oben ausführlich dargestellt, ist davon auszugehen, dass Interessen und Präferenzen von Akteuren durch deren Identitäten bestimmt werden. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Identitäten äußerst stabil sind und sich nicht in einem kurzen Zeitraum ändern. Sie können somit zu einer Erklärung der Kontinuität in der deutschen Sicherheitspolitik beitragen. Im Folgenden sollen sicherheitspolitische Identitätselemente Deutschlands erhoben werden, um darüber hinaus eine Erklärung für die Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu liefern. Wie im folgenden Kapitel argumentiert wird, ist das geeignete Analyseinstrument hierfür die qualitative Inhaltsanalyse von Bundestagsdebatten, welche die ESVP thematisierten. 4 Die Erhebung sicherheitspolitischer Identitäten: Eigene Anwendung des Konstruktivismus zur Erklärung deutscher Sicherheitspolitik in Europa 4.1 Überlegungen zur Bestimmung des Erhebungsortes: Der Deutsche Bundestag als Forum der Identitätskonstruktion Das Ziel dieser Arbeit ist es, eine konstruktivistische Erklärung für die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa zu entwickeln. Hierzu sollen sicherheitspolitische Identitäten Deutschlands empirisch erhoben werden. Die Entscheidung für den Erhebungsort Deutscher Bundestag wurde getroffen, da gängige Verfahren zur Erhebung von Identitäten, wie beispielsweise Befragungen der Bevölkerung, sich für die hier verfolgte sicherheitspolitische Analyse nicht eignen. Dies wird mit dem erheblichen Zweifel, dass die deutsche Bevölkerung über Einzelheiten der ESVP-Politik sowie über deutsche Sicherheitspolitik im Allgemeinen informiert ist, begründet. Der Informationsstand deutscher Bürgerinnen und Bürger über Auslandseinsätze der Bundeswehr ist ein Beispiel, welches diese Begründung bekräftigt. Bei einer Bevölkerungsbefragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr im Jahr 2006 zeigte sich, dass mehr als 60 Prozent der Befragten kein konkretes Wissen über den Friedenseinsatz der EU in Bosnien und Herzegowina (Althea) verfügten oder sogar noch nie davon gehört hatten. Lediglich vier Prozent gaben an, wesentliche Fakten über den Einsatz zu kennen. Noch weniger Befragte waren in Kenntnis über den Einsatz 35

36 der EU in der Demokratischen Republik Kongo. 27 Prozent hatten noch nie von dem Einsatz gehört. Nichtsdestotrotz wurden beide Einsätze von mehr als 50 Prozent der Befragten befürwortet. 113 Auch Eurobarometer-Befragungen zeigen deutlich, dass für den Bereich Außen- und Sicherheitspolitik nicht von einer besonders hohen Vertrautheit der Befragten mit dem Thema ausgegangen werden kann. So stellte sich heraus, dass bei der Frage danach, ob man für oder gegen eine gemeinsame Außenpolitik der EU gegenüber Drittstaaten sei, stets eine klare Mehrheit dafür stimmte. Wurde den Befragten jedoch eine Mittelposition ( weder dafür noch dagegen ) angeboten, sank die Zustimmung für eine gemeinsame Außenpolitik um ein Vielfaches (von 71 auf 37 Prozent). Dies zeigt die Abhängigkeit der Befunde von der Fragestellung und den gegebenen Antwortmöglichkeiten. 114 Es kann davon ausgegangen werden, dass dieser Effekt besonders stark ist und dieser Fall wird hier angenommen wenn der Befragte einem Thema eine geringe persönliche Bedeutung zuweist. 115 Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass Umfragedaten nicht dazu in der Lage sind, unbekannte beziehungsweise unvermutete Identitäten zu erheben, da vorgegebene Antwortmöglichkeiten eben auch nur diese zulassen. Da davon ausgegangen wird, dass ein großer Teil der deutschen Bevölkerung nicht über ein detailliertes Wissen in Bezug auf die ESVP verfügt, gilt es Identitäten in einer Institution ausfindig zu machen, die im Mittelpunkt der Interessensvermittlung steht und bei der von einem hohen Maß an Vertrautheit mit der Thematik ausgegangen werden kann. In Deutschland sind das vor allem die politischen Parteien und das Parlament. Diese Institutionen weisen im Deutschen Bundestag ein hohes Maß an Überschneidung auf. Der Bundestag ist das einflussreichste Parlament, das Deutschland im Vergleich zu seiner Geschichte vor 1949 je hatte. 116 Seine Aufgaben umfassen die Wahl und Kontrolle der Regierung, die Beteiligung an der Gesetzgebung, die Oppositionsfunktion sowie die Alle Zahlen wurden entnommen aus: Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr: Einstellungen der Bundesbürger zu zentralen sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen. Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr. evoelkerungsbefragung%20sozialwissenschaftliches%20institut%20der%20bundeswehr% pdf [ ]. Wagner, Wolfgang (2002): Die Konstruktion einer europäischen Außenpolitik. Deutsche, französische und britische Ansätze im Vergleich. Campus Verlag, Frankfurt. S Vgl.: Groß, Jürgen (1995): Die eingebildete Ohnmacht. Internationale Staatengemeinschaft und lokale Kriege. Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, Universität Hamburg, Hamburg Entnommen aus: Wagner, Wolfgang: Die Konstruktion einer europäischen Außenpolitik. a.a.o. S Schmidt, Manfred G. (2007): Das politische System Deutschlands. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn. S

37 Interessensartikulation und Kommunikation. 117 Somit erfüllt er einerseits die Rolle eines Arbeitsparlaments und andererseits die eines Redeparlaments. Die deutschen, im Bundestag vertretenen Parteien stellen eine der wichtigsten intermediären Institutionen für den Bereich der politischen Willensbildung dar. Eine besondere Bedeutung kommt ihnen bei der Umsetzung von Interessen zu. 118 In der deutschen Parteienlandschaft sind für die Interessensvermittlung im Besonderen die im Bundestag vertretenen Parteien die SPD, die CDU/CSU, die FDP, Bündnis 90/Die Grünen sowie seit 2007 Die Linke 119 von Bedeutung. Aufgrund ihrer größeren Nähe zur Bevölkerung treten sie somit in der Rolle von Volksvertretern an die Regierung heran und treffen im Bundestag aufeinander. Die Regierung findet hierdurch im Bundestag ihr wichtigstes Forum zur öffentlichen Legitimierung ihrer Politik. Somit können über die Analyse von Parlamentsdebatten nicht nur gesellschaftliche Erwartungen erhoben werden, sondern das Zusammentreffen gesellschaftlicher Erwartungen mit den Zielen der Regierung 120 eruiert werden. Es ist davon auszugehen, dass die Regierung in der Rechtfertigung ihrer Politik vor der Opposition, [ ] auf Argumente, Vorstellungen, Werte und Normen Bezug nehmen wird, von denen eine weite Akzeptanz unter den Abgeordneten und der Bevölkerung [ ] 121 angenommen wird. Somit eignen sich Parlamentsdebatten im Besonderen zur Erhebung von Identitäten. Die Stabilität der im Bundestag erhoben Identitäten lässt sich wiederum darüber bestimmen, wie hoch das Maß an Konsens unter den Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen im Bundestag ist. Herrscht ein allgemeines Einvernehmen, insbesondere unter den großen Parteien der SPD und der CDU/CSU zu bestimmten identitätsstiftenden Diskussionsthemen, so ist davon auszugehen, dass die Identitäten stabil sind. Besteht ein Dissens, lässt dies vermuten, dass sich Identitäten im Umbruch befinden. 122 Selbstverständlich ist nicht davon auszugehen, dass alle im Bundestag vertretenen Parlamentarier ein hohes Maß an Vertrautheit mit der Thematik ESVP aufweisen. Die Redebeiträge der zu analysierenden Bundestagsdebatten stammen jedoch zu einem großen Ebd. S. 147 ff. Ebd. S. 83. Die Partei entstand am 16. Juni 2007 als Verschmelzung der WASG (Arbeit & soziale Gerechtigkeit Die Wahlalternative) mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Die PDS ging 1990 aus der DDR-Staatspartei Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) hervor. Wagner, Wolfgang: Die Konstruktion einer europäischen Außenpolitik. a.a.o. S Ebd. Vgl.: Ebd. S. 202 ff. 37

