Aktive Lebensgestaltung im Alter - was kann Bildung leisten?
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- Käthe Vogel
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1 Prof. Dr. Bernd-Joachim Ertelt Bedarf an Bildungs- und Berufsberatung bei Älteren speziell im sogenannten 3. Alter Nationale Fachkonferenz Bonn September 2014 Aktive Lebensgestaltung im Alter - was kann Bildung leisten?
2 Gliederung 1. Kritische Aspekte der Bildungs- und Berufsberatung 2. Charakteristika der Zielgruppen und Beratungsbedarf 3. Ansätze für eine theoriegeleitete Beratungskonzeption Seite 2
3 1. Kritische Aspekte der Berufsberatung Berufsberatung im Dritten Alter kann nicht wie die traditionelle Betrachtung der Berufsberatung die Integration in das Berufs- und Beschäftigungssystem in den Fokus nehmen. Vielmehr geht es um die Erhaltung oder Steigerung der individuellen Lebensqualität von Menschen im sog. 3. Alter. Seite 3
4 Gibt es hierfür eine internationale Legitimation? OECD 2004 Bildungs- und Berufsberatung soll Menschen in jedem Alter und jedem Lebensabschnitt unterstützen, Entscheidungen in Bezug auf Bildung, Berufsbildung und die Berufswahl und ihre berufliche Laufbahn zu gestalten. Seite 4
5 Bereitzustellende Methoden Informationen zur beruflichen Laufbahn Instrumente zur (Selbst-) Beurteilung Persönliche Beratung Berufsbildungsprogramme Programme für Arbeitssuche Angebote für Übergangszeiten Seite 5
6 Fazit der OECD Es gibt nur wenige Beispiele erfolgreicher Lösungen für die Berufsberatung für ältere Arbeitnehmer. Bislang hat offenbar kein Land ein systematisches Konzept hierfür entwickelt. Seite 6
7 Fazit Die Definition von Bildungs- und Berufsberatung der OECD erscheint bis auf die Angebote für Übergangszeiten sehr wenig auf die Zielgruppe des 3. Alters zugeschnitten. aber We sometimes forget that retirement and the time immediately by preceding it are a part of one s career Life (Herr/Cramer/Niles, 2004, p.533) Seite 7
8 2. Charakteristika der Zielgruppen und Beratungsbedarf Für die adäquate Bildungs- und Berufsberatung ist die Zielgruppe der Älteren differenziert zu betrachten. Im Rahmen des Forschungsprojekts Seite 8
9 Zielgruppen im Rahmen des deutsch/polnischen Forschungsprojekts 1. Ältere Arbeitnehmer (50+/55+ - older workers) 2. Arbeitnehmer in der Transition von der Erwerbstätigkeit in den Ruhestand (Preretirement) 3. Menschen im Ruhestand (Retirement) Jede Zielgruppe benötigt einen spezifischen Beratungsservice Seite 9
10 Empirische Pilot-Untersuchung (n=241) an der Universität des 3. Alters der AJD Częstochowa Frühjahr 2013 Mit Hilfe der Cluster-Analyse konnten zwei Gruppen mit signifikant unterschiedlichen Auffassungen ermittelt werden. Dabei erwies sich die Bildung als wesentliche Diskriminante. Seite 10
11 Cluster-Analyse zu Empfehlungen, Wünschen etc. 3,0 W y kr. śre d n i c h ka ż d. sku p i e n i a 2,5 2,0 1,5 1,0 0,5 0, Z m i e n n e S ku p i e n. 1 S ku p i e n. 2 Seite 11
12 Erläuterungen Figure 1. Mean values of Cluster 1 (Skupien. 1), N = 47 and Cluster 2 (Skupien. 2), N = 57. The vertical axis: 3 yes; 2 rather yes; 1 probably not; 0 no. Cluster 1 (Gruppe 1) besteht vor allem aus Probanden mit Berufsbildung (Berufsschule). In Cluster 2 (Gruppe 2) sind vor allem Probanden mit Universitäts-Examen. Seite 12
13 Erläuterungen Größte Unterschiede ergeben sich bei der Meinung über die Notwendigkeit einer speziellen Berufsberatung für das 3. Alter. Die Befragten mit Universitätsausbildung befürworten dies signifikant stärker als diejenigen mit Berufsausbildung. Ähnlich große Differenzen ergeben sich in Bezug auf den Wunsch, im 3. Alter noch berufstätig zu sein. Menschen mit Universitätsausbildung (Gruppe 2) befürworten dies signifikant häufiger als Menschen mit Berufsausbildung. Dieser Trend setzt sich fort bei der Frage nach der Bedeutung einer systematischen Weiterbildung im 3. Alter. Seite 13
