OBST- UND KULTURWEG RATZINGER HÖHE
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- Alfred Fuhrmann
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1 OBST- UND KULTURWEG RATZINGER HÖHE Stein Josef, Gartenfachberater am Landratsamt Rosenheim Führung zum Abschluß der Streuobsttagung begannen die beiden Obst- und Gartenbauvereine von Prien/Umgebung und von Hirnsberg-Pietzing den Weg anzulegen, das heißt die Wege waren vorhanden, aber die Gartenbauvereine pflanzten Obstbäume in möglichst vielen verschiedenen Sorten entlang dieser landschaftlich außergewöhnlich schön gelegenen Route. Der Obstweg hat auch einen geschichtlichen Hintergrund: An der Ratzinger Höhe wird seit Jahrhunderten erfolgreich Obstbau betrieben. Einige Obstbaumveteranen sind Zeugen dieser früheren Obstkultur. Blick auf Hirnsberg und im Hintergrund den Simssee Obst am Obst- und Kulturweg Das Prinzip war und ist, daß die Obstbäume mit allen Rechten Eigentum der Grundstücksbesitzer bleiben beziehungsweise bei Neupflanzungen werden. Mit den Besitzern ist mündlich vereinbart, daß von den Gartenbauvereinen Obst für Ausstellungen und für Sortenuntersuchungen entnommen werden darf. Es kann auch nicht verhindert werden, daß Spaziergänger und Besucher des Obstweges die ein oder andere Frucht als Kostprobe aufheben oder pflücken. Erlaubt ist auch das Entnehmen von Edelreisern im kleinen Umfang. Probleme mit dieser Fremdnutzung gibt es kaum, vor allem die Schneider von Edelreisern wissen, was ohnehin beim nächsten Winterschnitt entfernt werden muß. Trotzdem gehört es zum Guten Ton vorher mit dem Besitzer zu reden. Entlang des Weges wurden bisher ca. 300 verschiedene Obstsorten gepflanzt - zum Kennenlernen der Frucht, - Vergleich von Robustheit und Standortansprüchen, - Erhalt der vielen, fast vergessenen Obstsorten, - zum Schneiden von Edelreisern.
2 Finanzierung Finanziert wurden die Neupflanzungen und Beschilderungen anfangs über das Kulturlandschaftsprogramm, später über die Anliegergemeinden Prien, Rimsting und Bad Endorf und durch Leader +. Die planerische und organisatorische Arbeit wird großteils vom Fachberater für Gartenkultur und Landespflege am Landratsamt Rosenheim gemacht. Kultur am Obst- und Kulturweg Kulturdenkmale am Weg geben Zeugnis vom Glauben und Brauchtum in der Bevölkerung. Am Weg stehen: 2 Kirchen - Greimharting und St. Salvator 7 Kapellen 20 Feldkreuze, Marterl und Bildstöckl Alle Kulturdenkmale haben ihre Geschichte. Sie wurden im Flugblatt des Obst- und Kulturweges von Kreisheimatpfleger Karl Ass eindrucksvoll und fachlich kompetent beschrieben. Der Spaziergang am Obst- und Kulturweg wird durch diese Zeugen der lokalen Geschichte endgültig zum Erlebnis. Streckenbeschreibung: südliche Schleife: 9 km - 2 1/2 Std Höhenmeter nördliche Schleife: 8 km - 2 1/2 Std Höhenmeter Höhenangaben: Prien: 540 m NN Ratzinger Höhe: 695 m NN Letten: 480 m NN O kw O kw
3 300 Obstsorten am Obst- und Kulturweg Seit 1993 haben die Gartenbauvereine von Prien und Hirnsberg-Pietzing am Obst- und Kulturweg etwa 400 Obstbäume gepflanzt; anfangs weitgehend ohne System alle Sorten, die in den Baumschulen angeboten waren. Die Erfahrung zeigt aber, dass viele Sorten den Standortgegebenheiten nicht gewachsen sind und ausgetauscht werden mußten. Zwischenzeitlich haben wir den Schwerpunkt auf wirklich seltene, in den Baumschulen nicht erhältliche Sorten verlegt. Dazu pflanzen wir Stammbildner, die anschließend mit Reisern aus verlässlicher Quelle veredelt werden. Wichtige Partner sind uns dabei die Gesellschaft für Pomologie und Obstsortenerhaltung