Wirksamkeit von Kostenanrechnungsklauseln in der D&O-Versicherung. 12. Oktober Universität Hamburg
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1 Wirksamkeit von Kostenanrechnungsklauseln in der D&O-Versicherung 12. Oktober 2012 Universität Hamburg Rechtsanwalt Björn Fiedler LL.M.
2 Seite 2 Die Entscheidung des OLG Frankfurt v (Curanum) Die Leistungspflicht des Versicherers innerhalb eines Versicherungsjahres ist pro Versicherungsfall und für alle Versicherungsfälle zusammen auf die im Versicherungsschein genannten Deckungssummen begrenzt. Darin enthalten sind sämtliche Nebenkosten, wie z.b. Aufwendungen zur Abwehr, Minderung oder Ermittlung des Schadens, sowie Anwalts-. Sachverständigen-, Zeugen- und Gerichtskosten.
3 Seite 3 Rechtsdogmatische Erfordernisse für die wirksame Einbeziehung Allgemeiner Versicherungsbedingungen Überraschungsverbot ( 305 c Abs. 1 BGB) Transparenzgebot ( 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) Inhaltskontrolle Angemessenheitsprüfung ( 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) Vertragszweckgefährdung ( 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB)
4 Überraschungsverbot c BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil. Vorliegend???
5 Seite 5 Nach BGH r+s 2009, 246 Überrumpelung des VN erforderlich: -Scheidet von vornherein aus, wenn VN die Klausel zur Kenntnis genommen hat (bei Involvierung des Maklers wohl immer der Fall) -Nach OLG München (VersR 2009, 1066 zu Claims Made) ist auf den Erwartungshorizont der typischen Kundengruppe (also den typischen VN einer D&O Versicherung ) abzustellen. Anrechnung ist jedoch bei D&O Versicherung üblich. Folge: Anrechnungsklauseln verstoßen nicht gegen 305 c BGB
6 Seite 6 Transparenzgebot Abs. 1 BGB Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Vorliegend:???
7 Seite 7 Argument des OLG Frankfurt im Falle Curanum: Angeblich nicht erkennbar, ob auch Kosten einer versicherungsrechtlichen Auseinandersetzung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmerin oder versichertem Organmitglied betroffen sein sollen. Gegenargument: Auch die Transparenz ist an dem Verständnis- und Erwartungshorizont des typischen D&O Kunden zu messen (OLG München VersR 2009, 1066). Kosten, die aufgrund der Leistungspflicht des Versicherers entstehen, können nie auf einer deckungsrechtlichen Auseinandersetzung beruhen. Folge: Keine Verletzung des Transparenzgebotes gegeben. Im Übrigen Einzelfallbetrachtung jeder Klausel.
8 Seite 8 Inhaltskontrolle ( 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. Besteht eine gesetzliche Regelung mit sog. Leitbildcharakter? Liegt eine Abweichung vor? Ist die Abweichung mit dem Leitbild unvereinbar? (Rechtfertigungsgründe Besonderheiten der D&O Versicherung Frage nach möglichem Abweichungsinteresse der Parteien)
9 Seite Abs. 2 VVG Ist eine Versicherungssumme bestimmt, hat der Versicherer die Kosten eines auf seine Veranlassung geführten Rechtsstreites und die Kosten der Verteidigung nach Absatz 1 Satz 2 auch insoweit zu ersetzen, als sie zusammen mit den Aufwendungen des Versicherers zur Freistellung des Versicherungsnehmers die Versicherungssumme übersteigen. Bestimmung des wesentlichen Grundgedankens einer Norm Gesetzesbegründung 307 BGB: Gerechtigkeitsgehalt der Norm ist zu erforschen BGHZ 22, 90: Abgrenzung von Normen mit Gerechtigkeitsgehalt zu bloßen Ordnungsvorschriften.
