Neo-Extraktivismusals Entwicklungsoption? Aktuelle Dynamiken in Lateinamerika

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1 Neo-Extraktivismusals Entwicklungsoption? Aktuelle Dynamiken in Lateinamerika Dr. Kristina Dietz Vortragsreihe Kritische Beiträge auf Entwicklungszusammenarbeit und -politik 12. Januar 2017, Universität Rostock

2 Struktur 1. Neo-Extraktivismus in Lateinamerika Definition 2. Rahmenbedingungen 3. Empirische Befunde 4. Aktuelle Entwicklungen: Krise des Modells? 5. Alternativen: Vom Neo- zum Post-Extraktivismus? 6. Fazit und Ausblick 2

3 Neo-Extraktivismus Was es ist Entwicklungsmodell Extraktion und Produktion von Rohstoffen: Bergbau, Öl- und Gas, Agrar-, Forstindustrie Exportorientierung und Wachstum Rent-seeking Postneoliberalismus: Rolle des Staates, verstärkte staatliche Kontrolle extraktiver Sektoren, Aneignung von Rohstoffrenten, Verwendung für sozioökonomische Entwicklung (Bsp. Venezuela, Bolivien, Ecuador, etc.) Übergangsmodell? 3

4 Rahmenbedingungen (Neo-)Extraktivismusbildet sich im Kontext transnationaler Wandelprozesse heraus! Global/transnational Globale Wirtschafts- und Finanzkrisen Vertiefung und Ausweitung ressourcenintensiver Produktion und Konsum ( Consensus of the commodities, Svampa; imperiale Lebensweise, Brand/Wissen) Vielfache Entkopplung ( Externalisierungsgesellschaften, Lessenich) Boom China (Handel, Finanzierung) Neue Inwertsetzungsstrategien von Natur: Grüne Ökonomie

5 Weltmarktpreise Rohstoffe zu Beginn des 21. Jhd. Weltmarktpreisindex Rohstoffe, Quelle: HWWI

6 Räumliche Entkopplung am Bsp. Kupfer Atlas der Globalisierung 2015, 37 6

7 Rahmenbedingungen Regional /National Krise des Neoliberalismus: Protestbewegungen, Exklusion, Armut und soziale Ungleichheit Linkswende : postneoliberale Regierungen in vielen Ländern Lateinamerikas national-popularer Diskurs: Unabhängigkeit, Souveränität, nationale Entwicklung, Nationalisierung, Neue Förderverträge regionaler Integration: Institutionell (UNASUR, MERCOSUR, ALBA) infrastrukturell (IIRSA) Politisch-ökonomische: Trans-Latinas (Vale)

8 Empirische Befunde: politisch-ökonomische Effekte Reprimarisierung der Exportstruktur Perpetuierung globaler Arbeitsteilung LA = Rohstofflieferant für Globalen Norden De-Industrialisierung, Verfestigung rohstoffbasierter Wirtschaftsentwicklung Ausweitung der Rohstoffförderung in neue Gebiete Atlas der Globalisierung 2015, 37 8

9 Empirische Befunde sozio-ökonomische Effekte Armut und extreme Armut höhere Staatsausgaben gezielte Sozialprogramme Reduzierung Armut und Ungleichheiten Einkommensungleichheit CEPAL 2015, 10 CEPAL 2015, 14

10 Empirische Befunde sozial-ökologische Effekte Rio-Doce (Brasilien) nach Staudammbruch Anti-Bergbauproteste in Kolumbien Foto: Rogério Alves/TV Senado, sarahlempp.blogsport.eu Fotos: Hanna Thiesing Proteste Kohlemine Cerrejon, Guajira, Kolumbien Umweltzerstörungen Verdrängungen territoriale Transformationen funktionale Landschaften Fotos: Sebastian Rötters 10

11 Empirische Befunde sozio-politische Effekte (Neo-)Extraktivismusist prägend für Verhältnis Gesellschaft - Staat: politische Strategien und Herrschaftsmuster: anti-demokratische Tendenzen: neokoloniale Diskursstrategien, Diskriminierung und Verletzung von Menschenrechten Zitat Alan García 2009 Jetzt reicht s. Diese Leute sind nicht das Königreich, sie sind keine Bürger 1. Klasse. Wer sind schon Indigene, die 28 Mio. Peruaner_innen sagen, sie hätten kein Recht hierher zu kommen? Das ist ein großer Irrtum, und wer so denkt führt uns in die Irrationalität und zurück zum Primitivismus. (Peru.com 2009, Übers.d.A.) Allgemeinwohl vs. Minderheitenrechte?

12 Aktuelle Entwicklungen Krise des Modells? 1. Umfassender Strukturwandel und Staatsreformen bleiben aus Geringe Besteuerung der Vermögenden Ungleiche Einkommensverteilung 2. Krise linker Regierungen, Rechtswende: Brasilien, Venezuela Argentinien: Vertiefung des Modell unter anderen Vorzeichen, Bsp. Bergbau/Chubut 3. Abhängigkeit& sinkende Rohstoffpreise = Vertiefung statttransformation derrohstoffausbeutung, Bsp. Venezuela: Arco Minero 4. ReformulierungstaatlicherPolitikenzugunstendes Extraktivismus, Bsp. Ecuador: Yasuní ITT

13 Alternativen Postextraktivismus Kritik an kapitalistischer Moderne, Entwicklungsverständnis Kritik an westlichen Denk-und Wissensformen (Zvilisationskrise, Leff 2015) Kritik an Kolonialität der Natur (Alimonda 2011) Referenzpunkt: BuenVivir weniger Konsum, stärkerer Fokus auf allg. Bedingungen sozialer Reproduktion (Brand 2015) neues Gesellschaftsmodell: Unabhängigkeit vom Weltmarkt, diversifizierte Wirtschaft, Anerkennung pluraler Ökonomie, Reduzierung u. Transformation der Rohstoffausbeutung (Gudynas 2011, 2013) alternativasalextractivismo.blogspot.com 13

14 Alternativen Postextraktivismus(Forts.) alternativasalextractivismo.blogspot.com Kritische Würdigung Ansatzpunkte: konkrete Erfahrungen der Rohstoffausbeutung in Lateinamerika visionär und zum Teil akademisch Kosummusterund -wünsche werden nicht hinreichend berücksichtigt Gegenläufige Tendenzen: Vertiefung statt Transformation der Rohstoffausbeutung 14

15 Fazit Neo-Extraktivismusals Entwicklungsoption? Dilemma 1): internationale Arbeitsteilung, Ricardos Theorem der komparativen Kostenvorteile bis heute wirkmächtig Dilemma 2): je länger an rohstoffbasierter Entwicklung festgehalten wird, desto mehr steigt die Abhängigkeit, desto schwieriger wird es, alternative Pfade einzuschlagen Dilemma 3): krisenhafte sozialökologische Veränderungen

16 Herausforderungen 1. Notwendigkeit einer transnationalen Perspektive 2. Sozial-ökologisch gerechter Umbau bedarf Veränderung sozialer Verhältnisse unter denen Natur angeeignet wird im globalen Maßstab: Imperiale Lebens-und rohstoffintensive Produktionsweisen = andere Seite von Rohstoffausbeutung, Rohstoffabhängigkeit, ökologischer Zerstörung, UngleichheitenR 3. Umsetzung, Gestaltung? = Offene gesellschaftliche Frage, es kann keine top-down, one size fits all Lösungen geben 4. Jenseits Debatten: soziale Kämpfe und daraus entstehende Forderungen und Praktiken 16

17 VIELEN DANK für die Aufmerksamkeit!