Operationsverstärker II: Analogrechenschaltungen. 1 Einleitung. 2 Theoretische Grundlagen. 2.1 Gegenkopplung, Phasendrehung, Stabilität, Genauigkeit
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1 Dr.-Ing. G. Strassacker STRASSACKER lautsprechershop.de Operationsverstärker II: Analogrechenschaltungen 1 Einleitung Mit Digitalrechnern hat man heute die Möglichkeit, Rechenoperationen mit hoher Genauigkeit durchzuführen. Die dazu notwendigen Eingangsgrößen müssen in digitalisierter Form vorliegen. Viele Sensoren erfassen aber naturwissenschaftliche Größen in analoger Form. Analoge Meßwerte müssen daher zunächst in Analog-Digital-Umsetzern in die Digitalform gebracht werden. Dieser Aufwand lohnt sich nur dann, wenn die Genauigkeitsanforderungen so hoch sind, daß sie mit Analogrechenschaltungen nicht erfüllt werden können oder wenn digitale Weiterverarbeitung erforderlich ist. Die Grenze für die Genauigkeit von Analogrechenschaltungen liegt in der Größenordnung von 0,1%. Daher sind bei geringeren Genauigkeitsforderungen Analogrechenschaltungen zur Verarbeitung von kontinuierlich vorliegenden Signalen nicht nur heute, sondern auch in Zukunft stets preiswert und daher häufig unverzichtbar. In diesem Versuch werden die wichtigsten Analogrechenschaltungen besprochen. Dabei soll besonders das jeweilige Prinzip verdeutlicht werden. Nähere Einzelheiten entnehme man z.b. dem Buch: Tietze-Schenk, Halbleiter-Schaltungstechnik. 2 Theoretische Grundlagen 2.1 Gegenkopplung, Phasendrehung, Stabilität, Genauigkeit Wir betrachten den einfachen Regelkreis eines Spannungsverstärkers, der zunächst noch kein Operations-(Differenz-)Verstärker sein muß. Für den Verstärker selbst gilt: v(ω) = û ex /û st, für die Gesamtanordnung mit wirksamer Rückkopplung jedoch ist: v r (ω) = û ex /. Bild 1: Rückgekoppelter Verstärker Die Rückkopplung muß als Gegenkopplung wirken, d.h. die rückgeführte Größe kû ex muß der Eingangsgröße entgegenwirken und diese - bei starker Gegenkopplung - sogar weitgehend kompensieren. Exakt gilt: û st = k û ex 1
2 v(ω) = û ex /û st und die Verstärkung bei wirksamer Gegenkopplung: v r (ω) = ûex = û ex û st + k(ω) û ex Zweckmäßig dividiert man Zähler und Nenner durch û st und erhält: v r (ω) = û ex /û st 1 + k(ω)û ex /û st = v(ω) 1 + k(ω) v(ω) Speziell für Differenzverstärker, wozu auch der Operationsverstärker gehört, gilt mit û st = û D, der Differenzspannung am OP-Eingang und v(ω) = v D (ω), dem Differenzverstärkungsfaktor (siehe Bild 2) bei Leerlauf: v r (ω) = v D (ω) 1 + k(ω) v D (ω) û ex (ω) = (û P û N ) }{{} v D(ω) = û D v D (ω) Bild 2: Nichtgegengekoppelter OP Die Größe k v D im Nenner von v r (ω) ist die Schleifenverstärkung g(ω) des rückgekoppelten Verstärkers. Sie wird an Hand von Abbildung 1 deutlich: Trennt man die Rückkopplungsschleife bei A auf, speist in den Rückkoppler ein und mißt û ex, wobei am Eingang gleich null sei, dann erkennt man, daß die Verstärkung in der Schleife herum gleich g(ω) = k(ω) v D (ω) ist. Falls diese Schleifenverstärkung g = k v D viel größer eins ist, gilt in guter Näherung: v r (ω) 1 k(ω) Ist jedoch bei höheren Frequenzen (siehe Abbildung 3) k v D 1, dann gilt: v r (ω) v D (ω). Bei starker Gegenkopplung : k v D 1 gilt auch: v D v r v D 1 k = k(ω) v D (ω). Bereits bekannt ist uns die Schleifenverstärkung g: g(ω) = k(ω) v D (ω) 2
3 Bild 3: Amplituden- und Phasengang von v D (ω) an einem OP Daraus folgt (siehe auch Bild 3), daß das Verhältnis v D zu v r oder im logarithmischen Maßstab, z.b. in Dezibel, die Differenz v D /db v r /db gleich der Schleifenverstärkung g ist. Sie ist in Bild 3 eingetragen. Die Knickstellen von v D bei f 1, f 2 und f 3 im Bild 3 sind je durch einen Tiefpaß im OP verursacht. Jeder Tiefpaß bringt eine zusätzliche Phasendrehung von maximal 90. An der ersten Knickstelle, also bei f 1, beträgt die Phasendrehung 45. Je stärker man gegenkoppelt, d.h. je größer k û ex ist, desto kleiner wird v r gegenüber v D, aber desto mehr ist u ex (t) phasengedreht