Sophia Pieronczyk Januar Ein Redewettbewerb durchgeführt vom Verein EU-Kanton Rhein-Main e.v.

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1 Meine Rede für Europa 2016 Ein Redewettbewerb durchgeführt vom Verein EU-Kanton Rhein-Main e.v. Für welche Werte steht Europa? Sehr geehrte Damen und Herren, als 1951 mit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl der Grundstein für die europäische Einigung gelegt wurde und sechs Staaten sich zu einer gleichberechtigten Partnerschaft verpflichteten, war es kaum vorstellbar, dass aus den Völkern Europas, die sich zuvor erbittert bekämpft hatten, Verbündete, sogar Freunde werden konnten. Heute umfasst das europäische Projekt 28 Staaten und mehr als 500 Millionen Menschen, die ganz selbstverständlich die innereuropäischen Grenzen passieren, um beispielsweise zum Studieren in andere europäische Städte zu ziehen. Frieden, Wohlstand, offene Grenzen, eine gemeinsame Währung viele dieser Errungenschaften der europäischen Integration sind für die Menschen in Europa selbstverständlich geworden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass viele dieser Selbstverständlichkeiten wieder eingeschränkt werden. Wegen des andauernden Ansturms von Flüchtlingen wollen mehrere europäische Länder ihre Grenzen besser sichern. Frankreich und Großbritannien haben ihre Grenzen unlängst dicht gemacht. Beide Länder wollen mit einer gemeinsamen Kommandozentrale im nordfranzösischen Calais Flüchtlingen den Weg nach England versperren und gegen die kriminellen Schleuser vorgehen. Bereits seit Juli sind die Versuche von Migranten, über den Eurotunnel nach Großbritannien zu gelangen, aufgrund von gesteigerten Sicherheitsmaßnahmen deutlich gesunken. Auch Ungarn versucht, Flüchtlinge mit Stacheldraht zu stoppen. Ein etwa 180 Kilometer langer Zaun soll die Flüchtlinge aufhalten. Kann durch diese Maßnahmen wirklich der Zustrom von Flüchtlingen gebremst werden? Dadurch wird aber genau das Gegenteil erreicht: Viele Flüchtlinge wissen von dem Zaun und versuchen, noch rechtzeitig in die EU zu gelangen, bevor der Zaun fertiggestellt ist. Andere wiederum halten es für unmenschlich, Grenzen zu errichten. Es sei nicht zu verantworten, dass dadurch viele Menschen sterben. Ein Flüchtling bringt die Problematik auf den Punkt: Wir sind vor dem Krieg geflohen. Vor der Zerstörung. Wir haben alles verloren: Unsere Familien, unsere Kinder. Die Bomben töten uns. Es gibt viele Waffen in den Straßen. Wir 1

