Beck'scher Online-Kommentar Hrsg: Bamberger/Roth

Transkript

1 A. Zeitlicher Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts beim Kauf BeckOK BGB 437 Rn 4-6 Autor: Faust Beck'scher Online-Kommentar Hrsg: Bamberger/Roth Stand: Edition: 14 4 Ab Vertragsschluss steht dem Käufer der normale Erfüllungsanspruch zu, der auf mangelfreie Leistung gerichtet ist ( 433 Abs 1 S 2). Erfüllt der Verkäufer nicht oder nicht ordnungsgemäß, gilt das allgemeine Leistungsstörungsrecht ( 433 Rn 38 ff). Umstritten ist, ab welchem Zeitpunkt 437 eingreift und deshalb das allgemeine Leistungsstörungsrecht durch das Kaufgewährleistungsrecht ersetzt wird. Dies ist insbes im Hinblick auf die Verjährungsregelung des 438 von Bedeutung. Dasselbe Problem stellte sich schon nach altem Recht in Bezug auf den Nachlieferungsanspruch gemäß 480 Abs 1 af. 5 Eine Ansicht stellt darauf ab, ob der Käufer die Sache als (teilweise) Erfüllung angenommen hat ( 363). Tut er das nicht, sondern weist sie zurück, sei 437 nicht einschlägig und es bleibe bei den Rechtsbehelfen des allgemeinen Leistungsstörungsrechts (Maultzsch ZGS 2003, 411, 416 f; Oetker/Maultzsch S 74 ff; Reinicke/Tiedtke Rn 399 ff). Die Gegenansicht hält den Zeitpunkt des (fiktiven, s 434 Rn 35) Gefahrübergangs für maßgeblich. Das Gesetz biete keine Möglichkeit, auf die Annahme abzustellen, sondern knüpfe an den Gefahrübergang an. Im Hinblick auf die Verjährung stelle das Gesetz gleichfalls nicht auf die Annahme, sondern auf die Ablieferung ab ( 438 Abs 2). Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb derjenige Käufer, der die Ware sofort wegen des Mangels zurückweise, von einer längeren Verjährung profitieren solle ( 275 Rn 14; 280 Rn 2; AnwK- BGB/Büdenbender 439 Rn 2; Canaris, Karlsruher Forum 2002, S 72; Erman/Grunewald 439 Rn 1; Das neue Schuldrecht/Haas Kap 5 Rn 145 ff; Huber/Faust/Huber Rn 13/45; MünchKommBGB/Westermann Rn 6; Palandt/Heinrichs 280 Rn 17; Palandt/Putzo 433 Rn 21). 6 Richtigerweise ist der Zeitpunkt des 363 maßgeblich. Zwar stellt das Gesetz in Bezug auf die Mangelfreiheit auf den Zeitpunkt des Gefahrübergangs ab. Dabei geht es jedoch um eine gänzlich andere Sachfrage, nämlich darum, wen das Risiko zufälliger Verschlechterungen der Kaufsache trifft. Hier dagegen ist zu entscheiden, ob die Durchführung des Kaufvertrags schon so weit fortgeschritten ist, dass die Rechte des Käufers anders auszugestalten sind als im Fall völliger Nichtleistung. Das ist genau die gleiche Frage, die 363 regelt: Ab der Annahme als Erfüllung verlagert sich die Beweislast (auch in Bezug auf das Vorliegen von Mängeln, s 434 Rn 119) auf den Käufer. In Parallele dazu ist es (erst) ab diesem Zeitpunkt gerechtfertigt, den Käufer den Restriktionen des Gewährleistungsrechts zu unterwerfen (Vgl Oechsler NJW 2004, 1825, 1827 f, der das Problem sehr deutlich unter dem Stichwort Flucht in die Nacherfüllung herausarbeitet, ohne jedoch den richtigen Lösungsansatz zu sehen). Auf den Gefahrübergang abzustellen würde auch zu problematischen Diskrepanzen zwischen Hol- und Bringschuld einerseits und Schickschuld andererseits führen (Vgl Kandler, Kauf und Nacherfüllung, 2004, S 328 ff, die auf die Übergabe abstellt). Bei den beiden ersteren könnte der Käufer durch Verweigerung der Annahme den Gefahrübergang nach 446 S 1 vermeiden, bei der Schickschuld hätte er dagegen diese Möglichkeit nicht. Das lässt sich me nicht damit rechtfertigen, dass sich der Käufer auf eine Schickschuld eingelassen hat, da deren Charakteristikum in der Verteilung des Transportrisikos liegt. Damit hat die Frage, ob dem Käufer die Gelegenheit gegeben 1

