324 Düsseldorf, den 15. November 2011
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- Gisela Pohl
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1 324 Düsseldorf, den 15. November 2011 Grußwort zur Eröffnung der LVR-Fachtagung Kinderschutz in gemeinsamer Verantwortung von Schule und Jugendhilfe 16. November 2011 in Köln Sehr geehrte Damen und Herren, im Namen des Ministeriums für Schule und Weiterbildung sowie des Ministeriums für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport heiße ich Sie herzlich willkommen und möchte Sie zur heutigen Fachkonferenz Kinderschutz in gemeinsamer Verantwortung von Schule und Jugendhilfe begrüßen. Sie findet dieses Jahr im Rahmen der inzwischen schon traditionsreichen und bewährten Netze der Kooperation statt. Ich freue mich über das große Interesse an der heutigen Veranstaltung. Die hohe Resonanz macht deutlich, wie wichtig Ihnen und uns allen das Thema Kinderschutz ist. Beigetragen zur Erfolgsgeschichte der Kinderschutztagungen hat insbesondere auch die von Schul- und Jugendministerium 2007 eingerichtete landesweite Arbeitsgruppe Kinderschutz und Schule, bei der ich mich für die Vorbereitung herzlich bedanken möchte. I. Jedes Kind hat nach Art. 8 unserer Landesverfassung einen Anspruch auf Erziehung und Bildung. Die Erziehung und Bildung ihrer Kinder zu bestimmen, ist das natürliche Recht der Eltern. Die meisten Eltern tun dies auch verantwortungsbewusst, vorbildlich und mit viel Liebe. Dennoch gibt es Risiken, die zu einer potentiellen Kindeswohlgefährdung führen können. Dies zeigt sich leider auch an den nach wie vor steigenden Unterstützungsbedarfen im Bereich der Hilfen zur Erziehung und der steigenden Anzahl von Inobhutnahmen I:\Netze 14\Dokumentation\Internet\Anke Hein - MSW - Grußwort doc 1 von 6
2 durch die örtlichen Jugendämter, die nicht nur auf eine erhöhte Sensibilisierung aller Beteiligten zurückzuführen ist. Wir alle wissen: Kinder haben ein Recht darauf, seelisch und körperlich gesund und gewaltfrei aufzuwachsen und brauchen Unterstützung, wenn sie sich die Welt Schritt für Schritt erobern. Sie müssen vor Vernachlässigung, Misshandlungen und Missbrauch geschützt werden. Dies ist allerdings nicht nur Aufgabe der Eltern, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und Verantwortung. Leider sind viele Eltern mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Es ist angesichts mancher gesellschaftlicher Entwicklungen auch gar nicht so einfach. Es muss in allen Teilen unserer Gesellschaft eine Kultur des Hinschauens und des Sich-Kümmerns entstehen und zur Selbstverständlichkeit werden. Prävention und Intervention sind hierfür von entscheidender Bedeutung. Jugendämter, Beratungsstellen, Kindertageseinrichtungen und Schulen sowie Hebammen, Geburtskliniken und Kinderärztinnen und Kinderärzte tragen hierbei eine ebenso hohe Verantwortung und stehen genauso in der Pflicht wie die Politik. Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat daher 2006 mit 42 Abs. 6 eine in Deutschland einmalige Formulierung ins Schulgesetz aufgenommen, wonach jedem Anschein von Vernachlässigung oder Misshandlung nachzugehen ist. Damit hat Nordrhein-Westfalen als erstes Bundesland auf schulischer Seite ein Gegenstück zu den rechtlichen Regelungen für die Kinder- und Jugendhilfe in 8a SGB VIII geschaffen. II. Ziel des geplanten Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG) ist es, einen umfassenden, wirksamen und aktiven Kinderschutz zu ermöglichen. Es soll Kinder und Jugendliche sowie ihre Familien als auch alle Akteure, die sich im Kinderschutz engagieren, stärken und enthält ein breites Spektrum von unterschiedlichen Maßnahmen, auf die Frau Dr. Bathke noch ausführlich eingehen wird. I:\Netze 14\Dokumentation\Internet\Anke Hein - MSW - Grußwort doc 2 von 6