14 Fortsetzung Gruppe 2 spricht sich signifikant stärker dafür aus, berufliche Themen stärker in den Mittelpunkt der Veranstaltungen zu stellen. Ähnliche Ansichten vertreten beide Gruppen/Cluster in Bezug auf die Ablehnung der These, dass es wichtiger ist eine Arbeit zu finden als einen Beruf zu lernen. Auch sagen beide Gruppen, dass es im Leben wichtig ist, auf "Work- Life-Balance" zu achten. Außerdem soll der Beruf nicht das Privatleben/Familienleben dominieren. In Bezug auf die anderen Fragen gibt es wiederum Unterschiede zwischen den beiden Gruppen. Das bedeutet, dass die Vorbildung auch im 3. Alter eine wesentliche Rolle bei der retrospektiven Betrachtung der eigenen Berufslaufbahn spielt. Zwar sind beide Gruppen in der Mehrheit der Meinung, dass es für jeden Menschen einen passenden Beruf gibt. In Gruppe 1 gibt es einen erheblichen Anteil, der davon ausgeht, dass der Beruf den Menschen verändert - nicht immer nach eigenen Wünschen. Seite 14
15 MZZ - Felder beruflicher Interessen Im Rahmen unseres Projekts wurden die Berufsinteressen mit dem MZZ von C. Noworol (Kraków 2013) gemessen. Der Test basiert auf dem Ansatz von J. Holland, aber misst nicht direkt die individuellen Interessen, sondern die spezifischen Einstellungen in Bezug auf Arbeitsbereiche. Diese Arbeitsbereiche werden - wie bei Holland - mit einem Code von drei Buchstaben charakterisiert. Seite 15
16 Der MZZ umfasst folgende 6 Arbeits- bzw. Tätigkeitsbereiche Tätigkeitsfeld Holland T = Technisches (sehr breit definiert) R N = Wissenschaftliches I S = Künstlerisches A K = Soziales, beraterisches S P = Unternehmerisches E I = Institutionell-administratives C Seite 16
17 Ergebnis einer Cluster-Analyse an aktuellen Daten aus Deutschland Gesamtcode KNP (Holland: SIE) 28,00 26,00 24,00 22,00 20,00 Datenreihen1 Datenreihen2 Datenreihen3 Datenreihen4 Datenreihen5 Datenreihen6 18,00 16,00 14,00 T N S K P I Seite 17
18 Ergebnis einer Cluster-Analyse an aktuellen Daten aus Deutschland Gesamtcode KNP (Holland: SIE) Die berufliche Beratung im 3. Alter könnte annehmen, dass Menschen dann zufrieden sind, wenn der ausgeübte Beruf der passende für sie war. Bei Aktivitäten im 3. Alter müsste man sich dann weiterhin auf diesem Berufsfeld bewegen. Seite 18
19 Ergebnis einer Cluster-Analyse an aktuellen Daten aus Deutschland Gesamtcode KNP (Holland: SIE) Voraussetzung dafür ist jedoch die Annahme einer relativen Konstanz der individuellen Interessen im Leben. Dies ist nicht der Fall: Jüngere ( Jährige zeigen die niedrigsten Gesamtwerte bei Berufsinteressen; 75-Jährige haben die höchsten Werte. Altersintervalle haben den stärksten Einfluss auf die Interessen. Geschlechtszugehörigkeit hat keinen signifikanten Einfluss. Seite 19
20 Ergebnis einer Cluster-Analyse an aktuellen Daten aus Deutschland Gesamtcode KNP (Holland: SIE) Die Kombinationen Unternehmerisch/Sozial (PK) und Wissenschaftlich/künstlerisch (NS) zeigen über alle Interessen hinweg die höchste Ausprägung. Seite 20
21 Selbsteinschätzung überfachlicher Kompetenzen nach smk 72 (Frey/Balzer) Ergebnis einer Cluster-Analyse an aktuellen Daten aus Deutschland Insgesamt höchste Ausprägung der Gesamtcode selbsteingeschätzten KNP (Holland: Kompetenzen SIE) Kompetenzart 1. Soziale Verantwortung sozial 2. Kooperationsfähigkeit sozial 3. Kommunikationsfähigkeit sozial 4. Situationsgerechtes Auftreten sozial 5. Analysefähigkeit Methoden 6. Neugierde Persönlichkeit 7. Pflichtbewusstsein Persönlichkeit Seite 21
