in einer Suchtrehabilitationsklinik
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- Rudolf Beyer
- vor 7 Jahren
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1 IST Integrative Sucht und Traumatherapie in einer Suchtrehabilitationsklinik Referent: Günter K. Mainusch AHG Klinik Dormagen
2 Die Traumatische Erfahrung verletzt Grundbedürfnisse Trauma Grundbedürfnisse Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle Lustgewinn/ Unlustvermeidung Bindungsbedürfnis Selbstwertschutz Motivationale Ziele/ Schemata Annäherungsziele Vermeidungsziele Erleben und Verhalten Hohe Inkongruenz 2
3 Inkonsistenz Inkonsistenz Wenn sich Annäherungs- und Vermeidungstendenzen behindern kommt es zu Inkongruenz und zu Inkonsistenzspannung. Vermeidungsziele Annäherungsziele Konflikt Inkongruenz Reduktion der Inkonsistenz Verstärkt die an dem Verhalten Beteiligten neuronalen Erregungsmuster. 3
4 Inkongruenz = Motor für psychische Aktivität Bei aktueller Inkongruenz ist die psychischer Aktivität darauf ausgerichtet, die Inkongruenz zu verringern > Psychische Störungen als Versuch, Inkonsistenzspannung zu reduzieren (z.b. Selbstverletzung bei Borderline-Störung, Kontrollieren bei Zwangsstrg., Vermeidung bei Agoraphobie, Konsum bei Suchterkrankungen) Es bilden sich neue Ordnungsmuster heraus: Adaptive Ordnungsmuster die Inkongruenz reduzieren = neue Ressourcen, neue Möglichkeiten zur Bedürfnisbefriedigung Maladaptive Ordnungsmuster reduzieren kurzfristig Inkongruenz bewirken aber langfristig keine bessere Bedürfnisbefriedigung und erhöhen Inkongruenzniveau > Psychotherapie nutzt den gleichen Mechanismus: > Verstärkerpotential: Positive Erfahrungen im Sinne der motivationalen Ziel des Patienten 4
5 Die Behandlung von Traumafolgen aus neuropsychotherapeutischer Perspektive Häufige Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung: vegetativ übererregt (Zittern, Herzrasen, Schweissausbrüche, körperliche Unruhe, Atemnot), hypervigilant (erhöhte Schreckreaktion, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen) emotionale Stumpfheit (Numbing), Interessenverlust wiederholtes Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Intrusionen, flashbacks) Gefühle starker, überwältigender Angst Rückzug, Vermeidungsverhalten Aggressives Verhalten Suizidgedanken Komorbidität zu Substanzmissbrauch: 50% 50% Frauen (meist sekundär) Männer 5
6 TRAUMA "Potentielle oder reale Todesbedrohungen, ernsthafte Verletzung oder eine Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bei sich oder anderen, auf die mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit, oder Schrecken reagiert wird" (DSM-IV: American psychiatric Association) 6
7 11 September
8 ICE-Katastrophe Eschede
9 Klassifikation von Traumen Menschlich verursachte Traumen ("man made disasters") Sexuelle und körperliche Misshandlungen in der Kindheit Kriminelle und familiäre Gewalt Vergewaltigungen Kriegserlebnisse Zivile Gewalterlebnisse (z.b. Geiselnahme) Folter und politischer Inhaftierung Massenvernichtung (KZ, Vernichtungslagerhaft) 9
10 Klassifikation von Traumen Katastrophen, berufsbedingte und Unfalltraumen Naturkatastrophen Technische Katastrophen (z.b. Giftgaskatastrophen) Berufsbedingte Traumen (z.b. Militär, Polizei, Feuerwehr) Arbeitsunfälle Verkehrsunfälle 10
