Gerlinde Manz-Christ. Die Kunst des sanften Siegens
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- Johanna Baumgartner
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2 Gerlinde Manz-Christ Die Kunst des sanften Siegens
3 Gerlinde Manz-Christ DIE KUNST DES SANFTEN SIEGENS Erfolgreich mit Diplomatie GOLDEGG V E R L AG
4 Bildrechte Autorenfoto: Tres Camenzind Bildrechte Umschlag: Denys Rudyi fotolia.com Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlags reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Die Autorin und der Verlag haben dieses Werk mit höchster Sorgfalt erstellt. Dennoch ist eine Haftung des Verlags oder der Autorin ausgeschlossen. Die im Buch wiedergegebenen Aussagen spiegeln die Meinung der Autorin wider und müssen nicht zwingend mit den Ansichten des Verlags übereinstimmen. Der Verlag und seine Autoren sind für Reaktionen, Hinweise oder Meinungen dankbar. Bitte wenden Sie sich diesbezüglich an Der Goldegg Verlag achtet bei seinen Büchern und Magazinen auf nachhaltiges Produzieren. Goldegg Bücher sind umweltfreundlich produziert und orientieren sich in Materialien, Herstellungsorten, Arbeitsbedingungen und Produktionsformen an den Bedürfnissen von Gesellschaft und Umwelt. MIX Papier aus verantwortungsvollen Quellen FSC C ISBN Print: ISBN E-Book: Goldegg Verlag GmbH Friedrichstraße 191 D Berlin Telefon: Goldegg Verlag GmbH, Österreich Mommsengasse 4/2 A-1040 Wien Telefon: office@goldegg-verlag.com Layout, Satz und Herstellung: Goldegg Verlag GmbH, Wien Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
5 Denken in Generationen statt in Quartalszahlen Im beschleunigten globalen Wettbewerb spielt der Faktor Zeit heute eine zwiespältige Rolle. Einerseits ist es faszinierend, wie schnell neue Produkte auf den Markt kommen, in welch kurzer Zeit Start-ups wachsen und wie viele Informationen per Mausklick in Echtzeit verfügbar sind. Andererseits scheint den meisten Akteuren der Wirtschaft die nötige Geduld abhandengekommen zu sein, in guten Zeiten zwischenmenschliche Kontakte zu pflegen, um Vertrauen zu schaffen und Glaubwürdigkeit aufzubauen. Ohne die Investition von Zeit ist das Vertrauen, das sich heute alle wünschen, jedoch nicht zu haben. Wir vertrauen fast ausschließlich den Menschen, die wir kennen. Je länger und besser wir einen Menschen kennen, desto mehr können wir ihm vertrauen. Es darf dabei jedoch niemals allein um das Nutzenkalkül gehen. Langfristigkeit hat mit Werten, mit einer inneren Haltung zu tun: Ich sehe den anderen Menschen nicht nur als Zweckobjekt, sondern ich nehme zunächst einmal eine Person wahr, der Anerkennung und Respekt gebührt. Ohne Freude am Umgang mit Menschen gibt es auf Dauer keine echte Produktivität, denn letztlich hängt ja alles an Menschen. Das gilt insbesondere für jene Volkswirtschaften, die keine Bodenschätze verkaufen können, sondern ihr Sozialprodukt allein der Intelligenz, Kreativität und Schaffensfreude der dort lebenden Menschen verdanken. Das Fürstentum Liechtenstein, dessen Stabsstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit in Vaduz ich zehn Jahre lang leiten durfte, ist ein besonders prägnantes Beispiel für ein Land, das es praktisch ohne natürliche Ressourcen zu großem Wohlstand gebracht hat. Im Ausland, vor allem in Deutschland, wird die liechtensteinische Wirtschaft heute fast ausschließlich mit der Finanzbranche in Verbindung gebracht. Das haben Umfragen im Auftrag des Fürstentums 53
6 belegt. Kaum bekannt ist, dass nicht etwa der Finanzsektor, sondern die Industrie und das warenproduzierende Gewerbe darunter ein großer Anteil an Hightech-Firmen das Rückgrat der liechtensteinischen Wirtschaft bilden. Noch weniger bekannt ist, dass die Idee der Liechtensteiner, für die Reichen und sehr Reichen dieser Welt als Treuhänder ihrer Vermögen zu fungieren, aus bitterer Not geboren wurde. Liechtenstein blieb im Ersten Weltkrieg neutral, wurde aber von den Wirtschaftssanktionen gegen die Monarchie Österreich-Ungarn, mit der seit 1852 ein Zollvertrag bestand, schwer getroffen. Die Bevölkerung litt Hunger, sämtliche Ersparnisse wurden durch die Inflation vernichtet. Nach Kriegsende kündigte Liechtenstein 1919 den Zollvertrag mit Österreich und begründete 1923 die bis heute gültige Partnerschaft