Einführung in die Erziehungswissenschaft
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- Ursula Hummel
- vor 7 Jahren
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1 WS 06/07 Prof. Dr. Gerhard de Haan Einführung in die Erziehungswissenschaft 4. Vorlesung Erziehungstheorien Vorlesungsplan 1. ( ) Organisatorisches / Einführung: Wissensgesellschaft 2. ( ) Anthropologie 3. ( ) Sozialisation 4. ( ) Erziehungstheorien 5. ( ) Bildungstheorien 6. ( ) Geisteswissenschaftliche, emanzipatorische und andere Pädagogiken 7. ( ) Geschichte der Pädagogik - die Zeit in der Pädagogik 8. ( ) Entwicklung, Kognition, Intelligenz 9. ( ) Lerntheorien 10. ( ) Hirnforschung, Kognitionsbiologie und -psychologie 11. ( ) Kompetenzen und Bildungsstandards 12. ( ) Qualitätsmessung in Institutionen/ Organisationen 13. ( ) Pädagogisierung der Lebenswelt 14. ( ) Transformation der Gesellschaft 15. ( ) Rückblick auf die Vorlesung, kein Tutoriumstext 16. ( ) Klausur
2 Erziehung ist eine Tatsache Alle sind erzogen worden, haben ihre Erfahrungen und ihr positives oder negatives Verhältnis zur Erziehung. Erziehung findet in der Familie und in Institutionen wie der Schule statt. Wachsende Aufmerksamkeit gegenüber der Erziehung und Verunsicherung gehen miteinander einher: Soziokultureller Wandel; Milieus lösen sich auf; Es gibt Ratgeber in Hülle und Fülle. Hohe Erwartungen an Erziehung: Erziehung behebt Defizite im sozialen Miteinander, bringt Gesellschaft voran, gilt als Grundlage von Entwicklung. Welches Problem löst Erziehung? Sozialisation und Erziehung markieren den Übergang von der biologischgenetischen zur kulturellen Evolution. Erziehung hat also eine gesellschaftliche Funktion. Mit Sozialisation und Erziehung wird die gesellschaftliche Reproduktion gesichert....
3 Grundverständnis von Erziehung Wann aber lässt sich sagen: Das ist Erziehung? Was unterscheidet sie von Sozialisation, Indoktrination, Manipulation, von Bildung und von Lernen? Erkennungsmerkmal: Die Intentionalität (Das Absichtsvolle) ist für Erziehung in der Regel ein Erkennungsmerkmal. Absicht ist, dass die Erzogenen die von Erziehenden gesetzten Normen, Wertvorstellungen und anderen Orientierungen sowie Handlungsmuster übernehmen Das Problem: Es existiert ein unterschiedliches Verständnis von den Normen und Verfahrensweisen etc., auf die hin / mit denen erzogen werden soll. Erziehung - eine riskante Definitionen Erziehung ist das uralte Geschäft des Menschen, Vorbereitung auf das, was die Gesellschaft für ihn bestimmt hat, fensterloser Gang! Mit der Erziehung geht der Mensch seinen Gang durch das Zuchthaus der Geschichte. Er kann ihm nicht entlassen werden. Im Begriff Erziehung ist die Zucht schon enthalten, sind Einfügung, Unterwerfung, Herrschaft des Menschen über den Menschen eingeschlossen, bewusstloses Erleiden. H.-J. Heydorn: Über den Widerspruch von Bildung und Herrschaft, Frankfurt a.m. 1970, S. 10.
4 Beispiel: Der Wolfsjunge Konstitutiv für die Notwendigkeit von Erziehung in komplexen Gesellschaften sind: 1. Die Steigerung der Komplexität von Welt macht das Funktionieren von Gesellschaft unsichtbar. In die Gesellschaft muss systematisch eingeführt werden (vgl. Durkheim: Sozialisation) 2. Für das Einhalten von Regeln kann nicht allein eine externe Kontrolle bürgen. 3. Lösung: Man muss eine moralische Disposition schaffen: Der externe Zwang muss zum Selbstzwang werden (Aufbau des me ). Einhalten von Regeln, Kontrolle über Affekte muss das Individuum selbständig leisten.