11 Klassifikation von Traumen Kurzdauernde traumatische Ereignisse (Typ I-Traumen) I Naturkatastrophen Unfälle Technische Katastrophen Kriminelle Gewalttaten wie Überfälle, Schusswechsel Längerdauernde, wiederholte Traumen (Typ II-Traumen) Geiselhaft Folter Kriegsgefangenschaft Wiederholte sexuelle oder körperliche Gewalt, Kindesmissbrauch, Kindesmisshandlung sowie wiederholte Vergewaltigungen 11
12 Posttraumatische Belastungsstörung Definition "Vitales Diskrepanzerlebnis zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung des Selbstund Weltverständnisses bewirkt." (Gottfried Fischer) 12
13 DIAGNOSTISCHE KRITERIEN (1) ICD-10/DSM-IV A. Die Betroffenen waren einem Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder mit katastrophalem Ausmaß ausgesetzt, das nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würde. B. Anhaltende Erinnerungen oder Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche Nachhallerinnerungen (Flashbacks), lebendige Erinnerungen, Bilder, Gedanken, Wahrnehmungen (sog. Intrusionen), Wiederkehrende belastenden Träume oder Albträume, Handeln oder Fühlen, als ob das Ereignis wiederkehrt 13
14 DIAGNOSTISCHE KRITERIEN (2) C. Umstände, die der Belastung ähneln oder mit ihr in Zusammenhang stehen, werden tatsächlich oder möglichst vermieden. D. Teilweise oder vollständige Unfähigkeit, sich an einige wichtige Aspekte der Belastung zu erinnern und / oder Anhaltende Symptome erhöhter Erregung wie: a. Ein- und Durchschlafstörungen b. Reizbarkeit oder Wutausbrüche c. Konzentrationsschwierigkeiten d. Hypervigilanz e. erhöhte Schreckhaftigkeit 14
15 WICHTIG!! Es fehlt eine Zeitperspektive Die traumatischen Ereignisse werden so erlebt, als ob sie im HIER UND JETZT geschehen würden! 15
16 Was heißt das? Das charakteristischste Symptom der PTBS ist das ungewollte Wiedererleben von Aspekten des Traumas. Die Betroffenen haben die gleichen sensorischen Eindrücke (z.b. Bilder, Geräusche,Geschmack,Körperempfindungen) und gefühlsmäßigen und körperlichen Reaktionen wie während des Traumas! 16
17 Häufigkeiten von verschieden Traumen und von PTBS Art Traumahäufigkeit PTBS Vergewaltigung 5,5 55,5 Sexuelle Belästigung 7,5 19,3 Krieg 3,2 38,8 Waffengewaltandrohung 12,9 17,2 Körperliche Gewalt 9,0 11,5 Unfälle 19,4 7,6 Zeuge (Unfälle, Gewalt) 25,0 7,0 Feuer / Naturkatastrophe 17,1 4,5 Misshandlung in der Kindheit Vernachlässigung in der Kindheit 4,0 35,4 2,7 21,8 Andere Lebensbedrohliche 11,9 7,4 Situationen Andere Traumen 2,5 23,5 Irgendein Trauma 60,0 14,2 (Nach Kessler et al. 1995, in einer repräsentativen amerikanischen Stichprobe, Frauen und Männer gemitte 17
18 KOMPLEXE TRAUMATISIERUNG DESNOS = Disorder of Extreme Stress Not Otherwise Specified I) Störungen der Regulation von Affekten und Impulsen - Stimmungsschwankungen mit Unfähigkeit sich selbst zu beruhigen - Verminderte Steuerungsfähigkeit von aggressiven Impulsen - Autodestruktive Handlungen und Selbstverletzen - Suizidalität -Störungen der Sexualität - Exzessives Risikoverhalten 18
19 KOMPLEXE TRAUMATISIERUNG II) Störungen der Wahrnehmung oder des Bewusstseins - Amnesien, Dissoziative Episoden und Depersonalisation III) Störungen der Selbstwahrnehmung - Unzureichende Selbstfürsorge - Gefühl, dauerhaft zerstört zu sein - Schuld- und Schamgefühle - Gefühl, isoliert und abgeschnitten von der Umwelt zu sein - Bagatellisieren von gefährlichen Situationen 19
