Der Mindestlohn in Werkstätten Das süße Gift des Kapitalismus
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- Wilhelmine Armbruster
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1 Mit Menschen erfolgreich. Der Mindestlohn in Werkstätten Das süße Gift des Kapitalismus Anton Senner Vortrag auf der Werkstätten:Messe am 15. April 2016 in Nürnberg
2 Mindestlohn in Werkstätten 1 Gesichtspunkte von Arbeit 2 Die UN Behindertenrechts-Konvention 3 Vergleich der Arbeitsverhältnisse 4 Vergleich der Einkommen 5 Gefahren und eine Zukunftsvision
3 1. Gesichtspunkte von Arbeit Arbeiten ist wichtig für den Menschen und es ist wichtig, eine Arbeit, eine Arbeitsstelle zu haben. Für alle. Auch für diejenigen, die nicht so schnell und gut wie andere arbeiten können. Arbeit ist gut: Weil man gebraucht wird Weil man damit Geld verdient Weil man damit Kontakte und Freunde hat Es gibt gute Arbeit und es gibt schlechte Arbeit. Und es gibt Arbeit, die gut bezahlt ist und solche, die schlecht bezahlt ist. Es ist aber nicht automatisch so, das gute Arbeit auch gut bezahlt wird. Manchmal wird gute Arbeit auch schlecht bezahlt und umgekehrt. Was ist wichtiger?
4 1. Gesichtspunkte von Arbeit Es gibt viele Formen von Arbeit: Selbständig (Bauer, Arzt, Künstler) Arbeitgeber (Unternehmer, Firmenbesitzer) Arbeitnehmer (Arbeiter, Angestellter, Sozialpädagoge, Koch) Arbeitnehmer-ähnlich (WfbM-Beschäftigter, Zivildienstleistender, Soldat) Hausarbeit Ehrenamtliche Tätigkeit Und es gibt viele Formen, den Lebensunterhalt zu verdienen: Durch Arbeit (Erwerbstätige) Durch Familie (Studenten, Hausfrauen und männer) Durch Staat oder Rentenversicherung (Erwerbsunfähige)
5 2. Die UN Behindertenrechts-Konvention Paragraf 27 der UN-Behindertenrechtskonvention: Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird. Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen, einschließlich Chancengleichheit und gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit. Förderung der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im privaten Sektor (in der Wirtschaft) durch geeignete Strategien und Maßnahmen und das Sammeln von Arbeitserfahrung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Unterstützung bei der Arbeitssuche, beim Erhalt und der Beibehaltung eines Arbeitsplatzes und beim beruflichen Wiedereinstieg
6 3. Vergleich der Arbeitsverhältnisse Das normales Arbeitsverhältnis Vorteile: Lohn, von dem man leben kann Gleichberechtigtet Status mit allen Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte (Betriebsrat) Gesellschaftliche Anerkennung Nachteile: Bedrohung durch Kündigung Hoher Leistungsdruck (Geld für Leistung) Höhere Arbeitszeiten
7 3. Vergleich der Arbeitsverhältnisse Das Beschäftigungsverhältnis der Werkstatt (arbeitnehmer-ähnliches Arbeitsverhältnis) Vorteile: Rechtsanspruch auf einen Arbeitsplatz Rentenanspruch nach 20 Jahren und höhere Altersrente Keine Anwendung des Arbeitsnehmerüberlassungsgesetzes (macht ausgelagerte Außenarbeitsgruppen und Einzelarbeitsplätze möglich) Nachteile: Kein Mindest- oder Tariflohn Nur Mitwirkungs- und keine Mitbestimmungsrechte Eventuell gesellschaftliche Diskriminierung
8 4. Vergleich der Einkommen Die Beschäftigung mit Mindestlohn - Arbeitnehmersicht Beispielrechnung für eine 35 Stunden-Woche (Arbeitszeit) Mindestlohn 8,50 pro Stunde Ohne Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (analog Hamburger Budget für Arbeit) Monatslohn 1.293,53 Arbeitnehmeranteil Sozialversicherung - 245,45 Lohn- und Kirchensteuer - 40,33 Arbeitnehmer-Nettolohn 1.007,75
9 4. Vergleich der Einkommen Die Beschäftigung mit Mindestlohn - Arbeitnehmersicht Die Beschäftigung in einer Werkstatt Entgelt 107,63 (Selbstbehalt ; Berechnung s.u.*) Hilfe zum Lebensunterhalt 404,00 Kosten der Unterkunft 349,00 Zuschuss Mietnebenkosten 60,00 Monatseinkommen gesamt 920,63 * Berechnung Selbstbehalt: Entgelt (Bundesdurchschnitt) 186,00 Entgelt 186,00 Arbeitsmittelpauschale - 5,00 Abzug 78,37 Arbeitsförderungsgeld - 26,00 Selbstbehalt 107,63 Ein Achtel des Regelsatz - 50,50 104,50 25% von 104,50-26,13 78,37
10 4. Vergleich der Einkommen Die Beschäftigung mit Mindestlohn Arbeitgebersicht Monatslohn 1.293,53 Arbeitgeberanteile Sozialversicherung + 237,44 Arbeitgeber-Bruttolohn 1.530,97 Abzüglich 75% Lohnkostenzuschuss ,23 (max. nach EU-Recht) Arbeitgeberkosten gesamt 382,74
11 4. Vergleich der Einkommen Schlussfolgerungen für die Beschäftigten 1. Das persönlich verfügbare Einkommen liegt bei Mindestlohn um ca. 87,- monatlich über dem Werkstattentgelt einschließlich staatlicher Unterstützungsleistungen 2. Bei höherem Werkstatt-Entgelt, Fahrkostenzuschüssen oder zusätzlicher Erwerbsminderungsrente verringert sich der Unterschiedsbetrag zum Mindestlohn. 3. Der staatliche Beitrag zur Rentenversicherung von bis zu 412,- pro Monat geht bei einem regulären Arbeitsverhältnis verloren. Folge: die Altersrente wird schlechter. 4. Der verlängerte Anspruch auf Kindergeld von 190,00 monatlich über das 25igste Lebensjahr hinaus kann bei einem auf Mindestlohn basierendem regulären Arbeitsverhältnis verloren gehen.
