Exportkontrolle in der Unternehmenspraxis

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1 Exportkontrolle in der Unternehmenspraxis Der richtige Umgang mit Ausfuhren in Embargoländer 1. Deutscher Exporttag, 28. November 2016, IHK Frankfurt am Main Rechtsanwälte und Partner, GvW Graf von Westphalen

2 Übersicht I. Beispiel Iran: aktueller Stand der Sanktionen 1. Joint Comprehensive Plan of Action 2. Welche Sanktionen wurden aufgehoben? 3. Welche Beschränkungen bleiben bestehen? II. Ausgewählte Praxisprobleme 1. Anwendungsbereich von Sanktionen 2. Finanzierung und Absicherung 3. Beachtung des U.S.-Rechts 4. Snap-back und Vertrauensschutz 5. Exportkontroll- und Sanktionsklauseln 2

3 Joint Comprehensive Plan of Action Bekanntgabe der Einigung in Wien am 14. Juli 2015 Quelle: 3

4 Joint Comprehensive Plan of Action Zeitplan : Unterzeichnung des Abkommens (Finalisation Day) : Vorbereitende Rechtsakte durch EU/USA zur Sanktionslockerung (Adoption Day) : Wirksamwerden der ersten Sanktionslockerungen (Implementation Day) Spätestens nach 8 Jahren ( ): Weitere Sanktionslockerungen (Transition Day) Nach 10 Jahren ( ): Vollständige Sanktionsaufhebung (Termination Day) 4

5 Aufgehobene Sanktionen Wegfall güterbezogener Verbote Verbot der Einfuhr und Beförderung von Erdöl, Erdölerzeugnissen, petrochemischen Erzeugnissen und Erdgas (ehem. Anhänge IV, IVa, V) Verbote bzgl. Schlüsselausrüstung für die iranische Erdöl- und Erdgasindustrie sowie für die petrochemische Industrie (ehem. Anhänge VI, VIa) Verbote bzgl. Marineschlüsselausrüstung (ehem. Anhang VIb) Verbot der Ein- und Ausfuhr von Gold, Edelmetallen und Diamanten (ehem. Anhang VII) Verbot der Ausfuhr von Banknoten und Münzen an die iranische Zentralbank (ehem. Art. 16) 5

6 Aufgehobene Sanktionen Wegfall weiterer Beschränkungen Klassifikationsverbot im Schiffssektor (ehem. Art. 37a) Verbot des Zurverfügungstellens von Öltankern (ehem. Art. 37b) Genehmigungs- und Meldepflichten für Geldtransfers (ehem. Art. 30, 30a) 6

7 Welche Beschränkungen bleiben bestehen? Quelle: 7

8 Fortbestehende Beschränkungen Allgemeine Exportkontrollvorschriften Beschränkungen aus allgemeinem Exportkontrollrecht Dual-Use-Güter des Anhangs I i.v.m. Art. 3 DUV Nationale Dual-Use-Güter des Teils I Abschnitt B der Ausfuhrliste Catch-all-Vorschriften (nichtgelistet Dual-Use-Güter) Art. 4 DUV, 9 AWV Feuerwaffen-VO Anti-Folter-VO 8

9 Fortbestehende Beschränkungen Waffenembargo Waffenembargo 74 AWV, Art. 5 VO 267/2012 Verbote Rüstungsgüter Teil I Abschnitt A Ausfuhrliste 9

10 Fortbestehende Beschränkungen Iran- Menschenrechts -VO 359/2011 Personenbezogene Beschränkungen bzgl. Personen die für schwere Menschrechtsverletzungen verantwortlich sind (Anhang I) Verbote für Güter der internen Repression (Anhang III) Genehmigungsvorbehalt für Telekommunikationsüberwachungsgüter (Anhang IV) 10

11 Fortbestehende Beschränkungen Überblick: Iran-Embargo-VO 267/2012 Iran-Embargo-VO 267/2012 Güterbezogene Genehmigungspflichten Anhänge I, II, VIIa, VIIb Verbote MTCR-Güter Anhang III Personenbezogene Beschränkungen Anhänge VIII, IX 11