2 wird, eine mangelhafte Sache zurückzuweisen, ohne den Beschränkungen des Gewährleistungsrechts unterworfen zu werden, nichts zu tun. Dass nach der hier vertretenen Auffassung auch das Eintreten von Annahmeverzug ( 446 S 3) nicht dazu führt, dass der Käufer den Beschränkungen des Gewährleistungsrechts unterliegt, ist konsequent, führt doch Annahmeverzug weder zu einer Beweislastverlagerung hinsichtlich der Mangelfreiheit noch zum Beginn der Verjährung. Annahmeverzug soll also zwar die Gefahr von Verschlechterungen auf den Käufer übergehen lassen, seine Rechte wegen vorhandener Mängel aber nicht beeinträchtigen. 363 Beweislast bei Annahme als Erfüllung Hat der Gläubiger eine ihm als Erfüllung angebotene Leistung als Erfüllung angenommen, so trifft ihn die Beweislast, wenn er die Leistung deshalb nicht als Erfüllung gelten lassen will, weil sie eine andere als die geschuldete Leistung oder weil sie unvollständig gewesen sei. Annahme der Leistung als Erfüllung 4 Die Annahme der gerade so angebotenen Leistung als Erfüllung setzt - was (noch) der Beweislast des Schuldners anheimfällt - ein Verhalten des Gläubigers voraus, dass den Rückschluss zulässt, er wolle die Leistung als im Wesentlichen ordnungsgemäß ansehen (BGH NJW 1958, 1724 zu 464 af; OLG Stuttgart NJW 1969, 610, 611; NZG 2007, 239, 240). Man wird die Annahme - ebenso wie in 341 Abs 3 und inhaltsgleich mit der Abnahme is von 640 Abs 1, 12 VOB/B - jedenfalls als geschäftsähnliche Handlung zu behandeln haben (Vgl RGZ 109, 295, 296; BGHZ 33, 236, 237; diff Ernst NJW 1997, 896, 897 Fn 8) die Regeln über Auslegung und Anfechtung von Willenserklärungen können daher entspr herangezogen werden (Staudinger/Olzen Rn 12 f; aa MünchKommBGB/Wenzel Rn 3; Gernhuber Erfüllung 6, 2). Geboten ist eine Würdigung der Umstände des Einzelfalls, wobei insbes - auch für die Bestimmung des Zeitpunkts der Annahme - das konkrete Leistungsbild entscheidend sein wird (OLG Stuttgart NZG 2007, 239, 240; zur Übergabe eines Geldbündels vgl BGH NJW 1984, 721, 722; allg Baumgärtel/Strieder Rn 3). So genügt die bloße - stillschweigende oder auch schriftlich bestätigte - Entgegennahme dann nicht, wenn die (körperliche) Leistung üblicherweise einer Prüfung auf Vollständigkeit und Funktionsfähigkeit bedarf, was ggf noch eine vorherige, mündliche oder schriftliche, Bedienungsanleitung oder gar eine Probephase erfordern wird (Zur EDV-Anlage vgl BGH NJW 1989, 3222, 3233: Handbuch; NJW 1993, 461, 463; OLG Düsseldorf DB 1989, 520; Ernst NJW 1997, 896, 899 f); in diesen Fällen können dann nachfolgende Benutzungs- oder Verwendungshandlungen, uu auch eine längere Indolenz des Gläubigers (RGZ 86, 210, 214; OLG Köln NJW-RR 1995, 751), Bedeutung gewinnen (S etwa BGHZ 33, 236, 238 zur Vermietung eines Bauwerks). Ein lediglich allgemein gehaltener Vorbehalt des Gläubigers vermag die Rechtsfolge des 363 nicht auszuschließen (RGZ 71, 23 f; Staudinger/Olzen Rn 15 f), er kann aber als Prüfungsvorbehalt ausgelegt werden. 2

