Die Geldpolitik des Eurosystems in der Praxis. Dr. Ernest Gnan und Dr. Claudia Kwapil Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen 20.
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- Bärbel Fürst
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1 Die Geldpolitik des Eurosystems in der Praxis Dr. Ernest Gnan und Dr. Claudia Kwapil Abteilung für volkswirtschaftliche Analysen 20. September 2013
2 Überblick 1. Grundlegendes 2. Ziel(e?) der Geldpolitik 3. Wie funktioniert Geldpolitik? 4. Unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik
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8 ..und am 1. Jänner 2014 wird Lettland als 18. Land dem Euroraum beitreten.
9 Kreislauf der Wirtschaft Nachfrage Einkommen Produktion 4 Sektoren: Haushalte, Unternehmen, Staat, Ausland Interagieren über 3 Märkte: Arbeitsmärkte, Märkte für Vorleistungsgüter, Finanzmärkte Wenn Güter und Dienstleistungen hergestellt werden, entsteht Einkommen für Arbeitnehmer und Unternehmer. Wird dieses Einkommen für Konsum und Investitionen ausgegeben, entsteht neue Nachfrage. Diese Nachfrage sorgt für neue Produktion. Schocks innerhalb dieses Kreislaufs können die Wirtschaft kurz- bis mittelfristig dämpfen oder anheizen.
10 Der Konjunkturzyklus Stylized Business Cycle GDP Recession Recovery Boom Downturn Langfristiger Trend wird bestimmt durch 1. Bevölkerung 2. Kapital 3. Produktivität Zyklus = Abweichung vom Trend Outputlücke (OL) Rezession: Produktion < Trend negative OL. Nachfrage, Arbeitslosigkeit, Inflation. Boom: Produktion > Trend, positive OL. Nachfrage, Arbeitslosigkeit, Inflation. Trend GDP time Geld- und Fiskalpolitik zielen darauf ab, die Produktion nahe am Trend zu halten und den Zyklus zu minimieren.
11 Antizyklische Makropolitik zielt darauf ab, den Zyklus zu dämpfen Boom Rezession Fiskalpolitik Budgetüberschuss (Ausgaben kürzen und/oder Steuern anheben) dämpft die aggregierte Nachfrage Budgetdefizit (Ausgaben anheben und/ oder Steuern senken) unterstützt die aggregierte Nachfrage Achtung: langfristige Finanzierungsgrenzen Geldpolitik Anheben der Leitzinsen dämpft das BIP-Wachstum und die Inflation Senken der Leitzinsen verhindert Deflation und unterstützt das BIP- Wachstum
12 Unterschiedliche Politikbereiche Geldpolitik Fiskalpolitik Strukturpolitik Ziel(e): Preisstabilität Konjunkturzyklus Instrumente: Leitzinsen unkonventionelle Maßnahmen Ziele: Konjunkturzyklus Faire Verteilung Effiziente Ressourcenallokation Instrumente: Budgetüberschuss, -defizit Zusammensetzung der Einnahmen und Ausgaben Größe des staatlichen Haushalts Ziele: Potenzialwachstum erhöhen Instrumente: Leistungsanreize für Arbeitnehmer und Unternehmer setzen Investition in Bildung, Innovation, Forschung und Entwicklung Steuersystem Arbeitsmarktbedingungen Institutionen
13 Wer ist wofür verantwortlich? Geldpolitik: EZB/Eurosystem Fiskalpolitik: Nationale Regierungen/Parlamente innerhalb des EU-Rahmens Strukturpolitik: Nationale Regierungen/Parlamente und EU (Binnenmarkt) Makroprudenzielle Politik: European Systemic Risk Board plus nationale Finanzmarktaufsicht Lohnpolitik: Sozialpartner und Regierungen/Parlamente (Löhne öffentlicher Bediensteter, Mindestlöhne, etc.)