gegenüber niederen Frequenzen: Siehe die untere Kurve von Bild 3. Dort wo die Phasendrehung ϕ von v D (f) gleich 180 ist, besteht zwischen der rückgekoppelten Spannung k u ex (t) und der Eingangsspannung u in (t) keine Phasendifferenz ϕ mehr. Denn wir hatten vorausgesetzt, daß bei niederen Frequenzen bereits 180 Phasendifferenz zwischen u in (t) und u ex (t) vorhanden sei. Stabilitätskriterium: Falls der Betrag der Schleifenverstärkung g = k v D (ω) dort, wo v D den Wert ϕ = 180 erreicht, größer eins ist, wird der rückgekoppelte Verstärker instabil. Die Gegenkopplung hat in Mitkopplung umgeschlagen. Daher darf ein OP nur so stark gegengekoppelt werden, daß im Phasengang noch eine Art Respektabstand: eine Phasenreserve α gegenüber ϕ = 180 übrigbleibt. Soll diese Phasenreserve z.b. α = 65 betragen, dann darf ϕ = 115 von v D (f) nicht überschritten werden. Siehe Bild 3. In diesem Beispiel ist der Bereich möglicher Werte von v r : 10 4 < v r Die Genauigkeit von v r ist umso größer (exakter: die Ungenauigkeit ist umso kleiner) je kleiner v r gegenüber v D ist, je größer also die Schleifenverstärkung g ist. Ist z.b. v r = 10 4 und g = 10, so ist v r mit einer Ungenauigkeit von ± 10% behaftet. Wäre v r = 100 und g = 10 3, was nach Bild 3 aus Stabilitätsgründen nicht zulässig ist, dann wäre die Unsicherheit von v r nur ± 0, 1%. Die Unsicherheit von v r ist demnach ±1/g. Oberhalb von f 1 nehmen v D (f) und damit auch g(f) ab. v r (f) bleibt aber in etwa noch konstant, so daß die Genauigkeit kleiner bzw. die Unsicherheit von v r größer wird. 3
4 2.2 Analoger Umkehrintegrator Bild 4: Umkehrintegrator S sei wie im Versuch Operationsverstärker I (siehe dort) virtuelles Nullpotential und es sei i D vernachlässigbar klein gegenüber i in i c. Dann kann man anschreiben: u ex (t) u c (t) = 1 C i c (t) dt mit i c (t) i in (t) = u in (t)/r so daß in guter Näherung u ex (t) = 1 RC u in (t) dt + K Hat man u in (t) bei t = 0 eingeschaltet, so ist K die bei t = 0 am Ausgang der Schaltung schon vorhandene Ausgangsspannung u ex0 = Q 0 /C. Ist u in eine Gleichspannung, so erhält man u ex (t) = u in RC t + u ex0, eine mit der Zeit t linear ansteigende Spannung. Auf diese Weise kann ein Integrator aus einer periodischen Rechteckspannung sehr gut eine Dreieckspannung erzeugen. Aus einer Sinusschwingung entsteht eine negative Cosinus- und aus einer Cosinus- eine Sinusschwingung. Für die Frequenzabhängigkeit harmonischer Schwingungen gilt bei Berücksichtigung des virtuellen Nullpunkts von S in Bild 4: î in = î c oder ûex R = 1/jωC also v r = ûex = 1 jωrc Setzt man RC = 1/ω g mit ω g als Grenzkreisfrequenz, so wird das reelle (und stets positiv definierte) Amplitudenverhältnis: û ex = ω g ω. Demnach ist bei ω = ω g = 1/RC die Spannung û ex = und v r = 1/k trifft auf die Frequenzachse, siehe Bild 5. 4
5 Offenbar nehmen dort, wo der Umkehrintegrator integrierend wirkt, die Amplituden von u ex (t) mit 6 db/oktave oder 20 db/dekade ab. Siehe hierzu Bild 5. Den Rückkopplungsfaktor k erhält man durch Kurzschließen der Eingangsklemmen von Bild 4 zu: k = ûr = jωrc 1 + jωrc û ex ûin =0 Die Integration der Eingangsspannung findet bei Frequenzen statt, für die gilt: ωrc 1 und daher v r = 1 k 1 jωrc = 1 ωrc Alle diese Aussagen gelten für den idealen Operationsverstärker mit unendlich hohem Verstärkungsfaktor, der sich in i D = 0, siehe Bild 4, auswirkt! Für sehr hohe Frequenzen geht k 1. (Man beachte, daß bei passiven Integrationsschaltungen, die nur aus R und C bestehen, die Integrationszeit, z.b. die halbe Periodendauer T/2 << R C sein muß!) Bild 5: Frequenzgang der Schleifenverstärkung g für RC = 100µs Bild 5 zeigt, daß die Schleifenverstärkung g bei hohen und niederen Frequenzen geringer und schließlich null wird. Zwischen 10 Hz und etwa 1500 Hz gilt für dieses Beispiel: g 600; daher ist die Rechenungenauigkeit nur in diesem Frequenzbereich 1/g ±0, 2%, darüber und darunter jedoch zunehmend größer. Bei realen Operationsverstärkern mit bipolaren Eingangstransistoren tritt durch deren Basisruhestrom I B und durch die Offsetspannung U of ein Fehlstrom im Kondensator C auf: U of /R + I B. Die Offsetspannung ist nicht vermeidbar, wohl aber I B, indem man bei langen Integrationszeiten einen OP mit Fet-Eingang oder bei bipolarem Eingang die Schaltung nach Bild 6 verwendet. 5
