Selbstbezogene Weisheit

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1 Selbstbezogene Weisheit Ein Instrument zur Messung von Persönlichkeitsreife Entwicklung, Validierung und Alterseffekte Charlotte Mickler Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Philosophie (PhD) am Jacobs Center for Lifelong Learning and Institutional Development International University Bremen November 2004

2 Gutachterinnen Prof. Dr. Ursula M. Staudinger International University Bremen Prof. Dr. Ute Kunzmann International University Bremen Prof. Dr. Sigrun-Heide Filipp Universität Trier 2

3 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Danksagung Zusammenfassung Summary Kapitel Einleitung Kapitel Theoretische Einbettung der Studie Was ist Persönlichkeitsreife und Persönlichkeitswachstum? Das Berliner Weisheitsparadigma Ein Modell zur Erforschung der Entwicklung von Kognition und Persönlichkeit Zusammenfassung Kapitel Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Reifekonzepte aus nicht-psychologischen Disziplinen Vorstellungen von einem guten Leben in der westlichen Philosophie Bürgerliche Tugenden westlicher Kultur Reifekonzepte östlicher Religionen Fazit aus den nicht-psychologischen Reifekonzeptionen Strukturierungsschema für die psychologischen Theorien von Reife Psychologische Theorien von Persönlichkeitsreife Entwicklungspsychologische Theorien Erik Erikson: Ich-Integrität Charlotte Bühler: Erfüllung Jane Loevinger: Die Integrierte Stufe Gisela Labouvie-Vief: Affekt-Komplexität Douglas Heath: Reife Persönlichkeitspsychologische Theorien Abraham Maslow: Die selbstaktualisierte Persönlichkeit

4 Inhaltsverzeichnis Gordon Allport: Die reife Persönlichkeit Theorien aus der klinischen Psychologie Psychoanalytische Vorstellungen von Reife Abweichler vom psychoanalytischen Paradigma Carl Rogers: Die fully-functioning person Albert Ellis kognitive Therapie: Der rationale Mensch Implizite Theorien von Persönlichkeitsreife Existierende Konzeptionen von persönlicher Weisheit Deirdre Kramers affektiv-kognitives Modell der persönlichen Weisheit Lucinda Orwolls Modell der weisen Person Paul Wink und Ravanna Helson: Transzendentale und praktische Weisheit Carol Ryffs psychologisches Wohlbefinden Die Skalen zur Selbsteinschätzung von Monika Ardelt und von Jeffrey Webster Die reife Persönlichkeit als Kondensat aus den Reifekonzeptionen Kapitel Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit Vorgehen bei der Entwicklung der Konzeptionalisierung Wahl des Rahmenmodells der generellen Weisheit Analyse von Theorien reifer Persönlichkeit Synthese von Weisheit und reifer Persönlichkeit Die Kriterien selbstbezogener Weisheit Selbstwissen Wachstums- und Bewältigungswissen Zusammenhangswissen Selbstrelativierung Ambiguitätstoleranz Was ist der Unterschied zwischen allgemeiner und selbstbezogener Weisheit? Vergleich der Kriterien der beiden Weisheitsmaße Hypothetische Beziehung zwischen allgemeiner und selbstbezogener Weisheit Entwicklung einer Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit

5 Inhaltsverzeichnis 5. Kapitel Die Beziehung von selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen und dem Lebensalter Ein Modell der Korrelate selbstbezogener Weisheit Der Zusammenhang mit Konzepten der Persönlichkeitsreife Ego-Entwicklung und psychologisches Wohlbefinden Selbstkonzeptreife Offenheit für Erfahrungen Psychologisches Feingefühl Adaptivität und selbstbezogene Weisheit Indikatoren der Adaptivität Empirische Studien zu Adaptivität und Wachstum Kognitive Faktoren und selbstbezogene Weisheit Intelligenz Bildung Lebensereignisse und selbstbezogene Weisheit Werte und selbstbezogene Weisheit Lebensalter und selbstbezogene Weisheit Alter und die Leistung in selbstbezogener Weisheit Altersinteraktionen in den Zusammenhängen mit selbstbezogener Weisheit Kapitel Ausblick auf den empirischen Teil der Studie Überblick über die Studie Untersuchungshypothesen Kapitel Methode Design und allgemeines Vorgehen Untersuchungspersonen Rekrutierung der Stichprobe Chronologisches Alter und Geschlecht Bildung und Intelligenz Weitere Stichprobenmerkmale Messinstrumente und Untersuchungsmaterial

6 Inhaltsverzeichnis Die Aufgaben zur Messung selbstbezogener Weisheit Übungsaufgaben: Lautes Denken und selbstbezogene Reflexion Lautes Denken Übungsaufgaben zur Selbstreflexion Weitere Variablen und Messinstrumente Ego-Entwicklung Selbstkonzeptreife Psychologisches Wohlbefinden Werte Fluide Intelligenz Kristalline Intelligenz Big Five Persönlichkeitseigenschaften Psychologisches Feingefühl Lebensereignisse Freundschaft Tendenz zur Selbstoffenbarung Demographischer Fragebogen Fragebogen zur Untersuchungssituation Vorgehen Allgemeines Vorgehen Die Interviewsitzungen Gewinnung der selbstbezogenen Weisheitsdaten Verarbeitung der Protokolle Auswertung der Protokolle Das Ratingverfahren als Methode Beurteilungskriterien Die Ratingskala Rating-Design und Vorbereitung der Protokolle Auswahl der Rater Beschreibung der Rater Ratertraining Ablauf des Ratings Datenscreening: Antwortlänge, Fehlwerte, Ausreißer, Verteilung Mindestlänge der Antwortprotokolle

7 Inhaltsverzeichnis Analyse von Fehlwerten, Ausreißern und der Verteilung Kapitel Ergebnisse Voraussetzungen und erste Schritte der Validierung Protokolllänge Interraterreliabilität Faktorenstruktur der Kriterien selbstbezogener Weisheit Konsistenz der Kriterien in verschiedenen Aufgaben Validierung des Instrumentes zur Messung selbstbezogener Weisheit Zusammenhänge zwischen Prädiktoren und dem Mittelwert selbstbezogener Weisheit Selbstbezogene Weisheit und Persönlichkeitsreife versus Adaptivität Selbstbezogene Weisheit und kognitive Variablen Selbstbezogene Weisheit und Lebensereignisse Selbstbezogene Weisheit und Werte Spezifische Varianzanteile der Prädiktoren in selbstbezogener Weisheit Zusammenfassung der Zusammenhangsmuster Unterschiede in den Korrelationsmustern von Basis- und Metakriterien Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit und in Zusammenhangsmustern Unterschiede in der Ausprägung selbstbezogener Weisheit Erklärbarkeit des Altersunterschiedes durch möglicherweise verzerrende Variablen Die Tendenz zur Selbstoffenbarung Protokolllänge Unterschiedliche Korrelationsmuster in den Altersgruppen Altersinteraktionen im Prädiktionsmuster der Intelligenz Altersinteraktionen im Bereich der Lebensereignisse Spezifische Varianzanteile in den beiden Altersgruppen Zusammenfassung der Altersinteraktionen Zusammenfassung des Ergebnisteils Kapitel Diskussion Konstruktvalidität der selbstbezogenen Weisheit Erste Vorraussetzungen der Validität: Antwortlänge und Reliabilität

8 Inhaltsverzeichnis Die interne Struktur der selbstbezogenen Weisheit: Basis- und Metakriterien Reife als besserer Prädiktor von selbstbezogener Weisheit als Adaptivität Zusammenhänge von selbstbezogener Weisheit mit kognitiven Variablen Zusammenhänge selbstbezogener Weisheit mit Bildung und Intelligenz Intelligenz als wichtigerer Prädiktor der Meta- als der Basiskriterien Fazit zu den Prädiktionsmustern der kognitiven Variablen Lebensereignisse als wichtiger Prädiktor selbstbezogener Weisheit Der Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und Werten Altersinteraktionen in den Prädiktionsmustern Altersinteraktionen in den Intelligenzvariablen Unterschiedliche Relevanz des Umgangs mit Lebensereignissen Differenzielle Wichtigkeit der Prädiktoren innerhalb der Altersgruppen Altersunterschiede selbstbezogener Weisheit Jüngerer Erwachsener erzielen höhere Werte in den Metakriterien Beeinflussen andere Variablen den Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit? Die Tendenz zur Selbstoffenbarung als Reifeindikator Antwortlänge als bedeutsames Korrelat selbstbezogener Weisheit Begrenzungen und Relativierungen der Studie Beschaffenheit der Stichprobe Alters- vs. Kohorteneffekte Die Bedeutung der Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit Zusammenfassung und abschließende Gedanken Literatur Anhang Anhang A: Zeitungsartikel für die Rekrutierung von TeilnehmerInnen Anhang B: Übungsaufgaben und Aufgaben zur Messung selbstbezogener Weisheit Anhang C: Für diese Studie entwickelte oder angepasste Fragebögen Anhang D: Instruktionen für die Erhebungstermine Anhang E: Materialen für die Auswahl der Rater Anhang F: Instruktionen für die Ratertrainings Anhang G: Allgemeines Trainingsmaterial Anhang H: Kriterienspezifisches Trainingsmaterial

9 Inhaltsverzeichnis Anhang I: Beispiel für einen Auswertungsbogen für die Ratings der Kriterien Anhang J: Ergänzende Tabellen zu Kapitel 7 (Methode) Anhang K: Ergänzende Tabellen und Abbildungen zu Kapitel 8 (Ergebnisse) Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Arbeitsdefinitionen verschiedener in dieser Studie zentraler Begriffe Tabelle 2: Matrix zur Illustration des Verhältnisses von allgemeiner und selbstbezogener Weisheit Tabelle 3: Facetten der Lebenspragmatik und illustrative Zuordnung von Konstrukten der Selbst- und Persönlichkeitsforschung Tabelle 4: Suchschema für die Persönlichkeitswachstumstheorien Tabelle 5: Charakteristika reifer Persönlichkeit in verschiedenen Theorien Tabelle 6: Übersicht über die Kriterien allgemeiner und selbstbezogener Weisheit Tabelle 7: Stichprobenmerkmale Tabelle 8: Zuordnung der Erhebungsinstrumente zu Konstrukten mit Cronbachs α Tabelle 9: Überblick über den Ablauf der Studie Tabelle 10: Übersicht über die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit bezogen auf die Freundschaftsaufgabe Tabelle 11: Charakteristika der Rater (im Vergleich zu den Probanden) Tabelle 12: Interkorrelationen und Cronbachs α (Diagonale) zwischen den Kriterien selbstbezogener Weisheit Tabelle 13: Faktorenlösungen der fünf Kriterien Tabelle 14: Regressionsanalysen von Adaptivitäts- und Reifevariablen auf selbstbezogene Weisheit 169 Tabelle 15: Mediation des Effektes von Bildung auf selbstbezogene Weisheit durch kristalline Intelligenz Tabelle 16: Regressionsanalysen von Lebensereignissen auf selbstbezogene Weisheit Tabelle 17: Regressionsanalysen von Werten auf selbstbezogene Weisheit Tabelle 18: Regressionsanalysen der Adaptivitätsvariablen auf Basis- und Metakriterien Tabelle 19: Regressionsanalysen von fluider und kristalliner Intelligenz auf Basis- und Metakriterien 180 Tabelle 20: Regressionsanalysen von Werten auf die Basis- und Metakriterien Tabelle 21: Multivariate Varianzanalysen von selbstbezogener Weisheit durch Alter mit und ohne Kovariaten Tabelle 22: Korrelationen von Selbstoffenbarung mit Persönlichkeitsreifevariablen Tabelle 23: Korrelationen zwischen Wortanzahl und den Kriterien selbstbezogener Weisheit

10 Inhaltsverzeichnis Tabelle 24: Mittelwerte von Kontrollvariablen und deren Korrelation mit selbstbezogener Weisheit und Protokolllänge, getrennt nach Alter Tabelle 25: Varianzanalyse der Protokolllänge durch Alter mit und ohne Kovariaten Tabelle 26: Regressionsanalysen zur Altersinteraktion von Intelligenz auf selbstbezogene Weisheit. 190 Tabelle 27: Regressionsanalysen zur Altersinteraktion von Lebensereignissen auf selbstbezogene Weisheit Abbildungsverzeichnis Abbildung 1. Schematische Darstellung des Verhältnisses von Reife und Adaptivität Abbildung 2: Schematische Darstellung des Verhältnisses von Reife, selbstbezogener Weisheit und Verhalten Abbildung 3: Ein Modell der möglichen Korrelate selbstbezogener Weisheit. Dünne, gestrichelte Verbindungen symbolisieren einen erwarteten schwachen Zusammenhang Abbildung 4: Die miteinander verglichenen Strukturgleichungsmodelle mit Pfadkoeffizienten Abbildung 5: Quadratischer Zusammenhang von Intelligenzvariablen mit selbstbezogener Weisheit (SBW) unter Kontrolle von Alter Abbildung 6: Quadratischer Zusammenhang von Lebensereignissen mit selbstbezogener Weisheit (SBW) unter Kontrolle für Alter Abbildung 7: Spezifische Varianzaufklärung der Prädiktorbereiche an der selbstbezogenen Weisheit 177 Abbildung 8: Mittelwerte (mit Standardfehlern) älterer und jüngerer Probanden in Basis- und Metakriterien der selbstbezogenen Weisheit (SBW), ohne und mit Kontrolle für fluide Intelligenz und Offenheit für Erfahrungen Abbildung 9: Mittelwerte (mit Standardfehlern) in den fünf Kriterien der selbstbezogenen Weisheit (SBW) getrennt nach Alter, mit und ohne Kontrolle für Offenheit für Erfahrungen und fluide Intelligenz Abbildung 10: Spezifische Varianzaufklärung einzelner Prädiktorgruppen am Mittelwert der selbstbezogenen Weisheit getrennt nach Altersgruppen

11 Danksagung Danksagung Diese Dissertation wurde im Rahmen eines DFG-Projektes teilweise an der Technischen Universität Dresden und im letzten Jahr an der International University Bremen erstellt. Das DFG-Projekt mit dem Titel Lässt sich Selbsteinsicht fördern? Eine empirische Untersuchung mit Hilfe einer Intervention zur Lebensreflexion, Projekt STA /2, wurde von Prof. Dr. Ursula M. Staudinger geleitet. Mein besonderer Dank gilt der Betreuerin der Dissertation, Ursula Staudinger, die mich in dieser Zeit durch gute Ideen und präzise Kritik unterstützt hat. Ich möchte mich außerdem bei meiner Kollegin und Projektmitarbeiterin Jessica Dörner bedanken, ohne deren Engagement und harte Arbeit die Durchführung der Studie nicht möglich gewesen wäre. Weiterhin danke ich Eva-Marie Kessler für die Korrektur der Dissertation und die guten Verbesserungsvorschläge und anregenden Diskussionen, die entscheidend zu der jetzigen Fassung der Arbeit beigetragen haben. Genauso möchte ich Orla Hornung für die detaillierte Durchsicht der Arbeit und hilfreichen Anregungen danken. Außerdem danke ich allen weiteren MitarbeiterInnen des DFG-Projektes, insbesondere unseren Interviewerinnen und den studentischen Hilfskräften, die das Projekt unermüdlich unterstützt haben, sowie den BeurteilerInnen der Protokolle für ihre engagierte Arbeit. Insbesondere danke ich den StudienteilnehmerInnen, die selbstverständlich die Basis der Untersuchung waren. Schließlich möchte ich mich bei allen Graduate Students des Jacobs Centers für viele interessante Diskussionen beim Mittagessen bedanken. 11

12 Danksagung 12

13 Zusammenfassung Zusammenfassung Ausgehend von einem Mangel an empirischen Messinstrumenten zu Persönlichkeitsreife und zu auf das eigene Leben bezogener Weisheit, war es Ziel der vorliegenden Arbeit, eine Konzeption selbstbezogener Weisheit als eine Form von Persönlichkeitsreife zu entwickeln, diese messbar zu machen und zu validieren. Aus einer entwicklungspsychologischen Perspektive sollten zusätzlich Alterseffekte in selbstbezogener Weisheit untersucht werden. Zunächst wurde im theoretischen Teil eine Arbeitsdefinition von Persönlichkeitsreife entwickelt, die sich einerseits von einem traditionellen, organismischen Reifeverständnis abgrenzt und weiterhin die Setzung trifft, dass Reife über Funktionalität hinausgeht und anders als diese durch die Rücksichtnahme auf andere Personen als Wert an sich gekennzeichnet ist. Um Charakteristika reifer Persönlichkeit, die die Basis für das neue Konzept selbstbezogener Weisheit bilden sollten, festzulegen, wurden existierende Konzeptionen von Persönlichkeitsreife auf überlappende Aspekte hin untersucht. Dabei wurden sowohl nicht-psychologische Konzeptionen eines guten Lebens, vor allem jedoch psychologische Reifetheorien aus Entwicklungspsychologie, Persönlichkeitspsychologie, klinischer Psychologie und implizite Theorien von Persönlichkeitsreife mit einem Analyseschema untersucht. Die so extrahierten Charakteristika reifer Persönlichkeit wurden anschließend mit einem, aufgrund seiner multidimensionalen Kriterienstruktur und seiner erprobten empirischen Messmethode gut dafür geeigneten Weisheitskonzept, dem Berliner Weisheitsparadigma, zu einer Konzeption selbstbezogener Weisheit integriert. Selbstbezogene Weisheit wird demnach definiert als Einsicht in das eigene Leben und die eigene Person und stellt einen Teilaspekt von Persönlichkeitsreife dar, der sich nicht auf konkretes Verhalten sondern auf Wissen und Einsichten bezieht. Selbstbezogene Weisheit ist weiter definiert durch fünf Kriterien, nämlich zwei Basiskriterien: Selbstwissen und Wachstums- und Bewältigungswissen, sowie drei Metakriterien: Zusammenhangswissen, Selbstrelativierung und Ambiguitätstoleranz. Für die angestrebte Konstruktvalidierung wurden auf der Basis eines für die selbstbezogene Weisheit entwickelten Modells der Korrelate, Hypothesen über konvergente und diskriminante Zusammenhänge aufgestellt. So wurde angenommen, dass selbstbezogene Weisheit mit Indikatoren von Persönlichkeitsreife zusammenhängt, jedoch nur in geringem Maße mit Indikatoren von Funktionalität. Weitere bedeutsame Zusammenhänge wurden mit Intelligenz, Lebensereignissen und Werten erwartet. Vor dem Hintergrund geringerer Ressourcen älterer Erwachsener und ihrer Tendenz, das eigene Leben positiv zu evaluieren, wurden niedrigere Werte älterer Erwachsener in bestimmten Kriterien selbstbezogener Weisheit erwartet. In der Studie wurden 161 Personen, 83 zwischen 20-40; 78 zwischen in einer strukturierten Interviewsitzung gebeten, laut darüber nachzudenken, wie sie selbst als Freund oder Freundin seien. 13

14 Zusammenfassung Diese Protokolle lauten Denkens wurden aufgenommen und transkribiert. Zehn Rater wurden anhand eines für diese Studie entwickelten Manuals darin trainiert, die Protokolle nach den Kriterien selbstbezogener Weisheit auszuwerten. Dabei beurteilten jeweils zwei Rater unabhängig voneinander ein Kriterium, indem sie für ein ganzes Protokoll einen Wert für das Kriterium auf einer Likert-Skala vergaben. Die Ergebnisse zeigten zufrieden stellende Interraterreliabilität der Kriterien, und die theoretisch angenommene Struktur der Kriterien im Sinne von Basis- und Metakriterien ließ sich bestätigen. Weiterhin zeigte eine Kreuzvalidierung mit einer anderen selbstbezogenen Weisheitsaufgabe, dass sich die Kriterien konsistent über Aufgaben hinweg lokalisieren lassen. Indikatoren der Persönlichkeitsreife sagten selbstbezogene Weisheit signifikant und besser vorher als Indikatoren der Adaptivität. Fluide Intelligenz zeigte einen umgekehrt u-förmigen Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit, kristalline Intelligenz einen positiven linearen, der tendenziell etwas stärker war als der der fluiden Intelligenz. Auch die Anzahl an Lebensereignissen zeigte einen umgekehrt u-förmigen Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit: Eine mittlere Anzahl an Lebensereignissen schien optimal für selbstbezogene Weisheit zu sein. Weiterhin korrelierten soziale und gemeinnützige Werte mit selbstbezogener Weisheit, während kein Zusammenhang mit Werten wie Macht, Leistung und Hedonismus bestand. Es ergaben sich signifikante Altersinteraktionen im Bereich der Intelligenz: Fluide Intelligenz war ein wichtigerer Prädiktor selbstbezogener Weisheit für ältere als für jüngere Erwachsene, kristalline Intelligenz hing für jüngere stärker mit der selbstbezogenen Weisheit zusammen als für ältere. Auch im Bereich der Lebensereignisse zeigten sich Altersinteraktionen. In Bezug auf Altersunterschiede konnte weiter festgestellt werden, dass ältere Erwachsene geringere Werte in den Metakriterien selbstbezogener Weisheit erreichen. Dies kann teilweise auf die geringeren Niveaus älterer Erwachsener in fluider Intelligenz und Offenheit zurückgeführt werden. In den Basiskriterien besitzen ältere Erwachsene einen tendenziellen Vorteil gegenüber jüngeren. Die gefundenen Korrelationsmuster entsprachen weitgehend den Hypothesen und deuten auf die Konstruktvalidität des Instruments selbstbezogener Weisheit, das heißt darauf, dass selbstbezogene Weisheit tatsächlich Persönlichkeitsreife erfasst. Die Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit wurden interpretiert als sich aus einem komplexen Zusammenspiel von Entwicklungsaufgaben, altersbedingten Defiziten, die eine Verschiebung der Ziele bedingen ergebend, sowie aus Generationseffekten im Sinne unterschiedlicher Erziehung und gesellschaftlicher Entwicklungen. Es wird diskutiert, ob ältere Erwachsene möglicherweise eher Experten in adaptiver Lebensführung als in Persönlichkeitsreife sind. 14

15 Summary Summary As empirical instruments for measuring personal maturity and wisdom concerning the own life are scarce, it was the first goal of this study to develop a conception of self-related wisdom as one form of maturity, to develop an instrument for measuring it, and to validate it. A second goal was to examine age effects in self-related wisdom from the perspective of life-span developmental psychology. In the theoretical section a working definition of personal maturity was developed, which was contrasted on the one hand with traditional, organismic concepts of maturity and on the other hand against mere functionality. One crucial facet of maturity, in contrast to functionality, is the respect for others and their values. In order to search for characteristics of the mature personality, which should build the base for the new concept of self-related wisdom, existing conceptions of personal maturity were examined for overlapping aspects. Non-psychological conceptions on the good life as well as psychological theories of maturity from developmental, personality, and clinical psychology and implicit theories of the mature person were searched with a special analytical scheme. The extracted characteristics of the mature person were integrated with an existing concept of wisdom, the Berlin Wisdom Paradigm, which was chosen because of its multidimensional structure and its well elaborated empirical measurement method. The resulting concept of self-related wisdom is defined as insight into the own life and the own personality. Self-related wisdom is further defined by five criteria, two basic-criteria: self-knowledge and growth- and self-regulation; and two meta-criteria: interrelating the self, self-relativism and tolerance of ambiguity. On the background of a proposed model of correlates of self-related wisdom, hypotheses on convergent and discriminant relationships were developed for evaluating construct validity. Expectations were that indicators of maturity should show a stronger relationship with self-related wisdom than indicators of functionality. Further important relationships were expected with intelligence, life-events, and values. Considering the tendency of older adults to evaluate their own life positively, and their lower ressources, lower performance of older adults on some criteria of self-related wisdom was assumed. In a structured interview-session 161 adults, 83 between 20-40, 78 between 60-80, were asked to think aloud about the question how are you as a friend?. The protocols of thinking aloud were recorded and transcribed. Ten raters were trained to rate the protocols according to the criteria of selfrelated wisdom with a manual developed for this study. Two raters were assigned to each criterion, and were instructed to rate a protocol according to its expression of the respective criterion on a Likert-scale. The results showed satisfactory interraterreliability and the theoretically expected structure of the criteria, that is basic and metacriteria, was confirmed. A cross-validation with a different task of self- 15

16 Summary related wisdom showed that the criteria were not task-specific, but could be located consistently across tasks. Indicators of maturity predicted self-related wisdom significantly and better than indicators of adaptivity. Fluid intelligence showed an inverted u-shaped relationship with self-related wisdom, crystalline intelligence was linearly and positively related to self-related wisdom. Also life-events exposed an inverted u-shaped relationship with self-related wisdom, a medium number seemed to be optimal. Furthermore, benevolent and universalistic values were positively associated with self-related wisdom, whereas self-centered values, such as power, performance and hedonism, were uncorrelated to selfrelated wisdom. There was a significant age-interaction within the intelligence variables: Fluid intelligence was more important for older than for younger adults, whereas crystallized intelligence displayed a stronger relationship with self-related wisdom for younger than for older adults. Also in the domain of life-events, there was a significant age-interaction. Concerning mean-level differences it was shown that older adults performed lower in the metacriteria, which was partly due to their lower fluid intelligence and openness for experience. In the basic criteria older adults showed a tendency to perform better than younger adults. The correlational patterns were by and large in accord with the hypotheses and thus confirm the construct validity of the new measure of self-related wisdom, implying that it indeed captures personal maturity. The age differences are interpreted as resulting from a complex interplay of developmental tasks, age-related deficits causing a change of goals, and cohort effects like different upbringing and societal developments. It is discussed whether older adults tend to be experts in leading an adaptive life, rather than in personal maturity. 16

17 Kapitel 1: Einleitung 1. Kapitel Einleitung Themen wie Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentwicklung haben Menschen in verschiedenen Kulturkreisen über viele Epochen, von der Antike bis heute, sowohl in wissenschaftlicher als auch populärwissenschaftlicher oder angewandter Hinsicht, beschäftigt. So sind Persönlichkeitsentwicklung und Selbstverwirklichung Thema von populären Seminaren wie T-Gruppen, Encounter-Therapie und finden vermehrt Anwendung im Arbeitskontext wie beispielsweise in Coaching-Seminaren für Führungskräfte. Das Erwerben von Einsichten in das eigene Leben ist aber auch bereits seit langer Zeit Gegenstand philosophischer und geisteswissenschaftlicher Betrachtung gewesen. So war am Tempel des Apoll in Delphi ein kurzer Spruch zu lesen: "Gnothi Seautón" - "Erkenne dich selbst". Selbsterkenntnis als tägliche Übung sollte der Anfang für jedes sinnvolle Denken und Philosophieren sein. Doch Selbsteinsicht ist auch für die Gestaltung des eigenen Lebens notwendig. Nach Schopenhauer (1916) ist es wichtig, dem eigenen Charakter große Aufmerksamkeit zu widmen, denn nur wenn die eigene Individualität in ihren Vorlieben und Talenten, aber auch in ihren Defiziten transparent wird, besteht die Möglichkeit, das Leben gezielt gestalten zu können. Auch in der psychologischen Theorie und Forschung haben die Begriffe Selbstverwirklichung und Persönlichkeitswachstum eine lange Tradition (z.b. Bühler, 1962; Jung, 1934). Unter anderem im Zuge eines zunehmenden Fokus auf positive Aspekte der menschlichen Psyche durch die positive Psychologie (siehe z.b. Aspinwall & Staudinger, 2003; Keyes & Haidt, 2003, Seeman, 1989) sind auch in jüngerer Zeit theoretische Konzepte und empirische Arbeiten (z.b. Cloninger, 2003; Loevinger, 1976; Ryff, 1989a, 1989b) zu dem Thema des Persönlichkeitswachstums entstanden. Auch die Entwicklungspsychologie der Lebensspanne beschäftigt sich mit dem Konzept des Persönlichkeitswachstums bzw. der Selbsteinsicht als einen positiven Aspekt des Alterns (Staudinger, im Druck). Das Ziel von Persönlichkeitswachstum, eine reife Persönlichkeit, wird in intuitiven Vorstellungen von Menschen mit dem höheren Lebensalter verknüpft (Holliday & Chandler, 1986; Sternberg, 1985). Inwieweit dies empirisch zutrifft, und wie sich ein solcher Zusammenhang zwischen Lebensalter und Persönlichkeitsreife gestaltet, ist eine wichtige Frage innerhalb der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne, die bereits Gegenstand von Forschungsarbeiten gewesen ist (z.b. Helson & Wink, 1987; Labouvie-Vief & Medler, 2002; Ryff, 1995). Neben Persönlichkeitsreife oder Selbsteinsicht ist Weisheit ein weiteres Konzept, das sich mit Einsichten in das eigene Leben befasst und sich in die Forschungstradition zu positiven Aspekten des Alterns einreiht (z.b. Baltes & Staudinger, 2000; Staudinger, 2001b; Sternberg, 1998). Das Grimmsche 17

18 Kapitel 1: Einleitung Wörterbuch definiert Weisheit als Einsicht und Wissen über sich selbst und die Welt sowie als gutes Urteil im Umgang mit Lebensproblemen (Grimm & Grimm, 1984). Hier wird also sowohl von selbstbezogenen, als auch von auf-die-welt-bezogenen, eher allgemeinen Einsichten gesprochen. Diese beiden Aspekte lassen sich nach Staudinger (1999b) lose mit der philosophischen Unterscheidung zwischen der Ontologie der ersten und der dritten Person verbinden (siehe auch Searle, 1992). Die Ontologie der ersten Person bezieht sich auf Einsichten einer Person auf der Basis eigener Erfahrungen. Die Ontologie der dritten Person kennzeichnet die Sicht auf das Leben von einer Beobachterperspektive. Dementsprechend kann unterschieden werden zwischen selbstbezogener bzw. persönlicher Weisheit, die sich mit den Einsichten einer Person über das eigene Leben beschäftigt, und allgemeiner Weisheit, bei der es sich um Erkenntnisse über das Leben im Allgemeinen, wenn die eigene Person nicht betroffen ist, handelt (siehe auch Staudinger, Dörner, & Mickler, im Druck). Ein solches Konzept persönlicher Weisheit zeigt Parallelen zu Ansätzen, die sich mit Persönlichkeitsreife beschäftigen oder Weisheit als Persönlichkeitseigenschaft konzipieren (z.b. Erikson, 1966). Diese beiden Forschungstraditionen, Weisheit und Persönlichkeitsreife, sind bisher jedoch nicht systematisch aufeinander bezogen worden. Trotz der Vielfalt der theoretischen Aspekte, gibt es wenig empirische Forschung zum Thema persönliche Weisheit oder Persönlichkeitswachstum. Die wenigen existierenden persönlichkeitsbezogenen Weisheitsansätze (z.b. Orwoll & Perlmutter, 1990) sind empirisch kaum erforscht. Wenn es empirische Studien gibt, messen diese persönliche Weisheit oft nicht bei der Person selbst, sondern interessieren sich für Laienkonzeptionen von Weisheit (z.b. Clayton & Birren, 1980; Holliday & Chandler, 1986). Andere Forscher in dieser Richtung erheben persönlichkeitsbezogene Weisheit mit Selbstberichtmaßen (Ardelt, 2003; Ryff, 1989b; Webster, 2003) - eine Methode die für die Erfassung selbstbezogener Weisheit nicht ideal ist, da sich hier das Problem der sozialen Erwünschtheit von Weisheit stellt jeder wäre gerne weise (Staudinger, im Druck). Es besteht also ein Defizit an empirischen Arbeiten zu Persönlichkeitswachstum bzw. persönlicher Weisheit (Staudinger, im Druck). In der Gruppe von Weisheitsansätzen dagegen, die Weisheit als Kompetenz zur Lösung von Problemen des Lebens im Allgemeinen definiert, existiert mit dem Berliner Weisheitsparadigma ein gut erforschtes Konzept zur Messung von Weisheit (z.b. Baltes & Staudinger, 2000). Diese Methode ist jedoch bislang zur Erfassung selbstbezogener Einsicht nicht nutzbar gemacht worden. Durch die Art und Weise der Erhebung, in der es üblicherweise um Lebensprobleme anderer Menschen geht (siehe z.b. Staudinger & Leipold, 2002; Staudinger, Smith, & Baltes, 1994), wird die Äußerung von selbstbezogenen Einsichten wenig angeregt. Die vorliegende Arbeit unternimmt nun den Versuch, das psychologische Konstrukt selbstbezogene Weisheit als eine Konzeption von Persönlichkeitsreife zu konzeptualisieren, indem Theorien der Persönlichkeitsreife und der persönlichen Weisheit systematisch mit dem empirisch etablierten Ansatz des Berliner Weisheitsparadigmas vereint werden. Die Studie ist in ein von der DFG gefördertes Projekt 18

19 Kapitel 1: Einleitung mit dem Titel Lässt sich Selbsteinsicht fördern? (Projekt STA 540/3-1/2) eingebettet und übernimmt in diesem Projekt die Aufgabe, ein Maß der Selbsteinsicht die selbstbezogene Weisheit - zu entwickeln. Ziel der Studie ist es, ein empirisch messbares Konzept selbstbezogener Weisheit zu entwickeln und zu validieren, sowie Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit zu untersuchen. Dafür wird zunächst eine moderne Definition von Persönlichkeitsreife entwickelt (Kapitel 2). Dann werden in einem nächsten Schritt Theorien reifer Persönlichkeit aus verschiedenen psychologischen und nicht-psychologischen Disziplinen mit einem Analyseschema auf überlappende Aspekte hin analysiert, um die wichtigsten Charakteristika reifer Persönlichkeit zu identifizieren (Kapitel 3). Diese Charakteristika sollen nicht nur kognitive Aspekte, sondern auch andere Aspekte von Selbst und Persönlichkeit, wie Emotionen, Motivation und Volition umfassen. In einem weiteren Schritt werden diese Aspekte reifer Persönlichkeit mit der Theorie der allgemeinen Weisheit aus dem Berliner Weisheitsparadigma kombiniert und Kriterien selbstbezogener Weisheit entwickelt (Kapitel 4). Das Konstrukt der selbstbezogenen Weisheit soll Einsichten und Urteile über das eigene Leben und die eigene Persönlichkeit in Form einer Kompetenz erfassen. In einem Teil dieses Kapitels wird, um die selbstbezogene Weisheit empirisch erfassbar zu machen, eine Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit entwickelt. In einem letzten theoretischen Teil soll ein Modell entworfen werden, das die verschiedenen zu erwartenden Zusammenhänge anderer Variablen mit der selbstbezogenen Weisheit verdeutlicht, und aus entwicklungspsychologischer Perspektive werden Annahmen über Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit getroffen (Kapitel 5). Auf den Ausführungen dieses Kapitels basieren die Hypothesen dieser Studie (Kapitel 6), die einerseits dazu dienen, das neue Konstrukt der selbstbezogenen Weisheit zu validieren, andererseits dazu, Altersunterschiede zu untersuchen. Die Methode der Studie wird in Kapitel 7 berichtet und in Kapitel 8 sollen die Ergebnisse zu den Hauptfragestellungen dargestellt werden: Die Validierung des Instruments und die Untersuchung von Unterschieden zwischen jüngeren und älteren Erwachsenen in selbstbezogener Weisheit. In Kapitel 9 sollen die Ergebnisse abschließend diskutiert werden. 19