20 KOMPLEXE TRAUMATISIERUNG IV) Störungen in der Beziehung zu anderen Menschen - Unfähigkeit, zu vertrauen - Reviktimisierungen - Viktimisierung anderer Menschen V) Somatisierung - Somatoforme Beschwerden - Hypochondrische Ängste VI) Veränderungen von Lebenseinstellungen - Fehlende Zukunftsperspektive - Verlust von persönlichen Grundüberzeugungen und Werten 20
21 PTBS und Komorbidität ca. 80 % aller Fälle 1. Depression 2. Angsterkrankungen 3. Suchterkrankungen 4. Somatisierungsstörung 5. Sexuelle Störungen 21
22 PTBS und Sucht (1) Komorbidität von PTBS und Sucht bei Vietnam-Veteranen: % für alkoholbedingte Störungen (nach Escobar, 1983) Alkoholabusus (und Abhängigkeit) ist die häufigste komorbide Störung bei traumatisierten Männern (sowohl Kriegsals auch Ziviltraumatisierte) Jacobsen,
23 PTBS und Sucht (4) Traumatische Erfahrungen in der Kindheit und Jugend erhöhendas Risiko einer späteren Abhängigkeitserkrankung um das Dreifache bei schwerer sexueller Traumatisierung sogar um den Faktor 5,7 S. Kendler
24 Alkoholpatienten in Behandlung N=155 modifiziert nach Ingo Schäfer Zentrum für interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS) der Universität Hamburg (Langeland et al. 2004) 24
25 PTBS und Sucht (4) Nach einer epidemiologischen Studie von Perkonigg (2000) lag der Beginn einer Alkoholabhängigkeit (oder Missbrauch) in 55 % der Fälle nach dem Beginn der PTBS Die Suchterkrankung scheint in hohem Maße sekundär zu sein. 25
26 Traumatisierte Suchtpatienten Mehr gravierende Symptome in jeder der beiden Störungen Meist komplex traumatisiert Sehr häufig bindungstraumatisiert, häufig dysfunktionale Beziehungen. Deshalb auch die therapeutische Beziehungsgestaltung oft schwierig und zerbrechlich Mehr somatische und psychische Komorbidität Mehr soziale Instabilität, Arbeitslosigkeit, Schulden, familiäre Konflikte, etc. Mangel an Selbstfürsorge, Stabilisierung schwieriger Längere Therapiedauer 26
27 Welches Behandlungsmodell ist sinnvoll? Traditionell/Sequentiell: Entweder Suchtbehandlung oder Traumatherapie (bzw. damit keine von beiden). Problem: Ansätze jeweils alleine nicht ausreichend, Klienten/-innen fallen durchs Netz. Parallel: Behandlung beider Problembereiche gemeinsam durch Therapeuten, die auf jeweils einen der Bereiche spezialisiert sind. Problem: Aufwändige Koordination, Integration der unterschiedlichen Ansätze muss von den Patienten oft selbst geleistet werden,... Integrativ: Sucht- und Traumabehandlung durch dieselben Therapeuten/-innen. Problem: Erfordert doppelte fachliche Kompetenz und Erweiterung der jeweiligen therapeutischen Paradigmen nach Ingo Schäfer 27
28 Integrative Trauma und Suchtbehandlung in der AHG Klinik Dormagen 42 Behandlungsplätze Die Behandlung findet in der Bezugsgruppe statt Alle Therapeutinnen verfügen sowohl über Erfahrungen in der Behandlung von Suchtpatienten als auch über eine qualifizierte traumaspezifische Ausbildung. Neben der Einzel- und Gruppenpsychotherapie werden auch arbeitstherapeutische Maßnahmen, Ergotherapie, Sport-und Bewegungstherapie sowie spezielle Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Reintegration optimiert. 28
29 Die Ziele der IST Äußere und innere Sicherheit schaffen 29