Bayern, der Obstlehrgarten in Triesdorf, das Obstbaukompetenzzentrum in Bavendorf und der Pomologenverein. Stammbildner und Unterlagen für Obstbäume: Apfel: Maunzen (geringe Krankheitsanfälligkeit, induziert leicht gebremsten Wuchs, gute Fruchtbarkeit) Birne: Gellerts Butterbirne (hohe Veredelungsverträglichkeit mit anderen Sorten) Kirsche: Vogelkirsche F 12 (die übliche Sämlingsunterlage) Zwetschge: St.Julien (übliche Sämlingsunterlage, neigt weniger zu Wurzelschossern) Augenschnitt T-Schnitt und Einsetzen des Auge Zeitlich bedeutet das Veredeln keine Verzögerung, da pro Jungbaum 4 Veredelungsköpfe (Kopulation mit Gegenzunge) auf bleistiftstarke Leittriebe gesetzt werden. Andere Veredelungsarten wie "Geißfuß" oder "hinter die Rinde" sind bei dünnen Unterlagen schwierig. Gute Ergebnisse sind auch bei Okulation im August an die Leittriebe möglich. Das okulieren ist schneller und benötigt weder Bast noch Wachs. Allerdings ist beim Schnitt in den folgenden Jahren Vorsicht angebracht, dass man die richtigen Triebe fördert bzw. wegschneidet. Obstsortenblätter "Deutschlands Obstsorten" der königlichen Stuttgart Hofkunstanstalt In Ulperting am Obst- und Kulturweg gab es vor Jahrzehnten einen Pelzgarten (Baumschule). Der Ringer hat die Gegend um die Ratzinger Höhe mit Obstbäumen versorgt. Einige Obstbaumveteranen aus seiner Hand existieren heute noch: Äpfel: Schöner v. Bath, Geflammter Kardinal, Damasonrenette, Dr. Nathusius Taubenapfel, Coulons Renette, Kalifornischer Königsapfel. Es kann angenommen werden, dass er diese Sorten auf Empfehlung der um die Jahrhundertwende heraus-gebrachten Obstsortenblätter "Deutschlands Obstsorten" weiterveredelt hat. Die beiden Gartenbauvereine haben sich nun zum Ziel gesetzt, möglichst viele dieser Sorten am Obstweg wieder aufzuveredeln. In der Sortenliste dieses Heftes sind sie mit
4 "DO" gekennzeichnet. Reiserquelle ist überwiegend die Sortensammlung der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Triesdorf und das Obst-Kompetenzzentrum Bavendorf. Insgesamt wurden in "Deutschlands Obstsorten" 108 Apfel-, 72 Birnen-, 36 Kirsch-, 9 Zwetschgen-, 12 Beeren- sowie 9 Aprikosen- und Pfirsichsorten beschrieben und abgebildet. Sortenechtheit am Obst- und Kulturweg Von Anfang an war und ist die Sortenechtheit trotz der oben geschilderten Eigenveredelung auch am Obst- und Kulturweg ein Problem, auch dabei schleichen sich immer wieder Fehler ein. Die Sortenechtheit wurde 2012 von der Gesellschaft für Obstsortenerhaltung Bayern am gesamten Obstweg untersucht. Einige Schilder mußten ausgetauscht werden. Die Südtiroler Obst-Versuchsanstalt in Laimburg entnahm 2011/12 Blattproben vom Obstund Kulturweg zur Feststellung des genetischen Fingerabdruckes alter Apfelsorten. Bei 95 % der Proben konnte so das Genom der jeweiligen Sorte bestätigt werden. Lediglich bei den sogenannten Lederäpfeln wurde eine Verwechslung zwischen Damasonrenette und Parkers Pepping festgestellt. Seit 2013 ist der Obst- und Kulturweg Teil des Sortenerhaltungsnetzwerkes das der Pomologenverein ins Leben gerufen hat. Die beiden Gartenbauvereine haben sich verpflichtet, jährlich eine bestimmte Menge von Früchten der Bäume am Obstweg an den Pomologenverein zu schicken. Dort werden sie überprüft, bestätigt oder korrigiert. Wir denken, daß wir so einen relativ guten Stand an Sortenechtheit erreichen können. Es bleibt immer noch eine Menge Arbeit, auch die Beschilderung auf gutem Stand zu halten. Förderung der landschaftsprägenden landwirtschaftlichen Streuobstwiesen Streuobst wird über verschiedene