3 Hierzu sollen u.a. lokale Netzwerke mit verlässlichen Arbeits- und Kommunikationsstrukturen, insbesondere für Frühe Hilfen, geschaffen bzw. vorhandene gestärkt werden und die einzelnen Institutionen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, der Familienhilfe und des Gesundheitswesens sowie Schulen verbindlich zusammenarbeiten. Die Qualitätsentwicklung soll künftig für alle Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe festgeschrieben und in Vereinbarungen mit den freien Trägern als Voraussetzung ihrer Förderung geregelt werden. III. Trotz vieler positiver Aspekte wirft das neue Bundeskinderschutzgesetz sowohl Licht als auch Schatten voraus. Die konkrete Umsetzung dieses Gesetzentwurfs wird alle Akteure vor neue große Herausforderungen stellen, nicht zuletzt im Hinblick auf zusätzliche Verpflichtungen und die Konnexitätsproblematik. Die Landesregierung sieht eine deutliche Unterfinanzierung der im Gesetzentwurf angegebenen Kosten. Zudem fehlen Aussagen über eine dauerhafte und verlässliche Finanzierung, damit vor Ort entsprechende Grundlagen und Strukturen geschaffen werden können. Mit dem verstärkten Auftrag zur Qualitätsentwicklung und dem damit z.b. verbundenen, aber auch zu begrüßenden Beratungsanspruch für alle Lehrerinnen und Lehrer, kommen nach derzeitigem Eindruck bei unseren fast Schulen im Land neue, in ihrer Dimension noch nicht abschätzbare Aufgaben auf die Jugendhilfe sowie Qualifizierungsbedarfe zu, ebenso eine damit einhergehende dauerhafte finanzielle Mehrbelastungen der Kommunen. Hier gilt: Sollten den Kommunen die erforderlichen Haushaltsmittel nicht zur Verfügung stehen, ist mit einer erfolgsversprechenden Umsetzung der neuen Vorgaben in der Alltagspraxis nicht zu rechnen. I:\Netze 14\Dokumentation\Internet\Anke Hein - MSW - Grußwort doc 3 von 6
4 IV. Aktuell ist das Gesetzgebungsverfahren nach der öffentlichen Experten- Anhörung im September trotz überwiegend positiver Bewertung und der Verabschiedung im Deutschen Bundestag am 27. Oktober in eine äußerst spannende Phase eingetreten. Aufgrund der bereits angesprochenen fehlenden Kostentransparenz und der infolge des Gesetzes auf die Länder direkt und indirekt zukommenden finanziellen Mehrbelastungen deutet es sich jedoch an, dass der Bundesrat in seiner Sitzung am 25. November dem Gesetzentwurf nicht zustimmen wird und der Vermittlungsausschuss voraussichtlich angerufen werden muss. Das hätte zur Folge, dass das Gesetz wahrscheinlich nicht wie vorgesehen zum 1. Januar 2012 in Kraft treten kann. Man denke an das langwierige Vermittlungsverfahren zur Verabschiedung des Bildungs- und Teilhabepakets zurück. V. Was aber plant unsere Landesregierung vor dem Hintergrund des Bundeskinderschutzgesetzes? Die Zielperspektive der Landesregierung muss ein strukturiertes, systematisches Gesamtkonzept sein, das den Kinderschutz auf breiter Ebene in Nordrhein-Westfalen in den Blick nimmt und weiterentwickelt. Es gilt, ein möglichst dichtes, effizientes System der Frühen Hilfen und der Vernetzung der Akteure dort zu entwickeln, wo es noch nicht vorhanden ist, bzw. dieses zu verstetigen, wo bereits gute Ansätze vorhanden sind. Notwendig sind hier insbesondere verlässliche Vereinbarungen zwischen der Kinder- Jugend- und Familienhilfe, der Schule und dem Gesundheitswesen. Trotz aller Kritik im gegenwärtigen Gesetzgebungsverfahren bieten die geplanten Ausführungen des Bundeskinderschutzgesetzes hierzu thematisch einen fundierten Rahmen. I:\Netze 14\Dokumentation\Internet\Anke Hein - MSW - Grußwort doc 4 von 6