3 640 Abnahme (1) 1 Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. 2 Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. 3 Der Abnahme steht es gleich, wenn der Besteller das Werk nicht innerhalb einer ihm vom Unternehmer bestimmten angemessenen Frist abnimmt, obwohl er dazu verpflichtet ist. (2) Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Absatz 1 Satz 1 ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält. 644 Gefahrtragung (1) 1 Der Unternehmer trägt die Gefahr bis zur Abnahme des Werkes. 2 Kommt der Besteller in Verzug der Annahme, so geht die Gefahr auf ihn über. 3 Für den zufälligen Untergang und eine zufällige Verschlechterung des von dem Besteller gelieferten Stoffes ist der Unternehmer nicht verantwortlich. (2) Versendet der Unternehmer das Werk auf Verlangen des Bestellers nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort, so findet die für den Kauf geltende Vorschrift des 447 entsprechende Anwendung. BGB 640 Autor: Frank Peters / Florian Jacoby Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2008 Rn 3 vgl. Zweigliedriger Abnahmebegriff im Werkvertragsrecht 3 Herrschend ist im Werkvertragsrecht ein zweigliedriger Abnahmebegriff (vgl näher u Rn 6 ff): 1. Übergabe des Werkes, wo diese möglich ist, 2. und Billigung des Werkes als im wesentlichen vertragsgerecht. Das entspricht der Entstehungsgeschichte des Gesetzes (vgl die eingehende Darstellung bei Pietsch 93 ff). Nachdem die erste Kommission die Abnahme auf die Besitzübernahme beschränkt hatte (Mot 490 ff mit 572 E I), kehrte die II. Kommission davon ab (Prot 2218 ff), anknüpfend an die herkömmliche Praxis. Dem trägt die Terminologie des Gesetzes Rechnung (vgl o Rn 2), die die Abnahme gerade von Ablieferung oder Übergabe unterscheidet. Die Billigung der Werkleistung als das entscheidende Element der Abnahme wird dem Wesen des Werkvertrages gerecht, wenn etwas Neues herzustellen ist, bei dem es erst der Klärung bedarf, ob es denn den getroffenen Vereinbarungen entspricht. Hierzu ist dem Besteller eine gewisse Frist zuzubilligen; erst nach der Erprobung kann er gehalten sein, den Werklohn zu zahlen, darf die Verjährung seiner Gewährleistungsansprüche laufen und kann ihm die Beweislast für Mängel aufgebürdet werden. 3

4 B. Zeitlicher Anwendungsbereich des Gewährleistungsrechts beim Werkvertrag BGB 634 Rechte des Bestellers bei Mängeln Autor: Busche Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2009 Rn 3-4 Anwendungsbereich. Wenngleich die Vorschrift des 634 hinsichtlich der Rechtsfolgen vielfach auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht verweist, bedarf es doch einer Abgrenzung des Anwendungsbereichs der in 634 genannten Rechte von den allgemeinen Regeln, 4 da diese zum Teil nur modifiziert in Bezug genommen werden, zum Teil durch zusätzliche Rechte ergänzt werden. Maßgebliches Abgrenzungskriterium ist dabei in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich die Herstellung des Werkes, 5 zu der sich der Unternehmer gegenüber dem Besteller gem. 631 verpflichtet hat. Die Mängelrechte des 634 knüpfen insoweit an die Herstellung des Werkes an, als sie voraussetzen, dass ein mangelhaftes Werk vorliegt. Nur wenn das Werk hergestellt ist, lässt sich in der Regel feststellen, ob das Werk mit Mängeln behaftet ist oder nicht, da es bis zur Herstellung des Werkes in der Hand des Unternehmers liegt, wie er den vertraglich vereinbarten Erfolg herbeizuführen gedenkt. Mit der mangelhaften Herstellung des Werkes wird der Erfüllungsanspruch aus 631 Abs. 1 durch einen modifizierten Erfüllungsanspruch in Gestalt des Nacherfüllungsanspruchs ( 634 Nr. 1, 635) abgelöst, auf dem die weiteren in 634 Nr. 2 bis 4 genannten Rechte aufbauen. Zugleich wird der isolierte Rückgriff auf die Regeln des allgemeinen Leistungsstörungsrechts versperrt; der Weg dorthin führt nur noch über die Vorschriften der 634 ff. 6 Der ursprüngliche Erfüllungsanspruch beschränkt sich auf das hergestellte Werk. Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich bei den 634 ff. um eine abschließende Sonderregelung. 7 3 Von dem Grundsatz, dass die 634 ff. erst ab dem Zeitpunkt der Herstellung eingreifen, sind in unterschiedlicher Hinsicht Ausnahmen zu machen: Das gilt zunächst für den Fall, dass der Unternehmer seine Leistung nicht vertragsgerecht erbringt und erkennbar ist, dass er den Mangel nicht wird beseitigen können. 8 Für das Rücktrittsrecht ergibt sich dies ausdrücklich aus 634 Nr. 3, der auch auf 323 Abs. 4 verweist. Auch auf die anderen in 634 geregelten Rechte ist der Rechtsgedanke des 323 Abs. 4 jedoch entsprechend anzuwenden, da es in einem derartigen Fall nicht weiterführt, den Besteller zunächst auf den ursprünglichen Erfüllungsanspruch aus 631 Abs. 1 zu verweisen. 9 Eine Ausnahme im Hinblick auf die Anwendbarkeit der 634 ff. ist auch im Falle vorzeitiger Beendigung des Vertrages zu machen, soweit das bis dahin erstellte Teilwerk mangelhaft ist. Darüber hinaus kann der Besteller auf den Erfüllungsanspruch und die sich daraus ergebenden Rechte verzichten und auch ohne Herstellung sogleich aus den 634 ff. vorgehen. 10 Dafür spricht, 4 4

5 dass im Vergleich zu den allgemeinen Leistungsstörungsregeln nach 634 ff. strengere Voraussetzungen für die Geltendmachung der Rechte des Bestellers gelten, so dass die Position des Schuldners nicht verkürzt wird. 4 Anders Vorwerk BauR 2003, 1, 10; AnwK-BGB/Raab Vor 631 RdNr. 5 ff. 5 AA (Abnahme) Sienz BauR 2002, 181, 184; Palandt/Sprau Vor 633 RdNr. 6; für parallele Anwendung der allgemeinen Regeln neben 634 ff. ab dem Zeitpunkt der Herstellung Bamberger/Roth/Voit 636 RdNr. 2 (zum Rücktrittsrecht); vgl. zum Begriff der Herstellung 631 RdNr Vgl. auch Palandt/Sprau Vor 633 RdNr. 9 f.; für parallele Anwendung der allgemeinen Regeln dagegen Bamberger/Roth/Voit 636 RdNr. 2, Palandt/Sprau Vor 633 RdNr BGH Schäfer-Finnern Z 2510, 12; Palandt/Sprau Vor 633 RdNr Vgl. zum früheren Recht BGH NJW 2001, 3329 (Minderfläche); NJW 2000, 133 = LM 638 Nr. 89 (im Bauwerk verkörperter Mangel des Architekten). 10 Vgl. Palandt/Sprau Vor 633 RdNr. 7; einschränkend zum früheren Recht BGH NJW 1999, 2046, 2048 = LM 326 (D) Nr. 4. BGB 634 Autor: Frank Peters / Florian Jacoby Staudinger, BGB - Neubearbeitung 2008 Rn Abnahme 11 Wenn den Ausgangspunkt der Rechte des Bestellers nach den 634 ff der Anspruch auf Nacherfüllung bildet, folgt daraus, daß diese Rechte im Prinzip erst nach Überwindung des Erfüllungsstadiums eingreifen, dh nach der Abnahme ( Palandt/Sprau Rn 7 vor 633); diese macht sie fällig. Freilich schiebt eine Schiedsgutachterabrede die Fälligkeit und damit den Verjährungsbeginn hinaus (KG BauR 2005, 1782). Falls sich zuvor schon Mängel zeigen, dient ihrer Abstellung der ursprüngliche Erfüllungsanspruch des Bestellers (zu den Einzelheiten vgl 633 Rn 89 f). Ggf kann der Besteller nach 323 Abs 4 zum Rücktritt berechtigt sein bzw zur Kündigung aus wichtigem Grund. Zu Schadensersatzansprüchen 633 Rn 103 f. Die Rechte der 634 Nr 2, 637 stehen dem Besteller vor der Abnahme (oder Kündigung) nicht zu. Vorzugsweise hat der Besteller gegenüber Abschlagszahlungen die Mängeleinrede. Verweigert der Besteller zu Recht die Abnahme, beläßt das den Vertrag im Erfüllungsstadium. Das gilt auch, wenn die Verweigerung der Abnahme nicht berechtigt war. In beiden Fällen erwachsen ihm namentlich nicht die Rechte der 634 Nr 2, 637. Eine Kündigung des Vertrages führt demgegenüber zur Anwendbarkeit der 634 ff (aa BGHZ 167, 345 = NJW 2006, 2475, dazu 649 Rn 8 ff, 28). 5