20 Kapitel 1: Einleitung 20

21 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie 2. Kapitel Theoretische Einbettung der Studie Mit dem oben beschriebenen Ziel, ein Instrument der selbstbezogenen Weisheit zu entwickeln, ist diese Studie einerseits in die Persönlichkeitswachstumsforschung, andererseits in die Weisheitsforschung, hier speziell das Berliner Weisheitsparadigma und darüber hinaus in den größeren Kontext der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne, eingebettet. Daher soll es zunächst darum gehen, wie in dieser Studie Persönlichkeitsreife bzw. Persönlichkeitswachstum konzeptualisiert wird, und es sollen verschiedene für diese Studie zentrale Begriffe voneinander abgegrenzt werden. Anschließend wird das Konzept des Berliner Weisheitsparadigmas, das eine wichtige Grundlage für diese Studie darstellt, vorgestellt. Um einen ersten Bezug zum Lebensalter herzustellen, wird das zu entwickelnde Konzept selbstbezogener Weisheit abschließend in den weiteren Kontext eines Modells zur Entwicklung von Kognition und Persönlichkeit über die Lebensspanne eingeordnet. 2.1 Was ist Persönlichkeitsreife und Persönlichkeitswachstum? Der Duden definiert wachsen mit als lebender Organismus an Größe, Länge, Umfang zunehmen; an Stärke und Intensität gewinnen (Duden Deutsches Universalwörterbuch, 1989). Der Wachstumsidee liegt also der Gedanke einer kontinuierlichen Veränderung, einer Entwicklung zum Positiven nahe. Der Begriff reif wird vom Duden mit im Wachstum voll entwickelt umschrieben, was darauf hindeutet, dass Reife als Resultat von Wachstum, als Zielzustand, auf den das Wachstum hinstrebt, konzipiert werden kann. Eine weitere Definition von reif als erwachsen, durch Lebenserfahrung innerlich gefestigt (Duden Deutsches Universalwörterbuch, 1989) deutet bereits auf eine psychologische Interpretation von Reife hin. Traditionell gehen psychologische Definitionen von Reife und Wachstum auf biogenetische Entwicklungstheorien zurück, denen ein organismisches Welt- und Menschenbild zugrunde liegt (siehe Reese & Overton, 1979). Entwicklung wird in diesen Theorien mit Wachstum gleichgesetzt und als endogen gesteuerter Prozess nach dem Muster von Wachstumsvorgängen im somatischen Bereich konzipiert. Wachstum entspricht in diesen Theorien einer Entfaltung der inneren Anlagen nach einem festgelegten Bauplan und ist irreversibel. Der Umwelt wird in dieser Wachstumskonzeption nur eine die natürliche Entwicklung hemmende oder fördernde Rolle zugeschrieben, sie ist niemals Ursache der Entwicklung. Ein so konzipierter Wachstumsprozess ist unidirektional und entwickelt sich in die Richtung eines Endzustands stärkerer Differenzierung bei gleichzeitiger Integration verschiedener Bereiche (Reese & Overton, 1979). Oft wird in Theorien dieser Tradition auch von einer Stufenabfolge der Entwicklung ausgegangen (z.b. Bühler, 1959; Gesell, 1940). In anderen biogenetischen Wachstumstheo- 21

22 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie rien wird nicht von Stufen, sondern von einer kontinuierlichen Entwicklung, einer stetigen Zunahme von Fertigkeiten ausgegangen (z.b. Carmichael, 1951, Olson, 1953). Die Reife- und Wachstumsdefinition, die in dieser Studie herangezogen werden soll, unterscheidet sich von der traditionellen in einigen wichtigen Punkten. Wie in den traditionellen Wachstumstheorien soll Reife hier als Zustand konzipiert werden und Wachstum als Prozess, der auf diesen Zustand abzielt (siehe Tabelle 1). Diese Differenzierung findet eine Parallele im Forschungsbereich Selbst durch die Unterteilung in Selbst als Produkt oder Prozess (Filipp & Klauer, 1986). Der hier verwendeten Wachstumsdefinition liegt, im Gegensatz zu den traditionellen, jedoch ein dialektisches (Riegel, 1975) bzw. kontextuelles Entwicklungsmodell (siehe Smith & Baltes, 1999) zu Grunde. Diese Modelle implizieren, dass auch der weitere kulturelle und historische Kontext der Entwicklung und deren Interaktion mit der Person betrachtet werden. Ein Wachstumsbegriff, der dieses Entwicklungsmodell zu Grunde legt, kann also nicht von einer ausschließlichen Entfaltung innerer Anlagen, sondern muss von einer Interaktion verschiedenster Komponenten (z.b. biologische, psychologische, soziale, und umweltbezogene Komponenten) ausgehen (siehe Riegel, 1976). In dieser Arbeit wird, im Gegensatz zu traditionellen Konzeptionen von Wachstum, auch nicht von einer Stufenabfolge des Wachstums ausgegangen. Es wird nicht angenommen, dass sich verschiedene Variablen auf bestimmte Art und Weise simultan verändern, sondern dass Wachstum sich auf verschiedenen Dimensionen (Multidimensionalität) in unterschiedlicher Geschwindigkeit vollzieht. Auch der Annahme der Unumkehrbarkeit von Wachstum wird hier widersprochen: Die hier vertretene Wachstumsdefinition beruht auf dem Entwicklungsbegriff der Lebensspannenpsychologie (Baltes, 1987), der die Multidirektionalität von Entwicklungsprozessen annimmt. Dies bedeutet, dass Reife nicht als irreversibler Zustand konzipiert wird, der einmal erreicht wird, sondern als ein Konstrukt, das aus verschiedenen Dimensionen besteht, auf denen Menschen sich in Richtung höherer oder niedrigerer Ausprägungen entwickeln können. Eine weitere Differenz zwischen der hier vertretenen und der traditionellen Wachstumsvorstellung ist die Definition des Ziels von Wachstum, das hier nicht allein in einer zunehmenden Differenzierung bestehen soll. Reife sollte aus verschiedenen Dimensionen bestehen, die die zentralen psychologischen Konstrukte Denken, Fühlen, Handeln (siehe z.b. Zimbardo, 1988) umfassen (siehe Tabelle 1). Eine andere Definition des Wachstumsbegriffs, von dem sich der hier verwendete abgrenzt, wird häufig in der entwicklungspsychologischen und der Coping-Literatur verwendet. Dort wird Wachstum im Sinne eines Prozesses, der zu einem höheren Niveau des Funktionierens oder der adaptiven Kapazität führt, definiert (Baltes, 1997). Mit adaptiver Kapazität ist die Akquisition, Aufrechterhaltung und Transformation psychologischer Funktionen gemeint. In dieser Denkweise wird der Begriff Wachstum im Sinne einer positiven Entwicklungsbilanz interpretiert, als ein Überwiegen der Entwicklungsgewinne über den Verlusten (z.b. Baltes, Lindenberger, & Staudinger, 1998) bzw. als optimale Entwicklung (Staudin- 22

23 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie ger, Marsiske, & Baltes, 1995). Wie wird jedoch festgelegt, was optimales Funktionieren ist? Wie soll Adaptivität definiert werden? Um diese Frage zu beantworten, muss zwischen verschiedenen Bereichen, in denen Wachstum stattfinden kann, unterschieden werden. Im Bereich der intellektuellen Leistungsfähigkeit scheint es relativ klar zu beantworten zu sein, was optimal oder besser als normal ist. Hier scheint es eindeutig, dass beispielsweise die Wiedergabe von möglichst vielen Wörtern in einem Erinnerungstest ein anstrebenswerter, funktionaler Zustand ist (siehe z.b. Baltes, Lindenberger, & Staudinger, 1998; Staudinger, 2000; Staudinger, Marsiske, & Baltes, 1995). Bei Persönlichkeitseigenschaften ist jedoch weniger leicht zu beurteilen, welche Eigenschaft in welcher Ausprägung adaptiv ist. Einerseits betrifft dies die Operationalisierung von Adaptivität. Das kann einmal durch die subjektive Einschätzung der Person selbst geschehen (z.b. subjektives Wohlbefinden) oder über objektive Indikatoren (z.b. Langlebigkeit), was oft zu unterschiedlichen Vorstellungen darüber führt, was adaptiv ist (Staudinger, Marsiske, & Baltes, 1995). In dieser Studie soll subjektives Wohlbefinden als Ziel von A- daptivität gesetzt werden. Subjektives Wohlbefinden wird durch zwei Komponenten definiert (Diener & Suh, 1998): Einer affektiven Komponente (affektives Wohlbefinden), die über die Balance zwischen negativen und positiven Emotionen definiert wird, und einer kognitiven Komponente, zum Beispiel Lebenszufriedenheit. Adaptive Verhaltensweisen sind demnach solche, die subjektives Wohlbefinden fördern. Ein weiterer wichtiger Punkt für die Definition von Adaptivität ist, dass die Langzeitwirkung von Verhalten sowie positive und negative Transferaspekte auf andere Funktionsbereiche berücksichtigt werden müssen. Eine bestimmte Verhaltensweise mag momentan in einem bestimmten Bereich adaptiv sein, aber Jahre später negative Konsequenzen, möglicherweise in einem anderen Bereich, nach sich ziehen (Staudinger, Marsiske, & Baltes, 1995). Optimale Adaptivität müsste demnach auch die zukünftigen Konsequenzen einer Handlung berücksichtigen. Mit Adaptivität ist weiterhin nicht eine einfache Anpassung an äußere Umstände (Akkommodation) gemeint, wie sie oft, vor allem in evolutionspsychologischen Definitionen, verwendet wird (z.b. Buss & Haselton, 1998; Frederick & Loewenstein, 1999; Whitbourne & Cassidy, 1996). Das Individuum wird hier als aktiv seine Kontexte auswählend konzipiert, es kann sie beeinflussen und wird von ihnen beeinflusst (Staudinger, Marsiske, & Baltes, 1995). Auch wenn auf diese Weise relativ gut umgrenzt werden kann, was als optimales Funktionieren im Bereich der Persönlichkeit gelten kann, reicht das nach der hier vertretenen Reifedefinition nicht aus, um Persönlichkeitsreife zu definieren. Optimales Funktionieren bewegt sich ausschließlich im Bereich der Adaptivität. Persönlichkeitsreife besitzt jedoch eine Konnotation, die über Adaptivität hinausgeht. Eine reife Person ist nicht dadurch erschöpfend beschrieben, dass sie Verhaltensweisen und Kompetenzen beherrscht, die ihr langfristig subjektives Wohlbefinden bescheren. Diese Beschreibungslücke lässt sich möglicherweise durch den im Begriff Persönlichkeitsreife implizit enthaltenen Wertaspekt erklären. Ein Ergebnis der Analyse von Theorien reifer Persönlichkeit vorwegnehmend lässt sich 23

24 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie sagen, dass bestimmte Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen von einer reifen Person erwartet werden, die nicht rein funktional für sie selbst sind. Die Notwendigkeit, einen Wertaspekt in die Definition von Persönlichkeitsreife einzubeziehen, lässt sich gut mit einem Bespiel von Compton, Smith, Cornish und Qualls (1996) illustrieren: Man stelle sich Offiziere eines nationalsozialistischen Konzentrationslagers vor, die überzeugt davon waren, etwas Sinnvolles zu tun, und sich regelmäßig mit ihren Freunden amüsierten. Obwohl diese Offiziere sich möglicherweise glücklich gefühlt haben und Lebenszufriedenheit besessen haben, d.h. ein hohes subjektives Wohlbefinden hatten und sich somit vollständig adaptiv verhielten, kann ihr Verhalten trotzdem nicht als reif bezeichnet werden. Im damaligen historischen Kontext war das Verhalten adaptiv, es entspricht jedoch nicht dem Verhalten und Empfinden einer reifen Person, wie sie in Wachstumstheorien beschrieben wird. Hier wird deutlich, dass es nicht ausreicht, nur die Person an sich zu betrachten, wenn nach einer Definition für Reife gesucht wird. Die Auswirkungen von Verhalten auf Mitmenschen und Gesellschaft müssen berücksichtigt werden, wenn es darum geht Persönlichkeitsreife einzugrenzen. Hier zeigt sich ein zentraler Aspekt der Definition von Persönlichkeitsreife: Es muss daran gemessen werden, ob es sich an der Balance zwischen dem eigenen Wohl und dem anderer orientiert. Dies ist ein Kriterium, das von Aspinwall und Staudinger (2003) zur Beurteilung menschlicher Stärken vorgeschlagen wurde und das bereits in der Weisheitsforschung als Kriterium zur Differenzierung zwischen sozialer Intelligenz und Weisheit herangezogen wurde (Sternberg, 1998). Es geht bei diesem Wertaspekt jedoch nicht darum, dass auf andere Rücksicht genommen wird, weil dies adaptiv ist und weil sonst zu einem späteren Zeitpunkt negative Konsequenzen erfolgen, sondern weil es als Wert an sich begriffen wird. In beiden Konzeptionen, sowohl bei der von Reife, als auch der von Adaptivität, spielt der soziale Aspekt eine Rolle, nur dass bei der Reife auf andere Personen um deren selbst willen Rücksicht genommen werden soll (entsprechend Kants praktischem Imperativ, dass der Mensch Zweck an sich sei und nicht bloß als Mittel zum Zweck benutzt werden darf, Kant, 1990), während dies bei der Adaptivität nur relevant ist, damit ein reibungsloses Funktionieren in der Gesellschaft, das für subjektives Wohlbefinden nötig ist, erreicht wird. Diese Differenz im Wertaspekt 1 soll die beiden Arbeitsdefinitionen von Reife und Adaptivität ergänzen, die zusammenfassend in Tabelle 1 dargestellt sind. Der Unterschied zwischen einem allein auf Adaptivität gründenden Reifekonzept und einem, welches einen Wertaspekt enthält, ist verbunden mit der Unterscheidung zwischen zwei Konzeptionen menschlichen Glücks: Hedonia und Eudaimonia (z.b. Ryan & Deci, 2001; Ryff, 1989a; Seligman, 2003; Waterman, 1993). Die eine Richtung, zu der auch die hier vertretene Reifedefinition gehört, definiert ein 1 Streng genommen enthält auch das Kriterium der Adaptivität einen Wertaspekt, nämlich den, die Funktionalität als oberste Priorität zu betrachten. Nach Haan (1977) ist es unmöglich, eine Persönlichkeitstheorie zu entwickeln, die ohne Wertung auskommt. In dieser Studie soll jedoch mit Wertaspekt ein Wert der über die Funktionalität hinausgeht gemeint sein, wie der Meta-Wert, die Balance zwischen den eigenen Interessen und denen Anderer zu wahren. 24

25 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie Ziel im Bereich der Persönlichkeit weitgehend unabhängig von Adaptivität, das meistens mit Selbstverwirklichung beschrieben wird. Die andere setzt Adaptivität und das daraus resultierende subjektive Wohlbefinden als Ziel. Die erste Tradition geht auf Aristoteles Konzeption von Eudaimonia zurück (Aristoteles, 1979). Nach seiner Lehre ist es eine bestimmte Seinsweise der Person, nämlich Selbstverwirklichung in bestimmten Tätigkeiten, die das gute, glückliche Leben (Eudaimonia) ausmacht. Ein gutes Leben bedeutet nach Aristoteles, die eigene Aufgabe als Mensch gut zu erfüllen. Im Bereich der Wohlbefindensforschung kann diese Perspektive mit eudaimonischem Wohlbefinden beschrieben werden (Ryan & Deci, 2001). Sie konzipiert Wohlbefinden als Streben nach Selbstverwirklichung. Theorien in dieser Tradition betrachten die möglichst vollständige Entwicklung der eigenen psychologischen Qualitäten und Potentiale als Ideal der Persönlichkeit (Ryff, 1989a, 1989b, 1995, 1997; Schultz, 1977; Waterman, 1993). Die andere Forschungsrichtung, die sich nach Ryan und Deci (2001, siehe auch Waterman, 1993) mit hedonischem Wohlbefinden beschäftigt, rückt eher den Aspekt der Adaptivität und damit den des subjektiven Wohlbefindens in den Vordergrund. Die wichtigsten Prädiktoren für subjektives Wohlbefinden sind unter anderem ein positives Selbstkonzept, unterstützende soziale Beziehungen, eine internale Kontrollüberzeugung und Extraversion (Argyle, 1987). Insgesamt können aber sowohl Reife bzw. Eudaimonia, als auch Adaptivität bzw. Hedonia als Teil positiver Entwicklung begriffen werden, beide lassen sich als Entwicklungsgewinne (im Gegensatz zu Entwicklungsverlusten) klassifizieren (vgl. Baltes, Lindenberger, & Staudinger, 1998). Tabelle 1: Arbeitsdefinitionen verschiedener in dieser Studie zentraler Begriffe Zustand Prozess Eudaimonia (Persönlichkeits)reife: Multidimensionaler, reversibler Zustand der Realisierung der eigenen Interessen und Potentiale, unter Rücksichtnahme auf andere Personen und die Gesellschaft. Dieser Zustand ist durch verschiedene kognitive, emotionale, motivationale und volitionale Charakteristika gekennzeichnet. Wachstum zur Reife: Multidimensionaler Prozess, der mit einem höheren Zustand der Realisierung der eigenen Interessen und Potentiale, unter Einhaltung einer Balance zum Wohlergehen anderer, einhergeht Hedonia Adaptivität: Akquisition, Aufrechterhaltung und Transformation von psychologischen Funktionen, die den Zustand des subjektiven Wohlbefindens anstreben bzw. fördern. Dabei werden positive und negative Transfereffekte zwischen Funktionsbereichen und über die Zeit berücksichtigt. Die Balance zwischen den eigenen Interessen und denen anderer wird hier nicht als Wert an sich berücksichtigt (teilweise angelehnt an Baltes, 1997; Staudinger, Marsiske, & Baltes, 1995) subjektives Wohlbefinden: Besteht aus zwei Komponenten (Diener & Suh, 1998): 1. Affektives Wohlbefinden, das über die Balance zwischen negativen und positiven Emotionen definiert wird; 2. Kognitives Wohlbefinden, z.b. Lebenszufriedenheit adaptives Wachstum: Prozess, der zu einem höheren Niveau des Funktionierens oder der adaptiven Kapazität führt (Baltes, 1997). Dabei wählt das Individuum aktiv seine Kontexte aus, kann sie beeinflussen und wird von ihnen beeinflusst (Staudinger, Marsiske, & Baltes, 1995). Persönlichkeitsreife wird hier allerdings auch nicht als vollständig unabhängig von Adaptivität betrachtet, reifes Verhalten kann im täglichen Leben häufig auch adaptiv sein. Daher wird hier von einer Überschneidung der Bereiche ausgegangen, so wie sie in Abbildung 1 dargestellt ist. Die Differenzierung zwischen Reife und Adaptivität ist aber aus konzeptuellen Gründen wichtig. Zum einen wird da- 25

26 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie durch klarer, welche Persönlichkeitsreifetheorien die Grundlage für die Definition selbstbezogener Weisheit bilden sollen. Zum anderen ist diese theoretische Klärung wichtig als Basis für empirische Forschung im Gebiet des Persönlichkeitswachstums. So lässt sich durch die Unterscheidung zwischen Reife und Adaptivität beispielsweise besser beschreiben, warum häufig Veränderungen im Leben zeitweise nicht-adaptive Reaktionen wie Angst oder Depressionen auslösen, jedoch langfristig zu Wachstum zur Reife führen können (Compton, Smith, Cornish & Qualls, 1996). Reife Adaptivität Abbildung 1. Schematische Darstellung des Verhältnisses von Reife und Adaptivität. Als einem weiteren wichtigen Aspekt der in dieser Arbeit verwendeten Vorstellung von Persönlichkeitsreife wird davon ausgegangen, dass es bei der Ausgestaltung von Aspekten reifer Persönlichkeit keine per se dazu gehörenden Kriterien im Sinn einer absoluten Wahrheit (wie sie z.b. von Russell verstanden wird, vgl. auch Narski, 1967) gibt. Da Reife als ein kulturelles Konstrukt verstanden wird, scheint es sinnvoll, sich auf die Form der Wahrheit als intersubjektive Übereinstimmung, wie sie in der Erlanger Schule der Philosophie konzipiert wird, zu stützen (siehe Skirbekk, 1977). Aus diesem Grund sollen in Kapitel 3 diverse Konzeptionen reifer Persönlichkeit aus verschiedenen Disziplinen danach ausgewertet werden, welche Charakteristika sie als Bestandteil von Reife konzipieren. Weiterhin soll durch die zu entwickelnden Kriterien von Persönlichkeitsreife nicht vorgeschrieben werden, wie Reife im Detail auszusehen hat. So wird beispielsweise postuliert, dass eine reife Person eigene Werte haben solle, welche diese jedoch sind, bleibt ihr überlassen, solange der Meta-Wert der Rücksichtnahme auf andere gewahrt bleibt. Wie weiter unten zu sehen sein wird, variieren die einzelnen Charakteristika von Persönlichkeitsreife in ihrem Abstraktionsniveau. Einige lassen sich eher als Meta-Charakteristikum bezeichnen, andere sind recht konkret. Alle relativieren sich jedoch an dem Wert der Balance zwischen eigenem Wohl und dem anderer. Ein letzter Punkt, der der Klärung bedarf, ist das Verhältnis von Alter und Reife. Entgegen landläufiger Vorstellungen, dass Alter mit Reife einhergeht (siehe z.b. die Studie von Holliday & Chandler, 1986), soll die hier verwendete Definition von Reife den Aspekt des Alters ausklammern und nicht durchschnittliche Charakteristika älterer Personen zur Definition von Reife heranziehen. Ein Zusam- 26

27 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie menhang zwischen Alter und Reife kann nicht a priori gesetzt werden, sondern muss empirisch geklärt werden. Wenn mit dem Alter eintretende empirische Veränderungen als Persönlichkeitsreife betrachten würden, wie dies teilweise in Trait-Konzeptionen von Reife geschieht (Costa & McCrae, 1994b), und ein solcher Zusammenhang empirisch nicht vorliegt, könnte man durch eine solche Setzung zu falschen Annahmen über Reife kommen. Außerdem wäre auf der Basis einer Definition von Reife, die sich auf empirischen Veränderungen über die Lebensspanne gründet, eine empirische Überprüfung eines Alterseffektes zirkulär. Ein weiteres Argument ist, dass Persönlichkeitsreife ein Konstrukt ist, das höchste Ausprägungen menschlicher Kompetenz erfassen soll (siehe Staudinger, im Druck und Punkt 2.2). Daher scheint es wenig plausibel, seine Definition auf empirische Beschreibungen durchschnittlicher Entwicklung zu gründen. 2.2 Das Berliner Weisheitsparadigma Abgesehen von Theorien zur Persönlichkeitsreife wird die im Zuge dieser Arbeit zu entwickelnde Konzeption selbstbezogener Weisheit auf einem Paradigma genereller Weisheit basieren. Das Verhältnis von allgemeiner und selbstbezogener Weisheit lässt sich gut mit einem Schema von Staudinger (im Druck) illustrieren (siehe Tabelle 2). Demnach können sowohl selbstbezogene, als auch allgemeine Weisheit als Lebenserfahrung bezeichnet werden. Beide stellen die höchste Form der Ausprägung von Lebenserfahrung dar, während Konstrukte wie Selbsteinsicht oder Lebenseinsicht die normale, durchschnittliche Ausprägung repräsentieren. Aus diesem Grund stellt die Beschreibung selbstbezogener und allgemeiner Weisheit immer ein Ideal dar, das von den wenigsten Menschen erreicht wird. Die meisten in empirischen Studien untersuchten Personen sind daher nicht weise, sondern zeigen nur ein mehr oder minder stark ausgeprägtes weisheitsbezogenes Wissen. Der Unterschied zwischen selbstbezogener und allgemeiner Weisheit beruht, wie bereits erwähnt, auf der Unterscheidung zwischen selbstbezogenem, d.h. auf die eigene Person abzielendem Wissen, und Wissen, das sich auf das Leben im Allgemeinen bezieht. Tabelle 2: Matrix zur Illustration des Verhältnisses von allgemeiner und selbstbezogener Weisheit Lebenserfahrung selbstbezogen allgemein Normale Ausprägung Selbsteinsicht Lebenseinsicht Höchste Ausprägung selbstbezogene Weisheit allgemeine Weisheit aus Staudinger (im Druck) Für die Erfassung von Wissen über das Leben im Allgemeinen existiert mit dem Berliner Weisheitsparadigma bereits ein empirisch gut erprobter Zugang, der in dieser Studie durch die Verknüpfung mit Theorien des Persönlichkeitswachstums für die Erfassung selbstbezogenen Wissens nutzbar ge- 27

28 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie macht werden soll. Da das Berliner Weisheitsparadigma somit eine zentrale Grundlage dieser Arbeit ist, soll es im folgenden Abschnitt kurz vorgestellt werden. Im Berliner Weisheitsparadigma ist Weisheit definiert als Expertenwissen in der fundamentalen Pragmatik des Lebens (z.b. Baltes & Staudinger, 2000). Die fundamentale Pragmatik des Lebens bezieht sich auf tiefes Wissen und gutes Urteil in der Art und Weise, wie man mit dem Leben im Allgemeinen umgeht, wie man es planen und verstehen kann. Beispiele sind das Wissen über die Geschichtlichkeit von Entwicklung sowie Wissen über Pflichten und Ziele des Lebens und Verständnis der sozial und kontextuell verflochtenen Natur des menschlichen Lebens mit seiner Endlichkeit, Kulturgebundenheit und Unvollständigkeit. Weisheit wird weiterhin definiert durch fünf Kriterien (z.b. Baltes, Smith & Staudinger, 1992). Zwei davon sind Basiskriterien, die aus der Tradition der Expertiseforschung stammen: Faktenwissen (deklaratives Wissen) und prozedurales Wissen über die fundamentale Pragmatik des Lebens. Beim Faktenwissen geht es um Themen wie lebenslange Entwicklung, Variationen in Entwicklungsprozessen, interpersonale Beziehungen, soziale Normen und kritische Lebensereignisse. Prozedurales Wissen schließt Strategien und Heuristiken für den Umgang mit dem Leben im Allgemeinen ein. Beispiele sind Heuristiken, um Ratschläge zu geben und um mit Konflikten umzugehen. Zusätzlich zu den Basiskriterien sind drei Metakriterien formuliert worden, die auf den Theorien und der Forschung der Lebensspannenpsychologie zu Kognition und Persönlichkeit beruhen (z.b. Alexander & Langer, 1990; Baltes, Staudinger, & Lindenberger, 1999). Es wird davon ausgegangen, dass die Metakriterien sich ontogenetisch später entwickeln. Das erste Metakriterium, Lebensspannen-Kontextualismus, bezeichnet Wissen über verschiedene Lebensbereiche (z.b. Bildung, Familie, Arbeit) und deren Verknüpfungen, und setzt diese darüber hinaus in eine Lebensspannenperspektive (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft). Ein weiterer Aspekt des Kontextualismus ist es, die soziale und historische Einbettung von Entwicklung sowie den Einfluss von idiographischen Ereignissen zu erkennen. Das zweite Metakriterium, Wertrelativismus, beschäftigt sich mit der Toleranz interindividueller Differenzen in Werten und Lebensstilen. Dies bedeutet jedoch keinen absoluten Relativismus, sondern einen, der sich nach einer kleinen Anzahl universeller Werte richtet (z.b. Kekes, 1995), wie das Optimieren und Balancieren individueller Ziele mit denen der Gemeinschaft. Das letzte Kriterium, Umgang mit Ungewissheit, basiert auf den Annahmen, dass die Validität menschlicher Informationsverarbeitung limitiert ist, (z.b. Dawes, 1988; Gigerenzer, 1996; Nisbett & Ross, 1980), dass Individuen nur einen kleinen Teil der Realität erkennen können, und dass die Zukunft unbekannt ist. Weisheit bedeutet in diesem Zusammenhang, diese Ungewissheit zu erkennen und damit umgehen zu können. Um Weisheit zu messen, wird Personen unter standardisierten Bedingungen eines von verschiedenen Lebensproblemen vorgelegt (vgl. Staudinger & Baltes, 1996b; Staudinger & Leipold, 2002), wie 28

29 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie zum Beispiel Jemand erhält einen Telefonanruf von einem guten Freund/ Freundin, der/die sagt, dass er/sie so nicht weiter machen kann und beschlossen hat, Selbstmord zu begehen. Was sollte man/ was sollte die Person in einer solchen Situation bedenken und tun?. Die Studienteilnehmer werden daraufhin gebeten, laut über das Problem nachzudenken. Die Antworten werden aufgenommen und transkribiert. Um quantifizierte Werte zu erhalten, werden die Protokolle auf einer 7-Punkt-Skala in ihrer Ausprägung auf den fünf Kriterien durch eine ausgewählte und extensiv in der Anwendung der Kriterien trainierte Gruppe von Beurteilern bewertet. Die Reliabilität dieser Methode ist sehr zufrieden stellend und liegt bei Cronbachs Alpha-Werten zwischen.69 und.90. Weitere Themen von Weisheitsaufgaben sind beispielsweise Lebensplanung, Lebensrückblick und Sinnkrisen im Leben (siehe z.b. Staudinger & Leipold, 2002). Die Messung von Weisheit mit dem im Berliner Weisheitsparadigma entwickelten Instrument stimmt mit der intuitiven Einschätzung von Personen als weise überein: Von Journalisten als weise nominierte Personen erzielten höhere Werte als die Kontrollgruppen besonders in den Kriterien Lebensspannen-Kontextualismus und Wert-Relativismus (Baltes, Staudinger, Maercker & Smith, 1995; Maercker, Böhmig-Krumhaar, & Staudinger, 1998). In Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas sind eine Vielzahl von Studien durchgeführt worden. Auf die Ergebnisse wird unter Kapitel 5 noch genauer eingegangen werden. Untersucht worden ist zum Beispiel die Beziehung von Weisheit und Alter (z.b. Baltes, Staudinger, Maercker, & Smith, 1995; Pasupathi & Staudinger, 2001b; für einen Überblick siehe Staudinger, 1999a) sowie die psychometrische Lokalisation von Weisheit im Verhältnis zu Persönlichkeit, Intelligenz und der Schnittstelle zwischen Persönlichkeit und Intelligenz (Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997). Weiterhin wurde die Rolle beruflicher Erfahrung für die weisheitsbezogenen Leistungen, wie beispielsweise in klinischer Psychologie untersucht (z.b. Smith, Staudinger, & Baltes, 1994; Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998; Staudinger, Smith, & Baltes, 1992) sowie der Einfluss sozialer Interaktionen auf weisheitsbezogene Leistung (Staudinger & Baltes, 1996a) und die Möglichkeit, einzelne Weisheitskriterien durch gezielte Interventionen zu fördern (Böhmig-Krumhaar, Staudinger, & Baltes, 2002). 2.3 Ein Modell zur Erforschung der Entwicklung von Kognition und Persönlichkeit Für das weitere Verständnis des in dieser Studie zu entwickelnden Konzeptes der selbstbezogenen Weisheit, und um dieses in Bezug zum Lebensalter zu setzen, ist es hilfreich, es in den weiteren Kontext der Lebensspannenpsychologie einzuordnen. Besonders nützlich für eine solche Positionierung ist das von Staudinger (2000; Staudinger, & Pasupathi, 2000) vorgeschlagene Modell der Lebensmechanik und Lebenspragmatik. Dies lehnt sich an das in der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne bereits bewährte Zwei-Komponenten-Modell der Intelligenz an, welches zwischen der Mechanik und der Pragmatik des Geistes unterscheidet (Baltes, 1997; Baltes, Dittmann-Kohli, & Dixon, 1984). Diese Unter- 29

30 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie scheidung baut ihrerseits auf der Theorie von Cattell und Horn auf, in der die fluide von der kristallinen Intelligenz getrennt wurde (Cattell, 1987; Horn, 1970). Die Lebensmechanik und die Lebenspragmatik stehen in enger Verbindung miteinander. Die Lebensmechanik stellt die prozessualen Bausteine, die Hardware, für die Entwicklung der Lebenspragmatik bereit. Die Mechanik des Lebens bezieht sich auf die vorwiegend biologisch verankerten Anteile sowohl der Kognition (z.b. Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit und kognitive Kontrollprozesse), als auch der Persönlichkeit (z.b. Aktivitätsniveau, Temperament, basale emotionale und motivationale Tendenzen). Im Bereich der Kognition zeigt sich im Einklang mit anderen biologischen Funktionen ein Anstieg bis ins frühe Erwachsenenalter (bis ca. 25 Jahre) und danach ein Abbau (Baltes, Lindenberger, & Staudinger, 1998). Im Bereich der Persönlichkeit sind die Befunde weniger eindeutig. Es kann nur spekuliert werden, dass einige Anteile dem Abbauverlauf der kognitiven Mechanik folgen. So könnten bestimmte hormonelle Veränderungen Einfluss auf Grundelemente der Lebensmechanik haben, wobei die Richtung dieses Verlaufs nicht klar ist (Staudinger, 2000). Der Pragmatik des Lebens werden unter anderem die beiden Konzepte allgemeine Weisheit und selbstbezogene Weisheit zugeordnet. Die Pragmatik repräsentiert die Resultate kulturellen Einflusses. Im kognitiven Bereich sind dies die stark kulturbezogenen und inhaltsreichen Anteile der Intelligenz (z.b. Wortschatz und berufliche Expertise), im Bereich von Selbst und Persönlichkeit fallen darunter komplexere Emotionen, Zielsysteme, Persönlichkeitsdimensionen und Bewältigungsmechanismen. Im Gegensatz zum oben beschrieben negativen Alterstrend der kognitiven Mechanik ab dem frühen Erwachsenenalter steigt die kognitive Pragmatik (z.b. Wortschatz) bis zum mittleren Lebensalter, manchmal sogar bis zum höheren Erwachsenenalter an und bleibt danach stabil (Baltes, Lindenberger, & Staudinger, 1998). Erst in sehr hohem Alter zeigt sich in diesem Bereich ein Abbau, wenn ein Mindestmaß an mechanischer Fähigkeit unterschritten wird. Ähnlich wie bei der Mechanik ist der Altersverlauf der Pragmatik im Bereich von Selbst und Persönlichkeit um einiges komplizierter als im Bereich der Kognition. So gibt es Hinweise darauf, dass spezifische, inhaltliche Aspekte der Selbstdefinition über die Zeit fluktuieren, dass jedoch strukturelle Merkmale, wie zentrale selbstdefinierende Bereiche, eher Stabilität zeigen (Straumann, 1996). Bei selbstregulativen Prozessen zeigt sich mit dem Alter eine Zunahme in der Bandbreite an verfügbaren Prozessen, z.b. tritt neben die internale und die primäre, die externale und die sekundäre Kontrolle (z.b. Smith & Baltes, 1996; Staudinger, Freund, Linden, & Maas, 1996). Die Interpretation dieser Verläufe im Sinne von Gewinn und Verlust ist jedoch wesentlich uneindeutiger (Staudinger & Pasupathi, 2000). Eine für diese Studie bedeutsame Differenzierung des Bereichs der Lebenspragmatik ist die Unterscheidung in Wissen über die Welt (d.h. Wissen über andere Menschen, Ereignisse, Umstände, Regeln, Orte und Objekte, die Bedeutsamkeit für die Lebensführung besitzen) und Wissen über die eigene 30

