Grenzenlose Flexibilität zur Empirie atypischer Beschäftigungsverhältnisse
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- Emilia Heintze
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1 Grenzenlose Flexibilität zur Empirie atypischer Beschäftigungsverhältnisse
2 Gliederung I Rahmendaten zum Arbeitsmarkt II Atypische Beschäftigung im Überblick III Atypische Beschäftigung Ersatz oder Ergänzung? IV Empirische Evidenz zu Werkverträgen V Fazit SEITE 1
3 I Rahmendaten zum Arbeitsmarkt SEITE 2
4 Entwicklung der Erwerbstätigkeit (Statistisches Bundesamt/ Datenreport 2016) In Deutschland gibt es ca. 44,7 Mio Erwerbspersonen, von denen ca. 42,6 Mio. erwerbstätig und 2,1 Mio. erwerbslos sind (2014). Seit 1991 ist die Zahl der Erwerbspersonen um 3,7 Mio. gestiegen. Erwerbslosigkeit und Erwerbstätigkeit ist stark von der konjunkturellen Entwicklung abhängig. SEITE 3
5 Entwicklung der Erwerbstätigkeit (IAB/ BA Datenreport 2016) Der Anstieg der Zahl der Erwerbstätigen relativiert sich beim Blick auf die geleisteten Arbeitsstunden (Arbeitsvolumen). Dieses fällt seit 1991 (Umstrukturierungsprozesse in Ostdeutschland und Rückgang des Arbeitsvolumen je Beschäftigten (von 1554 h 1991 auf 1366 h 2014)). Der Rückgang um 12 % ist auch mit der zunehmenden Teilzeiterwerbstätigkeit insbesondere von Frauen- zu erklären. SEITE 4
6 Ungenutztes Arbeitskräftepotential (Statistisches Bundesamt/ Datenreport 2016) Neben der Erwerbslosigkeit zählt auch Unterbeschäftigung und die Stille Reserve zum ungenutzten Arbeitskräftepotential, welches ca. 6,0 Mio. Personen umfasst (2014). Unterbeschäftigung (2,9 Mio.): Erwerbstätig mit dem Wunsch nach zusätzlichen Arbeitsstunden. (Davon sind 1,6 Mio. teilzeit- und 1,3 Mio. vollzeitbeschäftigt.) Stille Reserve (1,0 Mio.): Etwas mehr Frauen (53%) als Männer Unter den Menschen, die sich nicht am Erwerbsleben beteiligen, gibt es deutlich mehr Frauen (11,3 Mio.) als Männer (8,2 Mio) Rund 5% (2,0 Mio.) aller Erwerbstätigen haben mindestens zwei Jobs, die Zahl hat sich seit 2011 um knapp 13% erhöht. SEITE 5
7 II Atypische Beschäftigung im Überblick SEITE 6
8 Formen atypischer Beschäftigung Obwohl das deutsche Arbeits- und insbesondere Sozialsystem auf das Normalarbeitsverhältnis ausgerichtet ist, prägen Beschäftigungsformen unter dem Sammelbegriff der atypischen Beschäftigung das Arbeitsleben in nicht unerheblicher Weise. Hierzu zählen: (Mikrozensus/ Datenreport 2016) Befristet Beschäftigte (2,5 Mio.) Teilzeitbeschäftigte (mit höchstens 20 Wochenstunden) (4,9 Mio.) Geringfügig Beschäftigte i. S. d. Sozialrechts (2,3 Mio.) Zeitarbeitnehmer (0,7 Mio.) Solo-Selbstständige/ Werkvertragsnehmer(2,1 Mio.) SEITE 7
9 Erwerbstätige in einzelnen Erwerbsformen (in Mio) Mikrozensus/ Datenreport 2016 SEITE 8
10 Entwicklung der Erwerbsformen in Deutschland (IAQ/ Universität Duisburg Essen 2016) SEITE 9
11 Befristung von Beschäftigungsverhältnissen Mittels des Instruments der Befristung wird ein Teil des unternehmerischen Risikos auf die Beschäftigten übertragen. Die Beschäftigten tragen das Beendigungsrisiko und müssen ihre Arbeitskraft jedes Mal neu auf dem Arbeitsmarkt anbieten. 12% aller Vollzeit- und 18% aller Teilzeitarbeitsverhältnisse sind befristet. Dieser Anteil ist seit dem Jahr 2000 nicht gewachsen. Junge Arbeitnehmer haben sehr viel häufiger ein befristetes Arbeitsverhältnis. SEITE 10
12 Befristung nach Alter (IAQ/ Universität Duisburg Essen 2016) SEITE 11
