Tinnitus aus HNO-ärztlicher Sicht. Antje Welge-Lüssen HNO Klinik, Universitätsspital Basel
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- Gisela Meinhardt
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1 Tinnitus aus HNO-ärztlicher Sicht Antje Welge-Lüssen HNO Klinik, Universitätsspital Basel
2 Tinnitus 95 98% hören nach 20 Minuten «ein Geräusch» Tinnitus = normal?
3 Tinnitus Sicht des Bundesgerichtes 8C_498/2011 vom 3. Mai Zusammenfassend ergibt sich, dass keine medizinisch gesicherte Grundlage besteht, um einen Tinnitus als körperliches Leiden zu betrachten oder ihn (zwingend) einer organischen Ursache zuzuordnen. Auch lässt sich nicht vom Schweregrad eines Tinnitus auf eine organische Unfallfolge als Ursache Tinnitus schliessen. Das = schliesst psychisches zwar nicht aus, dass Leiden ein Tinnitus in? einer organischen Unfallfolge begründet sein kann. Es besteht aber keine Rechtfertigung, bei einem Tinnitus, welcher im Einzelfall nicht nachgewiesenermassen auf eine solche Unfallfolge zurückzuführen ist, auf das Erfordernis einer besonderen Adäquanzprüfung zu verzichten. Anders zu verfahren, würde kausalrechtlich einer sachlich und rechtlich nicht begründbaren Bevorteilung des Tinnitus gegenüber anderen organisch nicht objektiv ausgewiesenen Beschwerdebildern entsprechen. In diesem Sinne ist die Rechtsprechung zu bereinigen. Damit soll nicht etwa in Frage gestellt werden, dass ein Tinnitus die betroffene Person ausserordentlich stark belasten kann
4 Tinnitus Prävalenz und Pathophysiologie Untersuchungen und HNO Ursachen Beurteilung Komorbiditäten Therapie
5 Tinnitus Definition Dysfunktion im Bereich der auditiven Perzeption bzw. der zentralnervösen Wahrnehmung (Tonempfindung, die nicht durch ein simultanes mechano-akustisches oder elektrisches Signal hervorgerufen ist) objektiver vs. subjektiver Tinnitus: pulssynchrones Geräusch (AV-Missbildungen, vask. Tumor, Stenose) muskulär (Myoklonus) spontan (spontane OAEs)
6 Prävalenz Personen befragt 10% Tinnitus 5 Min oder mehr 5 % leichtgradig beeinträchtigt 0.5 1% ausgeprägten Effekt auf das Leben Davis, 2000 In etwa 5-10% Beeinträchtigung der Lebensqualität (ATA, 2004)
7 Prävalenz
8 Prävalenz % %
9 Tinnitus typische Charakteristika trivial invalidisierend einfacher Ton komplexes Geräusch ein- oder beidseitig, im Ohr oder im Kopf konstant oder intermittierend langsamer oder plötzlicher Beginn Beeinflussbarkeit (Kopfdrehung, Kiefergelenk)
10 Beispiele: Tinnitus
11 Tinnitus Charakteristika Qualität des Ohrgeräusches für Patienten: sehr wichtig pathophysiologisch: meistens unwichtig akut vs. chronisch Akutbehandlung innerhalb 3 Monaten chronisch akute Exazerbation in Belastungssituationen
12 Tinnitus und Hörvermögen Prävalenz nimmt mit steigendem Alter zu! assoziiert mit Hörminderung Lockwood et al, NEJM, 2002
13 Pathophysiologie Hypothese: - primär pathophysiologischer Prozess im Ohr - auditorische Rückkopplungsmechanismen (Hyperaktivität, fehlgeleitete Plastizität) - zentralnervöse Verarbeitung (limbisches System) Tinnitus
14 Aufbau des Ohres
15 Innenohr
16 Haarzellen dangerousdecibels.org
17 Haarzellen Äussere Haarzellen verstärken mechanisch die im Ohr «ankommenden» Vibrationen Stereozilien wandeln mechanische elektrische Energie um Veränderungen der Länge, die die mechanische Vibration verstärken
18 Haarzelle
19 Anatomie der Hörbahn
20 Tinnitus aberante neuronale Reintegration Folge eines peripheren Schadens Veränderungen von existierenden Synapsen Adjamian et al, Neurosci Behav Rev, 2014
21 Tinnitus Salviati et al, Neural Plasticity, 2014 Salviati et al, Neural Plasticity, 2014
22 Untersuchung Anamnese Inspektion (incl. Epipharynx, Oro-,Hypopharynx und Larynx) / Palpation sowie Auskultation Hals (Kiefergelenk, Mastoid) (orientierende) Hörprüfung, Reintonaudiogramm, ggf. Bildgebung (MRI)
23 Reintonaudiogramm
24 Audiologische Untersuchung Tinnitus weitgehend konstant ~ 5-20 db über Hörschwelle Tinnitus wird nicht messbar «lauter»!