38 Teil von den einschlägigen Abgeordneten, die beispielsweise durch ihre Funktion in der Regierung oder durch ihre Ausschussarbeit mit Themen der Sicherheit und Verteidigung äußerst vertraut sind. Darüber hinaus haben die Bundestagsfraktionen im Rahmen der Fraktionsdisziplin die Aufgabe und Möglichkeit, ihre Rednerlisten festzulegen und folglich qualifizierte Redner sprechen zu lassen. Die Abgeordneten sind gemäß Artikel 38 (1) GG zwar an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen 123, unterliegen in der Praxis dennoch, aufgrund gewisser Anreize wie der eigenen Wiederwahl, der Fraktionsdisziplin. Somit halten sich Abgeordnete in aller Regel an die politische Linie der Fraktion. Bei Abstimmungen zu sicherheits- und verteidigungspolitischen Fragen, insbesondere wenn es um Auslandseinsätze der Bundeswehr geht, ist jedoch immer wieder zu beobachten, dass sich einzelne Abgeordnete von der Linie ihrer Partei abwenden oder sich zumindest ihrer Stimme enthalten. Doch auch solchen Abgeordneten, die nicht an der politischen Linie ihrer Fraktionen festhalten wollen, ebenso wie fraktionslosen Mitgliedern des Bundestages, muss durch den Bundestagspräsidenten Redezeit eingeräumt werden. Somit ist nicht davon auszugehen, dass aufgrund der Fraktionsdisziplin ein verzerrtes Bild der vorherrschenden Meinung im Bundestag entsteht. Auch von der Regel abweichende Stimmen finden Gehör und können somit in der vorliegenden Analyse berücksichtigt werden Fallauswahl: Ausgewählte Bundestagsdebatten Die Auswahl der zu analysierenden Bundestagsdebatten konzentrierte sich auf solche Debatten, die einen Bezug zu der Entwicklung, Institutionalisierung und der strategischen Ausrichtung der ESVP aufweisen. Als besonders geeignet sind hierfür diejenigen Debatten, die in Form einer Aussprache nach einer Regierungserklärung zu den wesentlichen Ratsgipfeltreffen der europäischen Staats- und Regierungschefs stattfanden. Ausgewertet werden sowohl die Erklärungen von Regierungsseite, als auch die dazugehörigen Aussprachen der Fraktionen beziehungsweise Abgeordneter im Bundestag. Zudem werden die jeweiligen Plenarprotokolle zu den Mandatsbeschließungen der beiden EU-Einsätze Concordia und Artemis analysiert. Die Auswahl beschränkt sich somit auf den Zeitraum Juni 1999 bis Dezember Diese zeitliche Eingrenzung erfolgt dabei nicht willkürlich, sondern umfasst den Zeitrahmen von der Geburtsstunde bis zur 123 Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.) (2003): Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland. a.a.o. Art 38 (1). S

39 Fertigstellung der ESVP. Die Institutionalisierung und Strategisierung war durch die ESS vollzogen und mit den ersten beiden Einsätzen einem unter Rückgriff auf NATO- Ressourcen und einem autonomen Einsatz der EU unter Beweis gestellt worden. Wesentlich für die Beantwortung der Forschungsfragen nach einer Erklärung für die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik, ist somit der Zeitrahmen, in dem sich Deutschland mit der grundsätzlichen Frage hiernach beschäftigte. Die Auswahl der ausgewerteten Bundestagsdebatten 124 liest sich parallel zu der Entwicklung der ESVP. Demnach ist die erste zu analysierende Debatte die zu den Ergebnissen des Europäischen Rates am 3. und 4. Juni 1999 in Köln, auf dem die Gründung der ESVP beschlossen wurde. Auf eine Regierungserklärung durch Bundeskanzler Gerhard Schröder folgte eine zweieinhalbstündige Aussprache im Deutschen Bundestag, welcher sich in seiner 14. Legislaturperiode befand. Der durch die deutsche Ratspräsidentschaft vorbereitete Gipfel stand im Schatten des zu diesem Zeitpunkt noch andauernden Kosovokrieges. Unter diesem Gesichtspunkt entschieden die Staats- und Regierungschefs, dass Europa in die Lage versetzt werden müsse, auf internationale Krisensituationen, insbesondere auf dem eigenen Kontinent, reagieren zu können. Die Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Rates von Köln wurde mit dem Stand zu den Friedensbemühungen im Kosovo zusammengefasst. Somit steht auch die Bundestagsdebatte vom 08. Juni 1999 zur Gründung der ESVP in engem Zusammenhang mit dem Kosovokonflikt. Zum Europäischen Rat von Helsinki am 10. und 11. Dezember 1999 wurden sowohl die Debatte vor als auch die nach dem Gipfel ausgewertet. Auf diesem Ratstreffen wurde die institutionelle Ausgestaltung der ESVP beschlossen. Wie bereits in Kapitel 3.3 beschrieben, wurde die ESVP hier mit politischen und militärischen Gremien (PSK, EUMC, EUMS) ausgestattet. Zudem wurde die Mitwirkung der Verteidigungsminister der Mitgliedsstaaten im Rat für Allgemeine Angelegenheiten beschlossen. 125 Im Rahmen der European Headline Goal wurden darüber hinaus die Grundsätze und Planziele für die Siehe Tabelle 1 für eine Übersicht inklusive der jeweiligen Gesamtdauer der Debatten. Europäischer Rat (1999): Schlussfolgerung des Vorsitzes Europäischer Rat (Helsinki). a.a.o. 39

40 militärische Krisenreaktion 126 festgeschrieben. Sowohl die zweieinhalbstündige Aussprache vor als auch die eineinhalbstündige Aussprache nach dem Gipfel im Bundestag erfolgten auf eine Regierungserklärung von Schröder und weisen einen hohen Bezug zur ESVP auf. Die danach auszuwertende Debatte behandelte die Beratungen zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und der Grünen Europäischer Rat in Feira Europa entschlossen voranbringen. Zu den hier gestellten Forderungen der beiden Bundestagsfraktionen gehörte die Einrichtung eines Ausschusses für zivile Aspekte des Krisenmanagements, welcher unter anderem Thema der zweieinhalbstündigen Debatte war. Auch die Debatte zu den Ergebnissen dieses Ratsgipfels wurde analysiert. Die einstündige Aussprache, die auf die Regierungserklärung durch Hans Eichel, dem damaligen Bundesminister der Finanzen, folgte, wies zwar einen eher geringen Bezug zur ESVP auf, darf an dieser Stelle aber aufgrund des wissenschaftlichen Anspruchs auf Vollständigkeit nicht außen vor gelassen werden. Gleiches gilt für die Debatte zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Göteborg im Juni Der noch vor Göteborg im Dezember 2000 tagende Gipfel von Nizza wurde in einer Bundestagsdebatte vor und in einer Debatte nach dem Gipfel thematisiert. Hier war die Eingliederung der ESVP als Bestandteil der GASP in die EU und die Umwandlung der Interimsgremien (PSK, EUMC und EUMS) in ständige EU- Institutionen beschlossen worden. In seiner Regierungserklärung zur Tagung des Europäischen Rates in Laeken am 14. und 15. Dezember 2001, informierte Bundeskanzler Gerhard Schröder ausgiebig über die neuen Entwicklungen in der ESVP. Darüber hinaus wurde in der darauf folgenden Aussprache der Antrag der CDU/CSU-Fraktion Europa richtig voranbringen Weichenstellung durch den Europäischen Rat in Laeken/Brüssel beraten. Diese Debatte, welche wesentlich durch die Anschläge vom 11. September in den USA geprägt war, zeichnet sich durch ein hohes Maß an Auseinandersetzung mit der europäischen sicherheits- und verteidigungspolitischen Zukunft in Hinblick auf die neuen Herausforderungen durch den internationalen Terrorismus aus. Der Tagesordnungspunkt Europäischer Rat in Laeken fand sich auf keinem Plenarprotokoll im Anschluss an den 126 Vgl. Kapitel 3.3: Soldaten in maximal 60 Tagen für einen mindestens einjährigen Einsatz bis zum Jahr 2003 zur Verfügung zu stellen. 40

41 Gipfel wieder, was vermutlich daran lag, dass der Bundestag erst nach mehr als einem Monat nach dem Gipfel wieder tagte. In der 15. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages thematisierte dieser in seiner 16. Sitzung die ESVP sowie die europäische Osterweiterung. Am Ende des Ratsgipfels in Kopenhagen im Dezember 2002 konnte der Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern verkündet werden, die zum 1. Mai 2004 als Mitglieder der EU aufgenommen wurden. Die EU-Erweiterung wurde ausgiebig im Hinblick auf die europäische Sicherheit diskutiert. Darüber hinaus wurde das im selben Monat beschlossene Berlin-Plus Abkommen und der erste Militäreinsatz der EU in Mazedonien (Concordia) thematisiert. Dieser Einsatz war ein wesentlicher Punkt in der Bundestagsdebatte vom 20. März 2003, in der die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem EUgeführten Einsatz auf mazedonischem Territorium zur weiteren Stabilisierung des Friedensprozesses und zum Schutz von Beobachtern internationaler Organisationen beschlossen wurde. Hierzu wurde interfraktionell eine 5-Minuten Runde vereinbart. Die Übernahme der NATO-Mission durch die EU wurde somit nur etwa 30 Minuten im Parlament diskutiert. Der zweite, diesmal autonome EU-Einsatz Artemis wurde noch im gleichen Jahr von der EU beschlossen. Der Bundestag entschied nach einer einstündigen Debatte am 18. Juni 2003, über die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem EU-geführten Einsatz zur Stabilisierung der Sicherheitslage und Verbesserung der humanitären Situation in Bunia, der Hauptstadt der Provinz Ituri in der DRK. Durch die von den USA ausgehende Militäroffensive im Irak im Frühjahr 2003, geriet die EU in ein Zerwürfnis zwischen der Koalition der Willigen und der Unwilligen. Die bis dato fehlende strategische Ausrichtung der ESVP wurde augenscheinlich unverzichtbar. Dieses Problem wurde durch die EU-Mitgliedsländer erkannt und auf dem Gipfel von Thessaloniki im Juni 2003 angegangen. Der durch Javier Solana eingebrachte Vorschlag für eine EU-Sicherheitsstrategie wurde hier begrüßt und sollte bis Dezember des gleichen Jahres durch ihn erarbeitet werden. Sowohl im Juni, als auch nach dem Gipfel von Brüssel im Dezember des gleichen Jahres, auf dem die Sicherheitsstrategie der EU verabschiedet wurde, thematisiert der Deutsche Bundestag die ESVP ausgiebig in einer drei- und in einer zweieinhalbstündigen Debatte. Insgesamt wurden rund 30 Stunden Parlamentsdebatten in Form von Plenarprotokollen analysiert. Eine Übersicht liefert die folgende Tabelle. 41

