Klaus Mattes (Projektleiter), Stefanie Manzer, Nina Schaffert & Martin Reischmann. Universität Hamburg, Abteilung Bewegungs- und Trainingswissenschaft
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- Carsten Hertz
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1 1 Leistungsdiagnostik von Sprints, Weitsprunganläufen und horizontalen Mehrfachsprüngen sowie Messplatztraining von Weitspringerinnen und -springern im HLT (AZ /13) Klaus Mattes (Projektleiter), Stefanie Manzer, Nina Schaffert & Martin Reischmann Universität Hamburg, Abteilung Bewegungs- und Trainingswissenschaft Kooperationspartner: Uwe Florczak, DLV-Bundestrainer Weitsprung 1 Problemstellung Aus kinematischen und dynamischen Analysen bei Wettkämpfen und im Training sind die leistungsstrukturellen Anforderungen an Anlauf und Absprung und deren gesetzmäßige Zusammenhänge für große Flugweiten beim Weitsprung bekannt (Hay, Miller & Canterna, 1986; Coh, Kugovnik & Dolenec, 1997; Bridgett & Linthorne, 2006; Miladinov, 2006; Huber, 2012). Wichtige kinematische Merkmale sind eine rhythmisierte Anlaufgestaltung, eine zweckmäßige Absprungvorbereitung mit Absenken des Körperschwerpunktes, eine hohe Anlaufgeschwindigkeit ohne bzw. mit nur geringem Geschwindigkeitsverlust vor und während des Absprunges, ein präzises Treffen des Weitsprungbalkens sowie eine optimale Relation zwischen Bodenkontaktzeit, Abflugwinkel und erzeugter horizontaler und vertikaler Abfluggeschwindigkeit in der letzten Stützphase (Brüggemann, Nixdorf & Ernst, 1982; Graham-Smith & Lees, 2005; Linthorne, Guzman & Bridgett, 2005; Bridgett & Linthorne, 2006). Zu den wichtigen dynamischen Merkmalen zählen die horizontalen und vertikalen Kraft-Zeit-Verläufe (ausgeprägter Doppel-Peak, Doppel-Peak, Ansatz zum Doppel-Peak, einfacher Peak), der horizontale Beschleunigungs- und Bremssanteil, der vertikale Beschleunigungsanteil, das erste Kraftmaximum, das Zwischenminimum und das zweite Kraftmaximum des vertikalen Kraftstoßes sowie die sagittalen und frontalen Drehmomente (Miladinov, 2006; Huber, 2012). Die komplexe Weitsprungleistung wird durch den Einsatz verschiedener spezieller Trainingsübungen (Sprints, horizontale Mehrfachsprünge, Weitsprünge aus unterschiedlichen Anlauflängen und -geschwindigkeiten) im Jahreszyklus (Einfach- oder Doppelperiodisierung) aufgebaut (Killing, 2008). Messplatztraining und das regelmäßige Messen der kinematischen und dynamischen Daten im Training, bei Leistungskontrollen oder bei Wettkämpfen können den aktuellen Ist-Stand ermitteln und dadurch Trainerinnen und Trainer sowie Athletinnen und Athleten bei der Trainingssteuerung entscheidend unterstützen. Schon im Jahr 2011 erfolgte regelmäßig ein Messplatztraining mit objektiv ergänzender Rückinformation über die realisierten kinematischen Parameter der Trainingsübungen im Anschluss an die Bewegungsausführung mit der Videoanalyse. Dieses Projekt wurde mit dem Ziel fortgesetzt, die kinematische Analyse um die 3-D-Bodenreaktionskräfte beim Absprung zu erweitern. 2 Methoden Im Trainingsjahr 2013 fand eine kontinuierliche, wissenschaftliche Betreuung ausgewählter A- und B-Kaderathletinnen und -athleten des Deutschen Leichtathletik Verbandes (DLV) unter der Leitung des Bundestrainers Sprung, Uwe Florczak, am Messplatz der Leichtathletikhalle Hamburg statt. Dieser Messplatz umfasst eine fest installierte 50-m-OptojumpNext-Messstrecke der Firma Microgate (Ita-