5 Konstitutiv für die Notwendigkeit von Erziehung in modernen Gesellschaften sind: 4. Erziehung kann sich nicht mehr allein in Dyaden ereignen. Fremdes muss auch individuell angeeignet werden (durch selbständiges Lernen, das durch Wissensspeicher (etwa: Bücher) oder durch Mobilität ( Bildungsreisen ) möglich wird. 5. Entscheidender weiterer Aspekt seit ca. 250 Jahren: Fortschrittsdenken und Perfectibilité: Die Fähigkeit, sich und die Welt vollkommener zu machen. Vernichtung der Tradition zugunsten einer besseren Zukunft. Das zentrale Dilemma: Erziehen müssen ohne erziehen zu dürfen. Erziehung dient dem Erhalt der Gesellschaft. Über Erziehung wird die Integration und Tradierung betrieben. Wie aber kann es dann Fortschritt, Entwicklung, Wandel geben? Und wo bleibt das Eigenrecht des Kindes, das Recht auf Entfaltung der eigenen Person? Die letzte Frage führt zentral in die Pädagogik hinein: Das kindliche Subjekt ist der Grund des Erziehungsgeschehens, nicht der Erhalt von Gesellschaft.
6 Anfänge des heutigen Erziehungsverständnisses Bei J.J. Rousseau steht erstmals das Kind (Subjekt) im Mittelpunkt des Erziehungsbegriffs. Es soll sich im Austausch mit Welt selbst konstituieren. Es setzt es eigene Normen. Wenn das so ist, dann sind zwecksetzende Beeinflussungen Manipulation nicht zulässig. Jean-Jacques Rousseau ( ) Schlüsseltext: J.-J. Rousseau: Emile oder über die Erziehung (Reclam). Das zentrale Dilemma: Erziehen müssen ohne erziehen zu dürfen. Um 1780 entwickelt sich der heutige Erziehungsbegriff aus dieser Konstellation. Seiher spricht man von einem pädagogischen Erziehungsbegriff: Erziehung muss systematisch geplant und durchgeführt werden in öffentlichen, staatlichen Einrichtungen. Sie soll mit der Beförderung des Eigenrechts der nachwachsenden Generation auch die Verbesserung der gesellschaftlichen Verhältnisse befördern.
7 Das zentrale Dilemma: Erziehen müssen ohne erziehen zu dürfen. Normative Konzepte: Philanthropische Erziehungsreformer (Campe, Basedow) betonen das Gesellschaftliche (um 1780) Neuhumanisten (nach 1800) (W. v. Humboldt; Jachmann) das Eigenrecht des Subjekts. Wie befördert man das Glück des Einzelnen und gleichzeitig das Glück der Gesellschaft? Das zentrale Dilemma: Erziehen müssen ohne erziehen zu dürfen. Herbart und Schleiermacher (um 1800) heben diese Kontroverse auf: Erziehung ist unvermeidlich und zugleich aufgrund des Subjektivitätsanspruchs unmöglich. Herbarts Lösung: Künftige Zustimmung des Subjekts. Schleiermacher setzt auf Arrangements: Behüten, Gegenwirken, Unterstützen und situative Zustimmung, eher auf Beobachtung statt auf Normierung. Johann Friedrich Herbart ( ) Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher ( )...
8 Schwierigkeiten bei der Verständigung über Erziehung Ideal und Realität sind oft nicht miteinander zu verbinden. Realität und Begriff wandeln sich. Fazit: Erziehung ist an Reflexion und Kommunikation gebunden. Kommunikation über Erziehung bestimmt das Objekt: Realdefinitionen statt Nominaldefinitionen. Kern des heutigen Erziehungsverständnisses 1. Normative Konzepte werden skeptisch betrachtet. Wissenschaftliche Ansprüche gelten dagegen als angemessen. 2. Differenz zwischen der älteren und jüngeren Generation wird unscharf. 3. Erziehung geschieht prinzipiell im Rahmen eines Zusammenwirkens. Die Differenz zwischen Vermittlung und Aneignung wird betont (kein Nürnberger Trichter ) 4. Erziehung ist immer an einen dritten Faktor, an kulturelle Gegenstände und Gegebenheiten gebunden. 5. Die pädagogische Semantik bestimmt die Möglichkeiten pädagogischen Handelns. Heute ist eher eine Semantik der Offenheit dominant.
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