42 Tabelle 1 - Ausgewertete Bundestagsdebatten Datum / Anlass Dauer * Protokoll-Nr Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates am 3h 14/41 3. und 4. Juni 1999 in Köln und Aussprache Regierungserklärung zum bevorstehenden Europäischen Rat in 3h 14/77 Helsinki am 10./11. Dezember 1999 und Aussprache Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in 2h 14/79 Helsinki am 10./11. Dezember 1999 und Aussprache Antragsberatung: Europäischer Rat in Feira Europa entschlossen 2,5h 14/108 voranbringen (Drucksache 14/3514) /111 Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Feira am 19./20. Juni 2000 und Aussprache 1,5h /135 Regierungserklärung zum bevorstehenden Europäischen Rat in Nizza 2,5h vom 7. bis 9. Dezember 2000 und Aussprache Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in 1,25h 14/144 Nizza und Aussprache Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in 2h 14/176 Göteborg am 15. und 16. Juni 2001 und Aussprache Regierungserklärung Tagung des Europäischen Rates in Laeken am 2h 14/ /15. Dezember 2001 und Antragsberatung: Europa richtig voranbringen Weichenstellung durch den Europäischen Rat in Laeken/Brüssel (Drucksache 14/7781) und Aussprache Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in 3h 15/16 Kopenhagen am 12./13. Dezember 2002 und Aussprache Beschlussempfehlung/Bericht des Auswärtigen Ausschusses: Antrag 0,5h 15/35 der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem EU-geführten Einsatz auf mazedonischem Territorium [ ] und Aussprache Beschlussempfehlung/Bericht des Auswärtigen Ausschusses: Antrag 1,5 h 15/51 der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem EU-geführten Einsatz [ ] in Bunia [ ] und Aussprache Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in 3h 15/53 Thessaloniki am 20./21. Juni 2003 und Aussprache /82 Regierungserklärung zum Europäischen Rat in Brüssel am 12./13. Dezember 2003 und Aussprache 2,5 h Gesamtzeit: 30,25h * Regierungserklärung + Aussprache Vertretene Parteien der 14. und 15. Legislaturperiode im Deutschen Bundestag An dieser Stelle soll in Kürze auf die Zusammensetzung des Bundestages in den relevanten Legislaturperioden eingegangen werden. Die Bundestagswahlen 1998 führten zu einem politischen Umbruch in Deutschland. Nach 16-jähriger Regierung aus einer Koalition von 42

43 CDU/CSU und FDP entschieden sich die deutschen Bürger zu einem Politikwechsel. Die neue Regierung bildeten die SPD mit 298 Sitzen und das Bündnis 90/Die Grünen mit 47 Sitzen im Bundestag. Die Opposition setzte sich aus der CDU/CSU mit 245 Sitzen, der FDP mit 43 und der PDS mit 36 Sitzen zusammen. Der Bundestag bestand somit aus 669 Abgeordneten. 127 Der 15. Bundestag wählte zwar wieder eine Rot-Grüne Regierung, die Sitzverteilung hatte sich jedoch verschoben. Die PDS scheiterte an der Fünf-Prozent-Hürde, welcher es bedarf um in den Bundestag einzuziehen. Sie stellte lediglich zwei Abgeordnete, die über Direktmandate Einzug in den Bundestag nahmen. Die SPD verlor 47 Sitze, dafür gewannen die Grünen 8, die FDP 4 und CDU/CSU 3 Sitze. Insgesamt setzte der Bundestag sich aus 603 Abgeordneten zusammen Auswertungsmethode: Qualitative Inhaltsanalyse Qualitative Methoden haben bereits seit einer geraumen Zeit Einzug in die konstruktivistische Integrationsforschung gefunden. Sie sind hierfür besonders geeignet, da sie nicht nur versuchen bestehende Theorien oder Hypothesen zu überprüfen, sondern darüber hinaus versuchen, ein soziales Phänomen zu erkennen. 129 Sie gehen induktiv vor und arbeiten nicht mit standardisierten Instrumenten. Zudem zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie bereit sind vom Vorverständnis abzurücken und damit auch die Vorgehensweise im Laufe der Untersuchung zu verändern. 130 Der Unterschied der qualitativen Inhaltsanalyse im Vergleich zu vielen anderen qualitativen Text-Analyseverfahren in den Sozialwissenschaften besteht unter anderem darin, dass das zu untersuchende Material bereits erhoben wurde und sich somit nicht schwerpunktmäßig mit der Erhebung von Daten befasst wird. Der Forschende muss sich insofern nicht mit der Frage beschäftigen, ob seine Anwesenheit Einfluss auf das Material genommen hat Deutscher Bundestag (o.j.): Abgeordnete in Zahlen. Zusammensetzung des 14. Deutschen Bundestages (Stand 1998). [ ]. Deutscher Bundestag: Abgeordnete in Zahlen. 15. Wahlperiode. /cgi/show.php?filetoload=215&id=1041 [ ]. Vgl. Wagner, Wolfgang (2002): Die Konstruktion einer europäischen Außenpolitik. a.a.o. S Titscher, Stefan / Wodak, Ruth / Meyer, Michael / Vetter, Eva (1998): Methoden der Textanalyse. Leitfaden und Überblick. Westdeutscher Verlag, Opladen. S. 25. Ebd. S. 49 f. 43

44 Die qualitative Inhaltsanalyse entstand aus der Kritik an quantitativen Inhaltsanalysen, welche nicht imstande sind, latente Bedeutungen zu erfassen. Die durch Philipp Mayring aufgestellte Version der qualitativen Inhaltsanalyse erreicht dies und berücksichtigt darüber hinaus den Textkontext des zu analysierenden Materials. 132 Die von ihm entwickelte Technik findet in dieser Arbeit Anwendung und wird im Folgenden vorgestellt. Obwohl die qualitative Inhaltsanalyse auf standardisierte Instrumente verzichtet, erfolgt ihre Durchführung durchaus regelgeleitet. Die Analyse muss zunächst an das Material angepasst und auf die Fragestellung hin konstruiert werden. Hierfür wird ein Ablaufmodell festgelegt. Jeder einzelne Schritt der Analyse erfolgt im Rahmen definierter Regeln, wodurch sich die qualitative Inhaltanalyse von rein interpretativen Verfahren unterscheidet. Im Zentrum der qualitativen Inhaltsanalyse steht dabei ein Kategoriensystem. Die Kategorienkonstruktion sowie deren Begründung wurden häufig als Kunst beschrieben. Mayring entwickelte zu diesem Zweck dennoch Verfahren, die hierfür zumindest eine Hilfestellung liefern. 133 Die Aufstellung des Kategoriensystems, der hier so benannten Codes, wird in Unterkapitel näher erläutert. Mayring betont, dass die Verfahren qualitativer Inhaltsanalyse nicht bloße Techniken sind, welche man beliebig einsetzen kann. Anstelle dessen ist es wichtig, die Analyse an dem zu untersuchenden Gegenstand auszurichten. Darüber hinaus ist es von großer Bedeutung, die verschiedenen Analyseschritte theoriegeleitet begründen zu können. Auch das Hinzuziehen quantitativer Analyseschritte, das in manchen Fällen und für manche Fragestellungen sinnvoll sein kann, gilt es zu begründen. 134 Mayring entwickelte drei Verfahrensweisen zur Interpretation des Materials: die Zusammenfassung, die Explikation und die Strukturierung. Im Zentrum der hier vorzunehmenden Analyse erscheint das Verfahren der Zusammenfassung als das Angemessene. Ziel dieser Analyse ist es, Vgl.: Wagner, Wolfgang (2002): Die Konstruktion einer europäischen Außenpolitik. a.a.o. S Mayring, Philipp (2008): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. 10. Auflage. Beltz Verlag, Weinheim und Basel. S. 42 ff. Ebd. S. 44 f. 44

45 das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben, durch Abstraktion einen überschaubaren Corpus zu schaffen, der immer noch Abbild des Grundmaterials ist. 135 Hierzu wird der zu analysierende Text zunächst in Kategorien (Codes) eingeteilt. Auch dies erfolgt theoriegeleitet und gemäß der Fragestellung. Die einzelnen kodierten Textstellen eines Codes werden im Laufe der Zusammenfassung zunächst inhaltlich beschränkt. Durch diese Paraphrasierung werden ausschmückende, inhaltsleere Textstellen gestrichen. Im zweiten Arbeitschritt der Zusammenfassung werden die Textstellen generalisiert. Die Generalisation soll ermöglichen, dass inhaltsgleiche Paraphrasen in einem weiteren, dritten Schritt, der so genannten Reduktion, zusammengefasst werden können. Am Ende der Reduktion gilt es für den Forschenden zu überprüfen, ob die in einem neuen Kategoriensystem zusammengefassten Aussagen, noch dem Ausgangsmaterial entsprechen. 136 Im Folgenden soll ein Ablaufmodell der hier vorzunehmenden Analyse aufgezeigt werden. Eben solch ein Ablaufmodell stellt einen weiteren Vorzug der qualitativen Inhaltsanalyse gegenüber anderen Interpretationsverfahren dar. Die Analyse wird in einzelne Interpretationsschritte zerlegt und hierdurch für anderen nachvollzieh- und überprüfbar Eigene Analyseschritte der qualitativen Inhaltsanalyse von Bundestagsdebatten Anhand des allgemeinen inhaltsanalytischen Ablaufmodells nach Mayring (siehe Abbildung 1) werden im Folgenden die vorzunehmenden Analyseschritte zu Erhebung sicherheitspolitischer Identitäten aufgezeigt. Einige Schritte, die bereits im Laufe dieser Arbeit erfolgt sind, werden an dieser Stelle nochmals erwähnt. Die noch fehlenden Analyseschritte sollen hier konstruiert werden Ebd. S. 58. Ebd. S. 61. Ebd. S