2 2 Leistungsdiagnostik von Sprints,... lien), die in einer Weitsprunggrube endet sowie eine Kraftmessplatte (Advanced Mechanical Technology, Inc., USA) unter dem Absprungbalken. Untersucht wurden Trainingsübungen wie z. B. Anlaufkontrollen aus unterschiedlichen Anlauflängen, 3er- und 5er-Sprungläufe in die Grube, Dreierhop, Take Offs, Dreisprünge sowie Kombinationen dieser Sprungübungen. Die Kraftmessplatte wurde für Trainingssprünge vom Brett sowie von einer Erhöhung aus unterschiedlichen Anlauflängen und für Take-Off-Sprünge genutzt. Das Messplatztraining erfolgte mit objektiv ergänzenden Schnell- oder Spätinformationen nach der Bewegungsausführung als Ergebnis- und Verlaufsinformation der kinematischen und dynamischen Schritt- und Sprungmerkmale in metrischer Form. Optojump Next ist ein optisches Messsystem zur Aufnahme von Kontakt- und Flugzeiten sowie Schrittweiten. In einer parallelen Messgasse von 50 m sind Infrarotlichtschranken in einem Abstand von einem Zentimeter integriert. Die Messgenauigkeit beträgt bei der Wegmessung ± 0,5 cm und bei der Zeitmessung 1 ms (Messfrequenz 1000 Hz). Aus den Rohdaten der Kraftmessplatte (Messfehler < 1%, Messfrequenz 1000 Hz) kann vor Ort eine Auswertung erstellt werden, die Schrittlänge und Schrittgeschwindigkeit sowie die dynamischen Parameter vereint, die Kraft-Zeit-Verläufe und Drehmomente graphisch darstellt und für den Absprung wichtige Kennwerte tabellarisch abbildet. Die dabei berechneten Zeitintervalle, Brems- und Beschleunigungsanteile, die Kraftimpulse (p) und die Kraftwerte (F) sind in Abb. 1 dargestellt. Abb. 1: Kraft-Zeit-Verläufe der horizontalen (Fx) und vertikalen Kraft (Fz) 3 Ergebnisse Im Rahmen der Diagnostik wurden die individuellen Daten horizontaler Mehrfachsprünge und des Weitsprunganlaufs aus unterschiedlichen Anlaufschritten ausgewertet und zur Dokumentation der Leistungsentwicklung archiviert. Durch den Vergleich der Messdaten konnten Unterschiede zwischen den einzelnen Sprüngen, Sprungreihen und Anlaufkontrollen ermittelt werden (Abb. 2 und Tab. 1).
3 Leistungsdiagnostik von Sprints,... 3 Abb. 2: Vergleich der Anlaufkontrollen einer Kaderathletin Tab. 1: Vergleich von Absprüngen aus 16 bzw. 18 Anlaufschritten eines Kaderathleten aus zwei Trainingseinheiten Anlaufschritte Sprungweite [m] Letzter Schritt Brettkontaktzeit [ms] Schrittlänge [cm] Geschwindigkeit [m/s] 16 7, ,08 5,4 16 7, ,98 5,5 16 7, ,39 5,4 18 7, ,12 5,1 18 7, ,32 5,1 Frequenz [1/s]
4 4 Leistungsdiagnostik von Sprints,... Zusätzlich zur Diagnostik der kinematischen Merkmale erfolgte ein Feedback im Anschluss an den Test. Dabei wurden die kinematischen Schrittmerkmale Schrittgeschwindigkeit, Schrittlänge, Kontaktzeit, Schrittfrequenz und Flughöhe, die Präzision beim Treffen des Balkens, die Absprungdauer und Sprungweite im (Weit-)Sprungtraining mit verschiedenen Anlauflängen und -geschwindigkeiten ausgewertet. Die Datenpräsentation erfolgte ca Sekunden nach dem Test als Sofort- oder Spätinformation. Anhand der parallelen Präsentation der Messdaten mit den Videoaufnahmen wurden Anlaufgestaltung und Absprung gemeinsam mit dem Trainer und der Athletengruppe detailliert analysiert und reflektiert. Die Bewegungsanweisungen des Trainers konnten dadurch präziser formuliert und deren Wirkung in der folgenden Bewegungsausführung kontrolliert werden. Die Kraftmessdaten für Weitsprungabsprünge zeigten individuell typische Kraft-Zeit-Verläufe der Weitspringerinnen und -springer mit hoher Konstanz. Die unterschiedlichen Anforderungen der Sprünge äußerten sich in den Kennwerten des ersten und zweiten vertikalen Kraftmaximum, des vertikalen Kraftstoßes, der horizontalen Brems- und Beschleunigungsimpulse, des Kraftminimums, der resultierenden Absprunggeschwindigkeit mit horizontaler und vertikaler Komponente, des Absprungwinkels sowie der sagittalen und frontalen Drehmomente. Abb. 3: Vergleicher zweier Sprünge aus Erhöhung eines Kaderathleten (vertikale Kraft) 4 Diskussion und Fazit Die oben genannten Ziele wurden wie geplant erreicht. Mit OptojumpNext konnten die kinematischen Daten mit der notwendigen Genauigkeit erfasst und schnell für die weitere Analyse zur Verfügung gestellt werden. Dadurch wurden trainingsrelevante Veränderungen über die Zyklenfolge, die Variabilität der Schritte, die Schrittrhythmisierung mit dem Treffen des Balkens und deren Abhängigkeit z. B. von der Anlaufgeschwindigkeit wiedergegeben. Das entsprach in sehr guter Weise den Anforderungen der Anlaufkontrollen, der Belastungsdosierung der Sprungreihen, der Bewegungskorrektur und Ableitung von Bewegungsanweisungen. Einen wesentlichen Wert der wissenschaftlichen Betreuung stellte das Feedbacktraining dar, das eine hohe Akzeptanz beim Trainer sowie den Athletinnen und Athleten erreichte. Die hohe Wirksamkeit des Feedbacktrainings resultierte aus der Bereitstellung der Daten als Sofort- (bis 20 s nach Bewegungsausführung) und Spätinformation (60 s nach Bewegungsausführung bzw. nach der Trainingseinheit),