10 Seite 10 Worin liegt nun der Gerechtigkeitsgehalt von 101 Abs. 2 VVG? (Auslegung) Anrechnungsverbot greift nur, wenn Rechtsstreit auf Veranlassung des Versicherers geführt wurde (Ausfluss von Wahlrecht und Prozessführungsbefugnis des Versicherers ) Beispiel: Versicherungssumme = ,00 EUR. Geltend gemachter Schaden = ,00 EUR. Versicherer V gewährt Abwehrdeckung. Kosten der Abwehr nach drei Instanzen = ,00 EUR. Interessenlage des Versicherten? 101 Abs. 2 VVG schützt die Interessen des Versicherten vor einer fehlerhaften Ausübung des Wahlrechtes durch den Versicherer bzw. bürdet dem Versicherer das mit der Ausübung des Wahlrechtes einhergehende Risiko auf. Norm hat folglich Gerechtigkeitsgehalt.
11 Seite 11 Gilt dieser Gerechtigkeitsgedanke nur bei Abwehrkosten auf Grundlage des RVG? Dafür spricht, dass 101 Abs. 2 VVG im Kontext mit 101 Abs. 1 VVG zu sehen ist. Danach muss Versicherer nur die gebotenen Kosten übernehmen. Kosten des Rechtsstreit findet sich auch in 91 ZPO = Arg., dass Gesetzgeber nur das RVG vor Augen hatte. Gegenargument: Wenn Police eine umfassende Prozessführungsbefugnis des Versicherers beinhaltet und wenn Versicherer davon im Schadenfall auch Gebrauch macht, dann entscheidet Versicherer über die Höhe der gebotenen Kosten und der Gerechtigkeitsgehalt (V soll Risiko seines Wahlrechtes übernehmen) wird gleichermaßen tangiert.
12 Seite 12 Zwischenergebnis 101 Abs. 2 VVG hat Leitbildcharakter. Gerechtigkeitsgehalt besteht unabhängig von der Höhe der Abwehrkosten. Die Anrechnungsklausel weicht davon ab Nach 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB kommt es nun darauf an, ob die Abweichung unvereinbar ist. Dabei kommt es auf Abweichungsbefugnisse an.
13 Seite 13 Abweichungsbefugnis nach 112 VVG? Von den 104 und 106 kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers abgewichen werden. Arg: Dann ist eine Abweichung bei 101 Abs. 2 VVG zulässig und folglich kann der Norm kein Leitbildcharakter zukommen. Gegenargument: 112 VVG soll die VVG zusätzlich einschränken, nicht jedoch die ohnehin bestehenden Beschränkungen der 305 ff BGB für die nicht genannten Vorschriften modifizieren; Daher nur bei individualvertraglichen Einschränkungen von Bedeutung.
14 Seite 14 Abweichungsbefugnis aufgrund Üblichkeit der Regelung? Aus Üblichkeit darf nicht ohne Weiteres auf die Angemessenheit der Regelung rückgefolgert werden. D&O Versicherung insgesamt in Deutschland noch ein junger Versicherungszweig. D&O Versicherung hat sich in USA herausgebildet; Indizfunktion des Handelsbrauches also nicht unproblematisch.
15 Seite 15 Abweichungsbefugnis aufgrund von Prämienkalkulation? ( Preisargument ) Anrechnungsklausel hat sowohl auf Versicherungskapazitäten als auch auf Prämienkalkulation entscheidende Auswirkung. Nach Rechtsprechung (BGHZ 22, 90, 98) ist jedoch Preisargument nicht zu berücksichtigen. Arg. Angemessenheit darf nicht käuflich sein.
16 Seite 16 Abweichungsbefugnis aufgrund der Besonderheiten des Vertragstyps? D&O Versicherung ist besondere Form der Haftpflichtversicherung (Versicherung für fremde Rechnung; Einführung des SB in 93 Abs. 2 Satz 3 AktG nur für D&O Versicherung) Nach BGH müssen Besonderheiten atypischer Verträge im Rahmen von 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB berücksichtigt werden (BGHZ 81, 298, 303; BGHZ 97, 135, 139). Erforderlich ist Vergleich der Interessen des Vertragspartners (VN) an dem Bestehen der gesetzlichen Regelung mit denen des Verwenders (Versicherer) an der Abweichung (sog. Ergebnisvergleich). Auf dieser Grundlage erfolgt dann Beantwortung des Kriteriums der Unvereinbarkeit.