46 Abbildung 1: Allgemeines inhaltsanalytisches Ablaufmodell 138 Die ersten drei Schritte des inhaltsanalytischen Ablaufmodells die Festlegung des Materials, die Analyse der Entstehungssituation und die formalen Charakteristika des Materials dienen der Bestimmung des Ausgangsmaterials. 139 Diese Schritte erfolgten im Laufe der vorliegenden Arbeit bereits in Kapitel An dieser Stelle soll noch festgehalten werden, dass sämtliche ausgewählte Bundestagsdebatten immer auch andere Themen neben der europäischen Sicherheitspolitik beinhalteten. Aus diesem Grund wurden die wesentlichen Textstellen in einer ersten Durchsicht des Materials farblich Mayring, Philipp (2008): Qualitative Inhaltsanalyse. a.a.o. S. 54. Vgl.: Ebd. S. 46 ff. 46

47 markiert. Nur diese markierten Stellen wurden in der weiteren Analyse berücksichtigt. Aufgrund der großen Textmenge war diese erste Reduktion bereits vor Beginn der eigentlichen Zusammenfassung durch Kodierung notwendig. Die Analyse der Entstehungssituation erfolgte, soweit für die vorzunehmende Inhaltsanalyse relevant, ebenfalls bereits in Kapitel Da das Material nicht durch den Forschenden erhoben wurde und die Erhebung somit kein Bestandteil der Analyse ist, sind darüber hinausgehende Erkenntnisse zur Entstehungssituation an dieser Stelle nicht relevant. Das Gleiche gilt für die formalen Charakteristika des Materials. 140 Vor Beginn der Analyse galt es deren Richtung zu bestimmen. Durch die Beachtung eines einfachen inhaltsanalytischen Kommunikationsmodells (siehe Abbildung 2), lassen sich Fragen nach Wer sagt was, mit welchen Mitteln, zu wem, mit welcher Wirkung? 141 beantworten. Ergänzt werden muss dieses Modell um die Absicht der Analyse. Abbildung 2: Einfaches inhaltsanalytisches Kommunikationsmodell (Lagerberg 1975) 142 Wie bereits in Kapitel 4.2 festgehalten, stellt der Bundestag das wichtigste Forum zur öffentlichen Legitimierung der Politik der Regierung dar. Da davon ausgegangen wurde, dass sowohl die Regierung als auch die Opposition auf Argumente, Vorstellungen, Werte und Normen Bezug nehmen wird, können über diese gesellschaftlichen Erwartungen, Identitäten erhoben werden. Die Richtung der Analyse ist dementsprechend durch den Text Elemente der deutschen sicherheitspolitischen Identität ausfindig zu machen. Den theoretischen Rahmen zur Analyse deutscher Präferenzen zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik findet sich in der konstruktivistischen Integrationsforschung. Wie in Kapitel 2.2 ausführlich erläutert, gehen konstruktivistische Theorieansätze davon aus, dass Identitäten die Interessen und Präferenzen von Akteuren Formale Charakteristika des Materials würden beispielsweise die verwendete Technik zur Erhebung des Materials beinhalten (Tonbandaufnahme, Transkriptionsregel et cetera). Mayring, Philipp (2008): Qualitative Inhaltsanalyse. a.a.o. S. 50. Entnommen aus: Ebd. 47

48 bestimmen. Somit wird über die sicherheits- und verteidigungspolitischen Identitäten Deutschlands die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der EU erklärt. Hierbei soll die Analyse theoriegeleitet und nicht theoriebestimmt erfolgen. Dies bedeutet, dass die Theorie als System allgemeiner Sätze über den zu untersuchenden Gegenstand 143 begriffen wird und dadurch nichts anderes als die geronnenen Erfahrungen anderer über diesen Gegenstand 144 darstellt. An diese geronnen Erfahrungen gilt es anzuknüpfen. Da nach der hier verfolgten konstruktivistischen Perspektive davon ausgegangen wird, dass Identitäten die Interessen und Präferenzen von Akteuren bestimmen, wird im Umkehrschluss davon ausgegangen, dass sich auch über die Interessen und Präferenzen die Identitäten der Akteure auffinden lassen. Somit sollen auf drei Ebenen die Einstellungen der Parlamentarier zur ESVP, ihre sicherheitspolitischen Interessen sowie ihr Sicherheitsverständnis erhoben werden. Diese drei Punkte bilden die Hauptcodes des Kategoriensystems welches im nachfolgenden Unterkapitel aufgestellt wird Kategoriensystem und technische Mittel zur Auswertung der ausgewählten Bundestagsdebatten Das Kategoriensystem ist das Herzstück einer qualitativen Inhaltsanalyse. Die einzelnen Codes werden hierbei in einem Wechselspiel zwischen der Theorie beziehungsweise der Fragestellung und dem Material, also den Bundestagsdebatten, entwickelt. Hierbei ist es notwendig, die Codes während der Analyse zu überprüfen und gegebenenfalls zu überarbeiten. Mit den festgelegten Codes wird am Ende des Kodierverfahrens das bereits beschriebene inhaltsanalytische Verfahren der Zusammenfassung durchgeführt. Die hier erhobenen Ergebnisse werden, erneut in Kategorien eingeteilt, in Richtung der Fragestellung interpretiert. Das Kategoriensystem besteht aus drei Hauptcodes von denen dem ersten Code (Ausgestaltung der ESVP (GASP)) ein Subcode (auf deutscher Ebene) untergeordnet wurde. Dieser Subcode war ein Ergebnis der Rücküberprüfung des Kategoriensystems, da es für sinnvoll erachtet wurde, eine Trennung zwischen der europäischen Ebene und der Ebd. S. 52. Ebd. 48

49 deutschen Ebene vorzunehmen. Diesen Codes wurden Aussagen der Parlamentarier zugeordnet, die sich unter anderem mit der institutionellen und strategischen Ausgestaltung der europäischen und deutschen Sicherheitspolitik beschäftigten. Aussagen die diesen Codes zugeordnet wurden, sollten die Frage Wie ist beziehungsweise wie soll die ESVP konzipiert sein?, Aussagen des Subcodes Was muss in Deutschland dafür getan werden? beantworten. Der zweite Hauptcode erhielt den Namen Sicherheitsverständnis. Unter ihn wurden Aussagen der Parlamentarier gefasst, die Rückschlüsse auf deren Definition von Sicherheit zuließen. Stichworte, die hier vorab genannt werden können, sind der Erweiterte Sicherheitsbegriff oder Prävention. Auf einen dritten Code, Sicherheitspolitische Interessen, entfielen Aussagen, die sich mit dem Großen Ganzen beschäftigten. Es ging dabei um Aussagen, welche die Frage Was will man eigentlich? beantworten konnten. Durch diese Einteilung der drei Hauptcodes, gelang es alle relevanten Textstellen zuzuordnen. Neben den drei Hauptcodes wurden eine Reihe zusätzlicher Codes in die Analyse miteinbezogen, unter welche vermutete identitätsstiftenden Aspekte gefasst wurden. Hierzu gehören die Codes Bezug auf aktuelle Anlässe und Bezug auf historische Ereignisse. Die Trennung zwischen diesen beiden Codes wurde zeitlich gezogen. Als historische Ereignisse wurden solche angesehen, die bis zurück in die 1970er Jahre gingen, aktuelle Anlässe dementsprechend ab den 1980er Jahren. Aussagen, die diesem Code zuzuordnen waren, wurden nur kodiert, wenn sie bereits mit einem der drei Hauptcodes kodiert wurden. Gleiches galt für die Codes Bilaterale Beziehungen und Internationale (sicherheitspolitische) Einbindung sowie dessen Subcode ATO/transatlantische Beziehungen. Der einzige Code der nicht in Verbindung mit den Hauptcodes stehen musste, war der Code Direkte Kritik an der ESVP. Unter diesen Code fielen ausschließlich Aussagen der Parlamentarier, in aller Regel Abgeordnete der PDS, welche die ESVP als solche kritisierten (beispielsweise der Vorwurf einer Militarisierung der EU). Die Position der PDS, die sich wesentlich von der aller anderen Bundestagsfraktionen unterscheidet, kann selbstverständlich nicht außen vor gelassen werden. Diese Problematik wurde somit im Laufe der Analyse gelöst, indem die entsprechenden Äußerungen unter diesen Code gefasst wurden. 49