12 Fortbestehende Beschränkungen Überblick: Dual-Use-Güter Dual-Use-Güter des Anhangs I VO 428/2009 (DUV) FRÜHER AKTUELL (abhängig v. internationalem Kontrollregime) Verbote für fast alle gelisteten Dual-Use-Güter i.s.v. Anhang I DUV Anhang I VO 267/2012 Genehmigungspflichten NSG-Güter Anhang I VO 267/2012 Verbote MTCR-Güter Anhang III VO 267/2012 Genehmigungspflichten AG/WA-Güter, Art. 3 DUV 12

13 Fortbestehende Beschränkungen Überblick: sonstige Güter FRÜHER AKTUELL Verbote für sonstige proliferationsrelevante Güter, Anhang II Genehmigungspflicht für sonstige proliferationsrelevante -Güter Anhang III Genehmigungspflicht für Güter der ehem. Anhänge II + III Anhang II Verbot industrielle Software Anhang VIIa Genehmigungspflicht ind. Software Anhang VIIa Verbot Grafite, Metalle Anhang VIIb Genehmigungspflicht Grafite, Metalle, Anhang VIIb 13

14 Fortbestehende Beschränkungen Verhältnis Anhänge I und III Genehmigungspflicht Anhang I DUV Genehmigungspflicht Anhang I VO 267/2012 = NSG-Güter Verbot Anhang III VO 267/2012 = MTCR-Güter Anhänge I und III VO 267/2012 = Teilmengen des Anhangs I DUV Sind Güter zugleich von Anhang I und III VO 267/2012 erfasst, geht das Verbot nach Anhang III vor 14

15 Fortbestehende Beschränkungen Besonderheiten Anhang I Besonderes Verfahren (Beschaffungskanal/ Procurement Channel ) für NSG-Güter, Art. 2 a-d VO 267/2012 Vorherige Zustimmung des UN-Sicherheitsrates für Genehmigung erforderlich Dauer UN-Verfahren: 20 bzw. 30 Werktage (lt. BAFA) Problem EVE: Information des BAFA v (Formulare + Ausfüllanleitung): Spezielle staatliche EVE auf Briefbogen der zuständigen staatlichen Stelle notwendig (+ auch Unterzeichnung des Endverwenders) der Atomic Energy Authority of Iran (AEOI) bei Verwendung im iranischen Nuklearprogramm des Ministry of Industry, Mine and Trade of Iran bei nichtnuklearer ziviler Endverwendung 15

16 Fortbestehende Beschränkungen Besonderheiten Anhang II Genehmigungspflicht für sonstige proliferationsrelevante Güter, Art. 3a-d VO 267/2012 Private EVE mit Post-Shipment-Klauseln Schriftliche staatliche Zustimmung zu Post-Shipment- Kontrollen? lange umstritten Information des BAFA v : Eine darüber hinausgehende Unterzeichnung durch staatliche Stellen des Iran ist nach Einigung der Bundesregierung mit der iranischen Regierung nicht erforderlich. Genehmigungsbehörde notifiziert den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission zehn Tage im Voraus ihre Absicht, eine Genehmigung zu erteilen 16

17 Fortbestehende Beschränkungen Besonderheiten Anhang VIIa Genehmigungspflicht für Software für die Unternehmensressourcenplanung, konzipiert speziell für Nuklearund militärische Industrie, Art. 10d VO 267/2012 NEU: Streichung von Software für Gas-, Öl-, Seefahrt-, Luftfahrt-, Finanz- und Bauindustrie Genehmigungsbehörde notifiziert den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mind. zehn Tage im Voraus ihre Absicht, eine Genehmigung zu erteilen 17

18 Fortbestehende Beschränkungen Besonderheiten Anhang VIIb Genehmigungspflicht für Grafite, Rohmetalle und Metallhalberzeugnisse (Edelstahl, Aluminium, Titan, Nickel), Art. 15a NEU: Viele Streichungen gegenüber altem Anhang VIIb NEU: Hinzufügung neuer Positionen: z.b. bestimmte Stabstähle (Stangen) aus nichtrostendem Stahl (Nr. 2) Genehmigungsbehörde notifiziert den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mind. zehn Tage im Voraus ihre Absicht, eine Genehmigung zu erteilen. 18