22 Selbsteinschätzung überfachlicher Kompetenzen nach smk 72 (Frey/Balzer) Ergebnis einer Cluster-Analyse an aktuellen Daten aus Deutschland Insgesamt niedrigste Ausprägung der Gesamtcode selbsteingeschätzten KNP (Holland: Kompetenzen SIE) Kompetenzart 1. Leistungsorientierung Persönlichkeit 2. Selbständigkeit Methoden 3. Arbeitstechniken Methoden 4. Führungsfähigkeit sozial 5. Konfliktfähigkeit sozial 6. Flexibilität Methoden Seite 22
23 3. Ansätze für eine theoriegeleitete Beratungskonzeption Der persönlichkeitstypologische Ansatz geht auf F. Parsons (1909) zurück und lässt sich anhand von drei Annahmen charakterisieren: 1. Aufgrund spezifischer, psychischer Charakteristika ist jeder Mensch für einen bestimmten Typ von Berufstätigkeit am besten geeignet. 2. Die Menschen in den verschiedenen Berufen weisen unterschiedliche psychische Charakteristika auf. 3. Berufliche Bewährung und Zufriedenheit variieren direkt mit dem Ausmaß der Übereinstimmung zwischen den persönlichen Charakteristika des Berufstätigen und den Berufsanforderungen. Seite 23
24 Das Modell von John Holland Diese Idee mündete in den trait & factor Ansatz, innerhalb dessen die Anordnung von Persönlichkeitsmerkmalen und beruflichen Umgebungen in dem Hexagon RIASEC von J. Holland sehr populär wurde. Seite 24
25 Hexagonales Modell zu den Beziehungen der Persönlichkeitstypen bzw. Umwelttypen nach Holland Seite 25
26 Das Modell von Donald Super Im Gegensatz dazu betrachtet D. Super die Berufslaufbahn als lebenslangen Entwicklungsprozess. Es geht darum, die in jeder Lebensphase spezifischen Rollenanforderungen erfolgreich zu harmonisieren. Eine gute Passung von beruflicher Identität und Selbstkonzept zieht Berufserfolg, Zufriedenheit und Stabilität in der Berufslaufbahn nach sich. Seite 26
27 Super veranschaulicht diese Aufgabe an dem Life-Rainbow Seite 27
28 In den Lebensphasen hat das Individuum nach diesem Modell folgende Aufgaben: Mittleres Erwachsenenalter Jahre Akzeptieren eigener Begrenzungen Neue berufliche Herausforderungen erkennen Neue Kompetenzen entwickeln Halten der Berufsposition im Wettbewerb Sich auf das Wesentliche Konzentrieren Spätes Erwachsenenalter über 65 Jahre Entwickeln nicht-berufsbezogener Rollen Angemessenen Lebensbereich für das Alter finden Dinge verwirklichen, die man schon immer vorhatte Sich zurückziehen auf das, was Freude macht Arbeitszeit reduzieren Lebensstufe Wachstum Exploration Etablierung Aufrecht- erhaltung Rückzug, Abbau Seite 28
29 Folgerungen nach Super Man kann davon ausgehen, dass die Entwicklung des Selbstkonzepts auch im 3. Alter nicht beendet ist. Das bedeutet, das Individuum wird sich auch nach der Phase der aktiven Erwerbstätigkeit um eine Harmonisierung seines Selbstkonzepts in der neuen Rollen-Konstellation in seinem Leben bemühen müsse. Seite 29
30 Das Modell des Life-Designing Das Life-Designing betrachtet die Berufsentwicklung aus konstruktivistischer Perspektive. M. Savickas et al. führen den Ansatz von D. Super weiter und betonen dessen Aussage, dass die Theorie des Selbstkonzepts besser als Theorie persönlicher Konstrukte zu benennen sei. Das bedeutet, die individuelle Berufsentwicklung wird weniger bestimmt von endogenen Reifeprozessen als vielmehr von Anpassungen an Umgebungsbedingungen (exogene Faktoren) Seite 30
31 Berufslaufbahnen werden vom Einzelnen konstruiert. Es wird deutlich, dass die Herkunft, der Bildungsstand und das soziale Umfeld wichtige Weichen für die Konstruktion des individuellen (Berufs-)Lebens stellen. Hier ergeben sich interessante Interpretationen für die in der ersten Cluster-Analyse aufgezeigten Differenzen. Seite 31