25 Otologische Ursachen Cerumen Haare Erguss Otitis media Glomus tympanicum Laterobasisfraktur
26 Otologische Ursachen Vestibularisschwannom
27 Unfallbedingte - otologische Ursachen Lärm Knalltrauma
28 Ursachen Weitere mögliche Ursachen: Schleudertrauma Kiefergelenkerkrankungen
29 Ncl. centralis des colliculus inferior Minen et al, 2014
30 Andere, mögliche Ursachen Medikamente Stress Depression
31 Tinnituspatienten Funktionale Konnektivität zwischen auditorischen - nicht auditorischen Regionen gesteigert Keine statischen, sondern veränderbare neuronale Netzwerke Aktivierung eines frontoparietalen Aufmerksamkeitszentrum (Aktivierung des ant. cingulum, der anterioren Insel und Amygdala («unspezifisches Distress-Netzwerk»)
32 Neurophysiologisches Modell Angst.von entscheidender Bedeutung «abnormale» Aktivität im peripheren auditorischen System, z.b. Nucleus dorsalis cochleae
33 Neurophysiologisches Modell Information erreicht auditorischen Cortex, wahrgenommen und als «Hintergrundgeräusch» abgelegt
34 Neurophysiologisches Modell «real life» neues Signal, erhält Aufmerksamkeit, wird verglichen und evaluiert, idealerweise als neutral bewertet!
35 Neurophysiologisches Modell «konditionierte Reflexe» Bewertung als unangenehm, gefährlich..aktivierung des limbischen und autonomen Systems
36 Komorbiditäten präexistent Tinnitus-induziert Je ausgeprägter Belastung, desto eher vorhanden! - Affektive Störungen (Depression, Angststörungen) - Reaktionen auf schwere Belastungen und Anpassungsstörungen - Somatoforme Störungen Beeinträchtigungen - des kognitiv-emotionalen Reaktionssystem - des verhaltensbezogenen Reaktionssystem - des physiologischen Systems - des kommunikativen Systems Leitlinie chronischer Tinnitus 07/064, AWMF, 02/2015
37 Validierter Tinnitus Fragebogen Belastung emotional kognitiv Penetranz auditorisch somatisch Schlaf Gesamtbelastung (TQ Goebel et Hiller, Hogrefe, 1998) kompensiert 0-30 leicht mittelgradig dekompensiert schwer sehr schwer
38 Therapie was nicht Neuromodulation - keine Evidenz Hesse, 2016 Akupunktur - keine Evidenz Liu et al, 2014 Melatonin - keine Evidenz Miroddi et al, 2015 Klangtherapie - keine Evidenz Hobson et al, Cochrane Review, 2012 Gingko - keine Evidenz Hilton et al, Cochrane Review, 2013 Soft Laser - keine Evidenz Folmer et al, 2014 transkranielle Magnetstimulation - keine Evidenz
39 adaptierte kognitive Verhaltenstherapie 492 Patienten, zwei Gruppen, RCT Aus zwei «Schritten» bestehende Therapie normale Behandlung (n=247) kognitive Verhaltenstherapie (n=245)
40 Hören oder Wahrnehmen? Atemgeräusch Körpereigene Geräusche
41 Wahrnehmen - Emotionen Gedanken! Tinnitus Emotionen körperliche Reaktionen
42 Zusammenfassung Medizinische Evidenz für «zentrales remapping» Korrelation: «sichtbarem remapping» und subjektiven Beschwerden Einfluss Komorbiditäten Frühzeitig adäquate Therapie (fachärztliche Abklärung incl. Hörtest, Counseling)
43
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