Dozent: Dawid Bekalarczyk Universität Duisburg-Essen Fachbereich Gesellschaftswissenschaften Institut für Soziologie Lehrstuhl für empirische
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- Bernd Neumann
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1 TEIL 2: WISSENSCHAFTSTHEORETISCHE GRUNDLA- GEN UND DER FORSCHUNGSPROZESS
2 GLIEDERUNG Wissenschaftstheorie eine Umschreibung Begriffsarten Definitionen Realdefinition Nominaldefinition Charakteristika der Nominaldefinition Variable Diskrete vs. kontinuierliche Variablen Individuelle vs. kollektive Variablen Abhängige vs. unabhängige Variablen Hypothesen Zusammenhangshypothesen Entwicklungs- bzw. Trendhypothesen Individualhypothesen Kollektivhypothesen
3 Kontexthypothesen Gesetze / nomologische Hypothesen Theorie Wissenschaftliche Erklärungen Komponenten des deduktiv-nomologischen Erklärungsmodells Vorgehensweise beim deduktiv-nomologischen Erklärungsmodell Der Forschungsprozess eines empirischen Forschungsprojektes Wahl des Forschungsproblems Theoriebildung Konzeptspezifikation Operationalisierung Bestimmung der Untersuchungsform Auswahl der Untersuchungsobjekte Datenerhebung Datenerfassung Datenanalyse Publikation Idealtypischer Ablauf eines empirischen Forschungsprojektes
4 Wissenschaftstheorie eine Umschreibung Lehre von der Vorgehensweise bei der wissenschaftlichen Tätigkeit (Methodologie) Sammelbegriff für alle metawissenschaftlichen Erörterungen über Wissenschaft, zu denen insbesondere die logische Analyse der Begriffe der Wissenschaft, die wissenschaftlichen Methoden, Theoriebildung und Theorieprüfung gehören Begriffsarten Logische Begriffe: Begriffe, die eine rein sprachlogische Funktion haben, wie Konjunktionen, Präpositionen etc. (z.b. und, weil, ab, = ) Empirische Begriffe: Begriffe, deren Bedeutung direkt oder indirekt beobachtbar und somit der empirischen Analyse zugänglich ist (z.b. blau, groß, Seelöwe, ethnische Identität, Idee, Häufigkeit ) Empirische Begriffe sind Begriffe, die in der Forschung mit Hilfe von Definitionen zu präzisieren sind
5 Definitionen Verfahren, mit dem Vorstellungsinhalte von Worten (empirischen Begriffen) festgelegt wer- den Realdefinition: Versuch, das Wesen oder die Natur von irgendwelchen Tatbeständen zu beschreiben
6 Nominaldefinition: Festsetzung darüber, dass ein bestimmter Ausdruck A1 gleichbedeutend mit einem anderen Ausdruck A2 sein soll, wobei die Bedeutung des Ausdrucks A2 als bekannt vorausgesetzt wird und A1 die Bedeutung von A2 annehmen soll Definiendum: A1, also der neue zu definierende Begriff Definiens: A2, also von der Bedeutung her bekannte Begriffe, die den Inhalt des Definiendums darstellen Definiendum = Definiens bzw. A1 = A2 Beispiel für eine Nominaldefinition: Ausländerfeindlichkeit [DEFINIENDUM] bedeutet [=] die Diskriminierung von ausländischen Personen am Arbeitsplatz und Wohnungsmarkt [DEFINIENS]
7 Anmerkung: Hierbei müssen alle Begriffe aus dem Definiens, also Diskriminierung, ausländische Personen Arbeitsplatz und Wohnungsmarkt als bekannt vorausgesetzt werden oder durch weitere Nominaldefinitionen in ihrer Bedeutung geklärt werden Charakteristika der Nominaldefinition: Sie regelt lediglich den Sprachgebrauch (so wissen wir z.b., was der Autor X meint, wenn er von Ausländerfeindlichkeit spricht), ist also eine reine sprachliche Transformation Somit können beliebig viele Nominaldefinitionen von ein und dem selben Begriff nebeneinander existieren, ohne dass es die einzig wahre bzw. beste Definition gibt Sie hat eine sprachökonomische Funktion, da das Definiens meist deutlich länger ist bzw. aus mehr Zeichen besteht so muss ein Autor im oberen Beispiel nicht ständig die Diskriminierung von ausländischen... schreiben, sondern lediglich Ausländerfeindlichkeit