31 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie Person (Staudinger; 2000; Staudinger & Pasupathi, 2000). Die beiden Kategorien Selbst und Welt werden zwar nicht als einander ausschließend verstanden, eine heuristische Unterscheidung ist jedoch hilfreich. So scheint beispielsweise selbstbezogenes Wissen nach anderen Regeln aufgenommen und verarbeitet zu werden, als fremdbezogenes Wissen (Carlston & Smith, 1996). Staudinger (2000) unterteilt das Wissen der Lebenspragmatik noch auf einer zweiten Dimension, in Wissen bzw. Einsichten und in regulative Prozesse bzw. Verhaltensweisen, so dass ein Vier-Felder-Schema entsteht (siehe Tabelle 3). Die Lebenspragmatik setzt sich also aus Wissen und regulativen Prozessen bzw. Verhalten zusammen, die sich entweder auf die Welt oder auf das Selbst beziehen können. Hier lässt sich nochmals die Unterscheidung zwischen selbstbezogener und allgemeiner Weisheit anhand des Vier-Felder-Schemas aus Tabelle 3 illustrieren. Die allgemeine Weisheit bezieht sich auf Wissen über die Welt, während die selbstbezogene Weisheit Wissen und Einsichten über die eigene Person umfasst. Obwohl weisheitsbezogenes Wissen auch prozedurale Anteile enthält, wie z.b. Wissen über bestimmte Abläufe im Leben oder Wissen darüber, wie Entscheidungen getroffen werden, ist dies nur Wissen darüber, wie Handlungen ablaufen, es wird nicht selbst gehandelt. Die regulativen Prozesse, die Teil des Modells der Lebenspragmatik sind, beziehen sich hingegen auf tatsächliche Fertigkeiten oder Verhalten der eigenen Person in der Welt. Genauso soll auch hier die selbstbezogene Weisheit dem Wissensbereich zugeordnet werden, auch wenn Strategiewissen zum Umgang mit Problemen des eigenen Lebens gehört. Dies soll verdeutlichen, dass es bei der Entwicklung einer Konzeption selbstbezogener Weisheit darum geht, Einsichten und Urteile über das eigene Leben und die eigene Person zu erfassen, nicht jedoch um konkretes Verhalten. Tabelle 3: Facetten der Lebenspragmatik und illustrative Zuordnung von Konstrukten der Selbst- und Persönlichkeitsforschung Wissen/ Einsichten Welt Allgemeine Weisheit Alltagsproblemlösungen Berufliche Expertise Wissen über Personen und Ereignisse Einstellungen und Überzeugungen Bereich Selbst Selbstbezogene Weisheit Persönlichkeitsdispositionen Selbstkonzept Regulative Prozesse und Verhalten Anmerkung: Adaptiert nach Staudinger (2000). Fertigkeiten Adaptives und maladaptives Verhalten Problemlösendes Coping Primäre Kontrolle Emotionsbezogenes Coping Sekundäre Kontrolle Vergleichsprozesse Zielauswahl und verfolgung Persönliches Lebensinvestment Emotionsregulation 31

32 Kapitel 2: Theoretische Einbettung der Studie 2.4 Zusammenfassung In der Einführung wurde der begriffliche Hintergrund der vorliegenden Studie dargestellt, die eine Konzeption selbstbezogener Weisheit auf dem Hintergrund von Theorien von Persönlichkeitsreife und eines empirischen Weisheitsparadigmas entwickelt. Die dieser Studie zugrunde liegende Konzeption von Persönlichkeitsreife wurde diskutiert und von dem Konstrukt der Adaptivität abgegrenzt. Es wurde eine Differenzierung zwischen selbstbezogener und allgemeiner Weisheit getroffen, wobei erstere sich auf das eigene Leben, und letztere sich auf das Leben im Allgemeinen bezieht. Das dieser Studie zugrunde liegende Weisheitsmodell, das Berliner Weisheitsparadigma, wurde vorgestellt, sowie die Einbettung von allgemeiner und selbstbezogener Weisheit in das Modell der Lebenspragmatik vorgenommen. Im folgenden Kapitel sollen Konzeptionen reifer Persönlichkeit im Hinblick auf die in ihnen enthaltenen Charakteristika reifer Persönlichkeit ausgewertet werden. 32

33 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife 3. Kapitel Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Ziel dieser Arbeit ist es, eine Konzeption selbstbezogener Weisheit zu entwickeln, die Aspekte von Persönlichkeitsreife erfasst. Da für die Definition von Aspekten von Persönlichkeitsreife, wie unter Punkt 2.1 dargelegt, das Kriterium der intersubjektiven Übereinstimmung herangezogen werden soll, ist es zentral, die Überschneidungen zwischen den Theorien in dem, wie sie die Charakteristika reifer Persönlichkeit spezifizieren, festzustellen. Dies soll in diesem Kapitel geschehen. Vorweg ist wichtig anzumerken, dass die in den Theorien vertretene Wachstumskonzeption häufig der traditionellen, organismischen entspricht. Da hier jedoch weniger der Prozess des Wachstums, sondern vielmehr der Zielzustand der Reife interessiert, sind die von den Theoretikern zugrunde gelegten Wachstumsmechanismen weniger relevant. Die Charakteristika reifer Persönlichkeit sollen unabhängig von der vertretenen Wachstumskonzeption aus den Theorien extrahiert werden und anschließend zu einem Reifekonzept integriert werden, das der eingangs beschriebenen Arbeitsdefinition von Persönlichkeitsreife entspricht (siehe Punkt 2.1). Wichtig ist allerdings, dass die Theorien nicht allein auf Adaptivität abzielen, d.h. sie sollten den Wert der Balance zwischen den eigenen Interessen und denen anderer enthalten. Im Folgenden werden zunächst nicht-psychologische Konzeptionen von Persönlichkeitsreife dargestellt, wie sie sich in Philosophie, Religion und bürgerlichen Vorstellungen von Tugenden finden. Im zweiten Abschnitt wird ein Strukturierungsschema vorgestellt, welches zur systematischen Analyse der psychologischen Theorien von Reife im Hinblick auf die dort genannten Charakteristika reifer Persönlichkeit verwendet werden soll. Im dritten und größten Teil sollen psychologische Konzeptionen reifer Persönlichkeit mit dem Strukturierungsschema ausgewertet werden. Die Auswahl sowohl der nichtpsychologischen, als auch der psychologischen Theorien gründet sich vor allem darauf, dass sie sich mit einer positiv formulierten Vorstellung einer reifen Persönlichkeit, eines Zieles von Persönlichkeitswachstum, das nicht allein auf Adaptivität ausgerichtet ist, befassen. Abschließend werden die aus den verschiedenen Konzeptionen kondensierten Charakteristika reifer Persönlichkeit in einer Tabelle zusammengefasst und dargestellt. 3.1 Reifekonzepte aus nicht-psychologischen Disziplinen Weisheit, Persönlichkeitswachstum und Reife sind Konzepte, die sich bereits lange vor dem Bestehen der Psychologie als Wissenschaft in philosophischen, religiösen und bürgerlichen Vorstellungen davon, wie man zu leben habe, widergespiegelt haben. Diese Gedanken und Vorstellungen bilden häufig den Ursprung psychologischer Theorien reifer Persönlichkeit. Auch wenn bei der Durchsicht der nicht- 33

34 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife psychologischen Reifetheorien auffällt, dass sie vielfach im Vergleich mit psychologischen Theorien in ihrer Beschreibung von Verhaltenweisen und Eigenschaften verhältnismäßig unspezifisch und eher oberflächlich bleiben, können sie in der Suche nach Charakteristika reifer Persönlichkeit erste Anhaltspunkte liefern. Besonders bedeutsam, um die Charakteristika einer reifen Person einzugrenzen, scheint hier die philosophische Diskussion um die Frage, wie ein gutes Leben zu definieren sei. In vielen Fällen sind diese Ideen schwer von der christlichen Tradition zu trennen, da die europäische Philosophie von dieser durchdrungen ist (Antes, 2002). Daher sollen im ersten Abschnitt überblicksartig die Gedanken bedeutender Philosophen westlicher Tradition und von christlichern Denkern gemeinsam dargestellt werden. In den darauf folgenden Abschnitten werden zunächst exemplarisch bürgerliche Vorstellungen eines richtigen, guten Lebens in Form von bürgerlichen Tugenden 2 dargestellt. Anschließend sollen einige Verhaltensregeln und Eigenschaften besprochen werden, die nach der Maßgabe östlicher Religionen zu einem guten, erstrebenswerten Leben führen. Alle in diesen Theorien und Konzeptionen erkennbaren Charakteristika reifer Persönlichkeit werden im letzten Abschnitt von Kapitel 3 in einer Tabelle (Tabelle 5) gesammelt Vorstellungen von einem guten Leben in der westlichen Philosophie Die Auswahl der nachfolgend präsentierten philosophischen Gedanken von einem guten Leben beschränkt sich auf diejenigen, die Aufschluss über konkrete Charakteristika einer reifen Person geben können. Vorwiegend finden sich solche Ideen in der Ethik, dem Teilgebiet der Philosophie, welches sich mit den Motiven, Methoden und den Folgen menschlichen Handelns beschäftigt (Pieper, 2003). Auch innerhalb der Ethik sind jedoch nicht alle Bereiche gleichermaßen relevant, wenn es darum geht, die wichtigsten Charakteristika einer reifen Person zusammen zu tragen. So scheinen philosophische Gedanken über die konkreten Folgen menschlichen Handelns oder Abhandlungen über die Gerechtigkeit und detaillierte Anleitungen gerechten Handelns für die Sammlung von Aspekten reifer Persönlichkeit weniger von Belang zu sein. Für die hier angestrebte Beschreibung reifer Persönlichkeit genügt es zu vermerken, dass eine reife Person sich beispielsweise gerecht verhalten solle, wobei es weniger relevant ist, wie dieses gerechte Verhalten im Detail auszusehen hat 3. Auch metaphysische Ideen aus der Philosophie, die sich mit Ursprung und Ziel allen Seins befassen, sind aus diesem Grunde weniger informativ: Es ist zwar wichtig zu wissen, ob eine reife Person einen Sinn im Leben sieht oder nicht, wie 2 Das Historische Wörterbuch der Philosophie definiert Tugend als konstante Richtung des Willens auf das Sittliche (Ritter & Gründer, 1995). Während Tugenden sich in praktischem Handeln manifestieren müssen, können Werte als anzustrebende abstrakte Ideale betrachtet werden, die sich nicht nur auf das eigene Handeln beziehen. 3 Ein Grund dafür ist, dass das hier vertretene Reifekonzept davon ausgeht, dass die Inhalte oder die konkrete Umsetzung der Aspekte reifer Persönlichkeit, innerhalb eines Rahmens, der sich an der Balance zwischen dem eigenen Wohlergehen und dem Anderer orientiert, der Person überlassen bleibt. Daher erscheint eine konkrete Spezifikation gerechten Handelns oder eines Sinns im Leben wenig sinnvoll. 34

35 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife genau sich dieser Sinn zusammensetzt, jedoch weniger. Aus diesem Grund werden nur die Philosophen, die sich umfassende Gedanken über das gute Leben machen, hier aufgenommen. Als einer der ersten beschäftigte sich Sokrates ( v. Chr.) mit dem Thema, wie man leben soll. Er wollte mit der von ihm eingesetzten Methode des Fragens Menschen dazu verhelfen, zu verstehen, wie sie sich verhalten müssen, um in Wahrheit Mensch zu sein. Er postulierte, dass es zum Menschen gehöre, über sich selber wirklich bescheid zu wissen. Wichtig sei dabei der Mut, der Realität ins Gesicht zu sehen und sich nicht Illusionen hin zu geben. Andererseits bleibe dabei eine zentrale Erkenntnis, nämlich das Wissen, nichts zu wissen. Wichtig ist es nach Sokrates auch, sich um sich selbst zu kümmern, um das Gute im eigenen Leben (arete), bzw. das Gute der Seele, die hier dem heutigen Begriff der Persönlichkeit entspricht. Arete entspricht ungefähr den Tugenden, wobei hier keine bürgerlichen Tugenden, sondern das Gute an sich gemeint ist (siehe Wolf, 1999). Gesucht wird eine ideale Lebensweise, die vollkommen und andauernd glücklich macht. Für Sokrates kann dies durch ständige Selbstprüfung und durch das Hören auf die innere Stimme, den Daimonion, erreicht werden. Ein weiterer wichtiger Denker der Antike, Platon ( v. Chr.), führte als fernes Ziel die Idee des Guten ein, die jedoch unerreichbar bleibt (Platon, 1998b). Er spricht allerdings auch von einigen wenigen Menschen, die die Fähigkeit besitzen, über langwierige Entwicklungsschritte in den Stand zu kommen, die Wahrheit zu erkennen und die Idee des Guten verwirklichen zu können. Das gute Leben besteht für ihn auch darin, die Welt zum Guten zu ändern: Die Frage nach dem, was für den Einzelnen gut ist, verlangt nach einer Reflexion über die eigene Stellung im Ganzen. Er nennt allerdings auch einige konkrete Tugenden als Leitlinien menschlichen Handelns. Dies sind die oft als Kardinaltugenden bezeichneten Tugenden Gerechtigkeit (dikaiosyne), Weisheit (sophia), Tapferkeit (andreia) und Maß (sophrosyne) (Platon, 1998a). Die Gerechtigkeit, von Platon als die höchste, über allen anderen stehende Tugend bezeichnet, betrifft jedoch nur bestimmte Situationen, nämlich wenn ein Urteil zwischen zwei Parteien zu fällen ist. Die Tapferkeit schließt einerseits Engagement für eine Sache, andererseits den Mut ein, sich anderen Menschen gegenüber zu öffnen. Die nächste Tugend, die Weisheit, ist die Einsicht in Dinge und Menschen, die Fähigkeit Prinzipien des Lebens zu erkennen. Ziel ist dabei, das Leben zu verstehen, nicht wie bei der oft in dem Zusammenhang genannten Klugheit, das eigene Leben besser zu führen. Der auch als Urvater des Humanismus (Weischedel, 2004) bezeichnete Aristoteles ( v. Chr.), hat sich in seiner Nikomachischen Ethik mit dem für Menschen erreichbaren guten Leben beschäftigt (Aristoteles, 1979). Im Dasein des Menschen komme es vor allem auf Selbstverwirklichung an. Der Mensch strebe, wie jedes Lebewesen, nach dem, was für ihn gut ist und was ihn glückselig macht. Auf die Frage danach, was dieses Gute sei, antwortet Aristoteles, dass der Mensch so gut wie möglich das verwirkliche, was er vom Wesen her sei. Dem Wesen nach ist der Mensch nach Aristoteles jedoch 35

36 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife vor allem Logos, die Vernunft. Das bedeutet, dass das Handeln des Menschen sich von der Vernunft leiten lassen muss und nicht von Leidenschaften. In seinen Überlegungen, wie ein solches sittliches Leben aussehen könnte, führt Aristoteles an, dass entscheidend dafür sei, dass Affekte und Ziele ausgewogen sind, sich nicht widersprechen, so dass sich die Person nicht hin und her gerissen fühlt oder vergangenes Verhalten bereut. Das Gutsein (arete) entsteht dadurch, dass Affekte in der richtigen Situation im richtigen Maß ausgedrückt werden (z.b. dass jemand zum richtigen Anlass zornig wird). Arete drückt sich auch als mittlere Haltung zwischen Angst und Tollkühnheit als Tapferkeit aus. Aristoteles betont jedoch, dass mit mittlerer Haltung nicht eine quantitative Mitte, sondern Angemessenheit gemeint ist. Eine weitere Implikation der Annahme vom Menschen als Vernunftwesen ist, dass es die Bestimmung des Menschen ist, die Welt zu erkennen. Später beschäftigten sich Stoiker und Epikureer mit Weisheit als einem Synonym für Lebenskunst (vgl. Achenbach, 1991; Hadot, 1991; Staudinger, 1999b). Epikur ( v. Chr.) sah Glück als das Wesentliche im menschlichen Leben an. Zum Glück gehören nach dieser Auffassung aber vor allem die Vermeidung von Schmerz und das Streben nach Lust. Lust wird hier als die Beschäftigung des Geistes mit Kunst und Philosophie verstanden und besteht nach Epikur in einem ruhigen Gleichmaß der Seele, das nur zu erreichen ist, wenn die Leidenschaften, wie Furcht, Begierde und Schmerz, überwunden werden (vgl. Epikur, 1983). Um dies zu erreichen, ist die Unabhängigkeit von der Umwelt wichtig, der Rückzug von den Anforderungen der Öffentlichkeit. An die Stelle der Öffentlichkeit tritt die Freundschaft, die den Epikureern als zentrale Vorraussetzung des Glücks gilt. Bei den Stoikern (z.b. Zenon, v. Chr., siehe Krüger, 1998) findet sich das Ziel des Lebens im Unterschied zu den Epikureern nicht in der Lust und im Genuss, sondern in der Übereinstimmung mit sich selbst. Die sittliche Aufgabe des Menschen sei es, nicht eine allgemeine Tugend, sondern die in ihm als Individuum liegende besondere Idee des Menschen zu verwirklichen. Dies Selbstverwirklichung sei jedoch keine Sache der subjektiven Willkür, sondern gebunden an die Natur des Menschen, die mit der Natur des Kosmos im Einklang stehe. Aus diesem Grund plädieren die Stoiker dafür, die Natur zu erforschen: um zu Einsichten über das eigene Leben zu gelangen, um Gutes von Schlechtem zu trennen. Im Gegensatz zu den Epikureern gehen die Stoiker davon aus, dass der Mensch eine Aufgabe in der Gesellschaft übernehmen sollte. Er empfinde eine allgemeine Menschenliebe, eine Zuneigung, die alle Menschen miteinander verbindet. Im Mittelalter war das philosophische Denken über das gute Leben stark christlich geprägt. Augustinus ( ) rief dazu auf, sich in sich selbst zu versenken und den Blick auf das eigene Innere zu richten (Augustinus, 1989). Allerdings betont er die Überordnung des Glaubens über das Denken, und Selbsterfahrung dient seiner Auffassung nach vor allem der Erkenntnis Gottes. Mehr Aufschluss über die Frage nach dem guten Leben (beatitudo = eudaimonia) gibt die Lehre von Thomas von Aquin ( ). Das Glücksstreben war für ihn das Hauptziel menschlichen Handelns und äußerte sich 36

37 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife im Streben nach Selbstverwirklichung, die aber frei von Egoismus sei. Der Weg zu diesem Ziel sei oft steinig, und gerade durch Enttäuschungen und Umwege gelange der Mensch zum Ziel (Bujo, 1984). Tugenden werden nicht als Zweck an sich betrachtet, sondern dienen nur dazu, ein glückliches, gutes Leben zu erzielen. Irdisches und materielles Glück gelten nicht als verwerflich. Er nennt sieben Kardinaltugenden (siehe Meyer, 1961), von denen die zwei Verstandestugenden auf das Streben nach Wahrheit ausgerichtet sind. Die Weisheit beschäftigt sich mit der Theorie des Lebens, während es bei der Klugheit um praktisches Tun, um konkrete Verhaltensstrategien geht. Von den moralischen Tugenden befasst sich die Gerechtigkeit mit dem zwischenmenschlichen Handeln, während die Mäßigung die innere Fassung (wie z.b. Emotionen) und selbstbezogenes Verhalten des Menschen ordnet. Als die drei christlichen Tugenden nennt Thomas von Aquin Glaube, Liebe und Hoffnung. Der Begriff Glaube kann auch säkular interpretiert werden als Überzeugung von einem Sinn des Lebens. Eine Person, die Hoffnung besitzt, blickt optimistisch in die Zukunft und vertraut darauf, dass sich die Dinge zum Guten wenden werden. Als höchste Tugend, gewissermaßen als Basis für Glaube und Hoffnung, wird hier die Liebe genannt, d.h. jedes auch moralische und tugendhafte Handeln wird erst wirklich gut dadurch, dass es mit Liebe, mit guter Absicht getan wird. Eine besondere Stellung nimmt in der christlichen Ethik die Nächstenliebe ein ( Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst (Matthäus, 22, 27-28; 5. Mose 6,5)) Eine reife Person bringt einerseits sich selbst Liebe und Wertschätzung entgegen, behandelt andererseits dabei aber auch andere mit Rücksicht und Achtung. Ein weiterer erwähnenswerter christlicher Denker ist in diesem Zusammenhang Eckhart ( ). Er propagiert die Abgeschiedenheit als Aufgabe für jeden Menschen (Eckhart, 2001). Der Mensch müsse sich frei machen von seinen Neigungen und Wünschen und von sich selber ganz loslassen. Dadurch könne das Eigentliche der Seele zum Vorschein kommen. Was unter diesem Eigentlichen genauer zu verstehen ist, bleibt jedoch weitgehend unklar. In neuzeitlichem Denken spielt Gott als Referenzpunkt für das gute Leben eine geringere Rolle, religiöse Einflüsse zeigen sich jedoch zunächst noch in der Art und Weise wie beispielsweise das Gewissen konzipiert wird. Für Rousseaus ( ) Naturphilosophie liegt die menschliche Wahrheit primär im Gefühl und nicht im Verstand, wie in vielen anderen Philosophien (Roussau, 1985). In diesem ursprünglichen Fühlen finden sich Direktiven für das Handeln: Was der Mensch als gut empfindet, das ist gut, was er als schlecht empfindet, das ist schlecht. Dies scheint ein Aufruf zu sein, auf das eigene Gefühl zu vertrauen. Als bewertende Instanz darüber steht jedoch das Gewissen, das er als angeborenes Prinzip der Gerechtigkeit betrachtet. Die Gesellschaft hat eher hemmende Einflüsse auf die Person, und fördert den Egoismus. Auch hier wird, wie schon bei Aristoteles, eine humanistische Denkweise offenbar. Kant ( ) beschäftigt sich weniger mit der Ethik als der Lehre vom guten Leben, sondern gibt in seiner Moralphilosophie feste Maximen vor, nach denen zu handeln sei und die die Per- 37

38 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife son daran hindern, nach Willkür und Launen zu handeln (Kant, 1990). Ob das Leben der handelnden Person dadurch glücklicher und erfüllter wird, interessiert ihn weniger. Er definiert Glück als subjektiv erlebte Befriedigung der Bedürfnisse und setzt es eher in Widerspruch mit moralischem Handeln (Kant, 2004). Allerdings formuliert er mit seinem praktischen Imperativ einen zentralen Wert von Reife: die Achtung anderer als Zweck an sich. Bei Hegel ( ) finden sich etwas mehr Hinweise darauf, wie der Mensch zu leben habe. Er postuliert, dass sich das Individuum mit seiner Sinnlichkeit, Gefühlen, Kreativität und Vernunft selbst ausdrücken will, etwas das als Streben nach Selbstverwirklichung bezeichnet werden kann (Hegel, 1952). Hegels Beschreibung der dialektischen Entwicklung des Geistes enthält einen weiteren Aspekt, der zur Charakterisierung einer reifen Person beitragen könnte. Der Ausgangszustand einer Person ist ein nicht vorhandenes Bewusstsein von sich selbst (genannt Thesis). In der Entwicklung geht die Person aus sich heraus, beispielsweise durch Arbeit oder die Beziehung mit einem geliebten Menschen (bezeichnet als Antithesis). Dadurch kann sie sich aus einer anderen Perspektive betrachten und dann zu sich zurückkehren (Synthesis). Nach Kierkegaard ( ) ist es für das gute Leben essentiell, dass der Mensch seine persönliche Wahrheit findet, eine Idee oder Aufgabe, mit der er sich vollständig identifiziert und mit Leidenschaft dafür einsetzt (Kierkegaard, 2004). Selbsterfahrung kann für ihn nur durch die Erfahrung der Fremdheit der Welt und zu sich selbst geschehen, durch die Wahrnehmung der eigenen inneren Zerrissenheit, und der Fähigkeit, diese zu ertragen. Um diesen Zustand zu ertragen, benötigt der Mensch einen Glauben. Ab der Zeit Feuerbachs ( ) scheint die Philosophie endgültig mit Gott oder dem Glauben als Grund ethischen Handelns gebrochen zu haben, sondern sucht dessen Ursprung im Menschen selbst. So betont Feuerbach den Glückseligkeitstrieb, die Selbstbejahung des Menschen als Aspekt des guten Lebens (Feuerbach, 1985). Für Marx ( ) gehört es zum guten Leben, dass der Mensch eine freie, bewusste Tätigkeit ausübt, in der er sich mit dem Produkt der Arbeit identifiziert (Marx, 2002). Alte Werte überwerfen und sich neue, eigene schaffen, sollte der Mensch nach Nietzsches ( ) Empfehlung. Entscheidend sei dabei, an sich selbst zu glauben, und das Leben trotz Chaos und Widrigkeiten zu Bejahen (Nietzsche, 1991). Außerdem gibt Nietzsche konkrete Empfehlungen für das Verhalten an. Als Tugenden preist er die Wahrhaftigkeit oder Redlichkeit, Selbstbeherrschung oder Tapferkeit, individuelle Selbsterkenntnis und Kultivierung einer harmonischen Persönlichkeit. Es gibt bei ihm jedoch kein universelles Ziel im Sinne einer für alle gleich anzustrebenden Persönlichkeit, sondern jeder verwirklicht die Tugenden in einer individuellen Art und Weise. In Jaspers ( ) existentialistischer Philosophie geht es bei der Frage nach dem guten Leben um das Phänomen des Wertens, Wählens und Entscheidens (Jaspers, 1985). Aufgabe ist es, zwischen der Vielzahl von sich unter Umständen widersprechenden Werten zu entscheiden bzw. eine Rangordnung herzustellen. Der Mensch muss sich selbst wählen, um er selbst zu werden, was nach Jaspers das Ziel des Menschen ist. Selbst- 38

39 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife sein ist nur durch Kommunikation mit anderen möglich, wobei es wichtig ist, die Freiheit der anderen zu respektieren. Wichtig sind bei Jaspers auch Grenzsituationen, das sind letzte Situationen, die mit dem Menschsein als solchem verknüpft sind, wie Tod, Leiden, Zufall, Schuld, Kampf. Ein Bewusstsein, dass solche Situationen eintreten können, ist für ihn ein wichtiger Aspekt des Menschseins. Der Umgang mit ihnen wird dem Menschen durch den Glauben an die Transzendenz, an etwas Göttliches erleichtert. Russell ( ) schließlich, versteht unter dem guten Leben die Befriedigung der eigenen Wünsche. Zu diesen Wünschen rechnet Russell (1987) jedoch nicht nur das Streben nach dem eigenen Glück, sondern auch Liebe und Freundschaft, Kunst und Wissenschaft, sowie altruistische Wünsche. Nach Russell ist auch die Wunschbefriedigung der einen Person genauso gut wie die einer anderen. Es ist also nicht nur das Privatwohl, sondern auch das Allgemeinwohl wichtig, und beides muss nach Möglichkeit in Übereinstimmung gebracht werden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die philosophischen Konzeptionen eines guten Lebens, auch wenn sie teilweise in ihren Formulierungen wenig konkret bleiben, einige relevante Charakteristika reifer Persönlichkeit nennen. Wiederkehrende Themen sind die Selbstverwirklichung des Menschen, die Wichtigkeit einer Aufgabe oder Arbeit, die Bedeutung eines Gewissens und der Rücksichtnahme auf die Gesellschaft. Diese Themen, die detaillierter in Tabelle 5 wiedergegeben sind, finden sich, wie später zu sehen sein wird, auch in psychologischen Theorien von Persönlichkeitsreife. Zunächst sollen aber bürgerliche Konzeptionen eines tugendhaften Lebens betrachtet werden Bürgerliche Tugenden westlicher Kultur Im Unterschied zu den philosophischen Konzeptionen eines guten Lebens, die Resultat der Überlegungen einzelner Theoretiker sind, lassen sich Auffassungen der normalen Bevölkerung darüber, wie man zu leben habe, in Vorstellungen von tugendhaftem Verhalten finden. Auch diese Vorstellungen gehören zu einem vollständigen Bild einer reifen Persönlichkeit und sollen deshalb hier vorgestellt und im abschließenden Teil dieses Kapitels in die Tabelle zur Sammlung der Aspekte reifer Persönlichkeit aufgenommen werden (siehe Tabelle 5). Die Anzahl bürgerlicher Tugenden ist jedoch sehr groß, und die Literatur in diesem Bereich ist stark populärwissenschaftlich geprägt (siehe z.b. Wickert, 1998). Eine von Bollnow (1981) aufgrund eigener (theoretischer) Forschung getroffene Systematisierung und Auswahl der Tugenden soll hier als ein wissenschaftlicher Ansatz herausgegriffen werden. Bürgerliche Vorstellungen von tugendhaftem Verhalten haben sich im Laufe der Zeit stark gewandelt und waren immer durch die jeweilige Gesellschaft und das vorherrschende Menschenbild bestimmt (Bollnow, 1981). Zu den wichtigsten gehören nach Bollnow (1981) Bescheidenheit, Besonnenheit, Gelassenheit, Wahrhaftigkeit, Treue und Vertrauen, Standhaftigkeit und Duldsamkeit, sowie Maß. Bescheidenheit bedeutet, von sich, anderen und dem Schicksal nicht zu viel zu verlangen, und beinhaltet 39

40 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife das richtige Abschätzen der eigenen Kraft. Es bedeutet aber nicht die Geringschätzung der eigenen Person, sondern die bescheidene Person ist sich ihres Wertes sehr wohl bewusst, trägt dies aber nicht übertrieben nach außen. So wird sie eine Grenze ziehen und nicht alles von anderen akzeptieren. Besonnenes Handeln bedeutet, vor jeder Handlung zu reflektieren, nicht überstürzt zu handeln sowie die eigenen Impulse und Triebe zu beherrschen. Gelassenheit äußert sich als innere Ruhe im Umgang mit den täglichen Erlebnissen, sowie eine gewisse Unberührtheit von Schicksalsschlägen wobei dies von Gleichgültigkeit abzugrenzen ist. Auf die Einstellung des Menschen zu sich selbst bezieht sich die Wahrhaftigkeit: die Person macht sich selbst nichts vor, sie erkennt sich selbst und die Gründe für ihr Handeln. Zur Wahrhaftigkeit gehört auch die Aufrichtigkeit anderen Menschen gegenüber. Die Tugenden Treue und Vertrauen hängen eng zusammen. Treue bedeutet, sich in der Beziehung zu einem oder mehreren bestimmten anderen Personen für die Zukunft fest zu legen, so dass die Bindung selbst unter veränderten Bedingungen aufrechterhalten wird. Treue beruht auf Vertrauen dem Sich-Verlassen auf etwas, für das man keine Gewissheit hat (Bollnow, 1981). Die Standhaftigkeit ist die Fähigkeit auch unter Schwierigkeiten sein Ziel zu verfolgen. Zu dieser Zielverfolgung gehört es auch, negative Situationen ertragen zu können: Die Tugend der Duldsamkeit. Das Maß könnte als eine übergreifende Tugend betrachtet werden: Fast alle der Tugenden können sich negativ auswirken, wenn sie in extremer Ausprägung vorliegen (siehe Bollnow, 1981). Das Maß bezeichnet die schwer einzuhaltende Mitte zwischen zwei als fehlerhaft einzuschätzenden Extremen Reifekonzepte östlicher Religionen Um die Sammlung von Charakteristika reifer Persönlichkeit um eine andere als die westliche Perspektive zu bereichern, sollen nun noch Reifekonzepte in östlichen Religionen betrachtet und die darin erkennbaren Aspekte reifer Persönlichkeit zu Tabelle 5 hinzugefügt werden. Östliche Religionen wurden hier unter den zahlreichen, nicht christlichen Religionen (wie z.b. indianische oder afrikanische Religionen) ausgewählt, da östliche Religionen sich eingehend mit dem Streben nach Erkenntnis und Weisheit befassen und daher für die Suche nach Aspekten reifer Persönlichkeit besonders geeignet schienen. Hier werden zwei Religionen, der Buddhismus und der Hinduismus, herausgegriffen. Im Buddhismus ist das Ziel der menschlichen Entwicklung das Nirwana, die Beendigung der ewigen Wiedergeburt, der Zustand totaler Befreiung von jeder Befleckung und jeder Bindung an die Welt, die Befreiung von Unwissenheit und von der Begierde sowie die Auflösung der ich-leeren empirischen Person. Die reife Persönlichkeit existiert demnach im Buddhismus nicht, da das anzustrebende Ziel eben die Aufhebung der eigenen Person ist. Der Mensch ist allein durch fünf Daseinsfaktoren bestimmt, aus denen sich sein ganzes Wesen zusammensetzt: Körperlichkeit, Empfindungen, Wahrnehmungen, Triebkräfte und Erkenntnis. Trotz der Idee des Nicht-Ich enthalten die Empfehlungen des Buddhismus 40

41 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife zur Erlangung des Nirwana Verhaltensregeln, die als gutes Verhalten nach buddhistischer Vorstellung und somit als Äquivalent zu den Tugenden bezeichnet werden können. Die Überwindung des Leides kann erreicht werden durch die Befolgung des so genannten achtgliedrigen Pfades (Schneider, 1997). Dieser empfiehlt die Anerkennung der buddhistischen Wahrheiten als Vorraussetzung für die Erlösung sowie die Entsagung von allen Genüssen und wohlwollendes Verhalten allen Lebewesen gegenüber, d.h. dass niemand jemand anderem Leid zufügt. Ziel ist die Befreiung von Begierde, die Beseitigung von Denkinhalten und die Überwindung von Freude und Wohlbefinden, so dass am Ende nur noch das reine, inhaltsleere Erkennen und ungetrübter Gleichmut bleibt. Es wird empfohlen, einen mittleren Weg einzuschlagen. Dieser besteht darin, in allen Bereichen, sei es Emotion, Verhalten, Ziele oder Gedanken, eine Balance zwischen den Extremen einzuhalten (siehe auch Hartshorne, 1987). Im Unterschied dazu wird im Hinduismus unter den vier Werten, für die im Leben eines Menschen Platz sein sollte, auch Verlangen und Wohlstand genannt. Allerdings wird hier davon ausgegangen, dass diese Bereiche des Lebens erst durchlebt und schließlich doch hinter sich gelassen werden müssen. Weitere Werte sind das Führen eines rechtschaffenen Lebens, welches auf das Wohl der Gemeinschaft bedacht ist, und letztendlich das Erreichen von Erlösung. Die höchste Kaste des Hinduismus, welche durch ideale Eigenschaften und Handlungsweisen gekennzeichnet sein soll, wird beschrieben mit Tugenden wie Ruhe, Selbstbeherrschung, Askese, Reinheit, Geduld, Aufrichtigkeit, Wissen, Weisheit und religiösem Glauben (Michaels, 1998) Fazit aus den nicht-psychologischen Reifekonzeptionen Die vorgestellten philosophischen, bürgerlichen und religiösen Konzeptionen eines guten Lebens können aus psychologischer Sicht nicht die Präzision aufweisen, die für die Beschreibung von Charakteristika reifer Persönlichkeit hier angelegt werden soll, da sie eine andere Terminologie und dementsprechend keine psychologischen Konstrukte verwenden. Dennoch stellen sie vor dem Hintergrund, dass die Aspekte von Reife mittels intersubjektiver Übereinstimmung festgelegt werden sollen, eine wichtige Bereicherung einer rein psychologischen Konzeption von Persönlichkeitsreife dar. Die Charakteristika reifer Persönlichkeit, die in diesen Reifekonzeptionen lokalisiert wurden, sind in einer Tabelle, in der auch die Aspekte aus den psychologischen Reifetheorien gesammelt werden, zusammengefasst (Tabelle 5). Dafür wurden teilweise andere, psychologischere, Begriffe verwendet, um die Inhalte für die in dieser Studie zu entwickelnden Reifekriterien nutzbar zu machen. Im folgenden Abschnitt sollen nun die für eine psychologische Konzeption von Persönlichkeitsreife deutlich wichtigeren psychologischen Vorstellungen von Reife detaillierter besprochen werden. 41