13 Leiharbeit (DIW Berlin SOEP 2016) Starker Anstieg von Leiharbeit. Von im Jahr 1984 auf im Jahr Der Anteil an allen Erwerbstätigen beträgt nur ca. 2 Prozent, dieser Anteil hat sich zu 2002 verdoppelt. Leiharbeit wird vornehmlich von großen Betrieben genutzt. Die Mehrheit der Leiharbeitnehmer ist eher gering qualifiziert. Der Frauenanteil in der Leiharbeit ist niedrig. Zudem ist die durchschnittliche Verweildauer in einer Zeitarbeitsfirma eher kurz. SEITE 12
14 Entwicklung der Leiharbeit (IAQ/ Universität Duisburg Essen 2016) SEITE 13
15 Geringfügige Beschäftigung DIW Berlin (SOEP) 2016 Ein deutlicher Anstieg seit den 1990er Jahren ist bei den sog. Minijobbern zu verzeichnen Insbesondere nach der Reform 2002 ist dies deutlich angestiegen Trotzdem machen die ausschließlich mit Minijob tätigen Personen nur einen geringen Anteil an allen Erwerbstätigen Personen aus Nicht wenige Minijobber stocken ihr Einkommen mit ALG II auf, jedoch können nicht alle prekär beschäftigt bezeichnet werden, da etliche mit einem normalbeschäftigten (Partner) zusammenleben. Dies ist ebenso bei Studierenden der Fall, die eine geringfügige Beschäftigung nur als Nebenjob zum Studium durchführen SEITE 14
16 Vergleich Entwicklung Sozialversicherungspflichtiger und geringfügiger Beschäftigung (IAQ/ Universität Duisburg Essen 2016) SEITE 15
17 III Atypische Beschäftigung Ersatz oder Ergänzung? SEITE 16
18 Darstellung der Beschäftigungstypen erwerbstätig vs. erwerbsfähig DIW Berlin (SOEP) 2016 SEITE 17
19 Entwicklungen des Arbeitsmarkts Gemessen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter ist der Anteil an Beschäftigten in einem Normalarbeitsverhältnis nicht zurückgegangen der Wert liegt stabil bei etwa 60%. Zwar sind Zuwächse im Bereich der atypischen Beschäftigung zu verzeichnen, diese Verdrängungseffekte lassen die Anteile an Normalarbeitsverhältnissen (regulär in Voll- und Teilzeit) nicht geringer werden. Dies liegt daran, dass mehr Personen im erwerbsfähigen Alter einer Beschäftigung nachgehen. Durch die Zunahme atypischer Beschäftigungsverhältnisse kommt es jedoch zu sozialen Risiken insbesondere bei der sozialen Absicherung SEITE 18
20 IV Empirische Evidenz zu Werkverträgen SEITE 19
21 Werkverträge im Betrieb Aktueller Diskurs, insb. Lohndumpingstrategien und der Ausbeutung vorwiegend osteuropäischer Arbeitskräfte Niedriglohnkonstruktion und schleichende Erosion des gewachsenen Tarifgefüges (Obermeier/Sell 2016) Werkverträge ermöglichen Effizienz- und Flexibilitätsvorteile, da spezielle Leistungen von Dritten eingekauft werden und nicht dauerhaft hierfür Personal eingestellt werden muss. folgende Einsparungspotentiale (Senkung von Qualifizierungskosten der Mitarbeiter, Einsparung von bspw. Sozialversicherungsabgaben, Sozialleistungen, Tarifvertragliche/betriebsverfassungsrechtlicher Ansprüche, Kosten des Arbeitsschutzes etc.) SEITE 20
22 Explorative Studie (Obermeier/Sell 2016) in Automobilindustrie und Maschinenbau Qualitative Experteninterviews Ergebnisse: Tatsächliche Kostensenkung durch Werkverträge ist nur kurzfristig erzielbar, langfristig lohnen sich diese bei einer ganzheitlichen Bilanzierung aufgrund der hidden costs meist nicht. Gefahr der betriebswirtschaftlichen und regionalökonomischen Erschütterung der Wertschöpfungsketten durch Aushöhlung der regionalen Netzwerkvorteile (z.b. durch Verlust innerbetrieblichen Kompetenzen/ Vordringen der Werkvertragsnehmer in das Kerngeschäft) Korrespondierende langfristige Abhängigkeit von externen Werksvertragsunternehmern Unterlaufung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats SEITE 21