50 Für die Auswertung der Bundestagsdebatten wurde das qualitative Textanalyse- Programm MaxQDA 145 verwendet. Das Programm ermöglicht eine computergestützte Kodierung und Aufbereitung von Daten, die insbesondere bei einer großen Datenmenge äußerst hilfreich ist. Die forschungsrelevanten Plenarprotokolle der Bundestagsdebatten wurden in ein Rich-Text-Format umgewandelt und in das Programm eingelesen. Die oben beschriebenen Codes wurden manuell in das System eingegeben. Das Programm ordnet sowohl die Texte als auch die Codes in jeweils einem Ordnersystem an. Eine Übersicht der Texte wird unter Dokumente in einem Fenster der Programmoberfläche oben links angezeigt. Darunter befindet sich das so genannte Codesystem. In einem weiteren Fenster, dem Dokument-Browser, auf der rechten Seite der Programmoberfläche, wird gleichzeitig der aktuell zu bearbeitende Text angezeigt. Unter dem Dokument-Browser befindet sich ein weiteres Feld, welches eine Übersicht der kodierten Textsegmente enthält. Für die Kodierung wird ein Text im Dokument-Browser geöffnet. Hier werden die relevanten Textsegmente markiert und durch Drag & Drop einem Code in der Übersicht zugeordnet. Den Codes und Subcodes können vorab bestimmte Farben zugeordnet werden. Eine codierte Textstelle wird in diesem Fall im Dokument-Browser ebenfalls mit dieser Farbe unterlegt. Des Weiteren bietet MaxQDA eine Memo-Funktion, durch die wichtige Anmerkungen zum Text bereits während des Kodierverfahrens vorgenommen werden können. Am Ende der Kodierung aller relevanten Textstellen, insgesamt waren es 366, können diese mit Hilfe der Retrieval-Funktion aus MaxQDA extrahiert werden. Die Codes lassen sich nach den eigenen Analyseansprüchen automatisch in Tabellen 146 anordnen. Diese Tabellen der entsprechenden Codes und Texte können dann durch das Verfahren der Zusammenfassung weiterverarbeitet werden. Zur Erhebung der sicherheitspolitischen Identitäten Deutschlands wurden insgesamt zweiundzwanzig Tabellen extrahiert und weiterverarbeitet. Zehn Tabellen bezogen sich dabei auf den Code Ausgestaltung der ESVP, sechs auf den Code Sicherheitspolitische Interessen und weitere sechs auf den Code Sicherheitsverständnis. Die unterschiedliche Anzahl ist darauf zurückzuführen, dass einige Debatten, thematisch geordnet, zusammen gefasst worden, da einzelne Debatten nur eine Für eine Übersicht der Nutzungsoberfläche von MaxQDA siehe Anhang, Abbildung 4. Für eine Beispiel-Tabelle siehe Tabelle 2 im Anhang. 50

51 geringe Anzahl an Segmenten der beiden zuletzt genannten Codes aufwiesen. Das Verfahren der Zusammenfassung macht schließlich nur Sinn, wenn es auch etwas zusammenzufassen gibt. Somit wurden beispielsweise für den Code Sicherheitspolitische Interessen, die entsprechenden Textsegmente der Debatten zu den EU-Einsätzen Concordia und Artemis gemeinsam ausgewertet. Des Weiteren wurden mit Hilfe der Text- Retrieval-Funktion aus MaxQDA die jeweiligen Überlappungen der Textsegmente der drei genannten Hauptcodes mit den einzelnen zusätzlichen Codes extrahiert (so beispielsweise die Überlappungen von Sicherheitsverständnis und Internationale (sicherheitspolitische) Einbindung). Hierdurch entstanden fünfzehn weitere Dokumente, die durch Abgleichung mit den Ergebnissen der Zusammenfassung, in die Interpretation des Gesamtergebnisses mit einzubeziehen waren. Technisch wie auch praktisch ließ sich dies nicht anders lösen, da die jeweiligen Überlappungen nicht direkt in das qualitative Verfahren der Zusammenfassung miteinbezogen werden konnten. 4.3 Forschungsergebnisse Die Forschungsergebnisse der qualitativen Inhaltsanalyse von Bundestagsdebatten werden im Folgenden anhand der neu geordneten Kategorien, die im Zuge der Zusammenfassung entstanden, zusammengetragen. Hierbei gilt es, die Kernelemente der deutschen sicherheitspolitischen Identität herauszuarbeiten. Es ist davon auszugehen, dass diese eine Erklärung für die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik in einem europäischen Rahmen liefern. In einem finalen Schritt werden im Anschluss im Rahmen der Konklusion die Übereinstimmungen der deutschen sicherheitspolitischen Identität mit den Erkenntnissen zur Gestalt der ESVP (Kapitel 3.3 und 3.4) geprüft und bewertet. Die unten zitierten Aussagen sowie die Zusammenfassungen der Aussagen der Abgeordneten spiegelten in der Regel und wenn nicht anders beschrieben, die einhellige Meinung der Abgeordneten wieder Sicherheitskooperationen in der EU: Zielvorstellungen, Aufgaben und Entwicklung Eine Antwort auf das veränderte sicherheitspolitische Umfeld nach Ende des Kalten Krieges sahen die Abgeordneten des deutschen Bundestages eindeutig in einer weiteren und vertieften Stärkung der EU. Der Ausbruch des Krieges im Kosovo ist ein Element, das 51

52 die Notwendigkeit einer gemeinsamen sicherheits- und verteidigungspolitischen Dimension in das Bewusstsein der Parlamentarier rief. Auffällig waren die vielen direkten und auch indirekten Bezüge auf diesen. Argumente für einen Aufbau und eine spätere Fortentwicklung der ESVP nahmen immer wieder Bezug auf diesen Krisenherd innerhalb Europas. Auch im Bezug auf den Balkan-Krieg Anfang der 1990er Jahre wurde argumentiert, dass die EU in die Lage versetzt werden müsse, europäische Krisen durch eigene Instrumente und Mittel zum Krisenmanagement angehen zu können. Es herrschte Einvernehmen darüber, dass nur mit einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Staaten Europas den Frieden auf dem Kontinent vertiefen können und damit zugleich die Voraussetzung schaffen, um einem weiteren Kosovo in Europa vorzubeugen. 147 Über die Notwendigkeit hinaus betonten die Parlamentarier, dass die EU vor allem auch die Verantwortung trüge, Europas Krisen europäisch zu lösen. Die Abgeordneten aller Fraktionen waren sich darüber einig, dass im Zeitalter der Globalisierung die europäischen Nationalstaaten den zunehmenden transnationalen Herausforderungen nicht mehr eigenständig begegnen können. Eine Lösung konnte, gemäß der deutschen Staatsräson, nur in einer tieferen Einbindung in die EU liegen. Insbesondere die Terroranschläge vom 11. September in den USA verstärkten dieses Bewusstsein auch im Bundestag. Im direkten Bezug auf die Anschläge wurde unter anderem argumentiert, dass in dieser Welt des 21. Jahrhunderts [ ] unser aller Schicksal von der Vollendung der politischen Integration Europas abhängen [wird] 148. Neben der wahrgenommenen Notwendigkeit einer sicherheitspolitischen Kooperation in Europa, sollte die ESVP demnach das wesentliche Element zur Vollendung des politischen Integrationsprozesses darstellen. Nicht nur wurde argumentiert, dass die wirtschaftliche Macht EU ohne eine politische Dimension nicht überleben könne. Darüber hinaus sollte eine gemeinsame europäische Identität auf diesem Gebiet geschaffen werden. Auch die Erweiterung der EU wird von den Parlamentariern als Sicherheitspolitik angesehen. Für eine Osterweiterung der EU wurde hierbei mit der erfolgreichen Süderweiterung der EG, welche bereits zu einer Ausweitung des Stabilitätsraums geführt habe, argumentiert. Ein gemeinsames Europa verhindere Kriege und bringe Frieden, 147 Zitat Joachim Poß (SPD): Stenographischer Bericht 77. Sitzung. Plenarprotokoll 14/77. Berlin, Zitat Joseph Fischer (Bundesminister des Auswärtigen, Bündnis 90/Die Grünen): Stenographischer Bericht 207. Sitzung. Plenarprotokoll 14/207. Berlin,

53 Freiheit und Wohlstand. Häufig wurde von Parlamentariern aller Fraktionen argumentiert, dass die europäische Integration immer vornehmlich ein Friedensprojekt gewesen sei. Die östlichen Nachbarn in dieses Projekt mit einzubeziehen dient in ihrem Bewusstsein einer weiteren Ausweitung des Stabilitätsraums und wird als präventive Sicherheitspolitik angesehen. Insgesamt hat das Stichwort Prävention eine äußerst große Bedeutung für die deutsche sicherheitspolitische Identität; sie stellt eines der wesentlichsten Elemente dieser dar. Neben der Heranführung osteuropäischer Staaten, wird auch die Heranführung der Türkei, zumindest von Seiten der rot-grünen Regierung, und Südosteuropas an die EU in diesem Rahmen befürwortet. Wie bereits in Kapitel 3.4 erwähnt, zeigte sich in Deutschland bereits früh ein Verständnis für den Begriff der Erweiterten Sicherheit. Die Parlamentsdebatten unterstrichen dieses Verständnis maßgeblich. Eben hier wird der Vorteil der Bündelung ziviler und militärischer Mittel im Rahmen der ESVP gesehen. Durch ein umfassendes Sicherheitskonzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit in Kohärenz mit Entwicklungspolitik, sollte auch über den europäischen Rahmen hinaus, eine ESVP im Dienste des Friedens betrieben werden. 149 Durch den vernetzten Ansatz in der europäischen Sicherheitspolitik galt es nach Auffassung der Bundestagsabgeordneten vor allem, präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Konflikten durchzusetzen: Diesem umfassenden Sicherheitsbegriff entspricht [ ] ein breites Spektrum von Mitteln zum Krisenmanagement und vor allen Dingen auch zur Prävention. 150 Zudem sollte es Ziel der EU sein, noch vor Krisenbeginn angemessen zu reagieren. Der diplomatischen Prävention muss daher höchster Stellenwert eingeräumt werden. 151 Weitere Aspekte, welche für die Parlamentarier in diesem Sinne zur Sicherheitspolitik der EU zählen, waren vor allem Klimafragen, Asyl- und Einwanderungspolitik, Kriminalitätsbekämpfung, Umweltschutz, Demokratisierung, wirtschaftliche Aspekte und Entwicklungshilfe. Neben der Absicherung des eigenen Stabilitätsraumes, ließ sich zudem ein Interesse an einer neuen globalen Rolle der EU analysieren. Im Laufe der Debatten wurde schnell auch die Rolle des neuen Europas in der Welt Gegenstand der Diskussionen: Europa darf im Vgl.: Kapitel zu den zivilen und militärischen Fähigkeiten der EU und deren Betrachtung durch die Bundestagsabgeordneten. Zitat Joseph Fischer (Bundesminister des Auswärtigen, Bündnis 90/Die Grünen): Stenographischer Bericht 53. Sitzung. Plenarprotokoll 15/53. Berlin, Ebd. 53