42 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife 3.2 Strukturierungsschema für die psychologischen Theorien von Reife Um gemeinsame Aspekte der psychologischen Theorien herauszuarbeiten, die für die Formulierung eines Konzeptes selbstbezogener Weisheit herangezogen werden sollen, wurde ein Suchraster mit verschiedenen Kategorien entwickelt, mit dessen Hilfe die psychologischen Reifetheorien systematisch betrachtet werden können (vgl. Tabelle 4). Das Schema wurde in der Beschreibung der nichtpsychologischen Theorien nicht verwendet, weil die Aspekte reifer Persönlichkeit in einzelnen Theorien und Konzeptionen nur sehr vereinzelt zu finden waren und dies eine Anwendung des Schemas erschwerte. Trotzdem sollen die Aspekte, die insgesamt in den nicht-psychologischen Konzeptionen lokalisiert wurden, am Schluss dieses Kapitels dem Schema zugeordnet werden (siehe Tabelle 5). Das Strukturierungsschema differenziert die in den Theorien beschriebenen Charakteristika der reifen Person zunächst in die drei Bereiche Selbst, Andere und Welt. Diese drei Bereiche sind bereits in der Vergangenheit als Grundlage für die Erforschung von Selbst und Persönlichkeit verwendet worden (z.b. Baltes, Lindenberger & Staudinger, 1998; Cloninger, 2003). Der Bereich Andere meint den Bezug der Person zu signifikanten anderen, also wie sind die sozialen Beziehungen der Person beschaffen, wie fühlt und verhält sie sich gegenüber anderen. Wie sich der Umgang mit der Welt im weiteren Sinne (z.b. Gesellschaft und Umwelt) gestaltet, ist ebenfalls zentral für die Charakterisierung einer reifen Persönlichkeit. Wie sich eine Person in Bezug auf andere und die Welt verhält, ist aufgrund des in der Reifedefinition enthaltenen Wertaspektes zentral, der die Balance zwischen eigenen Interessen und denen anderer fordert (siehe Punkt 2.1). Um der Konzeptionalisierung Rechnung zu tragen, dass verschiedene Komponenten an dem Bereich Selbst mitbeteiligt sind, wurde eine weitere Differenzierung nach einer häufig für diesen Bereich getroffenen Dimensionalisierung vorgenommen. So wurde unterschieden zwischen einer kognitiven, einer emotionalen und einer handlungsleitenden Ebene (Greenwald & Pratkins, 1984; James, 1948; Staudinger & Greve, 1997). Bei der kognitiven Ebene geht es um das Wissen über das Selbst (z.b. Cantor & Mischel, 1979; Markus, 1977), die Art der Verarbeitung selbstbezogener Information (Filipp, 1979), sowie Tendenzen der Selbstverifikation (z.b. Swann, 1983) und Selbsttäuschung (z.b. Taylor & Brown, 1988). Im Hinblick auf Emotionen spielen Selbstwert und selbstbewertende Prozesse (z.b. Epstein, 1973; Rosenberg, 1965) eine Rolle, d.h. welche Gefühle besitzt die Person sich selbst gegenüber, aber auch über welche Emotionsregulationsstrategien verfügt sie. Die handlungsleitende Ebene wurde für die Zwecke dieser Studie nochmals in eine motivationale und eine volitionale Ebene unterteilt (siehe z.b. Ach, 1951; Heckhausen & Gollwitzer, 1987; Kuhl, 1983). Die motivationale Ebene beschäftigt sich mit den für eine wachstumsorientierte Perspektive auf Persönlichkeit wichtigen Werten und Zielen der Person (Beispiele aus der Literatur sind life tasks, Cantor, 1990; personal strivings, Emmons, 1986). Der volitionale Aspekt betrachtet selbstrelevante Handlungen der Person und Strategien der Zielverfolgung die Kenntnis von Strategien, wie die Werte und Ziele der Person umge- 42

43 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife setzt werden, die in der motivationalen Ebene spezifiziert sind (z.b. Selbstwirksamkeit, Bandura, 1986; Planung, Gollwitzer, 1995; Handlungsphasen, Heckhausen, 1989). Die Relevanz des Zusammenwirkens von Kognition, Emotion, Volition und Motivation wird auch in anderen Ansätzen zur Persönlichkeitsentwicklung beschrieben (z.b. Kruse, 1992; Labouvie-Vief, Hakim-Larson, DeVoe, & Schoeberlein, 1989; Maciel, Heckhausen, & Baltes, 1994). Mit diesen Begriffen sollen nicht getrennt voneinander operierende Systeme impliziert werden. Es soll nicht bestritten werden, dass Motivation, Volition und Emotion häufig kognitiv vermittelt (z.b. Isen, 1984) und deshalb schwer eindeutig zuzuordnen sind. Genauso ist es teilweise problematisch, zwischen den Bereichen Selbst und Andere oder Welt zu unterscheiden so beziehen sich zum Beispiel Werte, die hier unter Motivation dem Bereich Selbst zugeordnet werden, zumeist auf das Verhalten der eigenen Person im Umgang mit anderen Menschen. Die Unterteilung hat vielmehr den Sinn, sicher zu stellen, dass die genannten, als zentrale Aspekte des Bereichs Selbst identifizierten Bereiche, in der Definition der Kriterien von Persönlichkeitsreife vertreten sind. Es soll damit weiterhin deutlich werden, dass eine Definition selbstbezogener Weisheit nicht nur, wie einige Konzeptionen von allgemeiner Weisheit (wie postformale Theorien von Weisheit, z.b. Commons, Richards, & Armon, 1984) es nahe legen, auf rein kognitives Wissen beschränkt sein kann, sondern das volle Spektrum der für Selbst und Persönlichkeit relevanten Bereiche enthalten muss. In den nächsten Abschnitten sollen psychologische Theorien mit dem soeben vorgestellten Strukturierungsschema untersucht werden, um das Gemeinsame der Theorien zu extrahieren. Am Schluss soll die Beschreibung von Charakteristika reifer Persönlichkeit stehen, die bestimmte Kognitionen, Emotionen, Motivationen und Volitionen, sowie spezifische Verhaltensweisen gegenüber anderen und der Welt enthält und die Grundlage für die Konzeption selbstbezogener Weisheit bilden wird wichtig ist jedoch anzumerken, dass diese Charakterisierung einer reifen Person nicht äquivalent zu den später daraus zu entwickelnden Kriterien selbstbezogener Weisheit ist. Tabelle 4: Suchschema für die Persönlichkeitswachstumstheorien Suchschema Selbst Kognition Was denkt die Person über sich selbst? Andere Welt Emotion Motivation Volition Wie fühlt sich die Person? Wie geht sie mit ihren Emotionen um? Was sind die Ziele der Person? Was sind ihre Werte? Wie verhält sich die Person? Wie verfolgt sie ihre Ziele? Was sind ihre Strategien? Wie verhält sich die Person gegenüber anderen? Wie verhält sich die Person der Gesellschaft gegenüber? Theoriebereiche nicht-psychologische Theorien philosophische Konzeptionen bürgerliche Tugenden östliche Religionen psychologische Konzeptionen Entwicklungspsychologie Persönlichkeitspsychologie klinische Psychologie implizite Theorien von Persönlichkeitswachstum 43

44 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife 3.3 Psychologische Theorien von Persönlichkeitsreife Im Folgenden sollen Charakteristika reifer Personen dargestellt werden, wie sie in Persönlichkeitswachstumstheorien verschiedener psychologischer Forschungstraditionen beschrieben werden. Es wurden Theorien aus der Entwicklungs- und der Persönlichkeitspsychologie, der klinischen Psychologie, sowie implizite Weisheitstheorien danach ausgewählt, ob sie Reifeaspekte enthalten, d.h. über Adaptivität hinausgehen (siehe Punkt 2.1). So werden Theorien aus dem Bereich der Selbstkonzeptforschung, (z.b. das persönliche Sinnsystem, Dittmann-Kohli, 1995; Selbstdefinition alter Menschen, Freund, 1995; Selbstkonzept und Altern, Markus & Herzog, 1991) hier nicht behandelt, da sie nur in geringem Maße Reifeaspekte enthalten. Zunächst sollen entwicklungspsychologische Theorien von Persönlichkeitsreife betrachtet werden. Diese interessieren sich insbesondere für den Prozess des Wachstums hin zu einem idealen Zustand, der mit Persönlichkeitsreife umschrieben werden kann. Oft beschreiben die Theorien Stufenfolgen, auf denen die Person sich entwickelt. In einem nächsten Abschnitt werden persönlichkeitspsychologische Konzeptionen von Reife betrachtet, die sich vorwiegend damit beschäftigen, eine genaue Charakterisierung einer reifen Persönlichkeit vorzunehmen und weniger mit dem Prozess der Entwicklung dahin. Darauf folgen klinische Konzeptionen von Reife. Diese Theorien befassen sich vor allem mit den Mitteln, mit denen Wachstum (durch Therapie) erreicht werden kann. Die klinischen Konzeptionen von Reife lassen sich meistens in der Beschreibung von sich während des Prozesses des Wachstums verändernden Charakteristika von Personen erkennen. Anschließend sollen implizite Konzeptionen von reifer Persönlichkeit, d.h. Theorien von Laien, untersucht werden. Diese Vorstellungen bestehen meist aus der Beschreibung von Charakteristika reifer Persönlichkeit. In einem letzten Teil werden bereits existierende Konzeptionen persönlicher Weisheit, die meistens Integrationsversuche anderer Reifetheorien darstellen, präsentiert. Aufgrund der inhaltlichen Wiederholung werden diese allerdings nicht mehr in die Sammlung von Charakteristika reifer Persönlichkeit aufgenommen. Abschließend werden die überlappenden Aspekte aus den Reifekonzeptionen in einer Tabelle zusammengefasst. Bei den im Folgenden beschriebenen psychologischen Theorien soll zunächst auf einige Eigenheiten eingegangen werden, wobei eine Darstellung der ganzen Theorie in ihrer Komplexität in diesem Rahmen nicht möglich ist. Es soll stattdessen die jeweilige Charakterisierung einer reifen Persönlichkeit im Vordergrund stehen, wobei auf die Kategorien des Suchschemas aus Tabelle 4 (Punkt 3.2) Bezug genommen wird. Um eine praktische Anwendbarkeit der Charakteristika zu ermöglichen, wurde versucht, die oft recht uneindeutigen Formulierungen einiger Reifetheorien in konkretes Verhalten und Erleben zu übersetzen. Um es dem Leser zu ermöglichen, die Interpretationen gegebenenfalls nachvollziehen zu können, werden die originalen Begriffe oder Formulierungen zusätzlich angegeben. Teil- 44

45 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife weise verwenden die Theoretiker 4 keinen speziellen Begriff für die Bezeichnung einer reifen Person (ein solcher Begriff wäre beispielsweise die selbstaktualisierte Person ), sondern charakterisieren Reife als abstrakten Zustand (z.b. der Zustand des Seins ), oder die Charakteristika reifer Persönlichkeit finden sich in mehreren Stufen der beschriebenen Entwicklung. Wenn dies so war, wurde für die Beschreibung von Charakteristika einer solchen Person in der jeweiligen Theorie der allgemeine Begriff reife Person verwendet. Die hier dargestellten Aspekte wurden so formuliert, dass sie sich alle auf konkrete Charakteristika einer Person beziehen, die den entsprechenden Zustand verwirklicht oder die Entwicklungsstufen optimal absolviert hat, da dies die beste Grundlage für eine spätere Übertragung in Kriterien selbstbezogener Weisheit zu sein schien. Allgemein sollen die Begriffe der Theoretiker, mit denen sie eine höchste Stufe der Entwicklung oder des Seins bezeichnen, äquivalent zu dem Begriff der reifen Person verwendet werden Entwicklungspsychologische Theorien Die Reifetheorien aus der entwicklungspsychologischen Tradition konzipieren die reife Persönlichkeit meistens im Sinne einer höchsten Stufe von Entwicklung, so wie Erikson, Loevinger und Labouvie-Vief. Bühler und Heath beschreiben jedoch kein Stufenkonzept, sondern verschiedene Dimensionen von Entwicklung, auf denen sich die Person zur Reife hinbewegt Erik Erikson: Ich-Integrität Eriksons Entwicklungstheorie gründet sich auf Freuds (z.b. 1917) Konzeption der Entwicklung in der Kindheit und führt diese für die Entwicklung im Erwachsenenalter weiter. Aufgrund der Betonung der Wichtigkeit von Weisheit, Werten und Sinnfindung enthält die Theorie Aspekte von Reife. Für Erikson (z.b. 1966, 1968, 1988) folgt Wachstum in der Persönlichkeit dem epigenetischen Prinzip, d.h. die Entwicklung folgt einerseits einem inneren Plan, andererseits werden von der Umwelt im Laufe des Lebens zu bestimmten Zeiten von der Umwelt verschiedene Anforderungen an das Individuum gestellt. Die Interaktion zwischen diesem inneren Plan und der Umwelt löst nacheinander acht psychosoziale Krisen aus. Erikson vertritt demnach ein interaktionistisches Wachstumskonzept. Das epigenetische Prinzip und die Stufenabfolge ähneln den biogenetischen Wachstumstheorien, doch durch seine Betonung der Rolle der Umwelt hebt er sich davon ab. In jeder Krise besteht die Aufgabe, jeweils eine bestimmte Ego- Kompetenz zu entwickeln. Diese Kompetenz steht immer im Konflikt mit einer ihr gegenteiligen Eigenschaft, der negativen Lösung des Konfliktes. Es ist aber nicht das Ziel, diese negativen Seiten zu beheben, sondern eine Balance zwischen den Extremen zu halten, denn auch Eigenschaften wie Misstrauen 4 Aus Platzgründen wird hier und im Folgenden nur die männliche Form verwendet, sie soll jedoch für die weibliche Form mitgelten. 45

46 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife oder Scham sind in einer gewissen Ausprägung nötig, um in der Welt zurecht zu kommen. Aus dieser Balance entstehen Werte wie Hoffnung, Wille, Liebe und Weisheit. Die Bewältigung der letzten Phase, Integrität, ist nach Erikson das Ziel der Entwicklung. Da nach Eriksons Theorie die Bewältigung einer Phase von der Qualität der Lösung der vorhergehenden Phasen abhängt, setzt Integrität die ausreichende Entwicklung der Ich-Eigenschaften voraus, die Thema der anderen Stufen sind. Diese Eigenschaften werden auf der höchsten Stufe integriert. Demnach enthält Eriksons Konzept einer weisen, reifen Person alle anderen von ihm postulierten Aspekte der erfolgreichen Bewältigung psychosozialer Krisen. Daher lassen sich Charakteristika aller Stufen für die Sammlung von Charakteristika reifer Persönlichkeit verwenden. Diese sollen nun auf das Schema in Tabelle 4 bezogen werden. Was die kognitiven Charakteristika einer reifen Person angeht, finden sich bei Erikson relevante Aspekte in der Beschreibung der erfolgreichen Bewältigung der psychosozialen Krisen, der Integrität vs. Verzweiflung, Autonomie vs. Scham und Zweifel und Identität vs. Identitätsdiffusion. Zusammenfassend lassen sich die nachfolgenden kognitiven Aspekte einer reifen Person festhalten. So ist es Ziel, den eigenen Lebenslauf sowie den herannahenden Tod zu akzeptieren. Allerdings muss hier die Balance zwischen den Extremen gehalten werden, nur so kann letztlich Weisheit entstehen. Zu sehr und zu unkritisch mit dem eigenen Leben zufrieden zu sein, würde weiteres Wachstum zur Reife verhindern (Integrität vs. Verzweiflung). Weiterhin besitzt die reife Person ein relativ unabhängiges Gerechtigkeitsempfinden, wobei auch hier eine zu starke Unabhängigkeit nicht vorteilhaft ist (Autonomie vs. Scham und Zweifel). Die reife Person ist sich verschiedener Rollen, die sie in der Gesellschaft einnimmt, bewusst und weiß, wie andere sie sehen und wie sie sich selbst sieht sie besitzt ein Gefühl einer festen Identität. Die Balance zum Gegenteil, der Identitätsdiffusion zeigt sich darin, dass sie auch fähig ist, eine einmal angenommene Identität im Laufe des Lebens zu ändern und nicht starr daran fest zu halten (Identität vs. Identitätsdiffusion). Die reife Person vertraut in die eigene Fähigkeit, mit ihren Bedürfnissen umgehen zu können (Urvertrauen vs. Urmisstrauen), eine Eigenschaft, die auch als internale Kontrollüberzeugung oder Selbstwirksamkeit (siehe Bandura, 1986) oder auch Hoffnung bezeichnet werden könnte. Der einzige emotionale Aspekt einer reifen Person findet sich bei Erikson in der psychosozialen Krise des Urvertrauens. In diesem Sinne ist die reife Person fähig, sich selbst zu vertrauen. Auf der motivationalen Ebene lassen sich Eigenschaften einer reifen Person in Eriksons Beschreibung der Stufe Werkssinn vs. Minderwertigkeitsgefühl finden. So zeigt die reife Person Engagement, d.h. sie tritt für eine Sache ein. Darüber hinaus findet sie auch in der Tätigkeit an sich einen Sinn, sie kann sich in einer Aufgabe verlieren und sich einer Tätigkeit ganz widmen und möchte etwas vollbringen, etwas leisten. Die Balance zur unzureichenden Lösung der Phase, dem Minderwertigkeitsgefühl, wird dadurch gehalten, dass die reife Person sich nicht selbst überschätzt. Für den volitionalen Bereich finden sich Charak- 46

47 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife terisierungen einer reifen Person in Eriksons Stufe Initiative vs. Schuldgefühl. Durch eine erfolgreiche Bewältigung dieser Krise zeigt die reife Person eine gewisse Zielstrebigkeit und ein rasches Bewältigen von Misserfolgen. Auch der Lebensrückblick, der der Phase der Integrität zugeordnet ist, kann als eine volitionale Strategie bezeichnet werden. Für den Bereich des Verhaltens gegenüber anderen finden sich relevante Aspekte in Eriksons Stufen Urvertrauen vs. Urmisstrauen, Generativität vs. Stagnation sowie Intimität vs. Isolation. So äußert sich das Urvertrauen bei einer reifen Person in einem grundlegenden Gefühl, sich auf andere Menschen verlassen und ihnen vertrauen zu können. Allerdings ist sie dabei realistisch und vertraut sowohl sich selbst, als auch anderen nicht unangemessen stark. Außerdem fühlt sich die reife Person anderen gegenüber verbunden, sowohl mit der eigenen Generation, als auch mit Menschen anderer Zeiten und Gesellschaften. Anderen Lebensformen, Werten und Denkweisen gegenüber ist sie tolerant (Generativität vs. Stagnation). Die reife Persönlichkeit ist darüber hinaus in der Lage dazu, intime Bindungen einzugehen und dafür auch Opfer zu bringen (Intimität vs. Isolation) sich auf den Anderen einzustellen, sich anzupassen, dabei aber einige Kern-Rollen, die die Identität ausmachen, beizubehalten. In Eriksons psychosozialer Krise der Generativität finden sich Aspekte, die zum Bild des Verhaltens einer reifen Person gegenüber der Welt hinzugefügt werden können. So strebt eine reife Person danach, der nächsten Generation eigene Erkenntnisse weiterzuvermitteln, zu lehren oder im weiteren Sinne, sich in der Welt nützlich zu machen, produktiv und schöpferisch zu sein, so dass es anderen Menschen hilft Charlotte Bühler: Erfüllung Charlotte Bühler (1962, 1968) beschreibt in ihrer Darstellung grundlegender Entwicklungsverläufe, die sich auf ihre eigenen Beobachtungen gründen, das Streben nach Erfüllung der eigenen Lebensaufgaben als wichtiges Prinzip gesunder Entwicklung. Der Begriff der gesunden Entwicklung scheint auf den ersten Eindruck eher ein Konzept von Entwicklung anzuzeigen, welches vorwiegend auf Adaptivität abzielt. Aus Bühlers Theorie wird jedoch deutlich, dass für sie Erfüllung, Selbstverwirklichung und Werte alles Indikatoren eines Reifekonzeptes - zentrale Merkmale gesunder Entwicklung sind. Gesunde Entwicklung ist nach Bühler durch vier Grundtendenzen menschlichen Verhaltens bestimmt, die sie biologisch begründet. Das Individuum strebt nach Erfüllung durch jeweils individuell unterschiedliche Betonung der Tendenzen. Die erste Tendenz nennt sie die Befriedigung primärer Bedürfnisse, die das Ziel hat, einen Zustand von Entspannung zu erreichen. Bei der zweiten Tendenz, der selbstbeschränkenden Anpassung, geht es um die Kontrolle der Bedürfnisse, durch die die Anpassung an die Gesellschaft möglich wird. Eine weitere Tendenz einer gesunden Person ist das Streben nach Selbstverwirklichung in Kunst, Beruf oder Familie, die schöpferische Expansion. Die letzte Tendenz, die Herstellung einer inneren Ordnung bezieht sich auf die Entwicklung von Werten und der fortlaufenden Selbstüber- 47

48 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife prüfung. Diese Tendenzen sind nach Bühler für jeden Menschen relevant, wobei allerdings unterschiedliche Personen individuelle Schwerpunkte auf diese Tendenzen legen. Der Mensch ist nach Bühler grundsätzlich selbstbestimmt und richtet sein Leben idealerweise so ein, dass er ein erfülltes Leben führt. Allerdings erkennen nur wenige Menschen tatsächlich, dass sie Kontrolle über ihr Leben besitzen und streben das Ziel der Erfüllung an. Wenn Personen zu stark dazu tendieren, die rein adaptiven Tendenzen, wie die selbstbeschränkende Anpassung und die Befriedigung primärer Bedürfnisse zu verfolgen, können sie nach Bühler keine Erfüllung erlangen. Allerdings können diese Tendenzen auch nicht ignoriert werden, sondern stellen gewissermaßen die Basis dar, auf der sich Selbstverwirklichung und Erfüllung entwickeln können. Um Erfüllung zu erlangen, müssen darüber hinaus die eigenen Anlagen entwickelt und etwas für die Gesellschaft getan werden. Die Charakteristika der gesunden Person, die Bühler unter den Beschreibungen ihrer Tendenzen und des von ihr postulierten Ziels von Entwicklung, der Erfüllung, nennt, können dazu herangezogen werden, um das Bild einer reifen Person, das hier entwickelt werden soll, zu ergänzen. Da nach Bühler die stärker adaptiven Tendenzen die Grundlage für die Entwicklung von Persönlichkeitsreife darstellen, müssen auch sie bei der Charakterisierung einer reifen Person berücksichtigt werden. In Bühlers Theorie lassen sich einige Aspekte finden, die eine reife Person in kognitiver Hinsicht charakterisieren. Diese Aspekte finden sich in den Tendenzen der selbstbeschränkenden Anpassung und dem Herstellen einer inneren Ordnung. So ist sich nach Bühler eine reife Person über die eigenen Rollen in der Gesellschaft bewusst (Herstellen einer inneren Ordnung) und akzeptiert diese Rollen (selbstbeschränkende Anpassung). Die reife Person erkennt ihre eigenen Grenzen. Sie akzeptiert das eigene Lebensende als unvermeidliche Grenze und nimmt Begrenzungen der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten an (selbstbeschränkende Anpassung). Weiterhin bemüht sich nach Bühler eine reife Person fortwährend, sich selbst in ihrem Verhalten objektiv einzuschätzen (Herstellen einer inneren Ordnung). Emotionale Eigenschaften einer reifen Person finden sich bei Bühler einerseits in den Tendenzen Bedürfnisbefriedigung und schöpferische Expansion, aber auch in ihrer Beschreibung des Ziels von Entwicklung, der Erfüllung. So empfindet die reife Person Liebe und zeigt Vertrauen (Bedürfnisbefriedigung und schöpferische Expansion). Am Ende des Lebens empfindet die reife Person emotional Erfüllung. Erfüllung ist nach Bühler auch immer Ausdruck von richtig gelebtem Leben, d.h. man hat seine Anlagen verwirklichen können (schöpferische Expansion). In der Tendenz zur schöpferischen Expansion lässt sich auch ein motivationaler Aspekt einer reifen Person erkennen: Das Ziel, die eigenen Anlagen zu realisieren. Dies geschieht für unterschiedliche Personen durch jeweils andere Aktivitäten. Ein weiterer motivationaler Aspekt findet sich in der Tendenz zur Herstellung einer inneren Ordnung, in der die Person von gesellschaftlichen Vorstellungen weitgehend unabhängig eigene Werte entwickelt, die 48

49 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife sie regelmäßig hinterfragt und neu evaluiert, um zu überprüfen, ob ein Richtungswechsel angebracht ist. In Bühlers Theorie finden sich verhältnismäßig viele Verhaltensweisen, die der volitionaler Ebene einer reifen Person zugeordnet werden können. So gehört es zur Tendenz der selbstbeschränkenden Anpassung, dass die Person fähig dazu ist, ihre eigenen Bedürfnisse zu kontrollieren. Die Tendenz zur Bedürfnisbefriedigung sorgt dafür, dass die Person dabei immer die Balance bewahrt, indem sie trotzdem auf ihre Bedürfnisse Rücksicht nimmt, z.b. auf ihre eigenen körperlichen Bedürfnisse, wie die Gesundheit. In allen vier Grundtendenzen nennt Bühler Strategien, die eine reife Person einsetzt, um Ziele zu erreichen. Solche Strategien sind die Suche nach sozialer Unterstützung, Rollenspiele, das Ausprobieren und Durchführen von Experimenten, sowie das Aufstellen von Zielhierarchien. Außerdem bewertet die Person laufend das, was sie schon von ihren Zielen erreicht hat, indem sie die Strategien des Lebensrückblicks und des Ausblicks anwendet (Herstellen einer inneren Ordnung). Vor allem in der Tendenz der selbstbeschränkenden Anpassung finden sich Verhaltensweisen einer reifen Person gegenüber anderen und der Welt. So nimmt nach Bühler eine reife Person Rücksicht auf die Familie. Sie strebt danach, zum Wohlergehen anderer und dem Fortschritt der Gesellschaft durch die Ausübung gemeinnütziger Tätigkeiten beizutragen. Dabei darf es jedoch nicht zur Selbstverleugnung kommen: Die Balance zwischen dem Wohl anderer und dem eigenen Streben nach Selbstverwirklichung muss aufrechterhalten werden Jane Loevinger: Die Integrierte Stufe Loevinger (1976) entwirft in ihrer Theorie der Ego-Entwicklung neun Stufen der Entwicklung von Persönlichkeit, wobei ihr Ansatz einen starken kognitiven Schwerpunkt legt. Ihr Konzept lässt sich aufgrund ihrer Konzeptionalisierung der moralischen Entwicklung - und damit eines Wertaspektes - als ein Teil der Ego-Entwicklung, als Reifekonzept klassifizieren. Ihr Begriff des Egos ist nicht mit dem gleichnamigen psychoanalytischen Konstrukt gleich zu setzen, sondern entspricht mehr einer übergeordneten, organisierenden Eigenschaft. Das Ego umfasst vier Bereiche: Die Charakterentwicklung entsprechend der Impulskontrolle und der moralischen Entwicklung; den kognitiven Stil, welcher die konzeptuelle Komplexität und die kognitive Entwicklung umschreibt; den interpersonellen Stil, welcher das Verständnis von interpersonellen Beziehungen repräsentiert; und die Ebene der bewussten Auseinandersetzung, die Themen, mit denen sich die Person beschäftigt. Mit den neun sequenziellen Stufen invarianter Reihenfolge scheint sie biogenetischen Wachstumsmodellen nahe zu stehen, aber (auch wenn ihre Äußerungen eher vage bleiben) ihre Annahme über die Ursache von Ego-Entwicklung steht dem entgegen. Angelehnt an das Äqulilibrium-Modell von Piaget (z.b. 1970), geht sie davon aus, dass Umweltveränderungen disäquillibrierend wirken können. Das bedeutet, dass die entsprechenden Ereignisse nicht mehr 49

50 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife mit der bestehenden Ego-Stufe vereinbar sind, weil die kognitive Komplexität oder bestimmte soziale Konzepte nicht ausreichen, um die Begebenheiten einzuordnen. Dieses Ungleichgewicht wird durch Assimilation oder Akkommodation behoben. Im ersten Fall erfolgt eine Reinterpretation der Umwelt, so dass sie auf die eigenen Schemata passt eine Copingstrategie, die nicht zu Reife, sondern zu Adaptivität führt. Wenn jedoch durch Akkommodation eigene Schemata an die Umwelt angepasst werden, kann sich das Ego weiterentwickeln. Die Umwelt spielt also bei Loevingers Konzept von Ego- Entwicklung eine entscheidende Rolle. Als Messinstrument setzt Loevinger den Washington Sentence Completion Test ein (z.b. Loevinger & Wessler, 1970), ein projektives Verfahren, bei dem die Probanden aufgefordert werden, Satzanfänge spontan zu ergänzen. Die erste Stufe der Ego-Entwicklung ist der frühen Kindheit vorbehalten und daher nicht mit einem auf Sprache basierten Maß erfassbar. Die erfassbaren Stufen sind nicht eindeutig dem Alter zuordenbar, obwohl die niedrigste Stufe (Impulsives Stadium) im Erwachsenenalter selten, und die höchsten Stufen in der Kindheit unmöglich sind. Die höchste, die integrierte Stufe, ist nach Loevinger das Ziel von Entwicklung, welches allerdings nur von wenigen Individuen erreicht wird. Die meisten Menschen stabilisieren sich weit unterhalb dieses Maximums (Holt, 1980; Redmore & Loevinger, 1979). Loevinger (1976) vergleicht eine Person, die die höchste Stufe der Ego-Entwicklung erreicht hat, mit Maslows selbstaktualisierender Persönlichkeit (siehe Punkt ). Im Unterschied zu Eriksons Stufentheorie (siehe Punkt ), die als additives Modell verstanden werden kann, in der immer neue, zusätzliche Kompetenzen erworben werden, sind bei Loevinger in der höchsten Stufe nicht alle Eigenschaften der vorigen Stufen enthalten. Die niedrigeren Stufen beschreiben Charakteristika, die zum großen Teil später überwunden werden. Die integrierte Stufe schließt allerdings die Eigenschaften und Kompetenzen, die ab der sechsten Stufe, dem Conscientious-Level, und in den darauf folgenden Stufen erlangt worden sind, mit ein. Diese von Loevinger spezifizierten Charakteristika sollen hier zu der Sammlung von Eigenschaften einer reifen Person hinzugefügt werden. Wendet man die für diese Studie als Suchschema entwickelten Kategorien (siehe Tabelle 4) auf Loevingers Theorie an, zeigt sich, dass die kognitiven Aspekte in der Beschreibung der integrierten Stufe besonders stark vertreten sind. Eine reife Person ist nach Loevinger fähig dazu, sich selbst kritisch zu betrachten, wobei sie dies differenziert tut und nicht eine globale, negative Einstellung gegenüber sich selbst zeigt. Sie ist fortlaufend bestrebt, sich selbst, aber auch andere realistisch und objektiv zu sehen. Sie erkennt zugrunde liegende Muster von Verhalten und deren psychologischen Hintergrund, d.h. Eigenschaften und Motive von sich selbst und anderen Personen. Weiterhin denkt sie kontextualistisch und erkennt, dass ihre Motive sich aufgrund von früherer Erfahrung entwickelt haben. Bei Konflikten berücksichtigt sie auch deren gesellschaftliche Dimension. Eine reife Person ist sich auch über die verschiedenen Rollen bewusst, die sie ausfüllt, und dass sie sich dementsprechend unter- 50

51 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife schiedlich verhält d.h. sie besitzt ein ausdifferenziertes Selbstkonzept. Sie besitzt die kognitive Kompetenz, Paradoxien und Widersprüche zu erkennen und auszuhalten, was sich beispielsweise darin zeigt, dass sie Diskrepanzen zwischen äußerer Erscheinung und innerer Realität erkennen kann. Das Denken läuft weniger in Polaritäten ab, sondern die Realität wird als komplex und vielschichtig gesehen. Eine reife Person ist fähig, gegensätzlich erscheinende Ideen zu verbinden und besitzt eine hohe Ambiguitätstoleranz. Eigene Erlebnisse betrachtet sie im Kontext ihres gesamten Lebens und ist fähig, dieses zu systematisieren, zum Beispiel seine chronologische Abfolge. Sie erkennt auch, dass sie für ihr Schicksal selbst verantwortlich ist, d.h. sie besitzt eine internale Kontrollüberzeugung. Für den emotionalen Bereich einer reifen Person beinhaltet die integrierte Stufe nach Loevinger die Fähigkeit, Gefühle differenziert wahrzunehmen und authentisch auszudrücken. Die reife Person kann innere Konflikte erkennen und projiziert diese nicht auf die Umwelt. Sie akzeptiert Konflikte als Teil des Menschseins. Die Motivation, die Ziele einer reifen Person sind langfristig angelegt, d.h. sie besitzt bestimmte Ideale, die sie anstrebt, welche von ihr selbst, unabhängig von gesellschaftlichen Standards ausgewählt wurden. Noch umfassender äußert sich dies in einem eigenen Wertesystem, das sie besitzt. Dabei werden Regeln eigenständig evaluiert und ausgewählt, welche es wert scheinen, befolgt zu werden. Die Person tendiert beispielsweise dazu, sich eher schuldig zu fühlen, wenn sie die Regeln befolgt, aber dabei jemanden verletzt hat, als wenn sie die Regel nicht befolgt. Es gibt für die reife Person kein eindeutiges Richtig oder Falsch mehr. Auch die Bewertung der eigenen Leistung wird nach individuellen Standards vorgenommen und wird nicht aufgrund von Anerkennung von außen oder rein kompetetiv definiert. Ein wichtiges Ziel einer reifen Person ist nach Loevinger Selbst-Erfüllung, die Realisation der eigenen Anlagen ein Ziel, welches oft das Streben nach Leistung überwiegt oder ersetzt. Individualität wird nicht nur akzeptiert, sondern als wertvoll erkannt, sowohl die eigene, wie auch die anderer. Weitere Werte einer reifen Person sind beispielsweise verantwortliches Handeln und Gerechtigkeit. Als volitionale Strategie zu bezeichnende Charakteristika einer reifen Person finden sich in Loevingers integrierter Stufe wenige. Eine wichtige Strategie, um mit vielen Situationen umzugehen, stellt jedoch der von Loevinger aufgeführte existentielle Humor dar - Humor, der die Paradoxien des Lebens erkennt. Ein weiteres Charakteristikum einer reifen Person, das sich aus Loevingers Theorie ableiten lässt, die Kompetenz, mit inneren Konflikten umzugehen, z.b. mit Konflikten zwischen Bedürfnissen, zwischen zwei Pflichten, oder zwischen Pflichten und Bedürfnissen. Dem Bereich der Beziehungen zu anderen einer reifen Person lassen sich verschiedene Charakteristika aus Loevingers Beschreibung der integrierten Stufe zuordnen. So führt die reife Person tiefe, durch gegenseitigen Austausch gekennzeichnete Beziehungen. Die reife Person kann sich in andere Personen hineinversetzen, und Dinge aus deren Perspektive betrachten. Sie kann die Werte und die Emotionen anderer verstehen. Auch erkennt sie das Bedürfnis anderer nach Autonomie an, beispielsweise ist die reife Person bereit, Kinder ihre 51