6 Bild 6: Umkehrintegrator mit Ruhestromkompensation und Kurzschluß von Rauschspannungen am P-Eingang durch den Kondensator C 1 Da Elektrolytkondensatoren Leckströme im Bereich von µa aufweisen, sind sie als Integrationskondensatoren nicht verwendbar. Man benutzt statt dessen Folienkondensatoren, die aber ab 10µF räumlich unhandlich werden. 2.3 Addierer Schaltet man einen OP als Umkehrverstärker, so kann man ihn als Umkehraddierer verwenden. Bild 7 zeigt die Schaltung. Es ist die Ausgangsspannung: U ex = R N R 1 U 1 + R N R 2 U 2 + RN R n U n herleitbar mit der Annahme, S sei ein virtuelles Nullpotential. Bild 7: Umkehraddiererschaltung 2.4 Subtrahierer Ausgangsspannung: U ex = α (U 2 U 1 ) für α P = α N = α. Eine sorgfältige Abstimmung ist für hohe Gleichtaktunterdrückung (siehe Versuch Operationsverstärker I) erforderlich. Bild 8: Subtrahierschaltung Soll die Gleichtaktunterdrückung besonders hoch sein, so kann man im Betriebszustand den Widerstand R P leicht variieren und damit die Gleichtaktunterdrückung optimieren. 6
7 Verwendet man mehrere Widerstände R P /α P und mehrere Widerstände R N /α N, so kann man damit in einer Schaltung mehrere Spannungen addieren und davon gleichzeitig mehrere Spannungen subtrahieren. 2.5 Differenzierer Bild 9: Differenzierschaltung Die Anwendung der Knotenregel auf den Stromknoten S ergibt: C du in dt + U ex R = 0 daraus: U ex = RC du in dt Für harmonische Spannungen u in (t) = sinωt wird u ex (t) = ωrc cosωt. Das Verhältnis zwischen Ausgangs- und Eingangsamplituden ist daher û ex = v r = ωrc. In doppellogarithmischem Papier erhält man eine mit +6 db/oktave oder +20 db/dekade mit ω ansteigende Gerade, die für den Differenzierer typisch ist. Die Schaltung nach Bild 9 wird gelegentlich leicht instabil, da das Gegenkopplungsnetzwerk C - R bei höheren Frequenzen eine Phasennacheilung von 90 hat. Sie addiert sich zur recht früh auftretenden Phasennacheilung von 90 (oder mehr!) beim OP selbst! Abhilfe schafft gelegentlich ein Widerstand R in Serie zu C, der nicht immer störend wirkt, da die Schleifenverstärkung g des OP bei höheren Frequenzen sowieso geringer wird. Zu überlegen wäre allenfalls noch, ob man eine rein passive Differenzierschaltung ohne OP verwendet. 2.6 Betragsbildung einer Wechselspannung 7
8 Bild 10: Links ideale, rechts reale Kennlinie einer Vollweggleichrichtung Kleine Wechselspannungen können an einer realen Gleichrichterschaltung wegen der Durchlaßoder Kniespannung U s der Dioden kaum oder nur mit großen Fehlern zur Betragsbildung gleichgerichtet werden. Bei Siliziumdioden ist U s 0, 6 V. Sind die Amplituden der Wechselspannungen < 0, 6 V, dann benötigt man z.b. die Schaltung nach Bild 12. Nachteil: Erdfreier Ausgang am Anzeigeinstrument Bild 11: Vollweggleichrichter für erdfreien Ausgang Es gibt auch kompliziertere Schaltungen für einen einerseits geerdeten Ausgang. Dazu wird die bereits angegebene Literatur empfohlen. 2.7 Funktionsnetzwerke Oft will man einer Eingangsspannung U in eine Ausgangsspannung U ex = f(u in ) zuordnen, wobei f eine logarithmische oder sinus- oder ähnliche Funktion ist. Solche Schaltungen können entweder mit einem OP und einer Diode oder einem Transistor im Rückkopplungszweig, oder mit Diodennetzwerken realisiert werden. Diese Schaltungen würden den Rahmen dieser Anleitung sprengen. Ausführliche Beschreibungen finden Sie in Tietze-Schenk, Halbleiter-Schaltungstechnik. - Literaturangabe: Auszug aus dem Elektrotechnischen Grundlagen-Praktikum der Universität Karlsruhe, Institut für Theoretische Elektrotechnik und Messtechnik, Verfasser: Dr.-Ing. Gottlieb Strassacker 8
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