8 Variable Merkmal oder Eigenschaft von Personen, Gruppen, Organisationen (sog. Merkmalsträger) Es handelt sich um ein Merkmal, das von Merkmalsträger zu Merkmalsträger variiert sie hat also mindestens zwei Ausprägungen (sonst wäre es eine Konstante) Diskrete vs. kontinuierliche Variablen: diskret nimmt abzählbar viele Ausprägungen an (Bsp.: Anzahl von Bierflaschen, von Schülern einer Klasse, von geschossenen Toren; der EU-Länder) kontinuierlich können theoretisch jeden Wert (aus der Menge der reelen Zahlen) in einem Intervall annehmen (z.b. Körpergröße und -gewicht, Laufgeschwindigkeit beim 100-Meter-Sprint, Höhe von Wolkenkratzern); Beschränktheit resultiert aus ungenauen Messgeräten, z.b. eine Waage, welche nur eine Nachkommastelle des Körpergewichtes angibt
9 Individuelle vs. kollektive Variablen: individuell Merkmale, welche sich auf einzelne Merkmalsträger beziehen (also z.b. das Alter einer Person) kollektiv Merkmale, welche sich auf das Aggregat bzw. die Zusammenfassung von Merkmalsträgern beziehen (z.b. Durchschnittseinkommen der Arbeiter von verschiedenen Fabriken, Zusammenhalt unter den Schülern einer Schulklasse ) Abhängige vs. unabhängige Variablen: Kontextuelle Unterscheidung, welche Variable als Ursache (unabhängig) für eine andere Variable, als die Wirkung der Ursache (abhängig) behauptet wird - somit bedarf es immer mind. zweier Variablen, um diese Frage zu klären Beispiel: Die Erfahrung in Bezug auf ein Unternehmen (abhängige Variable) wird als abhängig von der Anzahl der Jahre, die ein Mitarbeiter in dem Unternehmen arbeitet (unabhängige Variable) behauptet
10 Hypothesen Vermutungen über einen bestimmten Sachverhalt bzw. über den Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Sachverhalten (Variablen) Zusammenhangshypothesen: Aussagen über Zusammenhänge zwischen mehreren Variablen Beispiel: Je häufiger ein Schüler die Schule schwänzt, umso schlechter werden seine Noten Entwicklungs- bzw. Trendhypothesen: Hypothesen über Zusammenhänge, in denen die Zeit den Platz der unabhängigen Variablen einnimmt Beispiel: Trend der zunehmenden Individualisierung Individualisierungsthese nach Beck 1994
11 Individualhypothesen: Zusammenhangshypothese, bei der sowohl unabhängige als auch abhängige Variable Individualmerkmale sind Beispiel: Je höher der Bildungsabschluss einer Person, desto weniger Kinder bekommt die Person Kollektivhypothesen: Zusammenhangshypothese, bei der sowohl unabhängige als auch abhängige Variable Kollektivmerkmale sind Beispiel: Bei wachsenden Mobilitätschancen in einem Betrieb steigt die Zufriedenheit der Arbeitnehmer dieses Betriebs
12 Kontexthypothesen: Unabhängige Variable ist ein Kollektiv-, abhängige Variable ist ein Individualmerkmal Beispiel: Je höher die soziale Integration in einer sozialen Gruppe (Kollektivmerkmal), desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person, die Mitglied der sozialen Gruppe ist, abweichend verhält (Individualmerkmal) Gesetze / nomologische Hypothesen: Hypothese, welche von Forschern mehrmals geprüft uns sich in der Realität oft bewährt hat Hypothese mit einem hohen Verallgemeinerungsgrad Beispiel (aus dem Rational-Choice-Ansatz): Wenn eine Person A zwischen zwei (oder mehreren) Handlungsalternativen steht, dann wird sie sich für die Alternative entscheiden, deren antizipiertes Ergebnis ihr mehr Nettonutzen bringt
13 Theorie Menge miteinander verbundener, widerspruchsfreier Zusammenhangshypothesen Theorie muss Aussagen über empirisch prüfbare Zusammenhänge zwischen Variablen enthalten, also einen empirischen Teil beinhalten Wissenschaftliche Erklärungen Besitzen, im Vergleich zu alltäglichen Erklärungsansätzen, ein festes Schema bzw. einen systematischen Ablauf