12 4. Vergleich der Einkommen Schlussfolgerungen für die Werkstatt 1. Die Werkstatt müsste bei regulärer Beschäftigung mit Mindestlohn monatlich mindestens 383,- erwirtschaften. Dies setzt bereits das Höchstmaß der staatlichen Förderung in Höhe von 75% voraus. Mehr ist aufgrund der gesetzlichen Vorschriften ( Gruppenfreistellungsverordnung ) nicht erlaubt. Bei Zahlung von Weihnachtsgeld wird der Betrag noch höher. 2. Bei Werkstätten mit Tarifbindung ist nicht der Mindestlohn sondern ein Tariflohn zu zahlen. Die wirtschaftliche Ertragskraft müsste dann noch einmal wesentlich gesteigert werden. 3. Die Werkstätten werden nicht in der Lage sein, diesen Steigerungsbetrag aus dem Arbeitsergebnis zu erwirtschaften.
13 5. Gefahren und eine Zukunftsvision Risiken I Die Einführung von Mindestlohn bedingt, dass aus dem arbeitnehmerähnlichen ein reguläres Arbeitsverhältnis wird. Von Vielen wird das auch ausdrücklich so gewollt. Konsequenzen: 1. Keine dauerhafte Außenarbeitsgruppen und ausgelagerte Einzelarbeitsplätze mehr. Es wirken dann die gesetzlichen Einschränkungen der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit). 2. Anreiz zum Verbleib in der Werkstatt 3. Sinkende Akzeptanz der Werkstatt-Leistung. Die Werkstatt wird zum normalen Arbeitgeber. 75% Lohnkosten-Zuschuss werden als überhöht bewertet. Alle anderen Aufwendungen für Betreuung, Pflege, Fahrdienst, Essen, Qualifizierung müssen zusätzlich finanziert werden.
14 5. Risiken und eine Zukunftsvision Risiken II Der Rechtsanspruch auf einen Arbeitsplatz in der Werkstatt gilt nur bei Erfüllung des Kriteriums der Erwerbsunfähigkeit. Mindestlohn und regulärer Arbeitnehmerstatus stehen genau für das Gegenteil. Sie stehen für Erwerbs- und vor allem für volle Wettbewerbsfähigkeit im Arbeitsmarkt. Der Mindestlohn ist die süße Verlockung, die Einordnung in Wettbewerbsgesellschaft mit ihren Aussonderungsmechanismen der bittere Preis.
15 5. Risiken und eine Zukunftsvision Chancen! Die Leistung der Werkstatt ist mehr und etwas anderes als die individuelle Förderung eines Arbeitsverhältnisses. Sie richtet sich nach der Person aus und nicht nach dem Produkt. Sie bietet angemessene Arbeitsplatzgestaltung, Berufsbildung, Rehabilitation, Persönlichkeitsförderung, Pflege, Fahrdienst. Die Werkstatt erbringt ihre Leistungen zunehmend außerhalb der eigenen Wände, in Unternehmen und Gesellschaft. Der Weg in die Inklusion verläuft über ausgelagerte Außenarbeitsgruppen und Einzelarbeitsplätze (Evaluation Hamburger Budget für Arbeit). Bis zu einer vollkommen inklusiven Gesellschaft braucht es Werkstatt. Und es braucht einen viel leichteren Übergang in reguläre Beschäftigung, ausgestattet mit einem persönlichen Budget für Arbeit und verbunden mit einem Rechtsanspruch.
16 5. Risiken und eine Zukunftsvision Eine Alternative Der Mindestlohn ermöglicht ganz oder teilweise - eine eigenständige Sicherung des Lebensunterhalts. Er setzt ein reguläres Arbeitsverhältnis voraus. Das Werkstatt-Entgelt macht von staatlichen Unterhaltsleistungen abhängig. Es setzt ein arbeitnehmerähnliches Arbeitsverhältnis voraus. Eine Alternative zum Mindestlohn kann eine deutliche Erhöhung des Arbeitsförderungsgeldes sein. Dies kann wie modellhaft in Baden-Württemberg in der Arbeitsmarktpolitik erprobt durch den Passiv-Aktiv-Tausch finanziert werden. Aufwendungen für Lebensunterhalt, Unterkunft und Heizung werden über das Entgelt an den Beschäftigten geleistet. Bis Ende 2015 wurden in BaWü mehr als Langzeitarbeitslose in 40 Stadt- und Landkreisen in ein reguläres Arbeitsverhältnis vermittelt.
17 Mit Menschen erfolgreich. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Kontakt: Die Elbe-Werkstätten sind mit knapp Beschäftigten, davon Menschen mit Behinderungen, eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen. Verteilt auf über 50 Standorte in Hamburg und mit einer Inklusionsquote von nahezu 30% (Zahl der Beschäftigten auf Einzelarbeitsplätzen, in Dienstleistungs- und in Außenarbeitsgruppen) sind die Arbeitsangebote arbeitsmarktorientiert und sozialräumlich organisiert.
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