52 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife eigenen Fehler machen zu lassen. Andererseits erkennt sie auch Begrenzungen der Autonomie, nämlich dass emotionale Interdependenz unvermeidbar ist Gisela Labouvie-Vief: Affekt-Komplexität Auf der rein kognitiven Theorie von Piaget (1972) aufbauend und diese erweiternd stellt Labouvie-Vief (1982, 1994; Labouvie-Vief, DeVoe, & Bulka, 1989; Labouvie-Vief, Hakim-Larson, DeVoe, & Schoeberlein, 1989) ein vier-stufiges Modell der kognitiven und emotionalen Entwicklung vor. Das Ziel der Entwicklung ist es, die autonome Stufe (auch integrierte oder dynamisch-intersubjektive Stufe genannt) zu erreichen. Ähnlich wie Loevinger geht Labouvie-Vief davon aus, dass Wachstum zur Reife durch Adaptation der eigenen Schemata an eine damit nicht mehr vereinbare Umwelt entsteht. Im Gegensatz zu Loevinger nimmt sie jedoch an, dass es auch nach der Adoleszenz stimulierende Veränderungen und Ereignisse gibt, die Wachstum zur Reife herausfordern (Labouvie-Vief, 1982). Die Charakteristika der autonomen Stufe lassen sich der selbstregulativen Strategie der Affekt-Komplexität zuordnen, die Labouvie-Vief dem Konzept der Affekt-Optimierung gegenüberstellt (Labouvie-Vief, 2003; Labouvie-Vief & Medler, 2002). Die Affekt-Optimierung wird von Labouvie-Vief mit dem Konzept des subjektiven Wohlbefindens, die Affekt-Komplexität mit dem auf Wachstum ausgerichteten eudaimonischen Wohlbefinden verglichen (vgl. Punkt 2.1). Da das hier angestrebte Wachstumsmodell dem Konzept der Eudaimonia nahe steht, sind für die Suche nach Charakteristika der reifen Person nur die Affekt-Komplexität und die von Labouvie-Vief entworfene autonome Stufe relevant. Die autonome Stufe, die Labouvie-Vief entwirft, enthält verschiedene kognitive Charakteristika einer reifen Person. So zeichnet sich eine reife Person durch dialektisches Denken aus. Sie nimmt Gegensätze nicht mehr als solche wahr, sondern transzendiert diese und löst sie auf. Die Person denkt nicht mehr streng nach den Regeln der Logik, sondern bezieht ethische Aspekte, soziale und pragmatische Auswirkungen eines Sachverhalts mit ein. Andere Menschen und das eigene Selbst werden im Kontext betrachtet, z.b. im Hinblick auf ihre Entwicklung über die Zeit. Eine reife Person zeichnet sich ebenfalls durch autonomes Denken aus. Autonomes Denken bedeutet nach Labouvie-Vief (1982) nicht wie oft unter dem Begriff autonom verstanden, dass eine Person frei ist von interpersoneller Abhängigkeit. Es bedeutet im Gegenteil gerade, fähig dazu zu sein, im eigenen Denken und Handeln interpersonale Abhängigkeiten erkennen zu können. Autonomie zeigt sich weiterhin in der Fähigkeit, die Verantwortung für die eigene Entwicklung zu übernehmen und sich auf sich selbst zu verlassen (internale Kontrolle). Entscheidend für das Denken einer reifen Person ist auch die Wahrnehmung und der Umgang mit der Ungewissheit in der Welt, d.h. die Erkenntnis, dass nicht alle Probleme eine klare Lösung haben, dies zu ertragen oder dies sogar für sich zu nutzen. 52

53 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Ein besonderer Fokus von Labouvie-Viefs Theorie ist der emotionale Aspekt des Selbst. Mit zunehmender Reife ist die Person in der Lage, emotionale Konflikte zu erkennen, beispielsweise Konflikte zwischen den eigenen Impulsen und den gesellschaftlichen Normen oder Konflikten zwischen der eigenen Person und anderen. Die Person nimmt ihre eigenen Emotionen realistisch wahr und projiziert diese nicht auf andere. Eine reife Person beherrscht nach Labouvie-Vief die reflexive Kontrolle von Emotionen. Reflexive Kontrolle bedeutet, dass die Person sich ihrer Gefühle bewusst ist und diese authentisch ausdrücken, aber auch kontrollieren und regulieren kann. Sie bewertet Emotionen nicht nach konventionellen Standards, sondern toleriert die individuelle Erlebnisrealität, sowohl die eigene als auch die anderer. Auch die Motive und Werte einer reifen Person gehen nach Labouvie-Vief über konventionelle Standards hinaus, sie werden reformuliert. So interpretiert sie Gesetze nach der Funktion, die sie für Menschen haben, und betrachtet sie nicht als an sich gültig. Das impliziert, dass die Person ein eigenes Wertesystem entwickelt. Eine volitionale Strategie einer reifen Person ist es, aus dem Feedback, das von der Umwelt zur Verfügung gestellt wird, zu lernen, und sich auf dieser Basis weiter zu entwickeln. Für die Charakterisierung einer reifen Person in ihrem Verhalten gegenüber anderen enthält Labouvie- Viefs Theorie weniger Aspekte. Sie betont, dass die reife Person gegenüber anderen tolerant ist und sich darum bemüht, Beziehungen aufrecht zu erhalten. Weiterhin nimmt die reife Person durch ihr generatives Verhalten Einfluss auf die Gesellschaft, d.h. das Bestreben sich in der Gesellschaft nützlich zu machen Douglas Heath: Reife Heath (1968, 1977; Heath & Heath, 1991) stellt ein Konzept von Persönlichkeitsreife vor, das im Gegensatz zu den bisher präsentierten Theorien zu einem großen Teil induktiv durch empirische Studien begründet ist. Er sucht nach den Charaktereigenschaften von Personen, die erfolgreich in Beruf, Ehe und in ihrem Beitrag zur Gesellschaft, und dabei glücklich und geistig gesund sind. Auf der Basis einer Längsschnittstudie, die 64 Männer vom Eintritt ins College bis Mitte vierzig und 40 Frauen mit Mitte vierzig mit Hilfe einer großen Batterie von Fragebögen und Interviews untersuchte, entwickelte er sein Konzept von Persönlichkeitsreife (Heath, z.b. 1965, 1968, 1976a, 1976b). Dieses Konzept entstand vorwiegend durch eine Zusammenfassung der Eigenschaften, die für ein späteres gutes Funktionieren der Person nützlich waren. Auch wenn sein Konzept eine starke Betonung auf die Adaptivität der Eigenschaften legt, sind doch entscheidende Aspekte einer Reifetheorie, wie der Fokus auf Werte und die Balance zwischen dem eigenen Wohlergehen und dem anderer, vorhanden. Heaths Reifekonzept geht von unterschiedlichen Variablen im Sinne von anzustrebenden Eigenschaften aus, die sich im Laufe des Lebens entweder entwickeln können. Die Umwelt, wie zum Beispiel eine bestimmte Kultur, kann die Entwicklung von Reife fördern oder hemmen. 53

54 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Nach Heath gibt es vier verschiedene Bereiche der Person: Kognitive Fähigkeiten, interpersonelle Kompetenzen, Werte und Selbst. Diese entwickeln sich auf vier Dimensionen zur Reife hin. Die erste Dimension, von Heath als Symbolisierung bezeichnet, ist eine zunehmende reflektierende Bewusstheit über Beziehungen und das eigene Selbstkonzept, die auch die Fähigkeit beinhaltet, eigene Werte auszudrücken, zu symbolisieren. Auf der zweiten Dimension, dem Auf-andere-Bezogensein, entwickelt sich das Bewusstsein für andere: Relativistisches Denken und die Sorge um andere. Die dritte Dimension, Integriertheit, zeigt die Entwicklung hin zum kontextuellen Denken, zu kooperativen Beziehungen, zu gut strukturierten Werten und zu einem integrierten Selbstkonzept. Auf der letzten Dimension Stabilisierung/Autonomie ist es entscheidend, die Balance zu halten zwischen einer gewissen Kontinuität in Kognition, Beziehungen, Werten und Selbstkonzept, andererseits aber auch flexibel zu bleiben. Die einzelnen Eigenschaften, die Heath seiner 16-Felder-Matrix unterordnet, bieten Anhaltspunkte für die Charakterisierung einer reifen Person und sollen im Folgenden (in anderer Ordnung) nach dem Analyseschema betrachtet werden. Die kognitiven Charakteristika einer reifen Person betreffend lassen sich vor allem in dem von Heath spezifizierten kognitiven Bereich der Person sowie dem Bereich Selbst relevante Aspekte finden. Hierbei sind alle der von ihm genannten Dimensionen des Reifens wichtig. So besitzt die reife Person nach Heath verschiedenste kognitive Kompetenzen, wie Imaginationsfähigkeit, artikuliertes Sprechen, reflektives und induktives Denken (Dimension Symbolisierung) sowie Organisationskompetenzen und logisches Denken (Dimension Integration). Sie besitzt die Kompetenz zu realistischem und objektivem Urteil und kann verschiedene Perspektiven einnehmen (Dimension Auf-andere-Bezogensein). Dabei ist ihr Wissen präzise, gut abrufbar und breit gefächert, dabei jedoch flexibel und gut transferierbar und nutzbar für kreative Zwecke (Dimension Stabilisierung/Autonomie). Weitere relevante kognitive Aspekte einer reifen Person finden sich in dem Bereich Selbst, wobei auch hier alle von Heath genannten Dimensionen wichtig sind. Die reife Person nimmt sich selbst, d.h. eigene Schwächen und Stärken, realistisch wahr (Symbolisierung). Sie kennt die verschiedenen Rollen, die sie einnimmt, und kann diese zu einem Ganzen, zu einem stabilen Selbstkonzept integrieren (Integration). Diese feste Identität äußert sich darin, dass Selbstbeschreibungen über eine gewisse Zeit gleich bleiben. Allerdings ist die Person weiterhin offen für tatsächliche Änderungen im Selbstkonzept, d.h. die Stabilität ist keine Rigidität (Stabilisierung/Autonomie). Die reife Person denkt autonom, d.h. sie kann sich selbst unabhängig von der Meinung anderer wahrnehmen und vertraut auf ihr eigenes Urteil (Stabilisierung/Autonomie). Andererseits denkt sie relativistisch und kann sich aus den Augen anderer sehen sowie die eigenen Eigenschaften und die eigene Wirkung auf andere von außen betrachten (Auf-andere-Bezogensein). Ein letzter kognitiver Aspekt findet sich im Bereich Werte. Nach Heath ist die reife Person fähig dazu, Vorurteile zu erkennen und zu artikulieren (Symbolisierung). 54

55 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Bei Heath lassen sich nur wenige die emotionalen Aspekte einer reifen Person betreffende Charakteristika identifizieren. Die Theorie scheint, wenn man das in dieser Studie verwendete Analyseschema heranzieht, vorwiegend auf die Bereiche Kognition, Motivation und den Umgang mit anderen fokussiert zu sein. In dem Bereich interpersonelle Kompetenzen beschreibt Heath unter der Dimension Auf-andere-Bezogensein, dass die reife Person fähig dazu ist, Empathie anderen gegenüber zu empfinden. Außerdem empfindet die reife Person eine positive Wertschätzung für sich selbst (Bereich Selbst, Dimension Stabilisierung/Autonomie). Charakterisierungen einer reifen Person im motivationalen Bereich beschreibt Heath vornehmlich in dem von ihm spezifizierten Bereich Werte. So kennt die Person ihre eigenen Werte sowie Ziele und setzt Prioritäten unter diesen (Integration). Inhaltlich sind diese Werte sozial und human (Auf-andere-Bezogensein). Diese sind relativ stabil, werden allerdings auch überprüft und hinterfragt (Stabilisierung/Autonomie). Die reife Person bezieht ihre Motivation eher aus Prinzipien, als aus spontanen Impulsen oder Druck, der von außen, durch die Umwelt an sie herangetragen wird (Stabilisierung/Autonomie). Im Bereich Selbst findet sich der motivationale Aspekt, dass die reife Person nach weiterem Wachstum strebt (Stabilisierung/Autonomie). Volitionale Aspekte der reifen Person finden sich besonders in der Dimension Integration über die verschiedenen Bereiche der Person hinweg. So findet sich die Beschreibung der reifen Person als spontan handelnd. Weiterhin besitzt sie die Kompetenz, sich ihren Werten entsprechend zu verhalten (Bereich Werte). Sie kann ihre Ziele kontinuierlich verfolgen, auch wenn Barrieren auftreten (Bereich Werte, Dimension Stabilisierung/Autonomie). Autonomie kann in diesem Bereich auch bedeuten, dass reife Personen relativ unabhängig von der Meinung anderer handeln. In Bezug auf den Umgang der reifen Person mit anderen Personen, finden sich zahlreiche Aspekte in Heaths Theorie, vor allem in dem Bereich interpersonelle Kompetenzen. So kennt die Person den Ablauf von Prozessen in Beziehungen, zum Beispiel wie Probleme entstehen, wie Beziehungen sich entwickeln oder auseinander gehen (Symbolisierung). Sie ist in der Lage, tiefe, offene und harmonische Beziehungen zu entwickeln und ist spontan in den Beziehungen (Integration). Sie verhält sich Freunden gegenüber loyal und unterhält dauerhafte Beziehungen, die nicht durch Probleme oder Streit zerbrechen, kann aber auch gut allein sein (Stabilisierung/Autonomie). Reife Personen tun in den eigenen Beziehungen aktiv etwas für andere, d.h. sie haben das Bestreben zu helfen (Auf-andere-Bezogensein). Schließlich findet sich noch ein Aspekt unter dem Bereich Werte: Eine reife Person zeigt Toleranz für die Werte anderer, auch wenn sie von den eigenen abweichen (Auf-andere-Bezogensein). Das Verhalten einer reifen Person gegenüber der Welt charakterisiert Heath durch Loyalität gegenüber Organisationen (Dimension Stabilisierung/Autonomie, Bereich interpersonelle Kompetenzen). 55

56 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Persönlichkeitspsychologische Theorien Persönlichkeitspsychologische Theorien von Reife beschreiben vorwiegend Eigenschaften, die eine reife Person aufweist. Sie beschäftigen sich also mit dem Ziel von Persönlichkeitswachstum und weniger damit, über welche Schritte sich Personen auf dieses Ziel hin entwickeln. Hier sollen die Theorie von Maslow beschrieben werden, der aus der humanistischen Tradition kommend eine der meistzitierten Wachstumstheorien entwickelt hat, sowie die Theorie von Allport, der sich aus der Perspektive der Eigenschaftsforschung mit der Definition reifer Persönlichkeit auseinandergesetzt hat Abraham Maslow: Die selbstaktualisierte Persönlichkeit Maslows (1968, 1994) Beschreibung der selbstaktualisierten Persönlichkeit zählt zu den einflussreichsten Konzeptionen reifer Persönlichkeit. An seinen umfassenden und detaillierten Beschreibungen haben sich viele andere Theoretiker orientiert, zum Beispiel Allport (1970), Loevinger (1976), Ryff, (1989a). Er gründet die Beschreibung der selbstaktualisierten Person auf Interviews mit insgesamt 49 Personen, die er nach Kriterien der psychischen Gesundheit, d.h. der Abwesenheit von psychischer Krankheit und Hinweisen auf Selbstverwirklichung, wie der Nutzung der eigenen Talente, auswählte. Unter diesen Personen waren Studenten, Freunde und prominente Persönlichkeiten. Mit seiner humanistischen Theorie vertritt er die Position, dass Menschen zwar durch ungünstige Kindheitserlebnisse beeinträchtigt werden können, sich aber dennoch durch eigenen Willen zum Positiven entwickeln und wachsen können. Wachstum zur Reife geschieht also vorwiegend von innen, allerdings nicht passiv nach einem Bauplan, sondern aktiv durch bewusste Motivation. Nach Maslow besitzen alle Menschen ein Streben nach Selbstaktualisierung, d.h. danach, alle ihre Fähigkeiten zu gebrauchen und alle Kapazitäten zu erfüllen. Damit dieses Streben dominant wird, müssen aber zunächst alle, in der von ihm aufgestellten Bedürfnishierarchie (Maslow, 1994) untergeordneten Bedürfnisse 6 zumindest teilweise befriedigt sein. Das Streben nach Selbstaktualisierung lässt sich aber nicht mehr in das normale Motivationsmodell einordnen, sondern wird von Maslow als Metamotivation bezeichnet. Selbstaktualisierende Personen zeigen eine qualitativ andere Motivation (Wachstumsmotivation) als nicht-selbstaktualisierende Personen, die durch Defizite motiviert sind. Sie streben nicht nach etwas, sondern sie entwickeln sich. Die 19 von ihm genannten Attribute selbstaktualisierender Personen sollen nun auf das Analyseschema aus 5 Die Theorie von Cloninger (2003) wäre noch zu erwähnen, kann aber hier aus Platzgründen nicht aufgenommen werden. Er definiert Persönlichkeitskohärenz als höchste Ebene der Charakterentwicklung und vergleicht eine persönlichkeitskohärente Person mit einer, die sich auf der integrierten Stufe der Ego-Entwicklung befindet. Auch die Perspektive der so genannten Big-Five Persönlichkeitsfaktoren auf Persönlichkeitsreife wird hier außer Acht gelassen. Von Forschern dieser Richtung werden Persönlichkeitsveränderungen, die sich empirisch mit zunehmendem Alter zeigen, als Muster zunehmender Reife bezeichnet (Costa & McCrae, 1994b, p. 145). Wie bereits oben argumentiert, können diese rein empirischen Veränderungen nicht als Grundlage für ein Reifekonzept verwendet werden. 6 Auf der untersten Stufe stehen die physiologischen Bedürfnisse, wie Hunger und Durst, danach die Sicherheitsbedürfnisse, wie eine sichere Arbeit zu haben, an dritter Stelle treten die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit, z.b. zu Gruppen oder einem Partner, und auf der vierten Stufe die Bedürfnisse nach Achtung von anderen und sich selbst. 56

57 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Tabelle 4 bezogen werden. Teilweise stellt man bei der Anwendung der Kategorien des Schemas Überlappungen zwischen den verschiedenen von Maslow genannten Aspekten fest, wie beispielsweise zwischen dem Bereich Ethik und dem Bereich Werte. Zur besseren Nachvollziehbarkeit werden in Klammern die Begriffe genannt, unter denen sich die beschriebenen Aspekte in Maslows Charakterisierung der selbstaktualisierten Person finden. Unter den von Maslow genannten Eigenschaften selbstaktualisierender Personen lassen sich einige Aspekte den kognitiven Charakteristika einer reifen Person zuordnen. So beherrscht es die reife Person, Personen und Situationen richtig und realistisch zu beurteilen, ein Aspekt der von Maslow unter dem Begriff Wahrnehmung der Realität gefasst wird. Auch wenn empirisch schwer überprüfbar ist, ob in konkreten Fällen die Realität korrekt wahrgenommen wurde, kann man zumindest festlegen, dass bei einer reifen Person keine offensichtlichen Verzerrungen der Realität vorliegen, wie sie bei vielen psychischen Krankheiten auftreten (z.b. die Verzerrung des eigenen Körperselbstbildes bei Magersüchtigen). Die Person besitzt eine sehr wache und offene Wahrnehmung für die Umwelt und schätzt beispielsweise Eindrücke der Natur immer wieder aufs Neue (frische Wahrnehmung). Weiterhin löst sie in ihrem Denken Dichotomien auf, d.h. sie konstruiert die Welt nicht in gut und schlecht, sondern erkennt an, dass beides zur gleichen Zeit existieren kann (Auflösung von Dichotomien). Ein weiterer von Maslow genannter kognitiver Aspekt einer reifen Person ist, dass die Person weiß, dass ihr Wissen relativ begrenzt ist im Vergleich zu dem, was möglich wäre und was andere wissen (Imperfektionen). Die Person ist offen für Erfahrungen, sie sucht neue Erlebnisse, um ihr Wissen zu erweitern (Wahrnehmung der Realität). Auch emotionale Charakteristika einer reifen Person lassen sich in Maslows Beschreibung einer selbstaktualisierten Person finden. So zeigt eine reife Person keine Angst vor dem Unbekannten (Wahrnehmung der Realität). Reife Personen sind nach Maslow in der Lage, so genannte Gipfelerlebnisse zu haben. Dies sind meditative oder mystische Erfahrungen der Einheit mit der Welt und eines Sinns im Leben, die aus der ausschließlichen Konzentration auf nicht-wertende Wahrnehmung (z.b. von Natur oder Kunst) bestehen. Ähnliches wird auch von Csikszentmihalyi (1990) als Flow-Erlebnis beschrieben. Die reife Person akzeptiert sich selbst, dazu gehören körperliche Prozesse und Bedürfnisse, eigene Eigenschaften, auch Mängel werden als Teil der menschlichen Natur angenommen und es entsteht keine Scham (Akzeptanz). Dies ist aber keine unkritische Selbstzufriedenheit. Reife Personen erkennen Punkte, an denen sie sich verbessern können und streben dies auch an. Eine solche Person kann ihre Emotionen gut regulieren, sie kann sie angemessen ausdrücken und bleibt auch in schwierigen Situationen eher ruhig (Einsamkeit und Spontaneität). Dem motivationalen Bereich lässt sich zuordnen, dass eine reife Person nach Maslow individuelle Werte besitzt, d.h. sie hat ein detailliertes, selbst ausformuliertes Wertesystem - in Maslows Untersu- 57

58 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife chung war keine der Personen unsicher über ihre Werte (Ethik und Werte). Diese Werte sind nicht konventionell (Spontaneität). Demnach ist eine reife Person auch in ihrer Entwicklung unabhängig von Lob oder Kritik anderer ihre Wertmaßstäbe für ein gutes Leben sind selbst gesetzt (Autonomie). Außerdem fühlt sie sich einer bestimmten Aufgabe verpflichtet, d.h. sie ist aufgabenorientiert und nicht nur auf ihre eigene Person bezogen. Sie ist fähig, sich voll auf diese Aufgabe zu konzentrieren (Problemzentrierung und Einsamkeit), und beschäftigt sich damit einerseits, um einen Zweck, ein Ziel zu erfüllen, andererseits um der Tätigkeit selbst willen (Zweck und Mittel). Ein weiterer Punkt ist die von Maslow bei reifen Personen postulierte Wachstumsmotivation, das Bestreben die eigenen Anlagen zu entfalten. Die volitionalen Strategien einer reifen Person betreffend findet sich in Maslows Beschreibung der selbstaktualisierten Person der Aspekt der Spontaneität. Dies bedeutet, dass sich reife Personen nicht vollständig von Konventionen leiten lassen sie passen sich ihnen an, wo es nicht viel Energie kostet, in Dingen, die ihnen viel Wert sind, handeln sie aber im Zweifelsfall auch unkonventionell. Ziele, die ihnen viel wert sind, verfolgen sie beharrlich (Autonomie). Sie sind in ihrem Leben, im Umgang mit Situationen, Aufgaben und Dingen kreativ, d.h. sie engagieren sich und lösen Probleme individuell (Kreativität). Eine Strategie der selbstverwirklichenden Person ist es, von anderen zu lernen, wo immer möglich (Demut und Respekt). Weiterhin ist das Verhalten der Person durch einen nicht feindseligen Sinn für Humor (Maslow, 1994, S. 201) gekennzeichnet (Humor). Damit ist ein philosophischer Humor gemeint, der Absurditäten in Situationen erkennt und über die Menschheit im Allgemeinen und auch die eigene Person lachen kann. Dies geschieht allerdings freundlich, und nicht sarkastisch. Im Bereich Umgang mit anderen lässt sich eine reife Person nach Maslow durch einige wenige ausgewählte, tiefe Beziehungen, die sie unterhält, kennzeichnen (interpersonelle Beziehungen). In diesen Beziehungen, so Maslow, wird teilweise die Ich-Grenze aufgelöst, d.h. es wird eine intensive Verbundenheit und Identifikation mit der anderen Person gespürt. Oberflächliche Beziehungen werden zwar abgelehnt, aber wo nötig dennoch kompetent und unter Vermeidung von Schwierigkeiten geführt. Die Person kann sehr gut allein sein und braucht auch Phasen der Zurückgezogenheit (Einsamkeit). Weiterhin respektiert die reife Person andere grundsätzlich und ist bereit von ihnen zu lernen, wenn sie etwas zu lehren haben, egal welche anderen Eigenschaften die Person hat (Demut und Respekt). Zu dieser Eigenschaft der reifen Person gehört auch, dass sie tolerant gegenüber deren Werten anderer ist, auch wenn sie nicht den eigenen entsprechen. Andererseits verurteilt sie Verhalten, welches gewisse Grenzen überschreitet, scharf. In Bezug auf die Welt beschreibt Maslow die reife Person als am Gemeinwohl interessiert. Sie arbeite meist an einer Aufgabe, mit der sie auf irgendeine Art zum Wohl der Menschheit beitragen könne (Problemzentriertheit). Dies bedeutet auch, dass sie einen weiten Horizont hat, d.h. sie bezieht in ihren Gedanken die weitergehenden Auswirkungen ihrer Handlungen mit ein. Darüber hinaus spürt eine reife Person Verbundenheit mit anderen Menschen sowie grundsätzliche 58

59 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Sympathie und bringt jedem menschlichen Wesen Respekt entgegen (zwischenmenschliche Verbundenheit). Generell steht die reife Person nach Maslow der Gesellschaft aber eher skeptisch gegenüber, da sie einige der vorherrschenden Werte und Lebensweisen nicht vorbehaltlos für sich selbst übernehmen kann (Resistenz gegenüber Akkulturation) Gordon Allport: Die reife Persönlichkeit Allports (1970) Reifekonzeption ist eine Erweiterung seiner idiographischen Theorie der Persönlichkeitseigenschaften, wegen derer er primär bekannt ist (Allport, 1937), und die eigentlich vorwiegend die adaptive Funktion von Persönlichkeit betont. Die reife Persönlichkeit ist für ihn zwar synonym mit einer gesunden Persönlichkeit, beinhaltet jedoch in starkem Maße einen Wertaspekt und enthält somit ein wichtiges Charakteristikum von Reife. Allports Konzept einer reifen Persönlichkeit geht davon aus, dass Wachstum zur Reife dadurch geschieht, dass Personen nach einem zukünftigen Ziel streben. Auch wenn negative Kindheitserlebnisse es teilweise erschweren, Reife zu erlangen, übt die Vergangenheit in Allports Theorie insgesamt einen geringen Einfluss aus. Personen bewegen sich aus freiem Willen zur Reife hin und werden nicht von der eigenen Vergangenheit getrieben. Menschen haben in diesem Konzept ein ständiges Bedürfnis nach Neuem. Nach Allport streben reife Personen nicht nach Glück. Sie können sowohl glücklich, als auch unglücklich sein. Allport schlägt einen Katalog von Kriterien reifer Persönlichkeit vor, wobei er davon ausgeht, dass das von ihm spezifizierte Ideal nur von wenigen Menschen erreicht wird. Aufgrund der zahlreichen Möglichkeiten aufzuwachsen, kann Reife unterschiedlichste Ausprägungen annehmen, sollte jedoch immer mit den von ihm genannten Kriterien in Einklang stehen. Allports Charakterisierung einer reifen Persönlichkeit bietet Anhaltspunkte, um das hier zu entwickelnde Bild einer reifen Person zu ergänzen. Daher sollen im Folgenden seine Kriterien reifer Persönlichkeit in das Analyseschema eingeordnet werden, die jeweiligen Kriterien werden zum besseren Verständnis in Klammern angegeben. Eine kognitive Eigenschaft der reifen Person ist es nach Allport, dass sie die Welt realistisch sieht und die Realität nicht so interpretiert, dass sie den eigenen Bedürfnissen entspricht (realistische Auffassung: Können und Arbeit). Mit Reife hängt nach Allport auch eine gewisse kognitive Befähigung, Intelligenz und Kompetenz im Problemlösen zusammen obwohl es nach ihm Personen gibt, die intelligent sind, aber unreif, trifft dies umgekehrt nicht zu. Dazu gehört, dass die reife Person bestrebt ist, auch sich selbst objektiv zu sehen und immer wieder zu hinterfragen, ob ihre Ansichten von sich selbst korrekt sind (Selbst-Objektivierung: Einsicht und Humor). Außerdem besitzt die reife Person eine Art der inneren Sicherheit, eine internale Kontrollüberzeugung. Gleichzeitig ist sie sich der Ungewissheiten des Lebens bewusst: Tod, Krankheit, Katastrophen. Sie kann aber mit diesem Bewusstsein umgehen und gerät nicht in Angst. So wird auch der Tod als etwas zum Leben Gehöriges akzeptiert (emotionale Si- 59

60 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife cherheit). Auch die Aspekte aus Allports Theorie, die eine reife Person im Bereich der Emotionen charakterisieren, finden sich in dem von ihm beschrieben Kriterium emotionale Sicherheit. Demnach besitzt die reife Person die Kompetenz zur Emotionsregulation. Sie kann ihre Emotionen kontrollieren und beherrscht es, sie adäquat, d.h. der Situation angemessen, aber dennoch authentisch auszudrücken. Sie besitzt eine Art Grundvertrauen in sich selbst und in die Welt. Damit zusammen hängt eine Frustrationstoleranz, die Fähigkeit, mit Misserfolg umgehen zu können. In dem Kriterium, das Allport vereinheitlichte Weltanschauung und Ausdehnung des Selbstsinns nennt, finden sich Aspekte einer reifen Person, die sich dem motivationalen Bereich zuordnen lassen. So besitzt die reife Person eine klare Vorstellung von einem Sinn des Lebens (vereinheitlichte Weltanschauung). Dazu gehört, dass sie weitgesteckte Ziele im Leben besitzt und ein persönliches Ideal verfolgt. Weiter fällt unter dieses Kriterium, dass die reife Person ein umfassendes, eigenes Wertesystem ausgebildet hat. Ein anderer Aspekt der reifen Person ist nach Allport, dass sie nicht primär auf Triebbefriedigung konzentriert ist, sondern sie besitzt Interessen außerhalb dessen, auch außerhalb der eigenen Person sie ist nicht nur mit sich selbst beschäftigt (Ausdehnung des Selbstsinns). In wenigstens einem Bereich ist sie sehr interessiert und engagiert. Für den volitionalen Bereich lässt sich aus Allports Beschreibung einer reifen Person ableiten, dass diese sich in eine Arbeit verlieren und in einem bestimmten Moment vollständig darin aufgehen kann (realistische Auffassung: Können und Arbeit). Die reife Person kann die eigenen Impulse kontrollieren und vergessen, um sich auf eine Sache außerhalb ihrer selbst zu fokussieren. Wenn sie ein Ziel verfolgt, besitzt sie Kompetenzen wie Frustrationstoleranz, um weiterzumachen, auch wenn Barrieren auftreten (emotionale Sicherheit: Selbstbejahung). Auch der Sinn für Humor, der nach Allport der reifen Person eigen ist, kann als Strategie gesehen werden, mit Situationen des Lebens umzugehen (Selbst- Objektivierung: Einsicht und Humor). Diese Art von Humor ist die Fähigkeit, hinter etwas Ernstem, z.b. sich selbst, gewisse Widersprüchlichkeiten und Absurditäten zu erkennen und diese mit Abstand zu betrachten. Das Verhalten der reifen Person zu anderen und der Welt ist nach Allports Beschreibungen gekennzeichnet durch die Fähigkeit zu großer Intimität und Liebe (warme Beziehung des Selbst zu anderen). Die reife Person führt tiefe Beziehungen und meidet Oberflächlichkeit. Sie schätzt die Menschlichkeit in allen Menschen, d.h. sie zeigt Toleranz gegenüber deren Lebensweisen und Werten. Weiterhin respektiert sie die Freiheit und Autonomie anderer und behindert sie nicht in ihrer Suche nach der eigenen Identität Theorien aus der klinischen Psychologie Reifevorstellungen in der klinischen Psychologie sind stärker als die entwicklungspsychologischen oder persönlichkeitspsychologischen vom Gedanken der Adaptivität im Sinne von psychischer Gesundheit 60

61 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife geprägt. Dennoch enthalten einige der Theorien durch die Betonung von Werten und Selbstverwirklichung deutliche Reifeaspekte. So soll auf einige reifeorientierte Weiterentwicklungen der psychoanalytischen Theorie eingegangen werden sowie auf Reifekonzeptionen zweier so genannter Abweichler vom psychoanalytischen Paradigma, Jung und Fromm. Einen wichtigen Beitrag zur Perspektive der klinischen Psychologie auf Persönlichkeitsreife bildet das humanistische Konzept von Rogers. Abschließend werden Reifevorstellungen in der kognitiven Therapie von Ellis dargestellt Psychoanalytische Vorstellungen von Reife Psychoanalytische Vorstellungen von Persönlichkeitsreife sind stark von dem Gedanken eines adaptiven Funktionierens in der Gesellschaft geprägt. Vor allem ist dies bei Freud (z.b. 1917, 1923) selbst sowie bei empirischen Umsetzungen von Teilen seiner Theorie durch Block (1961) der Fall. Diese Konzepte sollen deshalb nur kurz vorgestellt werden, können jedoch wenig Aufschluss über Charakteristika reifer Persönlichkeit geben. Einige Weiterentwicklungen innerhalb des psychoanalytischen Paradigmas, so wie die Theorien von Winnicott und Kohut beinhalten Reifeelemente in stärkerem Maße und sollen dazu herangezogen werden, das Bild einer reifen Person zu ergänzen. Etwas genauer wird auf die Theorien von Haan und Vaillant eingegangen, die durch Weiterentwicklung und reifeorientierte Interpretation von Freuds Abwehrmechanismen relativ umfassende Beschreibungen reifer Persönlichkeit darstellen. Teilweise lässt sich in den Theorien nicht die gesamte Breite der Kategorien aus dem Analyseschema finden. In diesem Fall werden nur die Kategorien aufgeführt, für die sich in der jeweiligen Theorie Charakteristika reifer Persönlichkeit finden lassen. Bei Sigmund Freud findet sich keine ausführliche Konzeption dessen, was eine gesunde oder eine reife Persönlichkeit ausmacht. Er beschäftigt sich vorwiegend mit der detaillierten Analyse der Entstehung und Behandlung von Störungen, wobei er kein positives Ideal entwirft. Die bei Erikson (1963) zitierte und oft aufgegriffene (z.b. Allport, 1970; Bühler, 1959; Haan, 1977; Kohut, 1979) mündliche Äußerung Freuds, ein normaler Mensch müsse Lieben und Arbeiten können, scheint eine zu wenig elaborierte Feststellung, die kaum dazu geeignet ist, die Charakteristika einer reifen Person weiter einzugrenzen. Nach Rieff (1959) ist die in psychoanalytischen Schriften implizit enthaltene Definition einer idealen Persönlichkeit stark bestimmt von der Annahme einer privilegierten Rolle des Unbewussten. Der Mensch muss sich an die eigene Biologie, die eigenen Triebe sowie an die Anforderungen der Gesellschaft anpassen Freuds Konzept ist also eines der Adaptivität, im Sinne von Anpassung. Es ist jedoch nicht garantiert, dass eine so angepasste Person auch ethisch handelt, da die moralische Entwicklung durch frühe Internalisation der gesellschaftlichen Autorität geschieht, wobei unberücksichtigt bleibt, wel- 7 Ein weiteres, erwähnenswertes Reifekonzept, das hier jedoch nicht besprochen werden kann, ist Jahodas (1958) Konzept positiver mentaler Gesundheit, das eine bedeutende Leistung der Integration verschiedener Wachstumstheoretiker darstellt. 61

