Inklusive Bildungslandschaft in der Kommune am Beispiel der Stadt Jena
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- Harry Heinrich
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2 Inklusive Bildungslandschaft in der Kommune am Beispiel der Stadt Jena Prof. Dr. Bärbel Kracke, Friedrich-Schiller-Universität Jena Prof. Dr. Ada Sasse, Humboldt-Universität zu Berlin
3 Gliederung 1. Wie neu ist Inklusion? 2. Wie funktioniert schulische Inklusion? 3. Was haben wir in Jena untersucht? 4. Was sind zentrale Ergebnisse unserer Expertise? 5. Was sind Konsequenzen für den Schulträger als lernende Organisation?
4 1. Wie neu ist Inklusion?
5 1. Wie neu ist Inklusion? - Der erste integrative Kindergarten öffnete in München 1968; die erste integrative Grundschule am gleichen Ort In beiden Institutionen lernten Kinder mit und ohne geistige Behinderung von Beginn an (Gemeinsamer Unterricht). - Seit den 1970-er und bis in die 1990-er Jahre hinein fanden in vielen Bundesländern integrative Schulversuche statt, seit 1990 auch in den neuen Bundesländern.
6 1. Wie neu ist Inklusion? - Seit Beginn der 2000-er Jahre findet sich die Möglichkeit des Gemeinsamen Unterrichts in den Schulgesetzen fast aller Bundesländer. - Die UN-BRK hat in der Bundesrepublik eine vier Jahrzehnte dauernde integrative Vorgeschichte. - Seit vierzig Jahren existieren Forschungsberichte, Praxisberichte, theoretische Konzeptionen und bildungspolitische Debatten. Integration/Inklusion ist nicht neu; neu ist der Grad der Verbindlichkeit!
7 1. Wie neu ist Inklusion? - In den ersten Jahrzehnten schulischer Integration blieb der Gemeinsame Unterricht zumeist die Ausnahme. - Ämter und Behörden entschieden über Einzelfälle. - In der Gegenwart wird der Gemeinsame Unterricht zunehmend die Regel. SCHULTRÄGER: müssen aus den Handlungsroutinen der Einzelfall-Lösung systemische Lösungen für eine wachsende Gruppe entwickeln (weg vom Einzelfall und weg von dem Prinzip mehr vom Gleichen )
8 1. Wie neu ist Inklusion? SCHULTRÄGER: - finanzieren Gemeinsamen Unterricht mit (räumliche und sächliche Bedingungen; Schulbegleiter) - haben aber keine Dienstaufsicht über die Schulen - können deshalb die Verwendung der gewährten Ressourcen nur begrenzt beeinflussen - können u.u. in die Situation gelangen, dass sie indirekt die unterbliebene Schulentwicklung finanzieren ( Mehr vom Gleichen : Wenig entwickelte Schulen z.b. verlangen permanente Doppelbesetzung auch durch Schulbegleiter sowie durchgängig vorhandene Differenzierungsräume ).
9 2. Wie funktioniert schulische Inklusion?
10 2. Wie funktioniert schulische Inklusion? Ostthüringer Zeitung, Seite 4, Mittwoch, 22. März 2017
11 2. Wie funktioniert schulische Inklusion? Ostthüringer Zeitung, Seite 4, Mittwoch, 22. März 2017 Eigentlich, sagt Thomas R. (*) musst du jede Minute mit allem rechnen. Du stehst an der Tafel mit dem Rücken zur Klasse und dann passiert es. Ein Heft wird zerrissen, ein Stuhl fliegt durch die Klasse Das Konzept für die Unterrichtsstunde kannst du dann natürlich vergessen. 45 Minuten sind schnell vorbei In der Summe bleibt Inklusion ein gutes Anliegen auf dem Papier. (*)Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.