14 Komponenten des deduktiv-nomologischen Erklärungsmodells: Explanandum: das zu erklärende Phänomen (singulärer Satz) Explanans Teil A: Gesetz (in dem das Explanandum als Wirkung, bzw. in der Dann- Komponente, vorkommt) Explanans Teil B: Randbedingung (empirisch zu prüfende Ursache; verankert in der Wenn-Komponente ) Explanans Explanandum Gesetz In Deutschland gibt es ein Bildungsdefizit Wenn Politik u. Wirtschaft in einem Land das Bildungssystem nicht ausreichend subventionieren, dann entsteht ein Bildungsdefizit Randbedingung In Deutschland subventioniert Politik u. Wirtschaft das Bildungssystem nicht ausreichend
15 Vorgehensweise beim deduktiv-nomologischen Erklärungsmodell: Es wird zuerst das zu erklärende Phänomen festgestellt (z.b. Max Zeugnisnoten haben sich deutlich verschlechtert ) Dann wird ein Gesetz gesucht, welches in der Lage ist, die Fragestellung hier aufzugreifen (z.b. Wenn ein männlicher Schüler in die Pubertät kommt und anfängt, sich für Mädchen zu interessieren, dann verschlechtern sich seine Zeugnisnoten deutlich) Schließlich muss die Randbedingung empirisch geprüft werden (hier also: Ist Max in die Pubertät gekommen? und Hat Max angefangen, sich für Mädchen zu interessieren? ) Die Erklärung erfolgt somit über die logische Deduktion aus dem Gesetz und der Kontrolle des empirischen Vorliegens der Randbedingung!
16 Der Forschungsprozess eines empirischen Forschungsprojektes Dozent: Dawid Bekalarczyk
17 Wahl des Forschungsproblems: Festlegung des Gegenstandes der Forschung / Formulierung des Forschungsproblems Dieser Schritt ist eng geknüpft an die Frage, ob Auftragsforschung (Forschungsproblem wird mehr oder weniger exakt durch den Auftraggeber vorgegeben) oder ein von den Forschern selbst initiiertes Projekt vorliegt Theoriebildung: In dieser Phase ist es fundamental, sich mit bereits bestehender Literatur auseinander zu setzen und nicht unreflektiert Hypothesen oder gar ganze Theorien drauf los zu bilden Konzeptspezifikation: Begriffliche Präzisierung: Definition der zentralen Begriffe und die Angabe ihrer Dimensionen (Bereiche)
18 Operationalisierung: Angabe, wie einem theoretischen Begriff beobachtbare Indikatoren zugeordnet werden, wie also Messungen für einen bestimmten Begriff vorgenommen werden können (z.b.: Wie kann ich Intelligenz beobachten / messen) Eine latente Variable Ein oder mehrere Indikatoren Latente Variable: Der theoretische, nicht direkt beobachtbare Begriff Indikatoren: Merkmale, die als Anzeichen oder Hinweise auf etwas nicht Sichtbares dienen, somit beobachtbare Sachverhalte, die den theoretischen Begriffen zugeordnet werden können, so dass diese auch erfassbar werden
19 Bestimmung der Untersuchungsform: Frage, auf welche Art und Weise die Fragestellung empirisch angegangen werden soll, z.b. mit einer Umfrage, einer Beobachtung, einem Experiment Auswahl der Untersuchungsobjekte: Sollen alle Elemente des Gegenstandsbereiches oder nur einige ausgewählte Elemente untersucht werden? Datenerhebung: Anwendung der Datenerhebungsmethode(n), also die Frage, wie nun konkret die ausgewählte Untersuchungsform eingesetzt wird (z.b. bei einer Umfrage: Sollen mündliche oder telefonische Interviews durchgeführt werden)
20 Datenerfassung: Datenaufbereitung / Kodierung offener Fragen in Kategorien / Übertragung der Daten in den Computer Datenanalyse: Einsatz statistischer Methoden unter Verwendung von speziellen Analyseprogrammen (z.b. SPSS / STATA) Publikation: Verfassung des Untersuchungsberichtes, ggf. Veröffentlichung von Artikeln oder Büchern
21 Idealtypischer Ablauf eines empirischen Forschungsprojektes Dozent: Dawid Bekalarczyk
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