62 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife che Normen in der jeweiligen Gesellschaft vorherrschen. Es gehört dementsprechend auch nicht zu den Eigenschaften einer angepassten Person, an diesen Normen Kritik zu üben. In Übereinstimmung mit Freuds Primat der Adaptivität haben Block und Block (z.b. 1980) zwei Persönlichkeitskonstrukte entwickelt, die essentielle Qualitäten und Funktionen des psychoanalytischen Konzepts des Egos enthalten und diese messbar machen. Da der Reifeaspekt in dieser Konzeption schwach ausgeprägt ist, bietet sie wenig Aufschluss über Charakteristika reifer Persönlichkeit und soll deshalb hier nicht in die Sammlung von Aspekten reifer Persönlichkeit aufgenommen werden. Stärkere Reifeelemente enthält die psychoanalytische Theorie Winnicotts (1974), die das wahre Selbst im Gegensatz zum falschen Selbst als Entwicklungsziel definiert. Eine Person, die das wahre Selbst realisiert, verwirklicht ihre Anlagen und verspürt ein Sinngefühl im eigenen Leben ein motivationaler Aspekt der reifen Person. Allerdings ist die Theorie weitgehend auf die frühe Kindheit bezogen und enthält außer den Forderungen nach dem wahren Selbst kaum relevante Vorstellungen von einer reifen Persönlichkeit. Kohuts Theorie hingegen beinhaltet mehr Aspekte, die Aufschluss über Charakteristika einer reifen Person geben können. Nach Kohut (1979) gibt es einen Unterschied zwischen dem auf Beseitigung von Neurosen, d.h. Adaptivität ausgerichteten Ziel der Psychoanalyse, und dem so genannten heilen Selbst, das dem Konzept des reifen Selbst entspricht. Auch wenn Kohut den Begriff Gesundheit verwendet, der eigentlich eher dem Konzept der Adaptivität nahe steht, wird durch seine Differenzierung zwischen einem auf Funktionalität und einem auf Selbstverwirklichung ausgerichteten Ziel von Therapie deutlich, dass sein Konzept Wachstumsaspekte enthält. Die Frage nach einem Sinn des Lebens ist für ihn, wie für Winnicott, von hoher Bedeutung. Er postuliert, dass psychische Krankheit, wie sie in der Psychoanalyse definiert wird, nicht unmittelbar damit zusammenhängt, ob eine Person ein erfülltes Leben führen kann. Dieses erachtet er als genauso fördernswert wie psychische Gesundheit. Es finden sich einige kognitive Aspekte einer reifen Person in Kohuts Beschreibungen von Weisheit und einem erfüllten Leben. Das erfüllte Leben hängt für ihn zentral mit einem klar definierten Selbst und einem Bewusstsein von der eigenen Persönlichkeit zusammen. Dazu gehört es auch, sich keinen Illusionen oder falschem Optimismus hinzugeben, d.h. realistisch wahrzunehmen. Weiterhin betont Kohut als wichtigen Aspekt einer reifen Person Weisheit, die die Fähigkeit zur Anerkennung der eigenen Grenzen impliziert (Kohut, 1978). Er nennt weiterhin Aspekte, die Aufschluss über die motivationalen Charakteristika einer reifen Person geben. So ist es nach Kohut wichtig, ein eigenes Wertesystems zu besitzen und eine kreative oder produktive Tätigkeit auszuüben. Ziel ist es, Entscheidungen zu treffen, die den eigenen angeborenen Fähigkeiten entsprechen, d.h. zu versuchen, die eigenen Potentiale zu verwirklichen, und dabei gleichzeitig die Möglichkeiten zu berücksichtigen, die einem offen stehen. Auf der volitionalen Ebene lässt sich eine reife Person aufgrund Kohuts Beschreibungen als zielbezogen handelnd charakterisieren. Sie stellt sich auch unangenehmen Aufgaben. Die Person nimmt 62

63 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife sich selbst nicht zu wichtig und kann auf schwierige Situationen mit Humor reagieren, ein Aspekt, den Kohut mit Selbsttranszendenz bezeichnet. Im Umgang mit anderen drückt sich das durch die Fähigkeit zur Empathie aus. Haan (1969, 1977) bemüht sich um eine Erweiterung der psychoanalytischen Konzeption von einer idealen Persönlichkeit um eine positive Vorstellung von Verhalten, die durchaus Reifeaspekte enthält. Sie entwirft ein dreiteiliges Modell der Ego-Funktionen, in dem sie Coping-Mechanismen als das positive Spiegelbild Freudscher Abwehrmechanismen vorschlägt. Die Prozesse des Egos laufen nach den Prinzipien der Assimilation von Erfahrungen und Situationsgegebenheiten und der darauf folgenden Akkommodation der Reaktion an die entsprechende Situation ab. Nach Haan gibt es drei unterschiedlich optimale Mechanismen des Umgangs mit Situationen. Coping-Mechanismen sind für sie die optimale Verhaltensweise im Umgang mit Situationen. Abwehrmechanismen werden nur dann eingesetzt, wenn die Anforderungen der Situation über die Fähigkeiten des Individuums zur Assimilation und Akkommodation hinausgehen. Der Extremfall schließlich sind Prozesse der Fragmentierung, die psychotisches Verhalten repräsentieren. Coping ist Verhalten, das akkurat auf die intra- und intersubjektive Situation eingeht und diese nicht verzerrt es basiert somit auf realistischer Wahrnehmung der Gegenwart. Haans Beschreibungen von Copern, d.h. Personen, die Coping-Mechanismen anwenden, geben Aufschluss über Charakteristika reifer Persönlichkeit und sollen nach dem Schema analysiert werden. Die jeweiligen Coping-Mechanismen werden zur ergänzenden Information in Klammern angegeben. Einige von den von Haan spezifizierten Coping-Mechanismen geben Aufschluss über kognitive Charakteristika einer reifen Person. So ist eine reife Person nach Haan gekennzeichnet durch Objektivität (Coping-Mechanismus Objektivität) und die Fähigkeit zu logisch-systematischer Analyse der Situation (logische Analyse). Sie versucht Gründe für bestimmte Ereignisse und für die eigene Entwicklung zu finden (Intellektualität). Eine übergreifende kognitive Kompetenz, die sich durch alle Coping- Mechanismen zieht, ist nach Haan (1977), sich und andere realistisch wahrzunehmen und nicht zu verzerren. Ebenso in den kognitiven Bereich fällt der Coping-Mechanismus Ambiguitätstoleranz, die Fähigkeit zum Umgang mit komplexen, ungewissen Situationen. Sowohl kognitiv also auch für den emotionalen Bereich einer reifen Person bedeutsam ist die Fähigkeit von Copern, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und sich dabei nicht von emotionalen Stimuli ablenken zu lassen (Konzentration). Coping- Mechanismen beinhalten weiterhin Emotionsregulationskompetenzen, wie die Fähigkeit, sowohl negative als auch positive Emotionen in zutreffender und verständlicher Weise auszudrücken (Sublimierung), diese zu unterdrücken, wenn ihr Ausdruck unpassend wäre (Suppression), oder sie in komplexere, sozial akzeptable Formen umzuformen (Substitution). Als motivationaler Charakterzug einer reifen Person kann das empirisch bei Copern gefundene Streben nach Produktivität (Haan, 1974) eingestuft werden. Die Person braucht eine Aufgabe, eine Arbeit, in der sie etwas leisten, etwas erschaffen kann. In ihren 63

64 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Werten und ihrer Lebensweise zeigt sie sich eher unkonventionell. Die volitionalen Charakteristika einer reifen Person lassen sich durch den von Haan beschriebenen Coping-Mechanismus Ego-Regression kennzeichnen, der die Fähigkeit zum strukturierten Lebensrückblick bezeichnet. Eine weitere Strategie ist die Introspektion: Eine reife Person beobachtet sich selbst, um Einsichten über sich zu erlangen (Haan, 1974). Für den Umgang einer reifen Person mit anderen Menschen ist die Fähigkeit von Copern zur Empathie relevant (Empathie). Empirisch fand Haan (1974), dass als Coper eingestufte Personen Gruppendruck widerstehen können und daher fähig dazu sind, unabhängige Urteile zu treffen. Eine weitere Bereicherung der psychoanalytischen Vorstellung einer reifen Persönlichkeit ist Vaillants (1993) Einteilung von Freuds Abwehrmechanismen in reife und weniger reife Mechanismen. Reife Abwehrmechanismen sind für ihn effektive Coping-Strategien, die einen adaptiven Umgang mit Ängsten, Impulsen und negativen Erfahrungen ermöglichen, so dass keine psychische Störung entsteht. Sie geraten im Gegensatz zu unreifen Mechanismen weniger in Konflikt mit eigenen Affekten, Bedürfnissen, dem eigenen Gewissen, anderen Personen und der Realität sie ermöglichen eine Integration dieser unterschiedlichen Anforderungen. Abwehrmechanismen können zwar nicht bewusst eingesetzt werden, aber die Wahrscheinlichkeit ihrer Anwendung kann durch Psychoanalyse gefördert werden. Auch wenn Vaillants Konzept inhaltlich teilweise auf Adaptivität abzielt, stellt es dennoch eine psychoanalytische Vorstellung von Reife dar, die stärker als Freud ein positives Ideal entwirft und den Aspekt der Balance zwischen dem eigenen Wohl und dem anderer enthält. Fast alle von Vaillants fünf reifen Abwehrmechanismen sind im Grunde Coping-Strategien und stellen daher Beschreibungen volitionaler Strategien reifer Persönlichkeit dar. So beherrscht es eine Person, die reife Abwehrmechanismen anwendet, nach Vaillant detailliert für die Zukunft zu planen (Abwehrmechanismus Antizipation). In dem Abwehrmechanismus Suppression spezifiziert Vaillant die Kompetenz einer reifen Person zum Belohnungsaufschub: Sie kann es aushalten, auf Belohnungen zeitweise zu verzichten, um später eine größere Belohnung zu erhalten. Eine weitere reife Strategie zum Umgang mit Impulsen ist es, diese in anderen Gebieten auszudrücken (Sublimierung), zum Beispiel im künstlerischen Bereich. Das lässt darauf schließen, dass die reife Person oft kreativ ist. Der Humor, die Fähigkeit, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen, schließlich stellt eine Möglichkeit dar, negative Erlebnisse spielerisch zu verarbeiten (Humor). Diese Strategien könnten ebenso dem emotionalen Bereich einer reifen Person zugeordnet werden: Es sind Mechanismen der Emotionsregulation, die die reife Person besitzt. In der Beziehung zu anderen setzt sich die reife Person nach Vaillant für andere ein und engagiert sich sozial (Altruismus). 64

65 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Abweichler vom psychoanalytischen Paradigma Einige Theorien, die aus dem psychoanalytischen Paradigma entstanden sind, grenzen sich so deutlich von der Lehre Freuds ab, dass sie hier unter einer gesonderten Überschrift als Abweichler vom psychoanalytischen Paradigma behandelt werden sollen. Besonders die Theorien von Jung und Fromm enthalten Reifeaspekte und können zur Beschreibung reifer Persönlichkeit herangezogen werden. 8 Carl-Gustav Jung (z.b. 1934, 1930) geht davon aus, dass Personen danach streben, sich selbst zu verwirklichen. Die motivierende Kraft ist dabei das Selbst, das sich als ein Streben nach Einheit und Integration aller Facetten der Persönlichkeit äußert - nach Jung das oberste Ziel des Lebens. Dieses Streben nach Einheit ist Teil des Prozesses der Individuation, der sich ab der zweiten Lebenshälfte abspielen kann. Allerdings wird die Individuation nicht von allen Personen erreicht. Individuation bedeutet, zum Einzelwesen zu werden und die eigene unverwechselbare Einzigartigkeit zu verstehen (Jung, 1964, S. 191). Die Aspekte, die Jung unter dem Begriff der Individuation beschreibt, sollen im Folgenden dazu herangezogen werden, das Bild einer reifen Person unter Anwendung des Analyseschemas aus Tabelle 4 zu ergänzen. Die Begriffe, mit denen Jung diese Aspekte beschreibt, werden ergänzend angegeben. Der kognitiven Ebene lässt sich ein Aspekt der reifen Person zuordnen, den Jung mit Bewusstsein über die vernachlässigten Aspekte der Persönlichkeit umschreibt. Damit meint er, dass die reife Person die verschiedenen Rollen, die sie im Alltag spielt, wahrnimmt, im Laufe der Individuation also lernt, dass darüber hinaus noch andere Aspekte ihr Selbst ausmachen eine Entwicklung, die von Jung als Demaskierung der Persona bezeichnet wird. Der von Jung aufgeführte Aspekt der Akzeptanz des Schattens bedeutet, dass eine reife Person die realen Grenzen der eigenen Person erkennt und akzeptiert. Dazu gehört auch, dass sie Ambiguität tolerieren kann, z.b. erkennt sie, dass in höchstem Maße Gutes zugleich Böses enthalten kann. Als emotionale Komponente einer reifen Person kann die von Jung als Teil der Individuation postulierte Auseinandersetzung zwischen Bewusstem und Unbewusstem interpretiert werden. Die reife Person nimmt ihre Emotionen und Impulse realistisch wahr und akzeptiert diese (Akzeptanz des Schattens). Jung argumentiert allerdings, dass die Persona die Maske zwar durchschauen, aber diese trotzdem aufrecht erhalten muss, d.h. eine reife Person kann ihre Emotionen auch kontrollieren und sich gesellschaftlichen Normen angepasst verhalten. Auf der motivationalen Ebene bedeutet Individuation das Erleben von Sinn. Nach Jung setzt die Akzeptanz des eigenen Schattens kreative Energien frei, d.h. eine reife Person ist kreativ. Mit anderen und der Gesellschaft fühlt sich die reife Person trotz ihrem Bewusstsein von der eigenen Individualität integriert und verbunden. 8 Die Theorie der Individualpsychologie von Alfred Adler (1920), der auch als Abweichler vom psychoanalytischen Paradigma bezeichnet werden kann, beschreibt eher eine normale Struktur von Persönlichkeit, die wenig Anhaltspunkte für die Charakterisierung reifer Persönlichkeit bietet, und soll aus diesem Grund hier nicht aufgenommen werden. 65

66 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Auch Erich Fromm (1954, 1976) hat sich relativ weit von Freuds ursprünglicher Lehre entfernt. Er betrachtet Persönlichkeit weitgehend als ein Produkt der Kultur. Jeder Mensch besitzt nach Fromm eine innere Tendenz, nach emotionaler Gesundheit zu streben. Wenn die äußeren Begebenheiten dies zulassen, wird es möglich, die eigenen Potentiale zu verwirklichen. In seiner Theorie differenziert Fromm zwei Modi, die mit bestimmten Formen des Erlebens, Wahrnehmens und Umgehens mit der Realität einhergehen. In dem von Fromm als weitgehend negativ bewerteten Haben-Modus ist der Besitz von Dingen prädominant. Menschen im Haben-Modus verhalten sich rücksichtslos und unterhalten Motive wie Macht und Erfolg. Der Haben-Modus enthält allerdings nicht nur negative Eigenschaften, sondern kann auch nützlich sein. So ist es zum Beispiel in bestimmten Situationen nötig, sich Autoritäten zu fügen, liegt dies aber in extremer Form vor, so ist es nach Fromm nicht mehr erstrebenswert. Auch wenn der Haben-Modus nicht immer negativ ist, so ist doch der ideale Zustand nach Fromm der Seins- Modus. Im Seins-Modus geht es um das produktive Verwirklichen der eigenen Existenz. Die von Fromm spezifizierten Charakteristika des Seins-Modus enthalten einige Aspekte, die eine reife Person in kognitiver Hinsicht beschreiben können. Demnach zeichnet sich eine reife Person durch ein kritisches und unabhängiges Denken und eine realistische Wahrnehmung aus. Außerdem hat eine solche Person keine Angst vor Neuem und vor unsicheren Situationen. Dazu gehört auch, keine Angst vor dem Tod zu haben. Als emotionaler Aspekt der reifen Person lässt sich aus Fromms Beschreibung des Seins- Modus ableiten, dass die Person glücklich ist wobei Fromm allerdings betont, dass es sich hierbei nicht nur um eine Emotion handelt, sondern um eine ganze Lebensweise, die Vitalität und Verwirklichung der eigenen Potentiale einschließt. Als zentraler motivationaler Aspekt einer reifen Person findet sich im Seins-Modus die produktive Aktivität, eine selbstverwirklichende Kreativität im Umgang mit den Dingen des täglichen Lebens. Demnach interessiert sich die reife Person wirklich für die Dinge, mit denen sie sich beschäftigt. Außerdem handelt sie aufgrund eigener Entscheidungen, die sie unbeeinflusst von der Meinung anderer trifft - sie besitzt einen eigenen Bewertungsmaßstab. Im Umgang mit anderen zeigt eine reife Person nach Fromm ehrliche Zuneigung und Liebe, ohne andere Menschen besitzen, d.h. manipulieren oder kontrollieren zu wollen. Die eigene Individualität und Unabhängigkeit bleiben jedoch bestehen. Diese Liebe für andere bedeutet auch, sich zu sorgen, sich für das Wohlbefinden anderer einzusetzen und ihr Wachstum zu fördern. Die reife Person übernimmt Verantwortung für andere und behandelt diese mit Respekt, ohne sich selbst aufzuopfern Carl Rogers: Die fully-functioning person Rogers (1959, 1961) humanistischer Ansatz der klientenzentrierten Psychotherapie stellt mit der Betonung der Wichtigkeit von Selbstverwirklichung eine Beschreibung von Veränderung in der Persönlichkeit dar, die ganz deutlich einen Reifeaspekt enthält. Ein Ziel der von Rogers entwickelten Psychothe- 66

67 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife rapie ist es, den Klienten in der Entfaltung seiner Persönlichkeit und zum Wachstum zur Reife zu unterstützen. Dafür ist es nötig, vorteilhafte Entwicklungsbedingungen zu schaffen. Der Therapeut 9 entwickelt eine hilfreiche Beziehung zum Klienten, indem er dem Klienten Empathie und Wertschätzung entgegenbringt und dabei authentisch ist. Nach Rogers sind Menschen rationale und bewusste Wesen, die fähig dazu sind, ihre eigene Persönlichkeit zu verbessern. Die Gegenwart, die Kräfte, die in der aktuellen Situation wirken, sind nach Rogers für die Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit wichtiger als Kindheit und Vergangenheit. Die körperliche Entwicklung geschieht durch die so genannte Aktualisierungstendenz, während bei der Persönlichkeitsentwicklung die Selbstaktualisierungstendenz der treibende Motor ist. Die physiologische Entwicklung verläuft nach Rogers im Sinne klassischer Wachstumsmodelle als von innen gesteuerter Entfaltungsprozess, während die Persönlichkeitsentwicklung stark von äußeren Erfahrungen und Lernen beeinflusst wird. Auch wenn nicht jeder optimale Bedingungen erfährt, ist die Selbstaktualisierungstendenz in jedem Menschen vorhanden und erzeugt ein Streben danach, die eigenen einzigartigen psychologischen Charakteristika zu entwickeln. Selbstaktualisierung wird dabei nicht als Zustand, sondern als Prozess verstanden, der nie ganz abgeschlossen ist. Rogers beschreibt die Richtung, in die die Entwicklung geht, und nennt Eigenschaften von Personen, die aus diesem Prozess hervorgehen. Diese Eigenschaften können Aufschluss über die Charakteristika reifer Personen geben und sollen in das Analyseschema eingeordnet werden, wobei wieder die Begriffe, mit denen Rogers selbstaktualisierende Personen beschreibt, in Klammern angegeben werden. Der kognitiven Ebene einer reifen Person können von Rogers genannte Eigenschaften der selbstaktualisierten Person zugeordnet werden, wie eine realistische Wahrnehmung der eigenen Person, z.b. der eigenen Einstellungen (Offenheit für Erfahrungen). Dazu gehört auch zum einen, dass die reife oder selbstaktualisierte Person die Welt so wahrnimmt, wie sie ist, und Wahrgenommenes nicht gleich in Schemata einordnet, sowie zum anderen die Fähigkeit, Ungewissheit zu ertragen, z.b. mehrere sich widersprechende Fakten zu akzeptieren. Dadurch, dass sie auf sich selbst vertraut (Entwicklung zum Selbstvertrauen), gleichzeitig aber die Komplexität der Welt erkennt (Entwicklung zur Komplexität), kann die Person in komplexen Situationen Urteile fällen, die für sie selbst langfristig am besten sind (Vertrauen zum eigenen Organismus). Die Person erkennt weiterhin, dass sie sich immer weiter entwickelt, dass also auch in dieser Hinsicht ständig eine gewisse Ungewissheit vorhanden ist (Bereitschaft zur Veränderung) und das Leben wird als Prozess gesehen, der niemals abgeschlossen ist (Entwicklung zum Prozess-Sein). Die reife Person übernimmt Verantwortung für ihr eigenes Handeln, d.h. sie besitzt eine internale Kontrollüberzeugung (Entwicklung zur Selbstbestimmung). Zur emotionalen Kompetenz der reifen Person zählt ein Aspekt in der von Rogers genannten Facette Offenheit für Erfahrungen: die eigenen Emotionen authentisch wahrnehmen und ausdrücken zu 9 Die männliche Form soll hier mit für die weibliche stehen. 67

68 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife können. Ein motivationaler Aspekt einer reifen Person ist in Rogers Kriterium der inneren Bewertungsdistanz enthalten. Die reife Person besitzt einen eigenen Wertmaßstab und richtet sich weniger nach der Zustimmung anderer Personen oder der Gesellschaft. Im volitionalen Bereich zeigt sich dies durch die Kompetenz, Zwängen zur Konformität, wie z.b. Gruppendruck, zu widerstehen und nach den eigenen Ideen zu handeln. Ein wichtiger Aspekt, der sich aus Rogers Beschreibung einer selbstaktualisierten Person über die Beziehung der reifen Person zu anderen ableiten lässt, ist, dass die Person sich unabhängig davon verhält, was andere oder die Gesellschaft von ihr erwarten (weg vom Erfüllen kultureller Erwartungen). Die reife Person ist nicht davon getrieben, anderen um jeden Preis zu gefallen, sondern verhält sich so, wie sie ist, und baut keine Fassade auf (weg von den Fassaden). Darüber hinaus akzeptiert sie andere aber so, wie sie sind, mit ihren Werten und Lebensstilen (Entwicklung zum Akzeptieren der anderen) Albert Ellis kognitive Therapie: Der rationale Mensch Die rational-emotive Therapie (Ellis, 1993) entwirft als Bild der idealen Persönlichkeit das normale Funktionieren eines rationalen Menschen. Damit ist dieser Ansatz zwar dem Ziel der Adaptivität verpflichtet, das Ziel der Therapie enthält jedoch auch Reifeaspekte wie Selbstverwirklichung oder die Achtung anderer und soll daher hier als Beispiel für eine Reifevorstellung im kognitiv-klinischen Kontext aufgenommen werden 10. Die rational-emotive Therapie basiert auf der Annahme, dass menschliches Denken und Fühlen nicht zwei separate Prozesse sind, sondern dass sie sich überschneiden und teilweise sogar identisch sind. Nach Ellis sind anhaltende Emotionen, wie beispielsweise bei einem emotionalen Ausbruch, mit Denkvorgängen assoziiert, bzw. sind das Resultat von Denkprozessen, vermittelt über Selbstgespräche oder verinnerlichte Sätze. Neurosen kommen so über irrationale Denkprozesse und Überzeugungen zustande. Die Aufgabe des Therapeuten ist es, mit den Patienten daran zu arbeiten, diese Ideen zu ändern und durch rationale zu ersetzen und so die damit verbundenen Emotionen zu verändern. Ellis Beschreibungen einer idealen Persönlichkeit geben einige Hinweise darauf, wie die Charakteristika einer reifen Person in den verschiedenen Bereichen des Analyseschemas zu konzipieren sind. Nach Ellis Beschreibung der rationalen Person lässt sich als kognitives Charakteristikum einer reifen Person sagen, dass sie es beherrscht, sich auf die Lösung einer Aufgabe zu konzentrieren, sich jedoch nicht damit quält, sie zu lösen. Außerdem kann die Person unterscheiden, ob bestimmte Situationen objektiv schlecht sind oder ob sie sich störende Aspekte nur einbildet. Weiterhin postuliert Ellis, dass die reife Person akzeptiert, dass sie irgendwann sterben muss, aber sich nicht unnötig mit Angst 10 Eine weitere einflussreiche kognitive Therapie wurde von Beck (1979) entwickelt. Diese enthält jedoch wenige Reifeaspekte und wird daher hier nicht aufgenommen. 68

69 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife davor belastet. Die reife Person besitzt ein Selbstvertrauen, das sich auf frühere Handlungen gründet. Für die Beschreibung einer reifen Person im emotionalen Bereich lässt sich aus Ellis Beschreibung von rationalem Verhalten ableiten, dass die reife Person gute Kompetenzen zur Emotionsregulation besitzt. So steigert sie sich in Emotionen nicht hinein, sondern versucht, das Beste aus frustrierenden Situationen zu machen. Emotionsregulation geschieht dabei dadurch, dass man bestimmte irrationale Gedanken, die negative Emotionen auslösen, nicht fortlaufend innerlich wiederholt. Die reife Person bleibt im Allgemeinen eher ruhig und wenig emotional. Für den motivationalen Bereich legen Ellis Beschreibungen nahe, dass eine reife Person Vergnügen aus der Ausführung einer Tätigkeit als solcher ziehen kann und nicht nur aus deren Ergebnis, aus der erbrachten Leistung. Sie lebt nach den eigenen Interessen und verwirklicht sich selbst. Die reife Person hat sich einer langfristigen, eher schwierigen Aufgabe verpflichtet, an der sie systematisch und in Ruhe arbeitet. Generell tendiert die Person dazu, einen mittleren Weg einzuschlagen, da sie weiß, dass extreme Pläne oft undurchführbar sind. Den volitionalen Charakteristika einer reifen Person lassen sich einige von Ellis genannte Strategien der rationalen Person zuordnen. So hinterfragt eine reife Person von Zeit zu Zeit, was die eigenen Ziele sind, und ob es wirklich die eigenen sind und nicht das, was andere sich von einem wünschen. Sie hinterfragt auch, ob sie in bestimmten Tätigkeiten wirklich nach der eigenen, inneren Zufriedenheit strebt. Die Person beherrscht es, durch Experimentieren heraus zu finden, welche Interessen ihr die tiefste Erfüllung versprechen. Sie begrüßt es sogar, wenn sie Fehler macht, da sie daraus lernen kann. Angesichts schwieriger Probleme überlegt sie sich mehrere Lösungsmöglichkeiten. Wie andere Theoretiker betont auch Ellis die Wichtigkeit einer Balance zwischen verschiedenen Eigenschaften. So ist die reife Person zwar selbstdiszipliniert und beherrscht es, ihr Tun durch Arbeitspläne, Zwischenziele und Belohnungen zu strukturieren, übertreibt es dabei aber auch nicht und macht es sich selbst nicht zu schwer. Sie ist aktiv, aber gönnt sich auch Ruhepausen. Andererseits scheut sie sich nicht davor, schwierige Aufgaben in Angriff zu nehmen, d.h. sie zeigt keine Prokrastination. Im Umgang mit anderen ist eine reife Person nach Ellis fähig dazu, selbst zu lieben, statt verzweifelt danach zu streben, von anderen geliebt zu werden. Sie kritisiert und verurteilt andere nicht wegen ihrer Fehlhandlungen. Eine solche Person verfolgt ihre eigenen Interessen unabhängig davon, was andere davon halten. Sie lebt auch sonst weitgehend autonom von anderen. Sie weiß, dass sie sich am besten auf sich selbst verlassen kann, lehnt aber Hilfe und Zusammenarbeit mit anderen nicht ab Implizite Theorien von Persönlichkeitsreife Neben den Gedanken, die sich Psychologen über Persönlichkeitsreife machen, scheint es für ein vollständiges Bild auch relevant zu sein, welche Vorstellungen Laien über die Eigenschaften idealer Persönlichkeit besitzen. Diese Konzeptionen werden in so genannten impliziten Theorien wiedergegeben. 69

70 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Der Großteil der Forschung zu diesem Thema beschäftigt sich allerdings mit den Vorstellungen von weisen, nicht unbedingt von reifen Personen. Da es in dieser Arbeit darum geht, eine Konzeption von Weisheit zu entwickeln, die sich auf die eigene Persönlichkeit bezieht, werden aus den impliziten Weisheitstheorien nur die persönlichkeitsbezogenen Aspekte herausgegriffen. Die meisten dieser Theorien ordnen die Eigenschaften weiser Personen verschiedenen, oft durch Faktorenanalyse generierten Faktoren zu. Für die Charakterisierung reifer Persönlichkeit sind jedoch vor allem die unter die Faktoren eingeordneten einzelnen Attribute weiser Personen relevant, daher werden die Faktoren hier nicht im Einzelnen berichtet. Weil sich zwischen den Theorien starke Überschneidungen ergeben, werden die Charakteristika reifer oder weiser Personen aus allen Studien gemeinsam auf das Analyseschema (Tabelle 4) bezogen. Zunächst soll das Vorgehen der verschiedenen Studien beschrieben werden, und anschließend die Charakteristika reifer Persönlichkeit, die sich aus den Studien ziehen lassen, gemeinsam dargestellt werden. Eine Studie von Heckhausen, Dixon und Baltes (1989) gibt Aufschluss über die Vorstellung idealer Persönlichkeit, die sich Laien machen. In der ersten Sitzung identifizierten die TeilnehmerInnen aus einer Liste von 358 Adjektiven solche, die sich mit dem Alter verändern. Die resultierenden 148 Adjektive wurden in einer zweiten Sitzung auf ihre Erwünschtheit hin beurteilt. Die Adjektive, die auf der Skala von 1 bis 9 einen durchschnittlichen Wert über 8 erhielten, sind demnach von besonders vielen Personen als stark erwünscht beurteilt worden und sollen hier als Laienvorstellung idealer Persönlichkeit gewertet werden. In einer Studie von Sternberg (1985) wurden in einer Prozedur von mehreren Experimenten Beschreibungen weiser Personen durch Laien und Experten aus den Fachrichtungen Wirtschaft, Kunst, Philosophie und Physik erhoben. Auch Clayton (1975, zitiert in Clayton & Birren; 1980) sowie Holliday und Chandler (1986) ließen Laien verschiedenen Alters Beschreibungen weiser Personen generieren. In einer Untersuchung von Sowarka (1989) sollten TeilnehmerInnen in semistrukturierten Interviews Persönlichkeitseigenschaften von weisen Personen nennen. Die Eigenschaften aus diesen Studien sollen nun auf das Suchschema bezogen werden. Als kognitive Aspekte einer reifen Person wurden in diesen Studien die Eigenschaften Offenheit und Flexibilität genannt. Weiterhin besitzt eine reife Person in den Vorstellungen von Laien einen scharfen Verstand, kennt die menschliche Natur, ist fair im Fällen von Urteilen und gebildet. Auch beobachten reife Personen ihre Umwelt aufmerksam, d.h. haben eine realistische Wahrnehmung und sind andererseits fähig dazu, sich selbst durch Introspektion zu beobachten. Sie können gut Probleme lösen und logisch denken. Sie sehen Dinge in einem breiten Kontext und berücksichtigen verschiedene Seiten, beziehen zukünftige Konsequenzen mit ein. Dem emotionalen Bereich lässt sich zuordnen, dass eine reife Person nach der Auffassung von Laien sensibel und ausgeglichen ist. Es wird davon ausgegangen, dass sie allgemein in einer entspannten und glücklichen Stimmung ist. Implizite Theorien führen 70

71 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife weitere Aspekte an, die als motivationale Aspekte einer reifen Person bezeichnet werden können. So wird erwartet, dass eine Person mit idealer Persönlichkeit sich für viele Bereiche und Themen interessiert. Außerdem nennen Laien die allerdings nicht sehr konkreten Attribute moralisch, spirituell und selbstaktualisiert. Diese Eigenschaften können aber als Annahme interpretiert werden, dass reife Personen ein Wertesystem, einen Sinn im Leben haben und motiviert sind, ihre eigenen Anlagen zu verwirklichen. In den impliziten Theorien finden sich auch volitionale Aspekte reifer Personen. Eine reife Person geht demnach humorvoll mit verschiedensten Lebenssituationen um. Sie bedenkt die Ratschläge anderer und überlegt, bevor sie handelt. Wenn sie sich entscheiden muss, sucht sie detailliert nach Informationen, aber verlässt sich auch teilweise auf die eigene Intuition. Außerdem kann die Person Fehler zugeben und daraus lernen, ohne lange darüber zu ruminieren. Eine Vielzahl der Adjektive beschäftigt sich mit dem Umgang mit anderen Menschen. So wird die reife Person als verlässlich, vertrauenswürdig, ehrlich, freundlich, liebevoll und zärtlich eingeschätzt. Reife Personen besitzen impliziten Theorien zufolge die Fähigkeit, Menschen zu verstehen, empathisch zu sein und gut zuzuhören. Sie sind friedlich, gesellig, geduldig und nicht selbstsüchtig Existierende Konzeptionen von persönlicher Weisheit Einige bereits existierende Weisheitstheorien wählen einen Zugang, der dem hier angestrebten Konzept selbstbezogener Weisheit relativ nahe ist. Sie definieren Weisheit als Persönlichkeitseigenschaft bzw. messen es als auf das eigene Leben bezogen. Dadurch entsprechen sie eher der Idee einer persönlichen Weisheit 11, welche als Einsicht in das eigene Leben definiert werden kann als genereller Weisheit, die sich mit der Einsicht in das Leben im allgemeinen befasst (Staudinger, Dörner & Mickler, im Druck). Allerdings beziehen sich viele der Theorien auf die oben beschriebenen Konzepte von Persönlichkeitsreife oder auf andere Vorstellungen von persönlicher Weisheit und enthalten daher wenig neue Aspekte. Dies soll die Leistung der Forscher hinsichtlich der Integration der Theorien und der Entwicklung von Messinstrumenten nicht schmälern. Wegen der inhaltlichen Doppelung der in diesen Konzepten aufgeführten Aspekte mit denen aus bereits dargestellten Wachstumstheorien früheren Datums soll hier nur der jeweilige Ansatz der Theorien kurz vorgestellt, die einzelnen Aspekte sollen hingegen nicht mehr in die Sammlung der Charakteristika reifer Persönlichkeit aufgenommen werden. 11 Persönliche Weisheit und selbstbezogene Weisheit können als Synonyme verstanden werden. Um jedoch Verwechselungen mit dem in der vorliegenden Studie zu entwickelnden Modell zu vermeiden, soll der Begriff selbstbezogene Weisheit nur für die hier entwickelte Konzeption, und der Begriff persönliche Weisheit für andere Theorien, die einen persönlichkeitsbezogenen Zugang zur Weisheit wählen, verwendet werden. 71