19 Fortbestehende Beschränkungen Reichweite güterbezogener Beschränkungen (1) Anhänge I, II, III, VIIa, VIIb: Verkauf, Lieferung, Weitergabe, Ausfuhr Wann liegt ein Verkauf vor? Abgrenzung zwischen Lieferung und Ausfuhr technische Hilfe/Vermittlungsdienste/Finanzhilfen bestimmte Investitionen 19

20 Fortbestehende Beschränkungen Reichweite güterbezogener Beschränkungen (2) Bei Anhängen I, II, III auch: Erwerb, Einfuhr, Beförderung aus Iran Genehmigungspflichtig/verboten sind Verkauf, Ausfuhr, technische Hilfe, Vermittlungsdienste an/für iranische Personen, Organisationen, Einrichtungen oder zur Verwendung in Iran unmittelbare und mittelbare Handlungen werden erfasst Umgehungsverbot, Art. 41 VO 267/

21 Fortbestehende Beschränkungen Reichweite güterbezogener Beschränkungen (3) Technische Hilfe / Dienstleistungen Jede technische Unterstützung im Zusammenhang mit Reparaturen, Entwicklung, Herstellung, Montage und Erprobung, Wartung oder jeder anderen technischen Dienstleistung in Form von Anleitung, Beratung, Ausbildung, Weitergabe von praktischen Kenntnissen oder Fertigkeiten oder in Form von Beratungsdiensten, einschließlich in verbaler Form. 21

22 Fortbestehende Beschränkungen Personenbezogene Beschränkungen (1) Implementation Day: Streichung von über 330 Personen, Organisationen und Einrichtungen aus Sanktionslisten, u.a. Unternehmen der iranischen Erdöl- und Erdgasindustrie bestimmte Einrichtungen des iranischen Nuklearsektors iranische Kredit-/Finanzindustrie Unternehmen des Transportsektors ABER: Gelistet sind nach wie vor zahlreiche POE in Anhängen VIII und IX der VO 267/12, insb. mit Bezügen zum iranischen Raketenprogramm mit Bezügen zum iranischen konventionellen Rüstungssektor mit Bezügen zum frühen nuklearen Beschaffungsnetzwerk 22

23 Fortbestehende Beschränkungen Personenbezogene Beschränkungen (2) Rechtsfolge der Listung: Einfrieren von Vermögen und Bereitstellungsverbot = Verbot, gelisteten POE unmittelbar oder mittelbar Gelder oder wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen oder zugute kommen zu lassen 23

24 Fortbestehende Beschränkungen Personenbezogene Beschränkungen (3) Problem: Mittelbares Bereitstellungsverbot Verboten ist auch die Bereitstellung wirtschaftlicher Ressourcen an nicht gelistete Unternehmen, wenn dies mittelbar eine Bereitstellung an das gelistete Unternehmen darstellt sog. Sanktionsleitlinien (Ratsdokument 9068/13) Anforderungen an die Überprüfung von Geschäftspartnern ( Know your customer ) / Maßstab nach Art. 42 Abs. 2 VO 267/

25 Praxisproblem Anwendungsbereich von Sanktionen (1) Case Study Muttergesellschaft (Deutschland) Verkauf Kontrolle? Tochtergesellschaf t (z. B. Türkei) Nicht gelistete Person Gelistete Person 25

26 Praxisproblem Anwendungsbereich von Sanktionen (2) Art. 49 VO 267/2012 Diese Verordnung gilt a) im Gebiet der Union einschließlich ihres Luftraums, b) an Bord von Luftfahrzeugen und Schiffen, die der Hoheitsgewalt eines Mitgliedstaats unterstehen, c) für Personen, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union, d) für nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete oder eingetragene juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen innerhalb und außerhalb des Gebiets der Union, e) für juristische Personen, Organisationen und Einrichtungen in Bezug auf Geschäfte, die ganz oder teilweise in der Union getätigt werden. 26