30 Die Ziele der IST Äußere Sicherheit herstellen: stabile Umgebungsfaktoren schaffen Täterkontakt berücksichtigen! berufliche Perspektive finanzielle Schwierigkeiten medizinische Probleme juristische Schwierigkeiten 30
31 Die Ziele der IST Innere Sicherheit schaffen: Wissen über die Krankheitsbilder und das Zustandekommen der Beschwerden erlangen Aufklärung über traumaassoziierte Symptome und ihre Entstehung Ableitung des Störungsmodells, Charakteristika des Traumagedächtnisses, Gefühl der an dauernden Bedrohung, dysfunktionales Selbst- und Weltbild, Vermeidungsverhalten 31 Den Pat. Sicherheit und Kontrolle während der
32 Die Ziele der IST Innere Sicherheit schaffen: durch traumaspezifische Stabilisierung: Distanzierung Abstand zu den belastenden Erlebnissen gewinnen Selbstberuhigung Selbstfürsorge zeigen Entdeckung eigener Ressourcen Stärken nutzen Suchtspezifische Skills Festigung der Rückfallprophylaxe 32
33 Die Ziele der IST bei ausreichender Stabilisierung: Behutsame Traumabearbeitung mit Integration und Neubewertung der traumatischen Inhalte Abschließend: Einleitung weiterer Hilfsmaßnahmen 33
34 Übersicht therapeutischer Strategien bei PTBS Diagnostik PTBS Abklärung Psychose Akute Suizidalität ja Psychiatrische Akutversorgung nein Abklärung Stabilität ja Stabile Affektregulation und Selbstmanagement ja nein Stabilisierungsmaßnahmen Supportive Therapie Psychosoziale Intervention Psychopharmakotherapie Adjuvante Verfahren (z.b. stabilisierende Körpertherapie, künstlerische Therapien) Traumabearbeitung Traumaadaptierte Psychotherapie Psychosoziale Reintegration Neuorientierung Modifiziert nach Peter 34
35 Umgang mit traumatisierten Suchtpatienten Müssen wir/sie diese Patienten wie rohe Eier behandeln? teils ja da die Patienten eine hohe Sensibilität gegenüber Alltagsreizen aufweisen und diese Trigger für traumatische Erinnerungen darstellen können. teils nein da die Patienten meist dankbar dafür sind, wenn Traumainhalte erkannt und vorsichtig thematisiert werden. 35
36 Umgang mit traumatisierten Suchtpatienten Kein Voyeurismus! Nicht aktiv nach Details der belastenden Erlebnisse fragen! Die Pat. sollen auch nicht untereinander, z. B. in Gruppentherapien über traumatische Erlebnisse sprechen Gefahr der Retraumatisierung, des Behandlungsabbruches und des Rückfalls mit Suchtmitteln! Risiko der Dissoziation 36
37 Wie können Sie Traumapatienten erkennen? 37
38 Primary Care PTSD Screen (modifiziert) Pat. Datum Gab es in Ihrem Leben jemals ein oder mehr Ereignisse die so beängstigend, schrecklich oder erschütternd waren, dass Sie im letzten Monat (ohne Alkohol-, Medikamenten- oder Drogenkonsum) Alpträume davon hatten oder daran gedacht haben, obwohl Sie es nicht wollten? Ja Nein 2. Sich sehr bemüht haben nicht daran zu denken oder sich große Mühe gegeben haben, um Situationen zu vermeiden, die Sie an diese Erlebnissen erinnerten? Ja Nein 3. Ständig auf der Hut, wachsam oder leicht zu erschrecken waren? Ja Nein 4. Sich wie abgestumpft oder taub gefühlt haben oder entfremdet von anderen Menschen, Aktivitäten oder Ihrer Umgebung? Ja Nein Copyright: National Center for Post-traumatic Stress Disorder, USA 38
39 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 39
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