2 brauchen Europa. Wir müssen leichter nach Europa kommen können. Aber wir sagen auch: Danke Europa." In Bezug auf die Flüchtlingsproblematik scheint die Gesellschaft gespalten zu sein: Die einen wollen den Flüchtlingen, so gut es geht, helfen. Andere plädieren zuerst dafür, den hilfsbedürftigen Menschen des eigenen Landes zu helfen. Viele stellen sich die Frage, ob es gerecht sei, dass so viel für Flüchtlinge getan wird. Für mich steht fest: Diese Menschen benötigen dringend Hilfe. Dabei rücken auch wieder die Werte der EU in den Vordergrund. Wäre es sinnvoll, Flüchtlinge zurückzuschicken, wo die EU doch immer für Werte wie Solidarität, Toleranz und die Achtung der Menschenrechte plädiert? Trotzdem werden immer wieder einige dieser Errungenschaften infrage gestellt. Wenn es um Werte geht, herrscht Einigkeit. Werte sind gut! Wir alle brauchen Werte. Werte sind das, was wir auf keinen Fall verlieren wollen, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Wertvoll nennen wir, was uns wichtig ist, wonach wir unser Leben ausrichten. Doch, für welche Werte steht Europa? In Artikel 2 des Vertrages über die Europäische Union heißt es: Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenrechte, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedsstaaten einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und Gleichheit von Männern und Frauen auszeichnet. Natürlich kann Deutschland nicht alle Flüchtlinge aufnehmen. Doch Menschen, die vor Krieg und Terror flüchten, die Tür vor der Nase zuschlagen, anderen das Problem zu überlassen und zugleich nach europäischer Solidarität rufen das geht auch nicht! Es wird deutlich, dass Europa gebraucht wird. Europa muss wieder als gemeinsames Projekt Europa betrachtet werden, denn dieses europäische Projekt ist zurzeit in Gefahr. Gerade die Schuldenkrise Griechenlands und der Umgang mit der Krise zeigen: So ein Europa kann keiner wollen. Misstrauen und nationaler Eigensinn drohen das Projekt Europa zu vergiften. Wir müssen uns entscheiden: Wollen wir ein Europa, in dem nationale Interessen allem anderen übergeordnet werden? Oder wollen wir ein starkes, gemeinsames Europa der Solidarität und des gegenseitigen Vertrauens? Wir müssen uns bewusst machen, für welche Werte Europa eigentlich steht. Danach gefragt, welche Werte am besten die Europäische Union repräsentieren, nannten im Herbst 2010 bei einer Eurobarometer-Umfrage je 38 Prozent der Befragten die Werte Menschenrechte und Demokratie. Der spanische Philosoph Ortega y Gasset sagte Anfang des letzten Jahrhunderts, vier Fünftel unserer geistigen Habe seien europäisches Gedankengut. Wenn man einmal die verschiedenen europäischen Länder vergleicht, so stellt man fest, dass die wesentlichen Werte und Interessen identisch sind. Das aus dem Christentum erwachsene Menschenbild verbindet die Menschen 2

3 der europäischen Länder. Sie bildet damit eine Wertegemeinschaft. Das geistige und kulturelle Erbe Europas ist ein Zusammenschluss aus griechischer Philosophie, römischem Recht, Christentum, Humanismus und Aufklärung. Die gemeinsamen Werte und Interessen der Europäer müssen weiterhin das Fundament der Union bleiben. Die Bürger der EU müssen eine Verbindung untereinander spüren, was eine Identifizierung mit der gemeinsamen europäischen Politik und der gemeinsamen europäischen Idee voraussetzt. Dabei ist die Identifizierung mit den Zielen eine Sache des Kopfes, die Identifizierung mit den Werten allerdings eine Sache des Herzens. Auf diesen beiden Identifizierungen, der gemeinsamen Kultur und Geschichte, baut die Europäische Union auf. Wir müssen uns klarmachen, dass uns Europäer mehr eint als unterscheidet. Aus diesem Grund ist eine Zusammenarbeit aller EU-Länder wichtig. Nur so kann politische, wirtschaftliche und soziale Solidarität innerhalb Europa funktionieren. Die Europäische Union sollte nicht nur im institutionellen Sinne handlungsfähig sein, um neuen Herausforderungen, wie dem Klimawandel, der Energiesicherheit, dem Kampf gegen den Terrorismus und organisiertes Verbrechen sowie der Immigration, begegnen zu können. Es muss klar sein, auf welchen Werten die EU aufbaut und, welche Ziele dahinter stehen. Jeder von uns sollte sich diese Werte immer wieder ins Gedächtnis rufen, denn wir sind Teil des Projektes. Nur, wenn auch alle Europäer davon überzeugt sind, ist ein Zusammenhalt innerhalb der Mitgliedsstaaten möglich. Die neuen Herausforderungen und Probleme können nur gemeinsam gelöst werden, auf nationaler Ebene ist dies kaum möglich. Durch ihre Werte zeigt die EU, dass sie längst keine wirtschaftliche Zweckgemeinschaft mehr ist, sondern ein Raum, der ein gemeinsames Leben ohne Grenzen in Frieden, Freiheit und Wohlstand ermöglicht. Denken wir an all die schrecklichen Ereignisse aus 2015 zurück, wie zum Beispiel die Terroranschläge in Paris, erkennen wir daran, dass gerade durch solche Situationen ganz Europa zusammenrückt. Wir merken in solchen Momenten, dass uns Europäer doch mehr eint und verbindet, als unterscheidet. Auch Angela Merkel betonte dabei: Dieser Angriff gilt nicht nur Paris. Er meint uns alle und er trifft uns alle. Deswegen werden wir auch alle gemeinsam die Antwort geben. Wir wissen, dass unser freies Leben stärker ist als jeder Terror. Mit dem Wir meint Merkel ganz klar die Europäische Union. Es ist essentiell, dass es eine Verbindung zwischen den Menschen in Europa und ihren Politikern gibt. Das ist die Stärke der EU: Dass geredet und der Konsens gesucht wird. Tatsächlich, bei aller Trauer und Wut: Es ist auch ein Moment, in dem sich Europa auf seine Grundwerte besinnt. Angesichts des Terrors haben all die Krisen, über die nun schon so lange geredet wird, plötzlich weniger Gewicht. Das griechische Euro-Drama, die Debatte über einen 3