14 Die Unabhängigkeit des Eurosystems Bei der Wahrnehmung ihrer Befugnisse, Aufgaben und Pflichten darf weder die EZB noch eine NZB noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von EU, nationalen Regierungen u.ä. einholen oder entgegennehmen. EU und nationale Regierungen verpflichten sich, nicht zu versuchen, die EZB und NZBen zu beeinflussen. Verbot der monetären Finanzierung finanziell institutionell Elemente der Zentralbankunabhängigkeit persönlich funktional
15 Verbot der monetären Finanzierung Nach Artikel 123 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sind Überziehungs- oder andere Kreditfazilitäten bei der EZB oder den nationalen Zentralbanken für Organe, Einrichtungen oder sonstige Stellen der Union, Zentralregierungen, regionale oder lokale Gebietskörperschaften oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften, sonstige Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder öffentliche Unternehmen der Mitgliedstaaten ebenso verboten wie der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln von diesen durch die EZB oder die NZBen. Das bedeutet, dass die EZB und die NZBen weder am Primärmarkt Staatsanleihen kaufen noch direkt Kredite an Regierungen der Länder vergeben dürfen.
16 Überblick 1. Grundlegendes 2. Ziel(e?) der Geldpolitik 3. Wie funktioniert Geldpolitik? 4. Unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik
17 Ziel(e?) der Geldpolitik (Art 127 AEUV) Das vorrangige Ziel des [Eurosystems] ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten. Soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, unterstützt das [Eurosystem] die allgemeine Wirtschaftspolitik in der Union, um zur Verwirklichung der in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Ziele der Union beizutragen. Das [Eurosystem] trägt zur reibungslosen Durchführung der von den zuständigen Behörden auf dem Gebiet der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems ergriffenen Maßnahmen bei.
18 Gefahren von (hoher) Inflation Verzerrung der relativen Preise Kosten der Preisänderung (menu costs) Flucht in andere Währungen oder in Sachwerte Kosten der Informationsbeschaffung steigen Implizite Besteuerung von Bargeld Störung der Steuertarife ( kalte Progression ) Risikoprämien auf langfristige Zinsen
19 Vorteile geringer positiver Inflation Messfehler im Preisindex Absicherung gegen Deflationsgefahr Anpassung bei nominellen Rigiditäten Notenbanken tolerieren geringfügige Inflationsraten (meist bei 2%)
20 Definition des EZB-Rats von Preisstabilität Jährlicher Anstieg des HVPI von unter, aber nahe bei 2% mittelfristig im Durchschnitt des Euroraums Eurosystem vermeidet sowohl Inflation als auch Deflation Kurzfristige Abweichungen durch vorübergehende Schocks toleriert, da unvermeidlich (z.b. Ölpreise, Steuererhöhungen) Abweichungen zwischen Ländern des Euroraums unvermeidlich
21 Überblick 1. Grundlegendes 2. Ziel(e?) der Geldpolitik 3. Wie funktioniert Geldpolitik? 4. Unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik
22 Geldpolitik des Euroraums: Leitzinsen seit Zinssätze in % Quelle: EZB Spitzenrefinanzierungsfazilität Einlagefazilität Zinssatz im Hauptrefinanzierungsgeschäft EONIA
23 Die ständigen Fazilitäten Durch die Festsetzung der Zinssätze für die ständigen Fazilitäten bestimmt der EZB-Rat einen Korridor, innerhalb dessen der Tagesgeldsatz am Geldmarkt schwanken kann. Beide Fazilitäten können von den Geschäftspartnern auf eigene Initiative über Nacht in Anspruch genommen werden. In der Spitzenrefinanzierungsfazilität können sich Banken Liquidität leihen und in der Einlagefazilität Überschussliquidität anlegen. Kreditinstitute nutzen die ständigen Fazilitäten normalerweise nur, wenn sie keine anderen Möglichkeiten (z.b. am Geldmarkt) haben.
