Teil A: Unterrichtsskizze
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- Paula Buchholz
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1 Teil A: Unterrichtsskizze 1 Bedingungs- und Sachanalyse Mit dem Thema Weitsprung werden Schülerinnen und Schüler durchgehend durch alle Klassen und Schulformen in regelmäßigen Abständen immer wieder konfrontiert. Für das Neigungsfach Sport, das seit der letzten Oberstufenreform in Baden- Württemberg 4-stündig unterrichtet wird, sind wir der Aufforderung zu vermehrtem fächerverbindendem Unterricht des aktuellen Lehrplans von 2001 gefolgt. Das Projekt wurde in der Klasse 13 am Droste-Hülshoff Gymnasium in Freiburg durchgeführt. Wir haben die Thematik Weitsprung unter dem Blickwinkel der Analyse leistungslimitierender Faktoren betrachtet. Diese sind zum einen die Absprunggeschwindigkeit und zum anderen der Absprungwinkel. Letzterer beeinflusst die Weite zu ungefähr 1/3 während die Geschwindigkeit beim Absprung ca. 2/3 der Weite ausmacht. Man greift hier also auf wichtige Bereiche der Mathematik und Physik zurück. Der Lehrplan fordert die Vermittlung von Fachkenntnissen in engem Theorie-Praxis- Bezug (MKS BADEN-WÜRTTEMBERG 2001, 257). Deshalb wird die Wichtigkeit dieser beiden Größen nicht nur theoretisch erörtert, sondern anhand von einer individuellen Videoanalyse mit computergestützter Auswertung der einzelnen Schülerin/ dem einzelnen Schüler transparent gemacht. Den Schülerinnen und Schülern wird dadurch die Möglichkeit gegeben, ihr Absprungverhalten zu optimieren und ihre Leistung zu verbessern. Die enge Verbindung von Theorie und Praxis ermöglicht die direkte Umsetzung von Fachwissen in die Verbesserung der eigenen Weite, was auch im Rahmen des Lehrplans eine wichtige Forderung ist (vgl. MKS BADEN- WÜRTTEMBERG 2001, 257). Die Schülerinnen und Schüler erkennen und erarbeiten an ihrem eigenem Körper am Beispiel des Weitsprungs die Bedeutung physischer Leistungsfaktoren im Sport. 2 Verlaufsplanung Die Unterrichtseinheit ist auf insgesamt 10 Unterrichtsstunden angelegt. In den ersten beiden Stunden werden zunächst die relevanten Abschnitte der Bewegungslehre und der Biomechanik behandelt. Dieses geschieht auf der Grundlage der Funktionsanalyse nach GÖHNER 1 (vgl. GÖHNER 2002). Dabei werden die Absprunggeschwindigkeit und der Absprungwinkel als die beiden wichtigsten Haupteinflussgrößen auf die erzielbare Sprungweite herausgearbeitet. Die beiden nächsten Stunden widmen sich der Praxis. Die Schülerinnen und Schüler zeichnen ihr Absprungverhalten mit Hilfe einer digitalen Videokamera auf. Dabei ist darauf zu achten, dass beispielsweise ein Meterstab als Maßstab für die spätere A- nalyse mitgefilmt wird. In den zwei darauffolgenden Stunden steht eine Analyse der Videosequenzen auf dem Unterrichtsplan. Dazu wird das Programm Viana 2 verwendet. Mit dieser Software lässt sich leicht der Verlauf von verschiedenen Körperpositionen ermitteln. Für die Analyse des Weitsprungs bietet sich die Ermittlung der Flugbahn des Körperschwerpunkts an. Im Rahmen eines Unterrichtsprojekts lässt sich dieser allerdings 1 An unserer Schule ist das Buch Bewegungslehre und Biomechanik des Sports von Ulrich GÖHNER als Schulbuch für den Sportunterricht der Oberstufe eingeführt. 2 Die Software Viana wurde an der Universität Essen entwickelt und ist kostenlos im Internet unter [Stand 13. Juni 2004] erhältlich. 2
2 nur ungefähr angeben und kann im Zusammenhang mit dem Weitsprung circa in der Gegend des Bauchnabels angenommen werden. Wie die Grafik im Anhang verdeutlicht liegt die Flugkurve des Körperschwerpunkts erwartungsgemäß auf einer Parabel. Die Software gibt unmittelbar die Absprunggeschwindigkeit an (sie ermittelt diese anhand der Längendifferenz zweier Punkte zwischen zwei Bildern, die bei einer Videokamera mit ungefähr 25 Bildern pro Sekunde aufgenommen werden). Der Absprungwinkel lässt sich mithilfe einer einfachen Vektorrechnung bestimmen. Die Schülerinnen und Schüler realisieren, inwieweit ihr Absprungwinkel mit den idealerweise geforderten übereinstimmt und wieweit ihre Absprunggeschwindigkeit von der eines Spitzensportlers bzw. der Mitschülerin/ des