23 Studie zu Werkverträgen von Hertwig et al. (2015) Bisher existieren kaum Studien zur Verbreitung von Werkverträgen in Unternehmen. In 2015 wurde von Hertwig et al. eine Studie mit qualitativen und Betriebsfallstudien und quantitativen CATI-Befragungen im Einzelhandel und verarbeitenden Gewerbe durchgeführt. Insbesondere mit Fokus auf Onsite-Werkverträge, d.h. dass der Auftraggeber bestimmte Leistungen, die dem Kern seines Betriebszwecks bzw. seiner Wertschöpfung zuzuordnen sind, auf seinem Betriebsgelände dauerhaft durch einen per Werkvertrag Beauftragten bzw. eines Subunternehmers erstellen lässt. SEITE 22
24 Verbreitung nach Branche und Betriebsgröße Hertwig et al SEITE 23
25 Werkverträge als Personalstrategie (Ausprägung) Hertwig et al. (2015) SEITE 24
26 Motive für den Einsatz von Werkvertragsnehmer Hertwig et al SEITE 25
27 Ergebnisse der Studie von Hertwig et al Deutliche Branchenunterschiede. Das verarbeitende Gewerbe nutzt deutlich häufiger Werkvertragsnehmer. Unterschiede zwischen den Branchen erklären sich vermutlich über die Art der Leistungsprozesse und die unterschiedlichen Größenstrukturen. Das Kerngeschäft von Großbetrieben im verarbeitenden Gewerbe umfasst oft zahlreiche, komplexe Fertigungsschritte. Der Spielraum für die Vergabe von Werkverträgen ist größer als im Einzelhandel Im Einzelhandel reduziert sich das Kerngeschäft im Allgemeinen auf die Lagerlogistik und Filialverräumung, die Entsorgung, die Beratung von Kunden und den Verkauf. Werkverträge werden hier vor allem für die beiden erstgenannten Tätigkeiten eingesetzt. SEITE 26
28 Ergebnisse des quantitativen Teil der Studie Hertwig et al Betriebsgröße und Branchenzugehörigkeit spielen eine Rolle, andere Strukturmerkmale nicht (Alter des Betriebes, Führungsstruktur, Personalpraktiken) Bedeutung hat jedoch das Qualifizierungsniveau der Beschäftigten sowie die Betriebskultur (Insb. Kooperationsbeziehungen zu anderen Unternehmen), dabei werden Werkverträge als normal und sinnvoll angesehen. Die Existenz eines Betriebsrats sowie eine Tarifbindung erklärt zum Teil die vermehrte Nutzung von Werkvertragsnehmern indirekte Unterlaufung der Mitbestimmung. SEITE 27
29 Ergebnisse des qualitativen Teil der Studie Hertwig et al Bei genauer Untersuchung war der Einsatz von Werkvertragsnehmern häufig nicht sinnvoll. Unternehmen nutzen Werkverträge jedoch zur Substitution von als kostspielig bewerteter Leiharbeit. Die Stammbelegschaft gerät durch Werkvertragsnehmer zunehmend unter Druck (Kostensenkende Personalstrategie). Überraschend viele Werkverträge überschreiten die Grenze zur Legalität und sind als rechtlich problematisch einzustufen. Teilweise gehen die Werkverträge mit schlechteren Arbeitsbedingungen einher. SEITE 28
30 Fazit Die Arbeitsmarktstatistik liefert ein vielfältiges, manchmal uneinheitliches Bild (z. B. wegen verschiedener Erhebungskonzepte) Insgesamt ist der deutsche Arbeitsmarkt durch eine beachtliche Stabilität gekennzeichnet. Verschiedene Formen atypischer Beschäftigung verbreiten sich und finden auch ihre Grenzen. Neueste Entwicklungen bzgl. der Nutzung von Werkverträgen lassen sich statistisch schwer erfassen. SEITE 29
31 Literatur (Auszug) Bundeszentrale für politische Bildung (2016) Datenreport 2016, Destatis/WZB DIW Berlin Wochenbericht 19/2016, Arnold; Mattes; Wagner, Normale Arbeitsverhältnisse sind weiterhin die Regel, HBS, Böcklerimpuls 6/2015, Weiblich, westlich, atypisch; 4 Hertwig; Kirsch; Wirth (2015) Werkverträge im Betrieb, Hans Böckler Stiftung Institut für Arbeit und Qualifikation/ Universität Duisburg Essen (2016) Arbeitsmarkt & Arbeitslosigkeit, Infografiken mit Kurzanalysen. Online: Obermeier/Sell (2016) Werkverträge entlang der Wertschöpfungskette, Working Paper 012, April 2016, Hans Böckler Stiftung Schlese (2014) Werkvertragsarbeitskräfte in Deutschland, Projektbericht, Hans Böckler Stiftung SEITE 30
Statistisches Bundesamt
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