5 Allerdings sollte Grundidee eines eventuellen Landesausführungsgesetzes sein, eine deutliche Akzentuierung der Verantwortung auf Vernetzung aller Akteure darzustellen, damit die Wucht eines neuen Kinderschutzgesetzes nicht allein die Jugendämter/ ASD trifft. VI. Im Zusammenhang Kinderschutz und Schule möchte ich Sie noch über folgende drei Vorhaben des Schulministeriums informieren, die derzeit in Vorbereitung sind und auch für Sie, meine Damen und Herren, von Interesse sein werden: 1. ein Konzept zur Weiterentwicklung der Elternarbeit, um die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus zu intensivieren und die Eltern in ihrer Erziehungskompetenz zu stärken. Das beinhaltet auch, Eltern zu vermitteln, das professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, von Stärke zeugt und nicht von Schwäche. 2. die bessere und effizientere Vernetzung der bereits vorhandenen Beratungssysteme rund um Schule, 3. die Neugestaltung der Beratungslehrerausbildung, um psychosoziale Beratungsprozesse in Schule noch mehr als bisher im Sinne der Kinder und Jugendlichen gestalten zu können. Hierbei ist u.a. ein Modul zum Thema Kinderschutz vorgesehen. Des Weiteren darf ich Sie noch auf das von der Staatskanzlei unabhängig vom Bundeskinderschutzgesetz ins Leben gerufene Projekt Kommunale Präventionsketten hinweisen, das letzte Woche von Frau Ministerpräsidentin Kraft in Essen mit einer großen Auftaktveranstaltung der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Die Kommunalen Präventionsketten sollen sich in Modellkommunen an der Lebensbiographie und den daraus resultierenden besonderen Gefährdungslagen der Kinder und Jugendlichen orientieren, um Brüche in ihren Lebensläufen zu verhindern. Ich weiß, dass es in unserem Land schon viele gute präventive Ansätze gibt. Auch diese gilt es im Sinne von Präventionsketten weiterzuentwickeln. Steigende Fallzahlen belegen nicht, dass Prävention nicht wirkt. Gleichwohl sollte es uns gelingen, über die genannten Mo- I:\Netze 14\Dokumentation\Internet\Anke Hein - MSW - Grußwort doc 5 von 6
6 dellvorhaben auch zu Kennzahlen und Indikatoren des Erfolgs zu kommen. Schließlich muss uns Prävention genauso wichtig werden, wie Intervention. Die Weiterentwicklung von Unterstützungsstrukturen für Kinder und Jugendliche sowie für ihre Familien ist ein wichtiger und unerlässlicher Beitrag zu mehr sozialer Gerechtigkeit. Denn Kinder, meine Damen und Herren, sind unsere Zukunft und die Zukunft unseres Landes. VII. Abschließend möchte ich mich im Namen beider Ministerien noch herzlich bei allen (Mit-)Veranstaltern, sprich bei dem Landesjugendamt Rheinland, den Bezirksregierungen Düsseldorf und Köln und dem Institut für soziale Arbeit (ISA), sowie bei allen Mitwirkenden dieser heutigen Fachkonferenz, herzlich bedanken. Mein Dank gilt aber auch Ihnen, meine Damen und Herrn, sowie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort, die tagtäglich zum Wohle und zum Schutze unserer Kinder und Jugendlichen Bemerkenswertes leisten. Kinderschutz braucht starke Netze - Netze, die Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, lebendig werden lassen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen guten Tagungsverlauf mit vielen interessanten und vor allem neuen Erkenntnissen und Impulsen für Ihre tägliche Arbeit mit und für unsere Kinder und Jugendlichen. Anke Hein, Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes NRW I:\Netze 14\Dokumentation\Internet\Anke Hein - MSW - Grußwort doc 6 von 6
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