Mitschülers abweicht. In der nachfolgenden Doppelstunde wird versucht die Ergebnisse der Theorie in die Praxis umzusetzen. Es gilt eine Optimierung des Anlaufs und des Absprungs zu erreichen. Dabei spielt die Kontrolle durch die Lehrkraft bzw. die Mitschüler eine große Rolle. Abermals werden Videoaufzeichnungen zur Kontrolle vorgenommen. Die abschließenden zwei Unterrichtsstunden werden zur Auswertung der zweiten Videoaufzeichnung verwendet. Wie an dem im Anhang dargestellten Beispiel deutlich wird, so konnten auch fast alle übrigen Schülerinnen und Schüler eine Verbesserung der Anlaufgeschwindigkeit und des Absprungwinkels erzielen. 3 Lernziele und ihre Überprüfung Mit dieser Einheit verfolgen wir die folgenden Hauptlernziele: Die Schüler sollen: die leistungsbestimmenden Faktoren im Weitsprung kennen. ihre eigene Absprunggeschwindigkeit und den Absprungwinkel ermitteln und aufgrund der Analyse optimieren. mit moderner Videoanalysesoftware umgehen können. Ihre eigene Leistungsfähigkeit und die anderer einschätzen können. Im Hinblick auf die Überprüfung kann bei diesem Projekt recht einfach auf die erzielte Weite zurückgegriffen werden. 80% aller Schülerinnen und Schüler erzielten nach der Analyse eine Verbesserung ihrer eigenen Weite. 4 Kritische Analyse Nach der Durchführung des Projekts haben wir folgende Kritikpunkte zur Verbesserung gefunden: Es wäre zu Beginn besser gewesen die individuelle maximale Sprintgeschwindigkeit zu ermitteln. Dadurch wäre den Schülerinnen und Schülern noch deutlicher geworden wie sehr sie zum Teil vor dem Absprung abbremsen und somit an Weite verschenken. Allerdings konnten vor allem bei denen, die keine Weitenverbesserung erzielten, große Schwierigkeiten beim Anlauf beobachtet werden. Bei dieser Gruppe hätte es sicherlich mehr als nur die Erkenntnis gebraucht, dass sie eine Verzögerung ihres Anlaufs kurz vor dem Absprung haben. Dort wäre sicherlich ein gezieltes Anlauftraining effektiver gewesen. 3
3 Teil B: Leitfragen 1. Wodurch erreichen Sie in Ihrem Wettbewerbsbeitrag eine verstärkte Motivation, Eigentätigkeit und Eigenverantwortung der beteiligten Schülerinnen und Schüler? Leistung und Leistungsverbesserung sind im Sport besonders transparent. Die Schülerinnen und Schüler bekommen durch dieses Projekt die Einsicht in die Zusammenhänge von Training und ihrem persönlichen Leistungsvermögen. Die Schülerinnen und Schüler bekommen durch die Videoanalyse ein Instrument, das ihnen objektiv zeigt, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Sie können diese dann gezielt verbessern und so relativ schnell zu einem Erfolgserlebnis kommen. Mangelnde Leistungsverbesserung kann nicht auf externe Faktoren abgeschoben werden, sondern mögliche Fehler müssen die Schülerin/ der Schüler direkt bei sich selbst suchen. 2. Woran erkennen Sie in Ihrem Wettbewerbsbeitrag die verbesserte Teamfähigkeit und eigenverantwortliche Leistung der beteiligten Schülerinnen und Schüler? Verbesserte Teamfähigkeit und Eigenverantwortlichkeit lassen sich insbesondere an dem Verhalten der Schülerinnen und Schüler im Computerraum und an der Weitsprunggrube beobachten. Die Schülerinnen und Schüler werten ihr Versuche selbständig aus, geben sich gegenseitig Tipps beim Umgang mit der Auswertungssoftware und beim Springen in die Sprunggrube. Die Schülerinnen und Schüler erfahren auf diese Art und Weise, dass auch in einer traditionellen Individualsportart wie der Leichathletik der Einzelne durch die Zusammenarbeit mit anderen profitieren kann. 3. Welche Praxisrelevanz für den Alltag der Schülerinnen und Schüler oder für die Berufs- und Arbeitswelt weist Ihr Projekt auf? Praxisrelevant ist das Projekt insofern, als dass die Schülerinnen und Schüler den Computer als wirksames Hilfsmittel für die Analyse der eigenen Leistungsfähigkeit kennen und anwenden lernen. Damit haben sie auch ein wichtiges Hilfsmittel für wissenschaftliches Arbeiten in verschiedenen Studiengängen kennen gelernt. Nicht nur in der Sportwissenschaft, sondern auch in der Physik ist die Videoanalyse wie sie hier durchgeführt wurde eine wichtige Untersuchungsmethode. Einiges lässt sich aus diesem Projekt auch indirekt auf die Arbeitswelt übertragen. Dazu gehört insbesondere die Fähigkeit zu konstruktiver Selbstkritik, die die Schülerinnen und Schüler in diesem Projekt lernen. Sie realisieren, dass es in ihrer eigenen Verantwortung liegt, ob es zu einer Leistungsverbesserung kommt oder nicht. 