72 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Deirdre Kramers affektiv-kognitives Modell der persönlichen Weisheit Kramer (1990, 2000) wählt einen Zugang zur Weisheit, der auf einer organismischen Perspektive (nach Pepper, 1942) beruht, die von einer ständigen Veränderung und Dynamik aller Modellkomponenten ausgeht. Aus dieser Sicht können psychologische Funktionen nicht unabhängig von dem Kontext betrachtet werden, in dem sie sich abspielen. Wenn Personen versuchen, die Bedeutung von Ereignissen, Situationen oder psychischen Elementen in verschiedenen Kontexten zu verstehen, kann Wachstum entstehen. Nach Kramer sollte Weisheit auch adaptiv sein, es sollte dem Individuum ermöglichen, die verschiedenen Anforderungen des Erwachsenenlebens zu bewältigen. In Kramers Modell, das sich an die Ergebnisse der impliziten Weisheitstheorien von Holliday und Chandler (1986) und Clayton und Birren (1980) anlehnt, ist die Integration von Kognition und Affekt zentral für die Entwicklung von Weisheit. Ihre Definition bezieht Weisheit sowohl auf den Umgang mit dem eigenen Leben, als auch mit dem Leben im Allgemeinen. Eine weise Person ist auch dazu fähig, anderen in schwierigen Lebenssituationen Ratschläge zu geben. In ihrem interaktionistischen Modell geht Kramer davon aus, dass Elemente kognitiver und affektiver Entwicklung interagieren, und dass dadurch verschiedene Weisheits- Kompetenzen entstehen (z.b. Anerkennung von Individualität und Kontext, Verständnis von Veränderungen), die wiederum die Ausführung bestimmter weisheitsbezogener Funktionen (z.b. Lösung eigener Probleme, Ratschläge geben) ermöglichen Lucinda Orwolls Modell der weisen Person Orwoll und Kollegen (Achenbaum & Orwoll, 1991; Orwoll & Achenbaum, 1993; Orwoll & Perlmutter, 1990) beziehen sich auf die Theorien von Jung, Kohut und Erikson und entwickeln ein integratives Modell persönlicher Weisheit. Dass diese Theorie der Gruppe der persönlichen Weisheitstheorien (siehe Staudinger, Dörner & Mickler, im Druck) zuzuordnen ist, zeigt sich darin, dass Orwoll und Kolleginnen die Weisheitskomponenten auf das eigene Leben einer Person beziehen. Dies wird dadurch unterstrichen, dass sie in einer zentralen Publikation ihre Theorie auf die Entwicklung der Weisheit im Leben einer konkreten (geschichtlichen) Person (Hiob) anwenden (Achenbaum & Orwoll, 1991). Das Modell beschreibt drei Domänen, in denen sich Weisheit zeigt (Persönlichkeit, Kognition und Konnotation), sowie drei Ebenen (intrapersonell, interpersonell und transpersonell), so dass eine Matrix entsteht, in der insgesamt neun Aspekte enthalten sind Paul Wink und Ravanna Helson: Transzendentale und praktische Weisheit Nach Wink und Helson (1997) lassen sich bei verschiedenen Ansätzen zur Definition von Weisheit (z.b. Baltes & Staudinger, 1993; Erikson, 1968; Jung, 1934) gemeinsame Aspekte feststellen, die sie den beiden Dimensionen praktische Weisheit und transzendentale Weisheit zuordnen. Sie beziehen sich 72

73 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife besonders stark auf den Ansatz von Orwoll (Achenbaum & Orwoll, 1991). Praktische Weisheit enthält nach Wink und Helson (1997) pragmatisches und soziales Wissen, transzendentale Weisheit sowie metaphysisches, spirituelles und durch Reflexion erworbenes Wissen. Beide dieser Weisheitstypen enthalten sowohl Wissen über die eigene Person, als auch Wissen über das Leben im Allgemeinen. Auch wenn der Großteil der von ihnen genannten Weisheitsaspekte kognitiver Natur ist, zielen Wink und Helson auf die Definition und Messung von Weisheit als Persönlichkeitscharakteristikum. Da praktische Weisheit durch Selbsteinschätzung auf verschiedenen Adjektiven der Adjective Checklist (Gough & Heilbrun, 1983) erhoben wird, ist davon auszugehen, dass Personen bei der Beurteilung der Ausprägung der Adjektive eher an den Umgang mit Aufgaben des eigenen Lebens, als mit denen anderer denken. Das Gleiche gilt für die Erfassung transzendentaler Weisheit: Hier werden Untersuchungsteilnehmer nach einem Beispiel für die eigene Weisheit gefragt, und dies wird von trainierten Beurteilern eingeschätzt (Wink & Helson, 1997). Die unterschiedlichen Erhebungsmethoden erklären sich dadurch, dass bereits existierende Daten einer Längsschnittstudie verwendet wurden und mit den vorhandenen Maßen gearbeitet werden musste. Beide Weisheitsmaße korrelierten mit Maßen aus dem CPI (California Psychological Inventory, Gough, 1964) zu kognitiver Komplexität, Autonomie und psychologischem Feingefühl. Praktische Weisheit zeigte Zusammenhänge mit sozialer Initiative, Empathie und Generativität, während transzendentale Weisheit mit Offenheit, Intuition und Kreativität korrelierte (Wink & Helson, 1997) Carol Ryffs psychologisches Wohlbefinden Ryffs (z.b. 1989a, 1989b; Ryff & Keyes; 1995) Konzept des psychologischen Wohlbefindens zielt im Gegensatz zu dem Konzept des subjektiven Wohlbefindens darauf ab, die Vorraussetzungen eines guten Lebens und der Realisation der eigenen Potentiale im Sinne der Aristotelischen Definition von Eudaimonia zu definieren (siehe Punkt 2.1). Sie integriert wichtige Aspekte aus verschiedenen Theorien reifer Persönlichkeit (u.a. Erikson, Jung, Maslow und Rogers) zu sechs Dimensionen psychologischen Wohlbefindens: Selbst-Akzeptanz, positive Beziehungen mit anderen, Bewältigung der Umwelt, Sinn im Leben, Autonomie und persönliches Wachstum. Auch wenn sich die Theorie dem Konzept des Eudaimonia verpflichtet fühlt, scheinen die Dimensionen eine Mischung zwischen Wachstums- und Adaptivitätsaspekten zu beinhalten. So sind Selbst-Akzeptanz und Bewältigung der Umwelt essentielle Aspekte von Funktionalität, während persönliches Wachstum dem Konzept der Persönlichkeitsreife nahe zu stehen scheint. Auch empirisch scheint sich diese Unterscheidung zu zeigen: So korrelierte in mehreren Studien die Skala persönliches Wachstum deutlich geringer mit den adaptiven Variablen Lebenszufriedenheit und Glücklichsein (r <,2) als die Skalen Selbst-Akzeptanz und Umweltbewältigung (r >,3) (Ryff, 1989b; Ryff & Keyes, 1995). Die Skalen Autonomie, Sinn im Leben und positive Beziehungen scheinen 73

74 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife sowohl Adaptivitäts-, als auch Wachstumsaspekte zu enthalten und zeigten in den eben erwähnten Studien unterschiedliche Zusammenhänge mit Adaptivitätskonzepten Die Skalen zur Selbsteinschätzung von Monika Ardelt und von Jeffrey Webster Ardelts (1997; 2000; 2003) Konzept von Weisheit basiert auf den Untersuchungen zu impliziten Weisheitstheorien von Clayton und Birren (1980), Holliday und Chandler (1986) und Sternberg (1990). Sie definiert Weisheit durch drei Komponenten, einer kognitiven, einer reflexiven und einer affektiven, die jeweils verschiedene Personeneigenschaften (z.b. Ambiguitätstoleranz, Perspektivenübernahme, Akzeptanz anderer) enthalten. Mit der drei-dimensionalen Weisheitsskala legt Ardelt (2003) ein Instrument vor, mit dem diese drei Komponenten durch Selbsteinschätzung erhoben werden können. Die Skala enthält Aussagen, die TeilnehmerInnen auf einer 5-stufigen Likert-Skala im Hinblick darauf einstufen sollen, inwieweit sie auf sie zutreffen. Die Skala zur Selbsteinschätzung zeigte gute konvergente Validität durch Korrelation mit Fremdeinschätzungen und Weisheitsnominierungen sowie diskriminante Validität durch geringe Korrelation mit dem Ehe- und Arbeitsstatus und sozialer Erwünschtheit. In einem aktuellen Versuch, Weisheit über Selbsteinschätzung messbar zu machen, entwirft Webster (2003) fünf Dimensionen von Weisheit, in deren Beschreibung deutlich wird, dass sie sich weitgehend auf den Umgang mit dem eigenen Leben beziehen. Die Dimensionen sind Erfahrung, Emotionsregulation, Reminiszenz und Reflexivität, Offenheit und Humor. Mit der Dimension Erfahrung, die das Erlebt-Haben von schwierigen Lebenssituationen und ereignissen meint, sowie der Dimension Reminiszenz und Reflexivität, die sich auf das Durchführen von Lebensrückblick bezieht, führt er allerdings Aspekte an, die man auch mit gutem Grund eher den Antezedenzien von Weisheit zuordnen könnte. Das von Webster nach diesen Dimensionen entwickelte Instrument zeigte in einer ersten explorativen Analyse gute Konstruktvalidität, indem es mit allerdings selbsteingeschätzter - Generativität und Ego-Integrität korrelierte. 3.4 Die reife Persönlichkeit als Kondensat aus den Reifekonzeptionen In den vorangegangenen Abschnitten wurden nicht-psychologische Konzeptionen eines guten Lebens sowie psychologische Reifetheorien dargestellt, wobei letztere im Hinblick auf ein vorher festgelegtes Suchschema analysiert wurden. Dieses Schema ordnete die einzelnen, in den Theorien gefundenen Aspekte reifer Persönlichkeit den Selbstbereichen Kognition, Emotion, Motivation und Volition sowie den Bereichen andere und Welt zu. Diese einzelnen Aspekte reifer Persönlichkeit wurden im Verlauf der Analyse in einer Tabelle gesammelt, die nun einen Überblick über die in den Theorien gefundenen Aspekte gibt, geordnet nach den Kategorien des Suchschemas (Tabelle 5). Zusätzlich wurden die Aspekte, die sich gemeinsam jeweils aus den philosophischen, bürgerlichen und den östlich-religiösen Kon- 74

75 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife zeptionen von Reife ziehen ließen, mit in die Tabelle eingeordnet. Aufgrund von Platzbeschränkungen in der Tabelle sind nicht immer die ursprünglich von den Autoren der Theorien (vor allem im Bereich der Philosophie) verwendeten Begriffe wiedergegeben, sondern sinngemäße Interpretationen. Wie dem Leser aufgefallen sein wird, gibt es sowohl bei den nicht-psychologischen, als auch bei den psychologischen Konzeptionen reifer Persönlichkeit und auch zwischen diesen Disziplinen starke Überlappungen. Das Resultat eines Kondensates dieser überlappenden Aspekte ist die Beschreibung einer reifen Persönlichkeit im Sinne eines Kriteriums intersubjektiver Wahrheit (vgl. Skirbekk, 1977), die als Grundlage für die Entwicklung der Kriterien selbstbezogener Weisheit dient. Im Folgenden werden diese Charakteristika einer reifen Persönlichkeit dargestellt, wobei wieder nach den Kategorien des bereits für die Analyse der psychologischen Theorien verwendeten Strukturierungsschemas vorgegangen wird. In vielen Theorien wird als eine kognitive Eigenschaft reifer Persönlichkeit eine starke Realitätsorientierung genannt. Damit ist die realistische Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeitsaspekte und Individualität, der Rollen, die man einnimmt, sowie des Verhaltens und der äußeren Umwelt gemeint. Dazu gehört es auch, sich selbst kritisch zu betrachten. Ein anderer Aspekt ist es, Grenzen zu erkennen und zu akzeptieren, wie den eigenen Tod und Grenzen der eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten. Dies geht mit der Fähigkeit einher, Ungewissheiten und Widersprüche im eigenen Leben zu ertragen, wie die Tatsache, dass die eigene Person sich verändert und die Zukunft ungewiss ist. Die Art und Weise der reifen Person zu denken, ist gekennzeichnet durch kognitive Komplexität und dialektisches Denken. Die Person bezieht Kontexte mit in ihre Überlegungen ein und bedenkt verschiedene Standpunkte und Seiten eines Problems. Sie kann sich auf eine Sache fokussieren, ist flexibel, wertet nicht und ist offen für Erfahrungen. Die reife Person ist optimistisch und besitzt internale Kontrollüberzeugung. Im emotionalen Bereich besitzt die reife Person Kompetenzen zur Emotionsregulation, d.h. sie kann ihre Emotionen sowohl modifizieren und kontrollieren, als auch der Situation angemessen ausdrücken. Sie nimmt ihre Emotionen authentisch und in ihrer gesamten Komplexität, Widersprüchlichkeit und Konflikthaftigkeit wahr, sie projiziert oder unterdrückt sie nicht. Das Vorherrschen einer positiven und zufriedenen Grundstimmung gehört ebenfalls zur Konzeption idealer Persönlichkeit. Eine reife Person akzeptiert sich selbst, besitzt Selbstvertrauen und emotionale Stabilität. Im motivationalen Bereich zeichnet sich die reife Person durch ein Streben nach Selbstverwirklichung, d.h. nach Entfaltung der eigenen Anlagen aus. Sie verhält sich dabei aber nicht egoistisch, sondern nimmt Rücksicht auf andere und unterstützt sie sogar: Als spezielles Motiv wird häufig Generativität genannt, das Bedürfnis, anderen Generationen Wissen weiter zu geben und Hilfestellung zu bieten. Sie hat ein selbst evaluiertes Wertesystem, das unter Umständen auch den in der Gesellschaft vorherrschenden Werten widersprechen kann. Die reife Person sieht einen Sinn im eigenen Leben (sei es durch Spiritualität, Glaube oder anderes) und verfolgt ihre eigenen langfristigen Ziele. Sie besitzt breite 75

76 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Interessen, auch für Themen, die nichts mit ihr selbst zu tun haben, und engagiert sich in produktiver Weise in ihrem Tätigkeitsbereich. Auf der volitionalen Ebene kennt die reife Person Strategien, um das eigene Leben gut zu führen. Das bedeutet, dass sie weiß, wie sie an Probleme herangeht, wie sie ihre Ziele verfolgen kann, auch wenn Barrieren auftreten. Sie weiß, wie sie Misserfolge bewältigt, wie sie aus Fehlern lernt und Entscheidungen trifft. Spezielle Strategien sind zum Beispiel Humor als Umgang mit vielen schwierigen Situationen sowie sorgfältig, gewissenhaft und überlegt zu handeln, aber auch kreative, unkonventionelle und flexible Lösungen zu entwickeln und zu experimentieren. Um sich selbst besser kennen zu lernen, sind Verhaltensreflexion und Lebensrückblick hilfreich. Vor Entscheidungen holt die reife Person möglichst viele Informationen ein, verlässt sich auch auf ihre Intuition, holt Ratschläge oder soziale Unterstützung ein. Der Zielverfolgung dient es, Zielhierarchien aufzustellen und die eigene Zukunft detailliert zu planen. Eine übergreifende Verhaltensweise der reifen Person ist das maßvolle Handeln, das Vermeiden von Extremen bzw. das dialektische Balancieren zwischen zwei gegensätzlichen Aspekten, wie z.b. sich widersprechende Bewertungen oder Emotionen. In Bezug auf andere ist die reife Person fähig zu tiefen Beziehungen, zu Intimität, Treue und Liebe. Sie kann aber auch gut alleine sein und das Bedürfnis anderer nach Autonomie respektieren. Ebenso erwartet sie nicht zu viel von anderen (sie ist bescheiden), kann jedoch, wenn nötig, auch Grenzen ziehen. In interpersonellen Beziehungen ist sie ehrlich und handelt gerecht. Sie nimmt Rücksicht auf andere, wobei sie dies aber mit ihren eigenen Interessen in Balance hält. Darüber hinaus sorgt sie sich um das Wohlergehen anderer und setzt sich dafür ein. Sie toleriert Wertvorstellungen, Lebensweisen, Fehler und Emotionen anderer. Im Umgang mit anderen (auch in oberflächlichen Beziehungen) zeigt sich die reife Person als sozial kompetent: Sie ist empathisch, verlässlich, freundlich, aufmerksam und kann interpersonelle Konflikte gut lösen. In Gruppensituationen kann sie Konformitätsdruck widerstehen. Außerdem fühlt sich die Person mit der Welt und allen Menschen verbunden. Sie strebt danach, die Welt zum Guten zu verändern und setzt sich für das Gemeinwohl ein. Dies kann sich zum Beispiel in der Ausübung gemeinnütziger Tätigkeiten ausdrücken. 76

77 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Tabelle 5: Charakteristika reifer Persönlichkeit in verschiedenen Theorien Theorie Kognition Emotion Motivation Volition Andere Welt Philosophische Konzeptionen Erkenntnis der Wahrheit Erkennen von Prinzipien Keine Angst vor dem Tod Bewusste Wahrnehmung der eigenen Person und der Umwelt Selbsterkenntnis Bewusstsein der Ungewissheit Ertragen negativer Situationen Situationsangemessener Ausdruck von Emotionen Kontrolle von Emotionen Ausgeglichenheit Selbstbejahung Vertrauen auf sich Streben nach Werten Eigene Wertvorstellungen Engagement für eine Sache, Arbeit Eigene Ziele Sinn im Leben Streben nach Glück Selbstverwirklichung Selbstprüfung Zielverfolgung trotz Barrieren Maß: Balance zwischen den Extremen Rücksichtnahme auf sich selbst Balance von Zielen und emotionalen Bedürfnissen Gerechte Entscheidungen fällen Mut, sich anderen gegenüber zu öffnen Ehrlichkeit Gewissen Fähigkeit zur Kommunikation Beziehungen, Liebe Balance eigenes Wohl das anderer Veränderung der Welt zum Guten Bewusstsei n über Rollen Übernehmen einer Aufgabe in der Gesellschaft Bürgerliche /religiöse Tugenden Streben nach Wahrheit Optimismus Bescheidenheit Richtiges Abschätzen der eigenen Kraft Realistische Wahrnehmung der eigenen Person und der Umwelt Ausgeglichenheit Vertrauen Selbstachtung Impuls- und Emotionsregulation Selbstverwirklichung Sinn im Leben Gute Absicht Rücksichtnahme auf sich selbst Gute Lebensführung Maßvolles Verhalten (Balance) Überlegtes Handeln Gelassener Umgang mit unvorhersehbaren Ereignissen Rücksichtnahme auf andere Gerechtes Handeln Liebe Grenzen ziehen Keine übertriebenen Erwartungen (Bescheidenheit) Aufrichtigkeit gegenüber anderen Handeln für das Wohl der Gemeinschaft Treue Erikson Akzeptanz des Todes Gerechtigkeitsempfinden Bewusstsein über Rollen Internale Kontrollüberzeugung/ keine Selbstüberschätzung Selbstvertrauen Engagement Leistungsmotivation Sich einer Tätigkeit widmen Produktivität Wissensvermittlung Zielstrebigkeit Misserfolgsbewältigung Lebensrückblick Toleranz Autonomie Vertrauen Tiefe Beziehungen Verbundenheitsgefühl Fürsorge Wissen weitergeben Hoffnung Fortsetzung siehe nächste Seite 77

78 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Fortsetzung Tabelle 5: Charakteristika reifer Persönlichkeit in verschiedenen Theorien Theorie Kognition Emotion Motivation Volition Andere Welt Bühler Loevinger Tiefe Beziehungen Erkenntnis emotionaler Abhängigkeit Verständnis für Perspektive und Emotionen anderer Wertschätzung der Individualität anderer Labouvie-Vief Bewusstsein und Akzeptanz von Rollen Erkenntnis der eigenen Begrenzungen und Fähigkeiten und Möglichkeiten Objektive Einschätzung des eigenen Verhaltens Akzeptanz des Todes Differenzierte Selbstkritik Konflikte werden komplex betrachtet, z.b. gesellschaftliche Dimension Fähigkeit, Widersprüche und Ungewissheiten zu ertragen/ Ambiguitätstoleranz Bewusstsein über Rollen Realistische Wahrnehmung Systematisierung des eigenen Lebenslaufs Dialektisches Denken Pragmatisches Denken Kontextuelles Denken Internale Kontrolle Erkennen von Ungewissheit Fortsetzung siehe nächste Seite Erfüllung Liebe Vertrauen Differenzierte Wahrnehmung von Emotionen Authentischer Ausdruck von Emotionen Akzeptanz von Konflikten als menschlich Erkennen von Konflikten Realistische Wahrnehmung von Emotionen Reflexive Kontrolle Authentischer Ausdruck Realisation der eigenen Anlagen Eigene Werte Eigene, langfristige Ziele und Ideale Eigenes Wertesystem Bewertet und wählt Regeln selbst Verantwortungsgefühl Individuelle Standards Selbst-Erfüllung Eigenes Wertesystem Berücksichtigung körperlicher Bedürfnisse Bedürfniskontrolle Experimente Suche nach sozialer Unterstützung Rollenspiele spontanes Handeln Aufstellen von Zielhierarchien Lebensrückblick und -vorausschau Existentieller Humor Umgang mit Konflikten Lernen aus Feedback Rücksichtnahme auf Familie Liebe Vertrauen Toleranz gegenüber Emotionen und Werten Erkennen von interpersonalen Abhängigkeiten Beziehungspflege Gemeinnützige Tätigkeiten Bestreben der Gesellschaft zu nutzen 78

79 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Fortsetzung Tabelle 5: Charakteristika reifer Persönlichkeit in verschiedenen Theorien Theorie Kognition Emotion Motivation Volition Andere Welt Heath Maslow kognitive Flexibilität kontextualistisches reflexives Denken Selbstkonzept: realistisch, integriert, stabil, unabhängig von anderen Kann sich aus anderer Perspektive sehen und andere Standpunkte sehen Offenheit für Änderungen Erkennen von Stärken/ Schwächen Wissen um Rollen objektives Urteil Korrekte Wahrnehmung von Selbst, anderen Wache Wahrnehmung Wissen um Begrenzungen von Wissen Denkt nicht in Dichotomien Offenheit für Erfahrungen positive Selbstschätzung Keine Angst vor dem Unbekannten Selbstakzeptanz, nicht unkritisch Akzeptanz körperlicher Prozesse Emotionsregulation Meditative Erfahrungen Hat eigene, stabile Werte Sinn im Leben Strebt nach Wachstum Hat Lebensziele Wachstum Aufgabenorie ntiert Individuelles Wertesystem Engagement Zielverfolgung Unabhängiges Handeln Kognitive Strategien, Automatisierung Spontaneität Nicht konventionell Zielverfolgung Individuelle Problemlösung Lernen von anderen Humor Wissen über Prozesse in Beziehungen Setzt sich für andere ein Toleranz für andere Werte Hat stabile Beziehungen Empathie Kann tiefe Beziehungen entwickeln Kann gut allein sein Loyalität gegenüber Organisationen Tiefe Beziehungen Umgang mit oberflächlichen Beziehungen Kann gut allein sein Interesse für Gemeinwohl Bedenkt Auswirkungen von Handlung Verbundenheit mit anderen Toleranz Skepsis gegenüber Werten der Gesellschaft Allport Realistische Wahrnehmung von Selbst und Welt Kognitive Kompetenz Internale Kontrolle Bewusstsein von Ungewissheit Emotionsregulation und authentischer Ausdruck Grundvertrauen Interessen außerhalb selbst Engagement Aufgabenzentriertheit Langfristige Ziele Eigenes Wertesystem Umgang mit Misserfolg Zielverfolgung Humor kann sich fokussieren Tiefe Beziehungen Liebe Toleranz gegenüber Lebensweisen und Werten Respektiert Autonomie Sinn des Lebens Fortsetzung siehe nächste Seite 79

80 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Fortsetzung Tabelle 5: Charakteristika reifer Persönlichkeit in verschiedenen Theorien Theorie Kognition Emotion Motivation Volition Andere Welt Psychoanalyse incl. Kohut, Winnicott, Haan, Vaillant Fromm Jung Rogers Konzentrationsfähigkeit Ambiguitätstoleranz Unabhängiges Urteil Kenntnis der eigenen Persönlichkeit Realistische Wahrnehmung Anerkennung der eigenen Grenzen Suche nach Gründen Kenntnis der eigenen Persönlichkeit Kritisches, unabhängiges Denken Realistische Wahrnehmung Ambiguitätstoleranz Akzeptanz des Todes Wahrnehmung unterschiedlicher Aspekte der Persönlichkeit/ Rollen Realistische Wahrnehmung Erkennen und Akzeptanz von Grenzen der eigenen Person Ambiguitätstoleranz Realistische Wahrnehmung Ambiguitätstoleranz Bewusstsein von Entwicklung Internale Kontrollüberzeugung Offenheit für Erfahrungen Gute Entscheidungen Glück Fortsetzung siehe nächste Seite Emotionswahrnehmung & - ausdruck Emotionsregulation Impulskontrolle Belohnungsaufschub Produktivität Sinnerleben Selbstverwirklichung Eigenes Wertesystem Produktivität Sinnerleben Interesse für eine Aufgabe Lebensrückblick Zukunftsplanung Kreativität Humor Flexible Koordination von Verhalten Logische Analyse Introspektion Treffen von situations- und personenangemessenen Entscheidungen Zielverfolgung Belohnungsaufschub Empathie Altruismus Akzeptanz von anderen Produktive, selbstverwirklichende Arbeit Eigene Entscheidungen Liebe Balancierter Altruismus Eigener Wertmaßstab Unabhängigkeit von Meinung Toleranz Kompetenz, Gruppendruck zu widerstehen Realistische Wahrnehmung von Emotionen Kontrolle u. Ausdruck von Emotionen Integration Verbundenheitsgefühl Bewusste Wahrnehmung von Natur und Gesellschaft 80

81 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife Fortsetzung Tabelle 5: Charakteristika reifer Persönlichkeit in verschiedenen Theorien Theorie Kognition Emotion Motivation Volition Andere Welt Ellis Implizite Weisheitstheorien Logisches Denken Gutes Urteil Bildung Introspektion Aufmerksamkeit Nicht wertend Offenheit Flexibilität Kontextualismus Realistische Wahrnehmung Berücksichtigung verschiedener Seiten Fairness Scharfer Verstand Gebildet Konzentration auf eine Aufgabe Realistische Wahrnehmung Akzeptanz des Todes Selbstvertrauen Emotionsregulation Eher ruhig, wenig emotional Sensibilität Entspanntheit Ausgeglichenheit Zufriedenheit Vergnügen an einer Tätigkeit als solcher Hat langfristige, schwierige Aufgabe Wählt mittleren Weg Selbstverwirklichung Wertesystem Sinn im Leben Realisation der eigenen Anlagen Breite Interessen Ziele hinterfragen Experimente Selbstdisziplin Zielerreichung (Arbeitspläne, Zwischenziele, Belohnungen) Lernt aus Fehlern Keine Prokrastination Liebt selbst, statt nach geliebt werden zu streben Toleranz Autonomie Ratschläge einholen Überlegtes Handeln Informationssuche Verlassen auf Intuition Lernen aus Fehlern Humor Pragmatisches Problemlösen Problemlösefähigkeit Verständnisvoll Empathisches zuhören Freundlichkeit Friedlichkeit Geselligkeit Diskret Nicht selbstsüchtig Verlässlichkeit Vertrauenswürdigkeit Ehrlichkeit Freundlichkeit Liebevoll Zärtlich 81

82 Kapitel 3: Konzeptionen von Persönlichkeitsreife 82

83 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit 4. Kapitel Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit Ziel dieser Arbeit ist es, eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit zu entwickeln. In diesem Kapitel soll in einem ersten Abschnitt der Weg dieser Konzeptualisierung beschrieben werden. Im zweiten Teil werden die aus der Konzeptualisierung entstandenen Kriterien selbstbezogener Weisheit dargestellt. Anschließend sollen die Kriterien selbstbezogener Weisheit denen allgemeiner Weisheit gegenüber gestellt werden, um einen Vergleich der beiden Konstrukte zu ermöglichen, und es sollen Vermutungen über differenzielle Ausprägungen der beiden Weisheitskonstrukte angestellt werden. Schließlich soll in einem letzten Abschnitt die für die empirische Messung wichtige Entwicklung einer Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit beschrieben werden. 4.1 Vorgehen bei der Entwicklung der Konzeptionalisierung In diesem Abschnitt soll das Vorgehen bei der Entwicklung der Konzeptionalisierung selbstbezogener Weisheit dargestellt werden. In einem ersten Schritt wurde das Berliner Weisheitsparadigmas als Rahmenmodell ausgewählt dies soll hier begründet werden. Anschließend wurden Theorien reifer Persönlichkeit mit einem Analyseschema auf überlappende Aspekte hin untersucht. In einem dritten Schritt wurden diese Aspekte reifer Persönlichkeit mit den Kriterien des Berliner Weisheitsparadigmas zusammengeführt Wahl des Rahmenmodells der generellen Weisheit Als Rahmen für die Entwicklung einer Konzeption selbstbezogener Weisheit diente das Berliner Weisheitsparadigma (z.b. Baltes, Smith & Staudinger, 1992; Staudinger, Smith & Baltes, 1994). Andere Weisheitstheorien wie zum Beispiel die Theorien postformalen Denkens in der Post-Piagetschen Tradition (für einen Überblick vgl. Blanchard-Fields, 2001; Sinnott & Cavanaugh, 1991) kamen teilweise aufgrund ihrer starken kognitiven Orientierung bzw. einer geringen Betonung von Emotion, Motivation und Volition nicht in Betracht, da dies die Integration von Aspekten reifer Persönlichkeit erschwert hätte. Darüber hinaus konzentrieren sich diese Theorien auch meist nur auf einen Aspekt und untersuchen Weisheit, beispielsweise als reflektives Urteil (King & Kitchener, 1994), als relativistisches Denken (Sinnott, 1996) oder als dialektisches Denken (Kramer & Kahlbaugh, 1994). Daher bietet die Struktur dieser Theorien wenig Platz, um die heterogenen Aspekte und verschiedenen Dimensionen reifer Persönlichkeit einzugliedern. 83

84 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit Das Berliner Weisheitsparadigma hingegen integriert die Aspekte Kognition, Emotion, Motivation und Volition, wenn auch vorwiegend als Wissen über diese Aspekte. Zudem stellt es durch seine Fünf- Kriterien-Struktur eine Mehrdimensionalität bereit, die die Integration der sehr unterschiedlichen Aspekte der reifen Persönlichkeit ermöglicht. Darüber hinaus ist das Berliner Weisheitsparadigma empirisch gut erforscht, so dass die dort verwendete Erhebungsmethode eine gute Grundlage für die Entwicklung einer Erhebungsmethode selbstbezogener Weisheit darstellt Analyse von Theorien reifer Persönlichkeit Die inhaltliche Basis für das Konzept selbstbezogener Weisheit bildeten die Charakteristika reifer Persönlichkeit aus den psychologische Theorien von Persönlichkeitsreife sowie die philosophischen Vorstellungen eines guten Lebens und die religiösen bzw. bürgerlichen Tugenden, wie sie in Kapitel 3 dargestellt und in Tabelle 5 zusammengefasst sind. Als Suchhilfe wurde ein Schema verwendet, das die Eigenschaften reifer Persönlichkeit nach den Kategorien Kognition, Emotion, Motivation und Volition einordnet Synthese von Weisheit und reifer Persönlichkeit Nachdem die Inhalte durch das Berliner Weisheitsparadigma und die Theorien reifer Persönlichkeit umgrenzt waren, musste ein Strukturierungsgerüst für den Aufbau der selbstbezogenen Weisheit gewählt werden, in das die Inhalte eingefügt werden konnten. Dafür wurde die Kriterienstruktur des Berliner Weisheitsparadigmas herangezogen 13. Die Kriterien der allgemeinen Weisheit wurden so umformuliert, dass sie sich nicht mehr auf Wissen über das Leben im Allgemeinen, sondern über das eigene Leben bezogen. Im Folgenden wurden die Aspekte reifer Persönlichkeit den einzelnen Kriterien zugeordnet, wobei die Definition der Kriterien in diesem Prozess angepasst wurde, um den Wachstumsaspekten aus den Theorien gerecht zu werden. Einige der Kriterien übernehmen nur die Struktur und das übergreifende Thema der Weisheitskriterien, setzen sich jedoch in den einzelnen Aspekten vorwiegend 12 Eine ebenfalls geeignete Weisheitstheorie wäre die Balance Theorie der Weisheit gewesen (Sternberg, 1998) Diese überschneidet sich jedoch in wichtigen Punkten mit dem Berliner Weisheitsparadigma. So enthält Sternbergs Theorie den Aspekt des prozeduralen Wissens, der auch im Berliner Weisheitsparadigma zentral ist. Weiter betont er die Wichtigkeit universeller Werte und den Respekt für Andere, ein Aspekt der dem Werte-Relativismus des Berliner Weisheitsparadigmas nahe kommt. Das Kriterium des Kontextualismus des Berliner Weisheitsparadigmas findet sich in Sternbergs Verweis auf die Wichtigkeit des Kontextes für die Lösung eines Weisheitsproblems. Schließlich ist auch die Messung von Weisheit durch die Präsentation von Lebensdilemmata an die des Berliner Weisheitsparadigmas angelehnt (siehe Sternberg, 2001). 13 Eine andere Möglichkeit wäre gewesen, zwar die Inhalte des Berliner Weisheitsparadigmas zu verwenden, sich aber für die Struktur und den Aufbau des Konzepts der selbstbezogenen Weisheit an den Kategorien des Suchschemas zu orientieren, und vier Bereiche der selbstbezogenen Weisheit, Kognition, Emotion, Motivation und Volition zu entwickeln. Der Vorteil der Orientierung an den Kriterien der allgemeinen Weisheit ist die bessere empirische Vergleichbarkeit mit dem Paradigma der allgemeinen Weisheit. 84