54 nächsten Jahrhundert nicht passiver Beobachter sein, sondern muss starker Akteur, muss bei der Schaffung einer neuen globalen Ordnung entscheidend mitbestimmen. 152 Vermehrt wurde dabei betont, dass die EU vor allem in der Verantwortung sei, für diese neue globale Ordnung Sorge zu tragen. Dabei wurde jedoch unterstrichen, dass sie dadurch keine dominante Supermacht darstellen wolle: Dieses neue Europa will weder Superstaat noch Supermacht sein. Es wird seine Erfahrungen und Fähigkeiten in den internationalen Beziehungen selbstbewusst, aber ohne Überheblichkeit zur Geltung bringen. 153 Im Rahmen der Verhandlungen über eine deutsche Beteiligung an dem EU-geführten Einsatz Artemis im Kongo fiel insbesondere auf, dass auch hier von allen Seiten mit der besonderen Verantwortung Europas auf dem afrikanischen Kontinent für den Einsatz geworben wurde. Obwohl von keiner direkten deutschen Verantwortung gesprochen wurde, stand außer Frage, dass Deutschland einen Beitrag zu diesem europäischen Einsatz zu leisten bereit war. Auch in dem Punkt, dass für Deutschland eine Teilhabe an der Gestaltung des 21. Jahrhunderts nur durch die EU zu ermöglichen sei, waren sich die Parlamentarier einig. Ein unilaterales Handel war für niemanden im Bundestag denkbar und wurde strikt abgelehnt. Gleichsam wurde das teilweise unilaterale Handeln der USA bemängelt. Um diesem entgegen zu wirken, wurde die Stärkung des europäischen Pfeilers in der NATO empfohlen. 154 Genau dies ist ein weiterer, für die meisten Parlamentarier, wichtiger Grund zur Stärkung einer europäischen Sicherheit- und Verteidigungsidentität. Es gab dabei jedoch kaum eine analysierte Bundestagsdebatte, in der nicht sowohl von Regierungs- als auch von Oppositionsseite betont wurde, dass die ESVP immer auch eine Stärkung der Atlantischen Allianz bedeute. Eine Stärkung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist keine Konkurrenz zur NATO und auch kein Ersatz für sie. Es geht vielmehr darum, die Vision von John F Zitat Helmut Haussmann (FDP): Stenographischer Bericht 77. Sitzung. Plenarprotokoll 14/77. Berlin, Zitat Gerhard Schröder (Bundeskanzler, SPD): Stenographischer Bericht 16. Sitzung. Plenarprotokoll 15/16. Berlin, Vgl.: Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Stenographischer Bericht 77. Sitzung. Plenarprotokoll 14/77. Berlin,

55 Kennedy Wirklichkeit werden zu lassen, die Vision eines Bündnisses, das auf zwei starken Pfeilern ruht: einem nordamerikanischen und einem europäischen Pfeiler. Ein solider europäischer Pfeiler stärkt die transatlantische Partnerschaft. 155 Ebenso sah der Deutsche Bundestag seine eigene Sicherheit durch die beiden Säulen die EU und die NATO gewährleistet. Die Wahrnehmung der eigenen Rolle in der EU und in der ESVP hatte unter der rot-grünen Regierung an Selbstbewusstsein gewonnen. Die Parlamentarier sahen Deutschland als einen wichtigen Motor des Integrationsprozesses im Zuge der ESVP an. Dies galt insbesondere für die Regierungsvertreter im Bundestag. Doch auch die Oppositions- und ehemaligen Regierungsparteien, insbesondere die CDU/CSU, lobten ihre Leistungen der Vergangenheit ausgiebig. Dieses Selbstbewusstsein ist dabei nicht unbegründet; letztendlich hatten die deutschen Regierungen, wie in Kapitel 3 gezeigt wurde, einen erheblichen Beitrag zu der politischen Integration der EU geleistet. Betont wurde dabei jedoch auch, dass Deutschland aufgrund seiner Geschichte, den größten Nutzen aus der europäischen Integrationsgeschichte gezogen hat. Die politischen Akteure im Bundestag sahen Deutschland vor allem in der Verantwortung, sich der europäischen Einbindung nach wie vor zu verpflichten. Über die Ausgestaltung der deutschen Verpflichtung innerhalb der ESVP bestand in einem Punkt ein besonderer Dissens zwischen Regierung und Opposition. Die deutschen Verteidigungsausgaben waren ein wesentlicher Streitpunkt, der in sämtlichen analysierten Bundestagsdebatten insbesondere von Seiten der CDU/CSU aufgegriffen wurde. Nach Meinung dieser Fraktion, sollte Deutschland durch die Aufstockung des eigenen Verteidigungsetats seinen Beitrag zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit der EU im militärischen Rahmen leisten. Die rot-grüne Regierung sah ihren Schwerpunkt jedoch in der Investition in präventive Sicherheitspolitik. Die Ausrüstung und die Strukturen der Bundeswehr sollte zwar verbessert und an die neuen Herausforderungen angepasst werden, die Regierungsseite wollte dies jedoch alternativ und nicht additiv lösen. Begründet wurde dies mit dem Wegfall der Notwendigkeit traditioneller Landesverteidigung Zitat Hans Martin Bury (Staatsminister im Auswärtigen Amt, SPD): Stenographischer Bericht 16. Sitzung. Plenarprotokoll 15/16. Berlin, Vgl.: Ludger Volmer (Bündnis 90/Die Grünen): Stenographischer Bericht 16. Sitzung. Plenarprotokoll 15/16. Berlin,

56 Einvernehmen herrschte wiederum in der Frage nach einer europäischen Verteidigungsagentur. Die Schaffung einer solchen Institution, die unter anderem die Rüstungsplanung der Mitgliedstaaten koordinieren sollte, wurde von allen Fraktionen, mit Ausnahme der PDS, unterstützt. Von Seiten der CDU/CSU-Fraktion wurde sogar bemängelt, dass Europa zu wenig zum Ausdruck kommt, wenn 15 Armeen nebeneinander bestehen, die viel Geld kosten und denen es an Effizienz mangelt. 157 Eine gemeinsame Verteidigung würde benötigt. 158 Unter Anbetracht dieses widersprüchlichen Arguments erscheint die Forderung der CDU/CSU-Fraktion eher Oppositionspolitik als eine ernsthafte Forderung gewesen zu sein Institutionelle Vertiefung und Entscheidungsverfahren Die deutschen Bundestagsabgeordneten betonten parteiübergreifend und zu zahlreichen Anlässen ihre Bereitschaft, Souveränitäten an die EU abzugeben und den europäischen Institutionen mehr Befugnisse einzuräumen. Insbesondere im Rahmen der ESVP sahen sie hierzu keine Alternative. Übereinstimmend wurde von Seiten der Regierung und der Opposition argumentiert, dass auf eine Kompetenzerweiterung der EU Konsequenzen im nationalen Bereich folgen müssen. So wurde beispielsweise für einen europäischen Auswärtigen Dienst plädiert, der zum Beispiel auch die Konsequenzen aus dem Innen- und Rechtskapitel zieht, der Rechts- und Konsularangelegenheiten bewältigt und der für klassische Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik der Diplomatie zuständig ist. 160 Zudem wurde durch den Abgeordneten Rainder Steenblock festgestellt, dass zwischen Opposition und Regierung in dem Punkt, dass ein europäischer diplomatischer Dienst Konsequenzen für die nationalen diplomatischen Dienste haben müsse, durchaus Einigkeit herrsche. Ferner fuhr er fort: Zitat Peter Hintze (CDU/CSU): Stenographischer Bericht 108. Sitzung. Plenarprotokoll 14/108. Berlin, Vgl.: Ebd. Bekräftigen lässt sich dieses Argument durch den real gesunkenen Verteidigungsetat nach Regierungsübernahme der Koalition aus CDU/CSU und SPD im Jahre Zitat Werner Hoyer (FDP): Stenographischer Bericht 53. Sitzung. Plenarprotokoll 15/53. Berlin,