staatliche Programme geförderet. Es war aber schon von Anfang an das Ziel des Obst- und Kulturweges die eigene Wirtschaftlichkeit des Streuobstes zu verbessern. Am Obst- und Kulturweg bestehen dazu gute Voraussetzungen. Obstbrennereien: An der Ratzinger Höhe befinden sich fünf traditionelle Obstbrennereien mit je einem Brennrecht für 300 Liter Alkohol pro Jahr. Zum Teil wurden die Brennereien in den vergangenen Jahren modernisiert. Die Brenner beteiligen sich an Schulungen und Prämierungen um beste inhaltliche und sensorische Qualität anbieten zu können. Saft aus heimischen Streuobstanlagen: Klima, Boden, Sortenvielfalt und die ausgewogene Ernährung der Streuobstbäume sind die Garanten für die besonders hohe Qualität des Saftes. Gepresst wird das Obst von der Obstverwertung Rohrdorf ORO und von verschiedenen kleineren Keltereien wie zum Beispiel der Fa. Rappel in Dirnsberg am Obstweg. Obstmost ist der vergorene Saft mit gut 6 % Alkohol Die Obst- und Gartenbauvereine am Obstweg pflegen seit Jahrzehnten eine lockere Partnerschaft mit Obstbauern und der Landwirtschaftlichen Fachschule Giessiebl im Niederösterreichischen Mostviertel. Produkt dieser Partnerschaft ist die Mostprämierung, die alle 2 Jahre ausgetragen wird und dazu beigetragen hat, die Mostqualität deutlich anzuheben wurde gemeinsam mit Mostviertler Bauern bei Greimharting ein Birnbaumzeiler mit typischen Mostviertler Birnensorten gepflanzt und veredelt. Erste Erträge sind leider erst ab 2020 zu erwarten.
5 Der 2010 von Mostbauern aus dem niederösterreichischen Mostviertel angelegte Mostbirnzeiler entlang des Kirchenwegerl von Krinning nach Greimharting Heimisches Wildobst erfreut sich steigender Beliebtheit Die beiden Gartenbauvereine haben ab 2010 begonnen am Obst- und Kulturweg Wildobst und die großfrüchtigen Auslesen der einzelnen Arten zu pflanzen. Der Erfolg ist sehr überzeugend. Die Arbeit für Pflege und Ernte läßt sich damit deutlich erleichtern. Bisher sind es versuchsweise nur einzelne Sträucher. Wir hoffen aber, daß auch diese Obstarten ihre wirtschaftliche Verwendung finden werden. Auch wenn es Obst aus beinahe der ganzen Welt täglich frisch auf unserem Tisch gibt, so ist der Anbau von heimischem Wildobst eine lohnende und erlebnisreiche Kultur im Hausgarten und im landwirtschaftlichen Nebenerwerb. Gibt es doch die unterschiedlichsten Wildfrüchte mit Inhaltsstoffen, die unsere Gesundheit fördern, gut schmecken, hervorragend zu verarbeiten sind und unserem Essen einen exotischen Schein verleihen. Leider ging viel Wissen über diese Früchte und Verwendungsmöglichkeit verloren. Medizinischen Berichten ist zu entnehmen, dass die Vielfalt der Pflanzlichen Inhaltsstoffe wie Vitamine, Farb-, Aroma- und Mineralstoffe entscheidend für die menschliche Gesundheit sind. Wildobst mit seiner artenreichen Zusammensetzung gilt als besonders wertvoll. Die ökologische Bedeutung des Wildobstes ist außergewöhnlich hoch. Folgende Beispiele sollen das erklären: Die Kornelkirsche blüht bereits im Februar/März. Für Bienen und Insekten ist sie neben Weiden und Hasel die einzige Pollennahrung. Die dichten und dornigen Schlehen- und Sanddornbüsche bieten unseren Singvögeln und Kleinsäugern Unterschlupf und Sicherheit vor Raubvögel. Spät fruchtende Arten wie Wildrose, Eberesche und Germanische Mispel bieten Nahrung bis weit in den Winter hinein. Mit Ausnahme der Rosazeen (Wildrose, Wildapfel, Schlehe) gehören die Wildobstarten anderen Pflanzenfamilien an. Sie sind damit weniger krankheitsanfällig.
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