4. Wie ermitteln Sie in Ihrem Wettbewerbsbeitrag die Qualität der Lernprozesse und des Lernfortschrittes der beteiligten Schülerinnen und Schüler und welcher Bezug besteht zu den Anforderungen des Lehrplans? Bei unserem Beitrag lässt sich der Lernfortschritt unmittelbar an den aufgezeichneten Kurven ablesen. Bei jeder Schülerin/ jedem Schüler kann man feststellen, inwieweit sich die leistungsbestimmenden Faktoren verbessern oder nicht. Wenn dieses der Fall ist, so wird auch in aller Regel eine Weitenverbesserung erzielt. 4
4 In Bezug auf den Lehrplan wird die wesentliche Forderung nach einer engen Verzahnung von Theorie und Praxis erfüllt. Für die Schülerin/ den Schüler wurde unmittelbar plausibel, wie sehr die Theorie ihm bei der Erzielung von leichathletischen Höchstleistungen nützlich sein kann. 5. Wie gestalten sich konkret die Zusammenarbeit mit Ihrer Kollegin/ Ihrem Kollegen und die Verbindung der Fächer? Diese lief in unserem Fall völlig unproblematisch ab, da wir beide die Fächer Mathematik und Sport unterrichten. 6. Welchen Rat geben Sie Kolleginnen und Kollegen, wenn sie Ihr Projekt in ihren Unterricht übertragen wollen auch im Blick auf Probleme bzw. Widerstände, mit denen sie rechnen müssen? Größten Wert haben wir bei der Erarbeitung und Realisierung unseres Projektes auf die einfache Umsetzbarkeit auf vielfältige Schulformen und auf möglichst kostensparende Materialien gelegt. Deshalb dürfte es sich relativ einfach an anderen Orten wiederholen lassen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Schule eine digitale Videokamera und einen Computerraum zur Verfügung hat. Auf dem Server müsste natürlich die Software Viana installiert werden, was aber für Bildungseinrichtungen kostenlos möglich ist. Sollte keine digitale Videokamera zur Verfügung stehen empfiehlt es sich ggf. unter den Schülerinnen und Schülern nachzufragen und dort eine auszuleihen. Widerstände könnte es gegenüber der Auswertung am Computer geben, hier ist aber die auf die intuitive Bedienbarkeit des gewählten Programms zu verweisen. 7. Wo sehen Sie in einer Gesamtbilanz den Gewinn, der durch Ihren Wettbewerbsbeitrag für Schüler und Lehrkräfte entsteht? Zusammenfassend kann man sagen, dass durch diese sehr offene Unterrichtsform und die eingesetzten Hilfsmittel die Schülerinnen und Schüler einen modernen alltagsbezogenen Unterricht erleben konnten. Da die Schülerinnen und Schüler zum Zeitpunkt der Projektdurchführung kurz vor ihrem Abitur standen, lernten sie durch diese Art der Unterrichtsgestaltung eine Form kennen, die schon sehr dem Seminarbetrieb an der Universität entspricht. Der Lehrer war hier nicht als Belehrender gefragt, sondern stand als Berater zur Seite. Die Verantwortung für den Lernfortschritt lag völlig auf Seiten der Schülerinnen und Schüler. 5
5 C Literatur GÖHNER, U.: Bewegungslehre und Biomechanik des Sports. Fundamentum mit Hochund Weitsprung. Tübingen 2002 MINISTERIUM FÜR KULTUS UND SPORT BADEN-WÜRTTEMBERG: Bildungsplan für die Kursstufe des Gymnasiums. Stuttgart
6 D Anhang Beispiel zur Filmanalyse Beispiel zur Datenauswertung (man erkennt den fast parabelförmigen Verlauf des Körperschwerpunkts) 7
7 t /s x /m y /m Zeitintervall /s v / (m/s) vx /(m/s) vy /(m/s) t Mitte/ s 0 0,229-0, ,04-0, , , ,404 3, ,02 0,08-0, , , , ,3855 0,06 0,12-0, , , , , ,1 0,16-1, , ,8724-6, , ,14 0,2-1, , , ,6295 0, ,18 0,24-1, , ,0382-6,011 0,5725 0,22 0,28-1, , , ,202-0,477 0,26 0,32-2, , ,865-4,7705-0, ,3 0,36-2, , , , , ,34 0,4-2, , , ,866-0, ,38 0,44-2, , , , ,576 0,42 0,48-3, , , , ,767 0,46 Dieses ist ein Beispiel für eine mit Hilfe des Programms Viana erstellte Auswertungstabelle. Die Springerin hat in diesem Fall ihre Absprunggeschwindigkeit von 11m pro Sekunde auf 12,8m pro Sekunde verbessern können. Auch ihr Absprungwinkel verbesserte sich von 13 auf 15. 8
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