57 Wenn wir in den Bereichen der europäischen Sicherheitsstrategie und der europäischen Außenpolitik eine Priorität setzen wollen, dann müssen wir auch ehrlicherweise sagen, dass die nationalen Möglichkeiten beschränkt und begrenzt werden müssen und dass wir hier zu Einsparungen kommen müssen. 161 Diese Art der Bereitschaft zur Abgabe von Souveränität zeigt, dass dem deutschen Integrationswillen scheinbar kaum Grenzen gesetzt sind. Darüber hinaus waren sich die Parlamentarier einig, dass die ESVP im Speziellen und die GASP im Allgemeinen aus der Säulenstruktur der EU zu lösen sei und dass die Zusammenarbeit in diesen Bereichen, über eine intergouvernementale hinausreichen sollte. Das Einstimmigkeitsprinzip im Europäischen Rat sollte überwunden und Entscheidungen mit einer qualifizierten Mehrheit getroffen werden. Ausgeklammert wurden hierbei Fragen der Verteidigung. Der Einsatz von Soldaten sollte nach Auffassung des deutschen Parlaments von Mehrheitsentscheidungen ausgeschlossen bleiben. In diesem Punkt zeigte man sich jedoch prinzipiell bereit, Entscheidungen über den Einsatz von Soldaten dem Europäischen Parlament, dem generell ein Mitbestimmungsrecht in Sachen ESVP/GASP zuteil werden sollte, zu überlassen. Auch die Bereitschaft zur Abgabe von Souveränität zugunsten von Mehrheitsentscheidungen sowie die große Wertschätzung der parlamentarischen Demokratie stellen wichtige Identitätselemente dar Militärische und zivile Handlungsfähigkeiten In sämtlichen analysierten Bundestagsdebatten betonten die Abgeordneten aller Fraktionen den besonderen Aufbau der ESVP durch ihre Ausstattung mit zivilen und militärischen Instrumenten. Einzig die Abgeordneten der PDS lehnten eine militärische Komponente der ESVP ab und empfanden diese als Militarisierung der EU. Wie im Einzelnen unten aufgezeigt wird, lassen sich insbesondere in der Argumentation der Parlamentarier zu den zivilen und militärischen Handlungsfähigkeiten der EU Rückschlüsse auf die Stabilität der sicherheitspolitischen Identität ziehen. 161 Zitat Rainder Steenblock (Bündnis 90/Die Grünen): Stenographischer Bericht 53. Sitzung. Plenarprotokoll 15/53. Berlin,

58 Das umfassende Sicherheitskonzept der zivil-militärischen Zusammenarbeit bildete für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages das Fundament der ESVP. In ihm wurden die Stärke und die besondere Rolle der EU gesehen, auf Krisen in einem als angemessen betrachteten Rahmen reagieren zu können. An erster Stelle standen für die Parlamentarier dabei Mittel zur Prävention von Krisen. Eine Stärkung der Weltordnung und die Ausdehnung des eigenen Sicherheitsgürtels stellten hierbei nachhaltige Maßnahmen dar, die es galt auszubauen. Darüber hinaus wurde auf ein frühes Angehen konkreter Bedrohungen gesetzt. Sollten die zur Verfügung stehenden präventiven Mittel zur Krisenvermeidung wie die Diplomatie einmal scheitern, wurden, über alle Parteigrenzen hinweg, zivile Krisenreaktionskräfte 162 als das bevorzugte Mittel der Krisenintervention angesehen. Denn gerade die Einrichtung eines zivilen, also nicht militärischen Ausschusses für Krisenmanagement und Konfliktprävention zeigt, was die Stärke der Europäischen Union ausmacht. 163 Für die Schaffung eines solchen Ausschusses hatte sich die deutsche Regierung, wie in Kapitel 3.3 beschrieben, stark gemacht. Hierfür fand sie auch bei der Opposition im Bundestag großen Zuspruch. Demnach lässt sich feststellen, dass die deutschen Bundestagsabgeordneten weiterhin an der politischen Identität einer Zivilmacht, auch im Rahmen der EU, festhielten. An letzter Stelle stand für die Parlamentarier die militärische Krisenreaktion. Diese Möglichkeit wurde dabei wiederholt als Ultima Ratio bezeichnet, so auch im folgenden Zitat des damaligen Bundeskanzlers: Wir Europäer haben schlimme Erfahrungen mit Krieg und Gewalt gemacht. Diese Erfahrungen haben uns eben nicht zu idealistischen Pazifisten werden lassen, wohl aber zu Gesellschaften, die ganz genau wissen, und zwar geprägt durch diese Erfahrungen von Generation zu Generation, dass Krieg und Gewalt in aller Regel keine Konfliktlösung, sondern allenfalls Ultima Ratio in solchen Konflikten sein können. 164 Insbesondere sollten die militärischen Fähigkeiten der Absicherung ziviler Missionen dienen. Im Falle eines solchen militärischen Einsatzes stand zudem für die Abgeordneten fest, dass ein solcher nur unter dem Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen Wie beschrieben in Kapitel 3.3. Zitat Markus Meckel (SPD): Stenographischer Bericht 111. Sitzung. Plenarprotokoll 14/111. Berlin, Zitat Gerhard Schröder (Bundeskanzler, SPD): Stenographischer Bericht 16. Sitzung. Plenarprotokoll 15/16. Berlin,

59 zulässig sei. Beinahe überflüssig zu erwähnen bleibt, dass die militärischen Kräfte der ESVP ausschließlich, wie der Name schon sagt, der Reaktion dienen und von ihnen niemals ein Krieg ausgehen sollte. Das deutsche Nie wieder Krieg ist ein Leitsatz, der sich demnach auch auf die EU übertragen lässt. Dies macht auch die militärische Komponente der EU anschlussfähig an die politischen Ideen im nationalen Raum. Die beiden ersten Militäreinsätze der EU Concordia in Mazedonien und Artemis in der DRK dienten eben diesen Zielen. 165 Die große Zustimmung zu einer deutschen Beteiligung an beiden Einsätzen sowie die der Abstimmung vorhergehenden Debatten zeigten dies deutlich. Den Einsatz in Mazedonien lehnten nur die beiden im Bundestag vertretenen Abgeordneten der PDS ab. Für Artemis gab es neben den beiden gleichen Nein-Stimmen zudem 26 Abgeordnete der CDU/CSU-Fraktion und zwei der FDP, die dagegen stimmten. Außer Petra Pau von der PDS, die gegen den Einsatz aufgrund ihrer generellen Ablehnung einer Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik der EU 166 stimmte, wurde leider keiner der anderen Nein -Stimmer im Bundestag angehört. Demnach lässt sich an dieser Stelle leider nicht feststellen, welche Motive dahinter standen. Beide Einsätze wurden von den Abgeordneten die ihm zustimmten befürwortet, da sie als wichtiger Baustein der ESVP angesehen wurden und die Einsätze als solche, den erklärtem Ziel der Ausweitung des europäischen Stabilitätsraumes dienten. Außerdem wurde auch hier argumentiert, dass die EU-Mitglieder, und damit auch Deutschland, ihrer Verpflichtung nachkommen müssten. Da beide Einsätze auch der Absicherung zivilen Aufbaus dienten und dem Frieden in beiden Regionen verhelfen sollten, wurde sie von einem Großteil der Abgeordneten abgesegnet. Dabei wurde jedoch beispielsweise im Fall des Kongo betont, dass eine Lösung des Konflikts und eine dauerhafte Befriedung der Region nur durch politische Stabilisierung, wirtschaftliche Erholung und Demokratisierung zu erreichen 167 sei. Die Priorität lag auch hier auf der politischen Lösung des Konfliktes Vgl.: Kapitel 3.3. Zitat Petra Pau (PDS): Stenographischer Bericht 51. Sitzung. Plenarprotokoll 15/51. Berlin, Zitat Peter Struck (Bundesminister der Verteidigung, SPD): Stenographischer Bericht 51. Sitzung. Plenarprotokoll 15/51. Berlin, Ebd. 59

60 4.3.4 Die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen und bilaterale Beziehungen Die EU stellt ohne Frage den wichtigsten Handlungsrahmen für sämtliche Bereiche der deutschen Außenpolitik dar. Mit der Gründung der ESVP hat sich dies auch auf den Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik ausgeweitet. Aufgrund der neuen Herausforderung in der globalisierten Welt, ist es für die EU im Bereich des Krisenmanagements wichtig, mit anderen internationalen Organisationen zusammenzuarbeiten und sich mit diesen abzustimmen. Auch die Bundestagsabgeordneten betonten an verschiedenen Stellen die besondere Bedeutung von Kooperationen der EU vor allem mit der NATO, den VN und der OSZE. Einem effektiven Multilateralismus wurde eine bedeutende Rolle zugeschrieben, da nur er auf der Erde langfristig Frieden und Sicherheit bewahren könne. 169 Wie bereits an anderer Stelle beschrieben, sollte die ESVP unter anderem der Stärkung des europäischen Pfeilers innerhalb der NATO dienen. Die Parlamentarier legten fortwährend großen Wert darauf, dies zu betonen. Durch eine Verbesserung der europäischen Fähigkeiten, sollten vor allem die Lasten innerhalb der NATO besser verteilt werden. Die NATO sollte dabei das Fundament der kollektiven Verteidigung bleiben und nach wie vor einen der zentralen Eckpfeiler der Stabilität im 21. Jahrhundert darstellen. 170 Durch die Stärkung der europäischen Dimension in der NATO wurde sich von den Parlamentariern aber auch versprochen, dass die Multilateralität innerhalb der NATO eine wichtigere Rolle spielen würde. Die vorrangige Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit in der Welt sahen die Abgeordneten bei den Vereinten Nationen. Ihre Sicherheitspolitik stellten sie unter das Dach dieser. Im Parlament herrschte Einigkeit darüber, dass Militäreinsätze nur unter einem UN-Mandat stattfinden und im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehen sollten. Auch die Unterstützung des Einsatzes im Kongo, der auf Ersuchen des Sicherheitsrates der VN beraten wurde, zeigte, dass den Bundestagsabgeordneten daran gelegen war, einen Beitrag zu einer multinationalen Eingrifftruppe zu leisten. Die Vgl.: Rainder Steenblock (Bündnis 90/Die Grünen): Stenographischer Bericht 53. Sitzung. Plenarprotokoll 15/53. Berlin, Vgl.: Joseph Fischer (Bundesminister des Auswärtigen, Bündnis 90/Die Grünen): Stenographischer Bericht 82. Sitzung. Plenarprotokoll 15/82. Berlin,