24 Liquiditätsbereitstellung Bank Zentralbank Bank Bank Bank
25 Wie funktioniert Geldpolitik? (Transmission) Leitzinssätze Kreditangebot Geldmarktzinssätze Zinserwartungen Kreditkanal Vermögenspreise Sicherheiten Bilanzkanal Vermögenskanal Kundenzinssätze der Banken Zinskanal Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Wechselkurs Wechselkurskanal Konsumentenpreisinflation
26 Zinskanal Die Geldpolitik wirkt auf die Wirtschaft hauptsächlich über den Zinskanal. Auswirkungen einer Zinsanhebung: Leitzinsen Geldmarktzinsen (Zinsen für kurzfristige Kredite zwischen den Banken) steigen. Gepaart mit Erwartungen über weitere Leitzinsentscheidungen Wirkung auf längerfristige Marktzinsen. Kundenzinsen der Banken steigen. Bei stabilen Inflationserwartungen führt dies zu steigenden Realzinsen höhere Kreditkosten. Investitionen und Konsum sinken Inflation sinkt.
27 Wechselkurskanal Auswirkungen einer Zinsanhebung: Höheres Zinsniveau im Vergleich zu anderen Währungen Zinsvorteil Kapitalzufluss Heimwährung wertet auf. Aufwertung verteuert heimische Produkte im Ausland Verlust an Marktanteilen (d.h., geringere ausländische Nachfrage) Inflation sinkt. Importierte Produkte werden billiger und ersetzen heimische Substitution Inflation sinkt. Gleichzeitig auch direkter Effekt auf heimische Inflation: ausländische Produkte werden im Warenkorb billiger dämpft Inflation.
28 Vermögenskanal Auswirkungen einer Zinsanhebung : Höheres Zinsniveau Gegenwartswert von Vermögenswerten (z.b. Aktien, Immobilien) sinkt Vermögen nimmt ab Konsumnachfrage sinkt dämpft Inflation. Basiert auf der Annahme, dass Vermögen die Konsumnachfrage beeinflusst. Spielt im Euroraum nur eher geringe Rolle, in USA mehr. Immobilienpreisschwankungen sind wichtiger als z.b. Aktienkursschwankungen. Hängt auch von der erwarteten Dauerhaftigkeit der Veränderungen ab: vorübergehender Vermögensverlust bringt geringere Reaktion.
29 Wie funktioniert Geldpolitik? (Transmission) Leitzinssätze Kreditangebot Geldmarktzinssätze Zinserwartungen Kreditkanal Vermögenspreise Sicherheiten Bilanzkanal Vermögenskanal Kundenzinssätze der Banken Zinskanal Gesamtwirtschaftliche Nachfrage Wechselkurs Wechselkurskanal Konsumentenpreisinflation
30 Wirkung von Geldpolitik
31 Zusammenfassung: Geldpolitische Transmission im Euroraum Geldpolitik im Euroraum wirkt vorwiegend über den Zinskanal. Zinsentscheidungen wirken sich auf die Finanzierungsbedingungen der Realwirtschaft mit einem zeitlichen Abstand aus, der vom Funktionieren des geldpolitischen Transmissionsmechanismus abhängt. Das reibungslose Funktionieren des Geldmarktes und der Märkte für langfristige Anleihen ist zentral für die geldpolitische Transmission. Eine Anhebung der Zinsen führt zu einem vorübergehenden Rückgang der Wirtschaftsleistung, der nach rund 1 1½ Jahren seinen Höhepunkt erreicht. Die Inflation reagiert langsamer. Einen spürbaren Effekt auf die Inflation beobachtet man nach rund 1½ 2 Jahren.