12 2. Wie funktioniert schulische Inklusion? Bildunterschrift: Das Klassenzimmer, in dem Thomas R. jeden Tag vor seinen Schülern steht mit dem täglichen Anspruch, jeden Einzelnen mitzunehmen
13 2. Wie funktioniert schulische Inklusion in Jena? - durch anregende Lernräume:
14 2. Wie funktioniert schulische Inklusion in Jena? - durch gemeinsames Lernen verschiedener Kinder:
15 2. Wie funktioniert schulische Inklusion in Jena? - durch vertieftes Lernen auch allein:
16 2. Wie funktioniert schulische Inklusion in Jena? - durch die Übernahme von Verantwortung durch alle:
17 2. Wie funktioniert schulische Inklusion in Jena? - durch gute Strukturen:
18 2. Wie funktioniert schulische Inklusion in Jena? - durch die Akzeptanz von schulischer Inklusion als komplexem Transformationsprozess - durch die fortlaufende Entwicklung von Lösungen in: Unterrichtsentwicklung Personalentwicklung Organisationsentwicklung (Schul-)Standortentwicklung
19 2. Wie funktioniert schulische Inklusion in Jena? (Anteil der Schüler mit sonderpäd. Förderbedarf an Förderschulen und im Gemeinsamen Unterricht von 2008/09 bis 2015/16) 6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0, Jena Förderschule Inklusion
20 2. Wie funktioniert schulische Inklusion in Jena? (Anteil der Schüler an Förderschulen, im Gemeinsamen Unterricht und mit pädagogischem Förderbedarf von 2008/09 bis 2015/16) 15,0 12,0 9,0 6,0 3,0 0, Förderschule Inklusion Pädagogische Förderung
21 Entwicklung des Gemeinsamen Unterrichts in Jena von 2005/06 bis 2013/14: Förderschüler Davon mit Förderbedarf Gesamt Geistige Entwicklung Lernen Emotional-soziale Entwicklung Sprache Körperlich-motorische Entwicklung Hören Sehen 2005/ / Schüler im GU Davon mit Förderbedarf Gesamt Geistige Entwicklung Lernen Emotional-soziale Entwicklung Sprache Körperlich-motorische Entwicklung Hören Sehen 2005/ /
22 2. Wie funktioniert schulische Inklusion? - Inklusion ist die Verankerung in der eigenen Generation. Inklusion ist nicht die Verankerung in professionellen, von Erwachsenen dominierten Hilfesystemen. In der inklusiven Schule lernen und arbeiten unterschiedlich kompetente Schüler/innen miteinander. In vorbereiteten Lernumgebungen erarbeiten sie sich gemeinsam neues Wissen und differenzieren ihre Kompetenzen aus.
23 2. Wie funktioniert schulische Inklusion? Eher traditionelle Schule - Lehrerzentrierte, frontale Raumsituation - Einheitliche und feststehende frontale Sitzanordnung - Kommunikation durch von Lehrervortrag und Lehrerfragen - Wissensvermittlung durch Lehrervortrag und Lehrerfragen Eher inklusive Schule - schülerorientierte, lockere und flexible Raumsituation - Gemischte und flexible Sitzanordnung mit Tischgruppen, Sitzkreis, Hufeisen usw. - Kommunikation der Schüler untereinander (Kleingruppe, Dialoge zwischen Schülern usw.) - Schüler erarbeiten sich Wissen miteinander - Tafelbild und Lehrbuch - Vorbereitete Lernumgebung - Hohe Anteile organisatorischen und disziplinierenden Feedbacks - kaum/kein rein disziplinierendes oder organisatorisches Feedback
24 2. Wie funktioniert schulische Inklusion? - Eher inklusive Schulen befinden sich permanent in Schulentwicklungsprozessen. - Schüler/innen können im gemeinsamen Unterricht so gut miteinander lernen, wie die Erwachsenen in der Vorbereitung und Reflexion des Unterrichts kooperieren. SCHULTRÄGER: - Benötigen Kenntnisse über Schulentwicklungsprozesse - Müssen sich ebenfalls entwickeln (Schule und Schulträger als lernende Institutionen)
25 3. Was haben wir in Jena untersucht?
26 3. Was haben wir in Jena untersucht? - Untersuchungszeitraum: Nov 2011 März Anzahl der Schulen nach Schulart 26 - Grundschulen: 11 - Gemeinschaftsschulen: 7 - Gesamtschulen: 4 - Gymnasien: 4 - Untersuchungsmethoden - Anzahl der Interviews: Schulleiter/innen: 28 - Lehrer/innen: 41 - Sonderpädagog/innen: 22 - Schulbegleiter/innen: 18 - Eltern: 14 - Schüler/innen: 3 - Schulamt: 5 - Schulträger: 5 - Fragebögen: Unterrichtsbeobachtungen: 239
27 3. Was haben wir in Jena untersucht? Vorgehen in der 1. Phase des Projektes: - Konzeption der Untersuchung, datenschutzrechtliche Genehmigung - Erhebung in den Schulen - Vorstellung der Ergebnisse in Großveranstaltungen - Erarbeitung von Schulportraits - Vorstellung der Schulportraits in den Schulen und Gruppendiskussion hierzu - Fertigstellung der Schulportraits - Übergabe der Schulportraits an die Schulen durch Schulträger und Übergang in die empfohlenen Schulentwicklungsprozesse - Spielregel innerhalb der Stadt: kein Vergleich, kein Ranking!!