61 Zusammenarbeit der EU mit den VN, wie auch mit der OSZE, sollte verstärkt werden, da sie als außerordentlich bedeutungsvoll für die internationale Sicherheit angesehen wurden. Im Bundestag herrschte im gesamten untersuchten Zeitraum die Meinung vor, dass die Beziehungen zu Frankreich von besonderer Bedeutung für Deutschland seien. Die Regierung, die ihrerseits diese besondere Freundschaft betonte, wurde auch von Seiten der Opposition dazu aufgefordert, diese stets zu pflegen. Keine der großen europäischen Aufgaben sei je gelöst worden, wenn Deutschland und Frankreich sich nicht einig waren. 171 Von daher würden auch die Partner in Europa erwarten, dass die deutsch-französische Zusammenarbeit im Interesse Europas funktioniert. Das ist eine Erwartung, die wir nicht enttäuschen dürfen und für die wir immer wieder Interessengegensätze [ ] überwinden müssen und [ ] auch überwinden können. 172 Somit sind die bilateralen Beziehungen mit Frankreich im Bewusstsein der Parlamentarier von großer Bedeutung für eine funktionierende EU, für einen effektiven Multilateralismus und machen infolgedessen einen wichtigen Teil dieses aus. Zusammenfassend lassen sich für die sicherheitspolitische Identität Deutschlands die folgenden Elemente festhalten: Übernahme von Verantwortung im europäischen und internationalen Umfeld Europäisierte Sicherheits- und Verteidigungsidentität Militärische Mittel als Ultima Ratio: Zivilmacht Bevorzugung präventiver Maßnahmen und ziviler Mittel zur Intervention Wahrnehmung der besonderen Rolle Deutschlands Multilateralität und transatlantische Bindung Vgl.: Ernst Burgbacher (FDP): Stenographischer Bericht 77. Sitzung. Plenarprotokoll 14/77. Berlin, Zitat Gerhard Schröder (Bundeskanzler, SPD): Stenographischer Bericht 16. Sitzung. Plenarprotokoll 15/16. Berlin,

62 5 Konklusion Wie in dieser Arbeit gezeigt wurde, zeichnet sich die deutsche Sicherheitspolitik in Europa über die Jahrtausendwende hinaus durch ein hohes Maß an Kontinuität aus. Im ersten Teil der Analyse (Deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Europa Kontinuität in Zeiten des Wandels?) wurde festgestellt, dass die BRD bereits kurz nach ihrer Gründung an einer Zusammenarbeit mit ihren westlichen Partnern im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik interessiert war. Darüber hinaus unterstütze sie bereits zu jener Zeit die Gründung einer gemeinsamen Verteidigungsgemeinschaft. Die Zeit war hierfür damals noch nicht reif. Doch 50 Jahre Europäische Integration und die kontinuierlichen Bemühungen der Deutschen um eine vertiefte politische Zusammenarbeit in Europa, ebneten letztendlich den Weg hierzu. In der Frage nach Kontinuität und/oder Wandel in der deutschen Sicherheitspolitik im 20. Jahrhundert, ließ sich eine grundlegende Kontinuität feststellen. Dabei bemühten sich die politischen Eliten, insbesondere in den 1990er Jahren, ihre Sicherheitspolitik an die Erwartungen ihrer Partner sowie an die neuen Herausforderungen, welche sich aus der neuen Weltordnung jenseits des Ost-West- Konfliktes ergeben hatten, anzupassen. Hiermit ließen sich auch die ersten Militäreinsätze Deutschlands außerhalb des transatlantischen Bündnisgebietes erklären. Doch selbst nach dem Urteil des BVerfG, welches die Verfassungskonformität solcher Einsätze bestätigte, legten die deutschen Entscheidungsträger ihren Schwerpunkt auf politische Lösungen zur Krisenintervention. Die Krisenintervention sollte dabei jedoch durch eine Politik der Prävention möglichst erst gar nicht notwendig werden. Diese Politik der Krisenprävention stellt eine Herausforderung dar, die von keinem Nationalstaat, auch nicht von einem durch die Wiedervereinigung erstarkten Deutschland alleine bewältigt werden konnte. Da in diesem Punkt jedoch ein eindeutiger Schwerpunkt der deutschen Politik lag, galt es eine solche Kraft zu formen. Eine logische Konsequenz für die europäisierte, multilateral ausgerichtete deutsche Politik war es demnach, dies im Rahmen der EU zu tun. Deutschland hatte im Laufe der Europäischen Integration bereits in anderen Politikbereichen positive Erfahrungen mit der EU gesammelt. Außerdem war durch sie der erhoffte Frieden in Europa, zumindest in den Ländern der EG/EU, herbeigeführt worden. Diese Erfahrungen wirkten sich auf die Identifikation Deutschlands mit der EU aus und stärkten ihre europäische Identität maßgeblich. Als die Notwendigkeit zu einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitspolitik von den deutschen 62

63 Eliten erkannt wurde, war der präferierte Rahmen aufgrund dessen die EU. Die NATO als zweite sicherheitspolitische Säule Deutschlands sollte hierdurch weiter gestärkt werden. Die Gestalt der ESVP wurde maßgeblich von deutschen Vorstellungen geprägt. Das Gleichgewicht von zivilen und militärischen Mitteln zur Krisenintervention war insbesondere von der deutschen Politik gewollt. Dieser gelang es erfolgreich für ihre Vorstellungen bei den europäischen Partnern zu werben und somit die EU weltweit zu der einzigen Organisation zu machen, die über beide Fähigkeiten verfügt. Aus deutscher Sicht, die sich, wie anhand der Untersuchung der ESS gezeigt wurde, wesentlich auf die gesamte Union übertrug, sollten militärische Mittel mit zivilen vernetzt werden. Durch diesen vernetzten Ansatz sollten, wie sich insbesondere in der qualitativen Inhaltsanalyse von Bundestagsdebatten zeigte, militärische Mittel lediglich der Absicherung ziviler Missionen dienen und nur als Ultima Ratio eingesetzt werden. Es zeigte sich somit, dass das Identitätselement der Zivilmacht in der deutschen sicherheitspolitischen Identität tief verankert ist. Durch die Gestalt die die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU annahm, blieb die deutsche Idee der Zivilmacht an diese anschlussfähig. Auch die von den deutschen Politikern geforderten Mehrheitsentscheidungen im Europäischen Rat, zeugen von einer großen Bereitschaft zur Aufgabe eigener Souveränitätsrechte. Eine solche institutionelle Vertiefung setzt voraus, dass die Identifikation mit der EU besonders groß ist. Dies bestätigte sich im Fall der BRD auch hier. Für die Erhebung sicherheitspolitischer Identitätselemente wurde die qualitative Inhaltsanalyse als das geeignete Analyseinstrument befunden. Dies bestätigte sich spätestens bei der Auswertung der Analyse-Ergebnisse. Durch das induktive Vorgehen war es möglich, latente Bedeutungszusammenhänge aufzufinden. So zeigte sich, dass sich die Bundestagsabgeordneten nicht nur ihrer besonderen Aufgabe, sondern auch ihrer besonderen Rolle bewusst waren. Dieses neue deutsche Selbstbewusstsein wurde vor Durchführung der Analyse so nicht erwartet. Begründen lässt sich dies zum einen mit der erfolgreichen Durchsetzung eigener Ziele bei den europäischen Partnern und zum anderen mit der ins Bewusstsein der Parlamentarier gekommenen deutschen Rolle, in der aus ihrer Sicht gelungenen Gestalt der ESVP. In diesem Punkt zeigt sich darüber hinaus die gegenseitige Konstituierung des Akteurs Deutschland und der Struktur EU, von welcher der Konstruktivismus ausgeht. Einerseits hat die EU die Identität Deutschlands tiefgehend 63

64 geprägt und sogar europäisiert, andererseits hatte die deutsche Identität Zivilmacht einen starken Einfluss auf die Ausgestaltung der ESVP. Die deutsche Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Rahmen der EU, lässt sich, wie vorher gezeigt, durch den Konstruktivismus als Theorie (-ansatz) und die qualitative Inhaltsanalyse als Methode erklären. Die sicherheitspolitischen Identitäten Deutschlands erwiesen sich als äußerst anpassungsfähig an die ESVP, welche natürlich im Vorhinein maßgeblich von Deutschland mitgestaltet wurde. Die grundlegende Orientierung der deutschen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ließ sich somit in der vorliegenden Arbeit aufzeigen. Eine konstruktivistische Einschätzung zur zukünftigen Entwicklung der deutschen Politiken in diesem Bereich lautet: Deutschland wird bis auf weiteres an seiner Linien festhalten und wohlmöglich, falls ein solcher Schritt als angemessen betrachtet und als notwendig befunden wird, die europäische Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitspolitik weiter vertiefen. Die deutsche sicherheitspolitische Identität, mit der sich das Verhalten Deutschlands erklären ließ, wird sich aufgrund der gezeigten Stabilität nicht leichtfertig verändern. Somit ist auch in Zukunft kein Wandel der deutschen Präferenz zur Vergemeinschaftung von Sicherheitsund Verteidigungspolitik im Rahmen der Europäischen Union zu erwarten. 64

65 6 Anhang Abbildung 3: Überblick der Missionen und Operationen der EU. Quelle: /showpage.aspx?id=268 65

66 Abbildung 4: MaxQDA- utzeroberfläche 66

67 Tabelle 3: Beispieltabelle, Zusammenfassung für Code Sicherheitspolitische Interessen der Plenarprotokolle: 14/41, 14/77, 14/79. 67

68 Fortsetzung Tabelle 3: Beispieltabelle, Zusammenfassung für Code Sicherheitspolitische Interessen der Plenarprotokolle: 14/41, 14/77, 14/79. 68

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