5 Leistungsdiagnostik von Sprints,... 5 der ergebnisorientierten Rückmeldung (KR) über die Ist-Information und die Abweichungen vom individuellen Sollwert (Übertritt, Sprungweiten etc.) sowie der Kombination mit verlaufsorientierter Rückmeldung (KP) über das zusätzliche Videofeedback. Durch die detaillierte Bewegungsanalyse in Verbindung mit intrinsischer und extrinsischer Information werden die Bewegungsvorstellung der Athletinnen und Athleten und des Trainers weiter differenziert, die Bewegungsanweisungen präziser und die Ansteuerung verschiedener Technikmerkmale unterstützt. Die Integration der Kraftmessplatte in den komplexen Messplatz hat sich bewährt und sollte in der weiteren wissenschaftlichen Begleitung fortgesetzt werden. Der Zusammenhang zwischen den Kraft- Zeit-Verläufen, den kinematischen Daten und den Sprungweiten konnte sehr gut abgebildet werden. Die Variation der Anlauflängen und -geschwindigkeiten dokumentierten Veränderungen der dynamischen und kinematischen Daten in Abhängigkeit von Trainingsschwerpunkt und Zeitpunkt im Trainingsjahr. Die Optojumpdaten liefern keine Informationen zum Geschwindigkeitsverlauf des Körperschwerpunktes innerhalb eines Sprint- bzw. Sprungschrittes. Dadurch resultierte das Problem der Abschätzung der Eingangsbedingungen für den Weitsprungabsprung. Informationen zur vertikalen Geschwindigkeitskomponente konnten nur indirekt aus der Flugzeit ergänzt werden. Die dabei auftretenden Vereinfachungen eigneten sich jedoch nicht für die Trainingssteuerung. Die vertikale Abflughöhe des Körperschwerpunktes blieb zudem unbekannt. Um diese Eingangsdaten zu erheben, muss der Messplatz um eine Videokinemetrie ergänzt werden. Zusammenfassend stellt das regelmäßige Messen der kinematischen und dynamischen Parameter im Training und Wettkampf einen wichtigen Bestandteil dar, um notwendige Steuermaßnahmen innerhalb der Trainingseinheit und im Verlauf des Trainingsjahres vornehmen zu können. Die über das Trainingsjahr 2013 erfolgten Messungen und die Gewöhnung der Athletinnen und Athleten an die Maßnahmen führten zu einer hohen Akzeptanz der wissenschaftlichen Betreuung. 5 Literatur Bridgett, A. & Linthorne, N. P. (2006). Changes in long jump take-off technique with increasing runup speed. Journal of sports sciences, 24 (8), Brüggemann, P. Nixdorf, E. & Ernst, H. (1982). Biomechanische Untersuchungen beim Weitsprung. Lehre der Leichtathletik, 33 (49), Coh, M., Kugovnik, O. & Dolenec, A. (1997). Kinematisch-dynamische Analyse der Absprungaktion beim Weitsprung. Leistungssport, 27 (2), Graham-Smith, P. & Lees, A. (2005). A three-dimensional kinematic analysis of the long jump takeoff. Journal of sports science, 23 (9), Hay, J. G., Miller, J. A. & Canterna, R. W. (1986). The techniques of elite male long jumpers. Journal of biomechanics, 19 (10), Huber, A.C. (2012). Eine biomechanische Analyse des Absprungs beim Weitsprung. Dissertation, Universität Tübingen. Killing, W. (2008). Leistungsreserve Springen: Handbuch des Sprungkrafttrainings für alle Sportarten. Münster: Philippka-Sportverlag. Linthorne, N. P., Guzman, M. S. & Bridgett, L. A. (2005). Optimum take-off angle in the long jump. Journal of sports science, 23 (7), Miladinov, O. (2006). New Aspects in perfecting the long jump Technique. New studies in athletics, 21 (4), 7-25.
Klaus Mattes (Projektleiter), Stefanie Manzer, Martin Reischmann & Nina Schaffert. Universität Hamburg, Abteilung Bewegungs- und Trainingswissenschaft
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