17 D&O Versicherung - Haftungsrechtliche Besonderheiten Der Regelfall: (Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung, 77 Abs. 1 AktG) Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt Die Ausnahme (Wirksame Ressortverteilung, 77 Abs. 1 Satz 2 AktG) Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstandes kann Abweichendes bestimmen. (Informations- und Überwachungspflichten verbleiben)
18 Seite 18 Pflichten von AR und Interesse der Gesellschafter an gleichzeitiger Inanspruchnahme sämtlicher potentieller Haftungsschuldner BGH DB 2009, 948, 950 (Fortführung und Intensivierung von ARAG Garmenbeck = BGHZ 135, 244) (Es gehört zu den allein am Unternehmenswohl orientierten Pflichten des Aufsichtsrates), die Rechtslage zu begutachten, die Prozessrisiken abzuwägen, die Beitreibbarkeit der Forderung abzuschätzen und zu prüfen, ob ausnahmsweise Gründe vorliegen, die es angezeigt erscheinen lassen, die Forderung dennoch nicht oder nicht in voller Höhe geltend zu machen. Bei GmbH keine Rechtspflicht, aber Interessenlage der Gesellschafter ist wirtschaftlich identisch.
19 Seite 19 Interesse der Gesellschaft an Abwehranspruch aus der D&O Versicherung Wiederauffüllung des Gesellschaftsvermögens ist nicht ausschließliches Interesse der Gesellschaft. Treueverhältnis zwischen Gesellschaft und Organmitgliedern erfordern Absicherungsmaßnahmen vor Existenzgefährdungen. Existenzgefährdung tritt bei unbegründeter Inanspruchnahme ohne Bestehen von Versicherungsschutz regelmäßig ein (RA- Kosten können nicht privat gezahlt werden).
20 Seite 20 Interessenabwägung Unvereinbarkeit der Abweichung? Abweichungsinteresse des Versicherers gegeben, weil Abwehrkosten für mehrere Organmitglieder in einem Schadenfall geleistet werden müssen. Abweichungsinteresse ist Folge der haftungsrechtlichen Besonderheiten (Sicherung der Wiederauffüllung des Gesellschaftsvermögens verlangt Inanspruchnahme mehrerer; Gesellschaft hat gerade auch ein Interesse an Abwehr) Folge: Anrechnungsklausel enthält keine unvereinbare Abweichung mit Gerechtigkeitsgebot und ist anmessen.
21 Seite 21 Vertragszweckgefährdung Problem des Verdampfens der Versicherungssumme 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet wird. Beispiel: Versicherungssumme = 3 Mio. EUR. Schadensumme = 3 Mio. EUR. 4 Vorstandsmitglieder erhalten Abwehrkosten und Strafrechtsschutz. Gesamtkosten nach 2 Jahren = 3 Mio. EUR.
22 Seite 22 Vertragszweckgefährdung ist ausschließlich auf Grundlage des Versicherungsvertrages zu beurteilen. Abwehr ist aber Teil der Hauptleistungspflicht des Versicherers (vgl. 100 VVG). Daher keine Berücksichtigung im Rahmen von 307 BGB. Aber: 93 Abs. 1 AktG begründet Pflicht des Vorstandes eine Versicherung abzuschließen, die dem Unternehmenswohl entspricht. Dieser Pflicht muss durch Ausgestaltung im Einzelfall Genüge getan werden (z.b. Sublimitierung von Abwehrkosten). Je höher die Versicherungssumme, so geringer das Risiko der Verdampfung.
23 Björn Fiedler, LL.M. Rechtsanwalt Partner Agrippinawerft 24 (Im Rheinauhafen) Köln Telefon: Fax: Mobil: bjoern.fiedler@fgvw.de
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