mit der Schweiz. In dieser harten Zeit, als Liechtenstein nichts mehr hatte, was es selbst hätte zu Geld machen können, entstand die Idee, ausländische Vermögen zu verwalten. Doch warum war und ist gerade Liechtenstein damit bis heute so enorm erfolgreich? Ein Hauptgrund heißt Langfristigkeit. Denken in Generationen und Jahrhunderten das ist der Anspruch und gleichzeitig das Alleinstellungsmerkmal der LGT Group, eines Finanzunternehmens in der Hand des Fürstenhauses von Liechtenstein, das die Geschäfte auch selbst führt. Über viele Jahrhunderte hat das Fürstenhaus bewiesen, dass es mit dem eigenen Vermögen gut umgehen kann. Es hat sich außerdem aus zwei Weltkriegen herausgehalten. Das schafft Vertrauen. Gleichzeitig ist die LGT Group ein Paradebeispiel dafür, dass der Aufbau langfristiger Beziehungen keineswegs die Unfähigkeit nach sich zieht, schnelle Entscheidungen zu treffen. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Nur wer langfristig denkt und entsprechend agiert, kann kurzfristige schmerzhafte Einschnitte problemlos verkraften. So zog sich die LGT Group im Frühjahr 2011 überraschend vom deutschen Markt zurück und verkaufte das 54
7 seit 2003 mühsam aufgebaute Netz von Niederlassungen an den niederländischen Konkurrenten ABN Amro. Nach einem Bericht der deutschen Wirtschaftszeitung Handelsblatt bedeutete der Rückzug vom größten europäischen Markt für die LGT Group im Folgejahr einen Gewinneinbruch um 52 Prozent. Ich frage mich: Welcher CEO kann in der heutigen Zeit den Stakeholdern einen Gewinneinbruch von mehr als 50 Prozent erklären, ohne seinen Hut nehmen zu müssen? Wer jedoch in Generationen und Jahrhunderten denkt, für den ist das gar nicht so schwierig. Längst gibt es auch in der Industrie Unternehmen, denen Langfristigkeit wichtiger ist als kurzfristige Zahlenakrobatik. Bleiben wir noch einen Moment in Liechtenstein, und zwar beim größten Arbeitgeber des Fürstentums, dem Werkzeughersteller Hilti in Schaan, für den heute weltweit mehr als Menschen arbeiten. Vor einigen Jahren ließ sich die Führungsriege bei der Hilti AG von der allgemeinen Börseneuphorie anstecken und brachte das 1941 gegründete Familienunternehmen an die Börse. Doch schon anderthalb Jahre später zog der damalige CEO Michael Hilti die Reißleine und machte alles wieder rückgängig. Zur Begründung sagte er sinngemäß, er habe keine Lust, sich von 22-jährigen Analysten sagen zu lassen, wie er sein Business zu führen habe. Bei der Unternehmensführung hatte Michael Hilti nämlich seine eigenen Vorstellungen. Diese lassen sich mit dem Wort Langfristigkeit sehr treffend charakterisieren. Ähnlich wie bei Hilti findet bei vielen anderen Unternehmen im Moment geradezu ein Aufwachen statt. Die Verheißungen eines überhitzten, nur auf schnelles Geld schielenden internationalen Finanzkapitalismus sind als gefährlich und zersetzend entlarvt. Einige Unternehmen besinnen sich zurück auf bewährte Tugenden. Dazu zählt jenes Bauen auf langfristige Beziehungen, wie es in der Diplomatie schon immer zum Handwerkszeug gehörte. Die Wirtschaft 55
8 der Zukunft wird langfristig denken und trotzdem schnell entscheiden. Das ist nur dort möglich, wo es belastbare Beziehungsnetzwerke gibt und Menschen einander vertrauen. Ich kann allen Unternehmern und Führungskräften nur raten: Nehmen Sie sich die nötige Zeit, um langfristige Beziehungen aufzubauen. Treffen Sie Menschen auch dann und hören Sie ihnen zu, wenn Sie unmittelbar nichts von ihnen wollen. Zum Beispiel können Sie es sich zur Gewohnheit machen, am Rande jeder größeren Geschäftsreise noch mindestens ein oder zwei weitere Kontakte zu pflegen, die Ihnen unmittelbar nichts einbringen. Ganz ähnlich habe ich es als Diplomatin gemacht, als ich zum Beispiel meinen Kontakt im Wiener Bundeskanzleramt immer wieder am Rande anderer Termine getroffen habe. Fast jeder Unternehmer oder Manager war schon einmal in einer Situation, in der er sich sagte: Jetzt müsste ich dort jemanden kennen! Die meisten Menschen, die immer zur richtigen Zeit die richtigen Ansprechpartner kennen, haben jahrelang, manchmal jahrzehntelang darauf hingearbeitet. Doch es ist nie zu spät, mit dem Aufbau langfristiger Beziehungen zu beginnen. 56
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