32 Profil der Befragten Ergebnisse aus: Berufliche Beratung im Dritten Alter Bachelor-Thesis: C. Tittel Eine Betrachtung der Zielgruppe, des aktuellen Forschungsstandes und Entwicklung von Qualitätsmerkmalen Bachelor-Thesis: A. Wunderlich Eine empirische Studie des Beratungsbedarfs HdBA Mannheim 2014 Seite 32
33 Relative Verteilung der Institutionen bei den befragten Personen sonstige Senioreneinrichtung 62,6% VHS 5,7% Uni 31,7% Seite 33
34 Bildungsstand der Befragten Personen (in %) Abitur 55,7% Fachabitur 8,2% Realschulabschluss 22,1% Hauptschul- /Volksschulabschluss 13,9% Seite 34
35 Rolle des Berufs aus Sicht der Befragten Gründe für die positive Bewertung der Berufstätigkeit (Auswahl) Freude an der Arbeit selbst Fähigkeiten und Fertigkeiten wurden gefordert und eingesetzt Sinngebung und Anerkennung durch den Beruf Erfolg im Berufsleben Sicherheit und Struktur durch den Beruf Monetärer Aspekt: viel Geld verdient Seite 35
36 Gibt es für jeden Menschen den passenden Beruf? % 1,6 47,2 43,1 10,6 ja nein lebenslange Entwicklung Beruf verfremdet Seite 36
37 Wichtigkeit verschiedener Rollen im Leben (in %) Berufstätigkeit hatte das größte Gewicht 19,2% 42,9% Beruf und übrige Rollen waren in Balance 53,4% 44,9% Familie, Freizeit etc. waren mir wichtiger 12,2% 26,0% weiblich männlich Seite 37
38 Sorgen vor dem Übergang in den Ruhestand Ausgeschlossen sein von der Gesellschaft Einsamkeit Verlust von Status/Prestige Verlust von Kontakten Langeweile Pflege im Alter Finanzielle Situation 4,9% 26,8% 8,9% 28,5% 5,7% 22,0% 13,8% 30,1% 51,2% 20,3% 4,1% 14,6% 47,2% 34,1% 38,2% 36,6% 22,0% 62,6% 57,7% 65,0% 70,7% nie eher selten häufig Seite 38
39 Beratungsbedarfe, bei denen sehr starkes Interesse gezeigt wird (in %) Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit, Weiterbildung Ehrenamtliche Tätigkeit Gesundheitsvorsorge/gesundes Leben Finanzielle Fragen Wohnsfragen Pflege, Behinderung Partnerschaft, Familie, Freunde Aktivitäten in der zweiten Lebenshälfte Politisches Engagement Kulturelles Engagement Konsum 10,6% 39,0% 26,0% 35,0% 19,5% 27,6% 22,8% 21,1% 39,8% 13,8% 34,1% 7,3% Seite 39
40 Gewünschte Beratungsformen (in %) 4,9% 30,1% 61,8% 17,9% Einzelberatung Gruppenberatung Kollegiale Beratung Bekannte Seite 40
41 Beratungsorte (in %) Neutraler Ort Städtisch, Staatlich 26,0% 56,9% Kirchliche Einrichtung Selbsthilfegruppe Betrieb 3,3% 8,9% 8,9% Univerisät od. Bildungsorga. 23,6% zu Hause 9,8% sonstiges 0,0% Seite 41
42 Finanzierung der Beratung (in %) Durch Kommune, Staat, Arbeitsagentur 73,2% Durch eine Universität 3,3% Durch eine Bildungseinrichtung 21,1% Durch die Kirche Durch einen Verein 7,3% 7,3% Privat durch den Ratsuchenden 26,0% Firma Sonstiges 4,1% 0,0% Seite 42
43 Passender Beruf und Berufsentwicklung (in %) Für jeden Menschen gibt es den passenden Beruf 3,3% 22,8% 39,8% 30,1% Passender Beruf entwickelt sich im Lauf des Lebens 2,4% 6,5% 20,3% 45,5% 22,8% 4,1% nein eher nein eher ja ja keine Meinung Seite 43
44 Beruf als wichtigste Rolle und Work-Life- Balance (in %) nein 0,0% 24,4% eher nein 1,6% 39,8% eher ja 17,9% 37,4% ja 13,0% 53,7% keine Meinung 3,3% 4,1% Beruf soll wichtigste Rolle im Leben sein Auf Work-Life-Balance im Leben achten Seite 44
45 Berufsausübung und Weiterbildung im 3. Alter (in %) 43,9% 35,0% 36,6% 23,6% 17,1% 13,8% 4,1% 4,9% 10,6% 2,4% Berufsausübung im Dritten Alter Weiterbildung im Dritten Alter nein eher nein eher ja ja keine Meinung Seite 45
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