4 Abschied Großbritanniens aus der EU, sogar die Flüchtlingskrise eine kleine Weile ist das alles von viel geringerer Bedeutung. Jean Monnet, der auch als Vater Europas bezeichnet wird, sagte: Wir einigen keine Staaten, wir führen Menschen zusammen. Und genau das ist der Punkt: Nicht die wirtschaftlichen Interessen der EU sollten im Vordergrund stehen, sondern die gemeinsamen Werte, auf die sich die EU gegründet hat. Nicht die Wirtschaft, sondern der Mensch, steht im Mittelpunkt. Wir müssen uns bewusst machen, dass die EU keine Zweckgemeinschaft ist. Hinter der EU stehen echte Werte, die leider oftmals in Vergessenheit geraten. Gerade bei Meinungsunterschieden innerhalb der EU ist es wichtig, an die gemeinsamen Werte erinnert zu werden. Unter den 28 Mitgliedsstaaten gibt es immer wieder Meinungsverschiedenheiten, welche häufig zu Diskussionen, vor allem über die Verteilung der Gelder, führen. Über diese vermeintlichen Ungerechtigkeiten gibt es häufig Streitigkeiten, doch letztendlich herrscht Einigkeit darüber, dass der gesamte Wirtschaftsraum der EU weiterentwickelt werden soll und dazu müssen eben besonders die schwächeren Länder unterstützt werden. Ob allerdings der Weg hin zu einer auch politisch wirklich geschlossenen Einheit gelingt vom Staatenbund zum Bundesstaat-, das wird die Zukunft zeigen. Für mich sind die europäischen Werte die Grundlage für die Zukunft Europas. Nur durch diese Werte kann das Projekt Europa weitergeführt werden. Ohne diese Werte wäre die EU nicht das, was sie heute ist. Richard von Weizsäcker sagte einmal: Wo Freiheit, Menschenrechte und Pluralismus sind, da ist Europa. Vielen Dank. 4

5 Notwendige Angaben: Name der Schülerin: Jahrgangsstufe: Sophia Pieronczyk Q2 Geburtsdatum: Schule: Anschrift: -Adresse: Betreuende Lehrkräfte: Hohe Landesschule Hanau Friedlandstraße 15, Bruchköbel Johanna Ritz, Dennis Steiner Quellen: Flue Informationen zur politischen Bildung: Europäische Union Nummer 279, Seite 3 Buchners Kompendium Politik, C.C. Buchner, 2010, Seite Christian Deick: Deutsche Geschichte Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Ravensburger Buchverlag, Seite Hanauer Anzeiger vom 16. November 2015: Das Ende des Europa, wie wir es kennen (Christoph Sator) Hanauer Anzeiger vom 04. Januar 2016: Debatte um Asyl-Obergrenze: C und S streichen von Claus Schöner Der Wert der Werte Eine Sonderveröffentlichung von Handelsblatt und Hohe Luft, Seite 8 5