27 Praxisproblem Anwendungsbereich von Sanktionen (3) Zurechnungsfragen Tochtergesellschaften außerhalb der EU rechtliche Selbständigkeit Verantwortlichkeit der EU-Muttergesellschaft Einwirkungspflicht der Muttergesellschaft? EU-Mitarbeiter der drittländischen Tochtergesellschaft Handeln für das Unternehmen privates Handeln EU-Geschäftsführer der drittländischen Tochtergesellschaft 27

28 Praxisproblem Finanzierung und Absicherung Verhalten der Banken in der EU Finanzierung/Akkreditive Zahlungsverkehr Hermesdeckungen für Iran Iran hat am die Außenstände bei den Exportkrediten des Bundes beglichen Zusammen mit den Garantien für Investitionen und den Garantien für ungebundene Finanzkredite stehen nun wieder alle Garantieinstrumente des Bundes zur Verfügung 28

29 Praxisproblem Beachtung des U.S. Rechts: Case Study U.S.-Mutter will EU-Tochter Iran-Geschäft erlauben Ein Geschäftsführer und Mitarbeiter der Tochter sind U.S.- Staatsangehörige U.S. Mutter liefert Teile mit U.S.-Ursprung zu RFQ / RFI / RFP werden in den USA freigegeben IT ist unternehmensweit einheitlich / Support durch Mutter Zahlungsverkehr in U.S.-Dollar 29

30 Praxisproblem Snap-back und Vertrauensschutz (1) Case Study Können sich die USA vom JCPOA lösen? Variante A: die IAEA stellt erhebliche Verstöße des Iran gegen dessen Verpflichtungen aus dem JCPOA ( significant non-performance of commitment under the JCPOA ) fest Variante B: die USA entscheiden unabhängig davon, den JCPOA nicht weiter umzusetzen 30

31 Praxisproblem Snap-back und Vertrauensschutz (2) 5. Schritt: Snap-Back 4. Schritt: UN Security Council 3. Schritt: Advisory Board 2. Schritt: Ministers of Foreign Affairs 1. Schritt: Joint Commission 31

32 Praxisproblem Snap-back und Vertrauensschutz (3) Erwägungsgrund Nr. 7 der VO 2015/1861: Im Falle der Wiedereinführung von restriktiven Maßnahme der Union wird für angemessenen Schutz für die Ausführung der Verträge gesorgt, die nach Maßgabe des JCPOA zu einem Zeitpunkt geschlossen wurden, zu dem die Sanktionen außer Kraft gesetzt waren; das erfolgt in Einklang mit früheren, zum Zeitpunkt der ursprünglichen Verhängung der Sanktionen geltenden, Bestimmungen. 32

33 Praxisproblem Snap-back und Vertrauensschutz (4) OFAC FAQs: [ ] The United States has committed not to retroactively impose sanctions for legitimate activity undertaken after Implementation Day. Transactions conducted after the snapback occurs, however, could be sanctionable to the extent they implicate activity for which sanctions have been reimposed. The JCPOA does not grandfather contracts signed prior to snapback. [ ]. The U.S. government has a past practice of working with U.S. or third-country companies to minimize the impact of sanctions on the legitimate activities of those parties undertaken prior to the imposition of sanctions, and we anticipate doing the same in the event of a JCPOA sanctions snapback. [ ] 33

34 Praxisproblem Exportkontroll- und Sanktionsklauseln Formulierung entscheidend Einbeziehung Snap-back und sonstige Beendigung des JCPOA Force Majeure -Klausel reicht nicht Auswirkungen auf Dokumentenakkreditive Problem: Antiboykottbestimmungen und Vorrang des EU-Rechts 34

35 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Offene Fragen? Marian Niestedt, M.E.S. Rechtsanwalt und Partner Dr. Gerd Schwendinger, LL.M. Rechtsanwalt und Partner Poststraße Hamburg Tel Fax Poststraße Hamburg Tel Fax m.niestedt@gvw.com 227, Rue de la Loi 1040 Brüssel Tel Fax g.schwendinger@gvw.com