32 Überblick 1. Grundlegendes 2. Ziel(e?) der Geldpolitik 3. Wie funktioniert Geldpolitik? 4. Unkonventionelle Maßnahmen der Geldpolitik
33 Austrocknung des Interbankenmarktes und anderer Finanzierungsquellen EZB fungiert als Zwischenhändlerin Zentralbank Bank Bank Bank Bank
34 Die Herausforderungen für die Geldpolitik in der Krise Spannungen im Finanzsystem: Risikoprämien steigen Staatsschuldenkrise: Fragmentierung der Kreditmärkte Risikoaufschläge im Interbankenmarkt EURIBOR - EONIA-Swap in Basispunkten 300 Renditenaufschläge auf 10-jährige Staatsanleihen 2000 in Basispunkten, im Vergleich mit Deutschland Jan-07 Jan-08 Jan-09 Jan-10 Jan-11 Jan-12 Jan-13 1M Laufzeit 3M Laufzeit 6M Laufzeit 1J Laufzeit Quelle: Thomson Reuters, eigene Berechnungen Jul/09 Jan/10 Jul/10 Jan/11 Jul/11 Jan/12 Jul/12 Jan/13 Jul/13 Quelle: EZB. ES IE IT PT FR BE GR (RHS)
35 Die Antworten der Geldpolitik des Eurosystems Spannungen im Finanzsystem: Risikoprämien steigen Das Eurosystem stellt den Banken Zentralbankliquidität dem Bedarf entsprechend zur Verfügung (Details dazu auf der nächsten Folie). Staatsschuldenkrise: Fragmentierung der Kreditmärkte Investoren beginnen das Risiko eines Auseinanderbrechens des Euroraums einzupreisen Redenominierungsrisikoprämien die Weitergabe der Geldpolitik wird behindert. Das Eurosystem reagiert mit dem Programm für geldpolitische outright Geschäfte.
36 Liquiditätsbereitstellung - Häufigere und größere 1500 Operationen. - Umstellung auf 1000 Fixzinstender mit voller Zuteilung. - Operationen mit 500 längeren Laufzeiten (bis zu 3 Jahre). 0 - Mehr Sicherheiten zugelassen Starker Anstieg bei Einlagen auf Einlagefazilität Liquiditätsbereitstellung im Euroraum nach Laufzeit der Operationen, in Mrd Euro Quelle: EZB. Spitzenrefinanzierung Hauptrefinanzierung (inkl. Bridging) 1M 3M 6M 12M bis 3J Covered bonds Einlagenfazilität + Überschussreserven Liquiditätsbedarf Liquiditätsbedarf (linear fortgeschrieben)
37 Geldpolitische Outright Geschäfte (OMT Outright Monetary Transactions) Ziel des Programms ist es, eine ordnungsgemäße geldpolitische Transmission und die Einheitlichkeit der Geldpolitik im Euro-Währungsgebiet sicherzustellen. Käufe von Staatsanleihen am Sekundärmarkt. Weder eine quantitative Beschränkung, noch ein Zeitlimit. Konzentriert sich auf Staatsanleihen mit ein- bis dreijähriger Laufzeit. Notwendige Bedingung: Strikte Konditionalität im Rahmen eines ESM- Programms. Pari passu : Das Eurosystem akzeptiert im Falle eines Zahlungsausfalls die gleiche Behandlung wie andere Kreditgeber. Vollständige Sterilisierung des Liquiditätseffekts.
38 Zusammenfassung: Geldpolitische Reaktionen auf die Krise Aug. 2007: Okt. 2008: Juni 2009: Mai 2010: Extra Liquidität (ab Dez auch in USD) wird zur Verfügung gestellt Umstellung auf Fixzinstender mit voller Zuteilung Programm zum Ankauf gedeckter Schuldverschreibungen (CBPP) Programm zum Ankauf von Staatsanleihen (SMP) Dez. 2011: Maßnahmen zur Förderung der Geldmarktaktivität und die Unterstützung der Kreditvergabe der Banken (3-Jahrestender und Absenkung der Mindestreservepflicht auf 1%) Aug. 2012: Möglichkeit von geldpolitischen outright Geschäften (OMT)
39 Empfohlene Literatur Die Geldpolitik der EZB a0a7f1926a2dbe348ec4ab34e3c81347 Preisstabilität: Warum ist sie für Sie wichtig? pdf?0848f24dcb231a0ad63ce0ee82b88321 Monatsberichte der EZB Pressekonferenz nach EZB-Räten
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