28 4. Was sind zentrale Ergebnisse unserer Expertise?
29 4. Was sind zentrale Ergebnisse unserer Expertise? a) Raumsituation
30 Raumsituation eher traditionell (oben) und eher inklusiv (unten)
31 4. Was sind zentrale Ergebnisse unserer Expertise? b) Sitzanordnung
32 Sitzanordnungen eher traditionell (oben) und eher inklusiv (unten)
33 4. Was sind zentrale Ergebnisse unserer Expertise? c)intendierte Kommunikationsformen
34 Kommunikationsformen eher traditionell (oben) und eher inklusiv (unten)
35 4. Was sind zentrale Ergebnisse unserer Expertise? d) Art der Wissensvermittlung
36 Art der Wissensvermittlung eher trad. (oben) und eher inklusiv (unten)
37 4. Was sind zentrale Ergebnisse unserer Expertise? e) Zentrale Medien des Unterrichts
38 Zentrale Medien im eher tradit. (oben) u. im eher inkl. (unten) Unterricht
39 6. Überwiegendes Feedback an die Schüler/innen
40 Feedback im eher tradit. (oben) und im eher inkl. (unten) Unterricht
41 5. Was sind Konsequenzen für den Schulträger als lernende Organisation?
42 5. Was sind Konsequenzen für den Schulträger als lernende Organisation? 1. Ressourcen (Schulbegleiter, bauliche Veränderungen usw.) für angemessene Vorkehrungen sind notwendig aber nicht hinreichend: -Die sinnvolle Nutzung von Ressourcen setzt das Vorhandensein pädagogischer Konzepte voraus. - Deshalb sollte die Zuweisung von Ressourcen mit klaren Erwartungen an die Schulentwicklung gebunden werden - Schulträger müssen Kenntnis von der Entwicklung der Schul- und Unterrichtskultur in den betreffenden Schulen haben. Kooperation
43 5. Was sind Konsequenzen für den Schulträger als lernende Organisation? 2. Um systemische Lösungen für eine wachsende Gruppe (von Schüler/innen im Gemeinsamen Unterricht) zu entwickeln, sind Kooperationen nötig: - Ämterübergreifende Kooperation (fallbezogene Beratungen: Jugend-, Sozial-, Schulverwaltungs- und Schulamt sowie öffentlicher Gesundheitsdienst an einem Tisch) - Professionsübergreifende Kooperation (Schulbegleiter- Lehrer/innen Sonderpädagogen Erzieher Sozialpädagogen Therapeuten usw.) In diesen Kooperationen werden nicht nur bereits übliche Handlungsroutinen genutzt. Es kommt auch darauf an, im Kooperationsprozess selbst neue Handlungsroutinen und Kooperationsstrukturen zu entwickeln!
44 5. Was sind Konsequenzen für den Schulträger als lernende Organisation? 3. Gemeinsamer Unterricht kann nicht Aufgabe von ausgewählten Schwerpunktschulen sein. Er ist Aufgabe aller Schulen, weil: - Schwerpunktschulen werden zu Inklusionssonderschulen - Gemeinsamer Unterricht ist Anlass für Schulentwicklung bei Heterogenität, dieser Anlass fehlt bei Schulen ohne Gemeinsamem Unterricht - Gemeinsamer Unterricht ist wohnortnah Schwerpunktschulen nicht - Gemeinschaftsschulen sind ebenso für Gemeinsamen Unterricht geeignet wie alle anderen Schulen (keine Inklusionssonderschulen ) - Angemessene Vorkehrungen sind Zug um Zug zu schaffen.
45 5. Was sind Konsequenzen für den Schulträger als lernende Organisation? - Wir empfehlen der Stadt Jena bei einer Inklusionsquote von 90% die Einrichtung einer Kommunalen Koordinierungsstelle für schulische Inklusion. - In dieser Koordinierungsstelle wird fachliches Wissen über die Qualität des Gemeinsamen Unterrichts gebündelt, um in Entwicklungs- und Steuerungsprozesse eingespeist zu werden. Außerdem erfolgt in dieser Koordinierungsstelle die ämterübergreifende Kooperation zur Absicherung und Weiterentwicklung des Gemeinsamen Unterrichts an allen Schulen der Stadt Jena. -
46 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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