85 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit aus den Theorien des Persönlichkeitswachstums zusammen (vor allem die Basiskriterien), andere enthalten auch inhaltliche Aspekte der allgemeinen Weisheitskriterien, die auf das eigene Leben bezogen wurden. Ein Unterschied in der Konzeption der selbstbezogenen Weisheit zu den Theorien der Persönlichkeitsreife besteht darin, dass die letzteren sich oft auf das tatsächliche Verhalten oder Erleben der Person beziehen, während es bei der selbstbezogenen Weisheit um Einsichten und Urteile über die eigene Person geht. Dies bedeutet, dass nicht der Anspruch besteht, tatsächliches Verhalten zu erfassen, sondern eher, was die Person über bestimmte eigene Verhaltensweisen, Emotionen usw. weiß, und die Art und Weise, wie sie mit diesem Wissen umgeht. Dies entspricht der Unterteilung des Bereichs der Lebenspragmatik in Wissen und Verhalten (siehe Staudinger, 2000, und Punkt 2.3). Dieses Wissen umfasst eine bestimmte Breite aber auch den Modus, wie mit diesem Wissen umgegangen wird, d.h. die Repräsentation des Wissens, die Tiefe und Komplexität der Verarbeitung. In anderen Teilen der Definition der Kriterien wird allerdings der Inhalt des selbstbezogenen Wissens relevant: Es kommt zum Teil auch darauf an, was gewusst wird. Dieses Was orientiert sich an den Theorien reifer Persönlichkeit. Die reife Person sollte über bestimmte charakteristische Verhaltensweisen, Heuristiken, Werte und Empfindungen Einsichten besitzen. In Anlehnung an die anfangs vorgestellte Reifedefinition (Punkt 2.1) soll selbstbezogene Weisheit als ein Teilaspekt von Persönlichkeitsreife definiert werden, der sich auf Einsichten, nicht aber auf reifes Verhalten bezieht (siehe Abbildung 2). Selbstbezogene Weisheit soll demnach definiert werden als multidimensionaler Zustand der Einsichten in das eigene Leben und die eigene Persönlichkeit, die sich an dem Ziel der Realisierung der eigenen Potentiale und der Balance zwischen den eigenen Interessen und denen anderer orientieren. Persönlichkeitsreife Wissen/ Einsichten: Selbstbezogene Weisheit Regulative Prozesse/ Verhalten: Reifes Verhalten Abbildung 2: Schematische Darstellung des Verhältnisses von Reife, selbstbezogener Weisheit und Verhalten 85

86 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit 4.2 Die Kriterien selbstbezogener Weisheit Im Folgenden werden die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit vorgestellt. In Analogie zu den Kriterien des Berliner Weisheitsparadigma gibt es bei der selbstbezogenen Weisheit fünf Kriterien, von denen zwei Kriterien, Selbstwissen und Wachstums- und Bewältigungswissen, so genannte Basiskriterien darstellen. Im Berliner Weisheitsparadigma wird angenommen, dass sich die Basiskriterien ontogenetisch früher entwickeln und eine Basis für die Entwicklung der Metakriterien darstellen (siehe Staudinger & Baltes, 1996b). In dieser Studie werden zwar keine Annahmen über die ontogenetische Entwicklung von selbstbezogener Weisheit getroffen, es wird jedoch davon ausgegangen, dass die Basiskriterien leichter zu erreichen sind. Die drei Metakriterien, Zusammenhangswissen, Selbstrelativierung und Ambiguitätstoleranz erfordern komplexere Urteilsprozesse und sind schwieriger zu realisieren. Die Basiskriterien umfassen stärker Wissensbestände, die die Person über sich besitzt, dazu gehört deklaratives Wissen und prozedurales Wissen. Die Metakriterien beinhalten dagegen stärker Prozessaspekte. Hier geht es eher darum, wie eine Person mit dem Wissen über sich umgeht, wie komplex sie sich selbst repräsentiert und dadurch auch beschreiben kann. Diese Unterscheidung ist teilweise vergleichbar mit der Differenzierung von Selbst als Produkt oder als Prozess (Filipp & Klauer, 1986; siehe auch James, 1948). Zunächst wird jeweils ein kurzer Überblick über das Kriterium gegeben, anschließend wird aufgezeigt, auf welche der übereinstimmend in mehreren Reifetheorien gefundenen Eigenschaften oder Kriterien aus dem Berliner Weisheitsparadigma sich die einzelnen Aspekte der Kriterien gründen. Es werden allerdings aus Platzgründen nicht immer alle Theoretiker genannt, in deren Theorie die entsprechende Eigenschaft enthalten ist, manchmal wird auch nur auf die entsprechende Rubrik in der Tabelle 5 verwiesen, in der die vollständige Information enthalten ist. Auch werden hier nur die Namen der Theoretiker oder Theoriegruppen, nicht aber spezielle Publikationen aufgezählt. Die genannten Personencharakteristika sind Bestandteile der oft mehrere Werke, oft ein ganzes Lebenswerk umspannenden Reifetheorien, bei Interesse wird auf die in Kapitel 3 genannten Publikationen verwiesen. Die einzelnen Aspekte der Kriterien sind zur besseren Unterscheidung kursiv gedruckt. Die Beschreibung der Kriterien bezieht sich auf Einsichten, wie sie in Selbstbeschreibungen einer Person erkennbar sein können, um der empirischen Erfassbarkeit des Konstruktes Rechnung zu tragen Selbstwissen Das erste Kriterium, Selbstwissen, geht auf das Kriterium Faktenwissen des Berliner Weisheitsparadigmas zurück. Eine Person, die hohes Selbstwissen aufweist, besitzt Kenntnisse über sich selbst in bestimmten, selbstrelevanten Wissensbereichen. Eine gewisse Tiefe dieser Einsichten zeigt sich darin, 86

87 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit dass die Person die Situationsgebundenheit ihrer Charakteristika in den jeweiligen Wissensbereichen erkennt. Diese Wissensbereiche sind einerseits inhaltsfreie Bereiche, wie Eigenschaften, die eigenen Ziele, Kompetenzen, Emotionen und die eigene Autobiographie es kommt hier nicht darauf an, welche Eigenschaften oder welche Ziele genannt werden. In anderen Bereichen geht es um Wissen, in denen eine bestimmte Richtung des Verhaltens vorliegen sollte. Dazu gehört die Sorge um andere, das Vorhandensein eines Lebenssinns und Interesse für Themen, die nicht direkt die eigene Person betreffen, ebenso der Besitz einer internalen Kontrollüberzeugung und das Wissen um die Wichtigkeit von Beziehungen. Für das Selbstwissen spielen zunächst einige Bereiche eine Rolle, in denen eine Person Wissen über sich selbst besitzen sollte, wobei aber nicht vorgegeben wird, was der Inhalt dieser Selbstbeschreibungen ist. Der erste Aspekt des Selbstwissens, die Kenntnis der eigenen Eigenschaften und Verhaltensweisen ist an das Konzept der realistischen Wahrnehmung der eigenen Person angelehnt ist, das in fast allen Reifetheorien eine Rolle spielt (z.b. Allport, Fromm, Heath, implizite Weisheitstheorien, Jung, kognitive Theorien, Konzeptionen persönlicher Weisheit, Loevinger, Maslow, Rogers, philosophische Konzeptionen, psychoanalytische Reifekonzepte, bürgerliche Tugenden). Weiterhin kennt eine Person mit hohem Selbstwissen die verschiedenen Bereiche, die die eigene Person ausmachen, die Rollen, die man in verschiedenen Lebensbereichen einnimmt, die so genannten Selbstbereiche. Dieser Aspekt findet sich beispielsweise bei Jung und Bühler. Ein zweiter Aspekt ist, dass eine Person mit hohem Selbstwissen ihre Ziele kennt (siehe Allport, Loevinger, philosophische Konzeptionen). Das bedeutet, dass sie eine klare Vorstellung davon beschreibt, welche Bereiche für sie selbst im Leben wichtig sind, und dass sie Wünsche und konkrete Vorstellungen davon hat, wohin sich ihr Leben entwickeln soll. Ein Beispiel für ein Ziel der reifen Person, das in vielen Reifetheorien genannt wird (Tabelle 5), ist das Streben nach Selbstverwirklichung. Ein weiterer Bereich des Selbstwissens ist das Wissen über die eigenen Kompetenzen und Fähigkeiten. Dieser Bereich basiert einerseits wieder auf der Fähigkeit zur realistischen Wahrnehmung (siehe oben), andererseits auf dem bei Bühler genannten Aspekt der Erkenntnis der Begrenzung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten sowie die aus bürgerlichen Tugenden ableitbare Fähigkeit zur richtigen Abschätzung der eigenen Kraft (siehe Tabelle 5). In den Selbstbeschreibungen wird deutlich, dass die Person weiß, in welchem Bereich sie gut ist und sich klar darüber ist, dass sie fähig ist, eine Aufgabe gut zu erfüllen weiß aber andererseits auch um ihre Schwächen. Selbstwissen zeigt sich weiter dadurch, dass die Person in Kontakt mit den eigenen Emotionen ist. Die Person gibt in ihren Selbstbeschreibungen ein reiches Emotionsspektrum wieder. Darunter befinden sich sowohl positive, als auch negative Emotionen, die in einer sehr komplexen Art und Weise beschrieben werden. Dies ist ein Charakteristikum, das in den Theorien von Loevinger und Labouvie- Vief eine zentrale Rolle spielt. Weiterhin ist für das Selbstwissen autobiographisches Wissen, das Wis- 87

88 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit sen einer Person über verschiedene Punkte aus der eigenen Biographie, zentral. In den Selbstbeschreibungen zeigt sich die Kompetenz, die eigene Biographie als chronologische Abfolge oder auf andere Art und Weise zu systematisieren. Dieser Aspekt ergibt sich indirekt aus der u.a. bei Bühler, Erikson und psychoanalytischen Theorien erwähnten Kompetenz zum Lebensrückblick. Einige weitere Aspekte des Selbstwissens sind inhaltlich stärker gebunden, d.h. es kommt auch darauf an, was die Person in den Selbstbeschreibungen über sich aussagt. So sollte aus den Selbstbeschreibungen erkennbar sein, dass die Person sich um andere sorgt und sich für deren Wohlergehen einsetzen möchte. Darunter fallen Freunde, Bekannte, Fremde, aber auch die übrige Gesellschaft. Dass die reife Person gemeinnützige Tätigkeiten ausübt, wird wiederholt in Wachstumstheorien erwähnt (siehe Rubriken Andere und Welt). Zum Selbstwissen gehört auch, dass in den Selbstbeschreibungen erkennbar wird, dass die Person einen Sinn im Leben sieht und eine eigene Theorie darüber hat. In diesem Sinnsystem werden sowohl positive als auch negative Ereignisse als bedeutsam wahrgenommen, d.h. auch Negativem wird ein Sinn abgewonnen. Der Sinnaspekt spielt in den Theorien von Heath, Kohut, Jung, in impliziten und persönlichen Weisheitstheorien sowie in bürgerlichen und christlichen Tugenden eine Rolle. Hohes Selbstwissen zeigt sich weiterhin durch die Erwähnung von ausgeprägten Interessen. Eine Person mit hohem Selbstwissen betrachtet Lernen bzw. sich etwas Neues anzueignen als wichtigen Aspekt ihres Selbstkonzeptes. Dieser Aspekt der Interessen für Dinge außerhalb der eigenen Person findet sich in zahlreichen Reifetheorien (u.a. Allport, Maslow, Jung, implizite Theorien). In den Selbstbeschreibungen zeigt sich weiterhin, dass die Person eine internale Kontrollüberzeugung besitzt. Sie übernimmt die Verantwortung für sich, für Positives aber auch für Fehler, die sie macht. Sie glaubt, dass sie im Allgemeinen Kontrolle in vielen Bereichen ihres Lebens ausübt, erkennt aber auch, dass manche Bereiche oder Situationen nicht, zumindest zeitweise nicht, von ihr kontrollierbar sind. Ähnliche Aspekte finden sich z.b. bei Erikson und Rogers. Schließlich erkennt die selbstwissende Person die Wichtigkeit von tiefen Beziehungen. In den Selbstbeschreibungen wird deutlich, dass die Person fähig ist zu Intimität und Liebe dies ist ein wichtiger Bestandteil nahezu aller Wachstumstheorien, der philosophischen Konzeption und der bürgerlichen Tugenden (siehe Rubrik Andere). Zum Selbstwissen gehört es daher, dass die Person weiß, dass tiefe, ausgewählte Beziehungen ein wichtiger Teil des Selbst sind. Zu diesem Wissen gehört, dass in diesen Beziehungen ein intensiver Austausch stattfinden und große Offenheit herrschen sollte Wachstums- und Bewältigungswissen Das zweite Kriterium der selbstbezogenen Weisheit basiert auf dem Kriterium prozedurales Wissen der allgemeinen Weisheit und beinhaltet breites und tiefes Wissen über Strategien, um eigene Probleme zu bewältigen, aber auch um das Leben zu gestalten, Ziele zu erreichen und die eigene Persönlich- 88

89 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit keit weiter zu entwickeln. Wichtig sind hier einerseits generelle Bereiche, in denen Strategien zur Anwendung kommen, wie beispielsweise Lebensaufgaben oder andere, normativ wichtige Situationen. Hier wird nur teilweise spezifiziert, wie solche Strategien aussehen könnten. Andererseits gibt es konkrete Strategien, die kennzeichnend für hohes Wachstums- und Bewältigungswissen sind und die bereichsübergreifend angewendet werden können. Breites Wissen bedeutet, dass viele der unten spezifizierten Strategien genannt werden. Tiefe des Wissens zeigt sich darin, dass eine Person mit hohem Wachstums- und Bewältigungswissen die von ihr eingesetzten Strategien als solche erkennt, und dass sie angeben kann, in welchen Situationen sie sie einsetzt. Zunächst gibt es einige Bereiche des Selbst, für die eine Person mit hohem Wachstums- und Bewältigungswissen Strategien kennen sollte, wobei nicht festgelegt wird, welche Strategien dies genau sind dies bleibt der Person überlassen. So sollte in den Selbstbeschreibungen deutlich werden, dass die Person Strategien kennt, um intensive positive Beziehungen zu entwickeln Beziehungspflege und verschiedene soziale Kompetenzen, die sich förderlich auf Beziehungen auswirken: Aufrichtigkeit, Treue, Freundlichkeit, Empathie, werden in zahlreichen Reifetheorien genannt (siehe Rubrik Andere, Tabelle 5). Dazu gehört es, mit dem Bedürfnis der anderen nach Autonomie umgehen zu können (Allport, Heath, Loevinger), den anderen Spielraum zu lassen und nicht gleich beleidigt zu reagieren. Damit hängt die Frustrationstoleranz gegenüber Verhaltensweisen anderer zusammen und die Kompetenz, zwischenmenschliche Probleme gut und auf kooperative Weise lösen zu können (Heath). Ein weiterer Bereich des Wachstums- und Bewältigungswissens, in dem Strategien zur Anwendung kommen, ist die Emotionsregulation. In der Selbstbeschreibung ist erkennbar, dass die Person auf ihre eigenen Empfindungen vertraut und diese entsprechend den Erfordernissen der Situation authentisch ausdrücken kann (siehe u.a. Rogers, Loevinger, Jung, Labouvie-Vief, Allport, Maslow). Sie weiß den Ausdruck von Emotionen und Meinungen adäquat an die jeweilige Situation anzupassen und ihre Emotionen entsprechend zu regulieren (siehe Allport, Labouvie-Vief, psychoanalytische Konzeptionen, philosophische Konzeptionen und bürgerliche Tugenden). Die Person zeigt in ihren Selbstbeschreibungen ein Gespür dafür, wann freier Ausdruck und wann Regulation angemessen ist. Weitere Wachstumsstrategien, die zu dem Kriterium Wachstums- und Bewältigungswissen gehören, betreffen den Bereich der Zielerreichung (z.b. Allport, Erikson, Heath, Maslow, psychoanalytische Konzeptionen). In den Selbstbeschreibungen werden Strategien genannt, um eigene Werte und Ziele in die Realität zu übersetzen. Dazu gehört das Wissen, dass es nicht möglich ist, alle denkbaren Ziele zu verfolgen, sondern dass man Prioritäten setzen muss. Eine Strategie ist hier das Aufstellen von Zielhierarchien (siehe Bühler). Es wird erkennbar, dass die Person weiß, dass es fortlaufend nötig ist, Aktivitäten und Ziele zu revidieren, zu überprüfen, ob sie noch aktuell sind, oder ob die Strategien den aktuellen Begebenheiten angepasst werden müssen. Dieser Aspekt ist an Rogers Konzept der fortlaufenden Veränderung der Person angelehnt. In den 89

90 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit Selbstbeschreibungen wird deutlich, dass die Person eine hohe Frustrationstoleranz gegenüber dem Misslingen von Plänen besitzt und weiß, wie sie diese Misserfolge bewältigen kann (siehe Erikson). Es ist erkennbar, dass sie um die Wichtigkeit von Zielstrebigkeit weiß (Erikson) und neue Mittel und Wege zu finden versucht, um dennoch zum Ziel zu gelangen, d.h. eine gewisse Beharrlichkeit und Geduld wird deutlich. Andererseits weiß sie aber auch, wann es sinnvoller ist, ein Ziel aufzugeben und hält nicht krampfhaft und starrköpfig an Unerreichbarem fest. Ein letzter Bereich, in dem eine Person mit hohem Wachstums- und Bewältigungswissen Strategien beherrscht, ist das Treffen von Entscheidungen. Viele Theorien der Persönlichkeitsreife erwähnen diesen Aspekt (z. B. bürgerliche Tugenden, implizite Weisheitstheorien, Konzeptionen persönlicher Weisheit). In den Selbstbeschreibungen wird deutlich, dass die Person einen gewissen Weitblick bei Entscheidungen hat, d.h. sie bezieht auch die fernere Zukunft mit ein. Sie versucht, möglichst viele Informationen zu berücksichtigen, vertraut aber auch auf ihre Intuition (vgl. die impliziten Weisheitstheorien). Für das Wachstums- und Bewältigungswissen sind weiterhin einige konkrete, reife Strategien relevant, die in verschiedenen Situationen und Lebensbereichen zur Anwendung kommen können. So ist es eine Strategie zum Umgang mit dem Leben, offen für Lernen zu sein die Eigenschaft Offenheit für Erfahrungen findet sich in fast allen Reifetheorien (siehe die Theorien von Rogers, Fromm, Heath, Maslow, sowie die impliziten Weisheitstheorien). Eine Person, die hoch in Wachstums- und Bewältigungswissen abschneidet, kennt Strategien, um sich Neues anzueignen. Dazu gehört es, viel auszuprobieren, verschiedene Rollen auszuprobieren (siehe Bühler) und gezielt verschiedene Kontexte aufzusuchen, in denen man sich als anders erlebt und mehr über sich selbst erfahren kann. In den Selbstbeschreibungen wird deutlich, dass die Person konstruktive Kritik von anderen schätzt und diese annehmen sowie daraus lernen kann (siehe Maslow), um sich weiter zu entwickeln. Eine zweite konkrete Strategie, die eine Person mit hohen Werten in Wachstums- und Bewältigungswissen kennt, ist zum Beispiel die Strategie des Lebensrückblicks und die der Lebensplanung als Möglichkeit, aus der Vergangenheit zu lernen, Entscheidungen zu treffen, sich Ziele zu setzen, Probleme und Emotionen zu bewältigen und mehr über sich selbst zu erfahren (siehe Erikson, Bühler und psychoanalytische Konzeptionen). In Selbstbeschreibungen, die hohes Wachstums- und Bewältigungswissen enthalten, sollte sich ein weiterer Aspekt zeigen: Humor, der sich auch auf die eigene Person bezieht. Die Person kann über sich selbst Witze machen und lachen. Humor kann eine Strategie sein, um mit vielen schwierigen und belastenden Situationen des Lebens umzugehen und wird häufig als Charakteristikum reifer Persönlichkeit genannt (siehe Loevinger, Kohut, Allport, Maslow und implizite Weisheitstheorien). Eine weitere konkrete Strategie, die in vielen Situationen Anwendung findet, ist die Suche nach sozialer Unterstützung (siehe Bühler, Maslow). In den Selbstbeschreibungen ist erkennbar, dass die Person sich nicht scheut, wenn sie Schwierigkeiten hat, um Hilfe und Rat zu bitten. Auch um Persönlichkeitswachstum und Selbstverwirklichung zu erreichen, weiß sie, dass es wichtig ist, den Austausch mit anderen zu suchen, 90

91 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit zu erreichen, weiß sie, dass es wichtig ist, den Austausch mit anderen zu suchen, um von deren Erfahrungen zu profitieren Zusammenhangswissen Das erste Metakriterium beinhaltet die Fähigkeit, die eigene Person in Abhängigkeit von Kontexten der Lebensspanne zu betrachten. Das Selbst wird in Zusammenhang gesetzt mit dem Alter, der historischen Situation, kritischen Lebensereignissen und sowohl zeitlich (z.b. Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft), als auch in verschiedene Lebensbereiche (z.b. Beruf, Familie) eingebettet. Die Kontexte der Lebensspanne stammen aus dem Kriterium Kontextualismus der allgemeinen Weisheit. Eine Person mit hohem Zusammenhangswissen besitzt Einsichten über Ursachen und Zusammenhänge der eigenen Verhaltensweisen, Emotionen, Motive und Kognitionen. Ein zentraler Punkt bei diesem Kriterium ist, dass die Person versucht, Gründe für ihre eigenen Verhaltensweisen zu finden. Die ersten drei Aspekte des Zusammenhangswissens beschreiben, wie eine Person sich und ihr Leben in verschiedene Kontexte setzt. So wird in den Selbstbeschreibungen einer Person mit hohem Zusammenhangswissen erkennbar, dass die Person die Verknüpfung der eigenen Biographie mit der früherer Generationen, aber auch mit der anderer Zeitgenossen erkennt ein Aspekt der u.a. auf Eriksons Konzept der Generativität zurückgeht. Es wird deutlich, dass sie Verbundenheit, Sympathie und Zuneigung gegenüber Zeitgenossen und gegenüber der Menschheit im Allgemeinen empfindet (siehe Jung, Maslow). Eine Person mit hohem Zusammenhangswissen macht weiterhin in ihren Selbstbeschreibungen deutlich, dass sie Konflikte zwischen einzelnen Lebensbereichen erkennt, sowie konfligierende Pflichten, konfligierende Bedürfnisse und Konflikte zwischen Pflichten und Bedürfnissen. Die Person erkennt, dass diese Konflikte wiederum von dem Kontext abhängen, in dem sie sich abspielen. So gestaltet sich z.b. ein Konflikt zwischen Pflichten und Bedürfnissen unterschiedlich, abhängig davon, in welchem Lebensalter (Kontext) sich die Person befindet. Diese Charakteristika sind von Loevingers Theorie inspiriert, die die Akzeptanz von Konflikten als Reifekriterium nennt. Ein weiterer Aspekt, der eingeflossen ist, ist die Fähigkeit zum kontextualistischen Denken, d.h. die Kompetenz, Probleme und Situationen im Kontext zu betrachten, die in den Theorien von Labouvie-Vief, Heath, in impliziten Weisheitstheorien und in Konzepten von persönlicher Weisheit als Eigenschaft der reifen Person erwähnt wird. Auf die Theorien von Labouvie-Vief und Loevinger geht der dritte Aspekt des Zusammenhangswissens, die Selbstkontextualisierung, zurück. In diesen Theorien wird Reife mit zunehmender Suche nach den Hintergründen und Ursachen von Verhalten assoziiert. In den Selbstbeschreibungen einer Person mit hohem Zusammenhangswissen wird erkennbar, dass sie versucht, ihre eigenen Emotionen, Rollen und Eigenschaften aus deren Kontext heraus zu verstehen sowie zu erklären und damit zu relativieren. So versucht sie beispielsweise, ihre eigenen Emotionen von denen zu unterscheiden, die ihr 91

92 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit durch die Kultur auferlegt worden sind. Diese Unterscheidung ist zwar nicht bis ins Letzte möglich, wichtig ist aber, dass die Person versucht, solche Differenzierungen zu treffen. Sie versucht, psychologische Hintergründe von Verhaltensweisen, Motiven und Emotionen zu erkennen. Die Person weiß, dass sie sich in verschiedenen Lebensbereichen unterschiedlich fühlt und verhält, und dass dies wiederum von den Kontexten der Lebensspanne (Alter, geschichtlicher Zeitpunkt, kritische Lebensereignisse) abhängt. Schließlich ist noch ein spezieller Kontext für das Zusammenhangswissen relevant, der oft in den Theorien des Persönlichkeitswachstums angeschnitten wird: der Kontext der Beziehung zwischen Ich und anderen. In ihren Selbstbeschreibungen wird deutlich, dass die Person erkennt, dass sie ihre eigene Person nicht unabhängig von anderen Menschen betrachten kann. Sie erkennt die Wichtigkeit anderer Menschen für sich selbst, sie erkennt die emotionale Interdependenz (siehe Loevinger, Labouvie- Vief). Dazu gehört auch, dass sie in ihrem Verhalten immer Rücksicht auf andere nimmt. Sie erkennt aber auch, dass sie ein Individuum ist, welches nicht vollständig in der Gruppe oder mit anderen geliebten Personen aufgeht. Es wird jedoch auch deutlich, dass sie weiß, dass sie Rücksicht auf sich selbst nehmen muss, sich Autonomie und Selbstbestimmung bewahrt, und dass sie die Balance zwischen beidem halten kann. Dieses Balancehalten ist ein Aspekt, der auch in philosophischen und religiösen Konzepten eines guten Lebens wichtig ist Selbstrelativierung Das zweite Metakriterium, die Selbstrelativierung, ist die Fähigkeit, das eigene Leben und das anderer von außen zu betrachten. Die Person kann sich selbst, d.h. Verhaltensweisen, Emotionen und Werte kritisch evaluieren und bedenkt, wie andere sie sehen. Dabei zeigt sie aber eine grundsätzliche Akzeptanz der eigenen Verhaltensweisen. Ebenso akzeptiert sie die Werte und Lebensweisen anderer, allerdings nur bis zu einer Grenze der Achtung universeller menschlicher Werte. Die ersten drei Aspekte der Selbstrelativierung beschreiben vorwiegend die Kompetenz einer Person, sich von außen zu betrachten bei einer basalen Selbstakzeptanz. So ist der erste Aspekt der Selbstrelativierung die Fähigkeit zur Selbstdistanz. Die selbstrelativierende Person kann sich selbst aus den Augen anderer betrachten und bedenken, wie diese sie sehen und beurteilen würden. Die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme ist ein Charakteristikum der reifen Person in der Theorie von Heath und in impliziten Weisheitstheorien. In den Selbstbeschreibungen einer Person mit hoher Selbstrelativierung wird andererseits deutlich, dass sie auch die Sichtweisen der anderen relativiert, da sie weiß, dass diese ebenfalls durch ihren Hintergrund, ihre Interessen und Rollen geprägt sind. Dieser Aspekt basiert zum Teil auf dem relativistischen bzw. dialektischen Denken, das der reifen Person zugeschrieben wird (siehe Labouvie-Vief, und die Konzeptionen persönlicher Weisheit). Der nächste Aspekt, Selbstobjekti- 92

93 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit vierung, geht auf eine weitere Facette zurück, die schon mehrfach in die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit eingeflossenen und in den Reifetheorien sehr zentral ist: die realistische Selbstwahrnehmung (siehe Tabelle 5). In den Selbstbeschreibungen einer Person mit hoher Selbstrelativierung wird deutlich, dass sie die Realität (wie z.b. eigene Verhaltensweisen und Emotionen) nicht verzerrt, so dass sie zum eigenen Selbstbild passt, sondern versucht, sich kritisch zu sehen und zu reflektieren, um zu einem möglichst objektiven Bild von sich selbst zu gelangen (siehe auch Loevingers Aspekt der differenzierten Selbstkritik). Hier geht es aber im Gegensatz zum Kriterium Selbstwissen, zu dem ebenfalls das Wissen um die eigenen Verhaltensweisen zählt, nicht um das reine Wissen über einzelne Eigenschaften, sondern um den Umgang mit diesen Erkenntnissen: Werden sie als absolut und eindeutig betrachtet oder auch in Frage gestellt? Bei hoher Selbstrelativierung weiß die Person, dass man sich selbst nie ganz objektiv beurteilen kann. Sie weiß, dass die Bewertungen, die man selbst von den eigenen Verhaltensweisen vornimmt, abhängig von individuellen und gesellschaftlichen Wert- und Zielvorstellungen sind. Dieser Aspekt geht teilweise auf das Weisheitskriterium Relativismus zurück. Trotz dieser Selbstkritik, und das ist ein weiterer Aspekt der Selbstrelativierung, zeigt sich die Person im Allgemeinen mit sich zufrieden: In den Selbstbeschreibungen wird eine grundlegende Akzeptanz der eigenen Person erkennbar, eine positive Grundeinstellung, die unabhängig von Bewertungen von Außen ist (siehe Konzeptionen persönlicher Weisheit, Maslow). In zwei weiteren Punkten der Selbstrelativierung geht es um den Aspekt der Werte, der aus dem Kriterium Wertrelativismus der allgemeinen Weisheit, an welches die Selbstrelativierung angelehnt ist, übernommen wurde. So zeigt eine Person mit hoher Selbstrelativierung, dass sie ein selbstständig ausgebildetes Wertesystem besitzt. Dieser Aspekt des individuellen Wertesystems zieht sich durch die meisten Reifetheorien (siehe Rubrik Motivation, Tabelle 5). In den Selbstbeschreibungen einer Person mit hoher Selbstrelativierung wird erkennbar, dass sie danach strebt, übergreifende Werte zu finden. Entweder sie erwähnt, dass sie bereits ein eigenes Wertesystem besitzt, das sich von den vorgegebenen Werten der Kultur distanziert bzw. dieses zumindest reflektiert, oder sie beschäftigt sich damit, ein solches zu entwickeln. Es wird erkennbar, dass die Person bei gegebenem Anlass die einmal gefundenen eigenen Werte in Frage stellt und diese überdenkt. Dazu gehört auch ein eigenes Verständnis von Gerechtigkeit, welches die eigene Person mit einbezieht. So kann die Person es beispielsweise als gerecht empfinden, wenn die eigene Person bestraft wird. Ein weiterer Aspekt der Selbstrelativierung, der mit dem vorherigen zusammenhängt, ist die in den Theorien von Erikson, Labouvie-Vief, Heath, Allport, Maslow, Rogers und in den Konzeptionen persönlicher Weisheit als Reifekriterium deklarierte Toleranz und Vorurteilsfreiheit gegenüber anderen. Eine Person mit hoher Selbstrelativierung zeigt in ihren Selbstbeschreibungen eine Akzeptanz gegenüber Verhaltensweisen und Wertvorstellungen anderer. Sie weiß, dass das Handeln der anderen und deren Werte vor deren biographischem Hintergrund 93

94 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit zu verstehen ist, und jeder aufgrund der eigenen Lebensgeschichte Gründe für sein Handeln hat. So wird beispielsweise deutlich, dass sie mit dem Bedürfnis anderer nach Autonomie und Selbstverwirklichung umgehen kann. Dies ist allerdings keine absolute Toleranz, die jegliche, auch potentiell menschenverachtende Werte akzeptiert. Die Toleranz misst sich an dem Meta-Wert der Balance zwischen dem eigenen Wohlergehen und dem Wohlergehen anderer. Wenn diese Balance in den Werten anderer verletzt wird, akzeptiert die selbstrelativierende Person dies nicht mehr. Dieser Aspekt basiert auf dem Kriterium Wertrelativismus der allgemeinen Weisheit. Die beiden letzten Aspekte der Selbstrelativierung betonen, dass eine Person sich selbst nicht zu wichtig nimmt. So ist in den Selbstbeschreibungen die Kompetenz einer Person erkennbar, sich in eine Arbeit oder in eine Aufgabe zu verlieren, sich selbst dabei zu vergessen und sich dadurch zu relativieren und über sich hinaus zu gehen (Selbsttranszendenz). Angeregt wurde dieser Aspekt durch die Reifekriterien der Produktivität und des Engagements für eine Aufgabe, die in den meisten Reifetheorien auftauchen. In den Selbstbeschreibungen einer Person mit hoher Selbstrelativierung wird erkennbar, dass sie sich selbst nicht zu wichtig nimmt. Sie beschreibt eigene Werte und Ziele, die mehr als nur ihr selbst nutzen. Gleichzeitig kehrt sie aber auch immer wieder zu sich zurück und nimmt dabei auch auf sich selbst und ihre Bedürfnisse Rücksicht (z.b. Erholung). Mit dem vorhergehenden Aspekt hängt das Charakteristikum der Bescheidenheit zusammen (siehe bürgerliche und religiöse Tugenden). Dies drückt sich in den Selbstbeschreibungen darin aus, dass die eigene Person nicht in den Mittelpunkt gestellt wird. Es wird erkennbar, dass die Person keine überhöhten Erwartungen an andere und das Leben im Allgemeinen stellt, sie zeigt keine falsche Eitelkeit und ist nicht nachtragend. Eine grundlegende Zufriedenheit mit sich und anderen wird deutlich (wenn bestimmte Basisbedürfnisse erfüllt sind), die allerdings nicht dazu führt, nichts mehr verändern zu wollen Ambiguitätstoleranz Das letzte Metakriterium, die Ambiguitätstoleranz, setzt sich zusammen aus dem Erkennen von Ungewissheiten sowohl in der Selbstbeschreibung, als auch in der Lebensplanung und dem Umgang damit. Die Person weiß, dass sie sich geändert hat und ändern wird. Sie zeigt ein Bewusstsein für nicht vorhersehbare Ereignisse und Schicksalsschläge in der Vergangenheit und Zukunft. Darüber hinaus verfügt sie über Strategien, Einstellungen und Kompetenzen, um mit der Ungewissheit umgehen zu können, wie Vertrauen und Spontaneität. Dieses Kriterium konstituiert sich aus einer Adaptation des Kriteriums Umgang mit Ungewissheit des Berliner Weisheitsparadigmas hinsichtlich des Umgangs mit dem eigenen Leben (erste zwei Aspekte) und den Charakteristika reifer Persönlichkeit aus den Reifetheorien, die den Umgang mit Ungewissheit im eigenen Leben genauer spezifizieren. 94

95 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit Die ersten vier Aspekte der Ambiguitätstoleranz befassen sich mit dem Bewusstsein für die Ungewissheit und Komplexität des eigenen Lebens. Der erste Aspekt ist weitgehend an das ursprüngliche Kriterium der allgemeinen Weisheit, Umgang mit Ungewissheit, angelehnt. Die ambiguitätstolerante Person ist sich der Ungewissheit im eigenen Leben bewusst. In den Selbstbeschreibungen wird erkennbar, dass sie weiß, dass sie ihr Leben nicht vollständig in allen Einzelheiten planen kann, weder gegenwärtig, noch in ferner Zukunft. Sie weiß, dass die Zukunft ungewiss ist, dass der Verlauf ihres Lebens nicht vollständig vorhersagbar ist, und dass immer wieder Überraschungen auftreten können. Damit hängt zusammen, dass sie auch rückblickend die Ungewissheit in ihrem Lebensverlauf erkennt. Sie weiß, dass man nicht mit Gewissheit ergründen kann, wieso bestimmte Dinge so passiert sind, wie sie passiert sind. In den Selbstbeschreibungen wird jedoch deutlich, dass sie dennoch versucht, über bestmögliche Interpretationen aus der Vergangenheit zu lernen. Aufgrund der Ungewissheit der Zukunft können sich bestimmte getroffene Entscheidungen als falsch erweisen. Es ist erkennbar, dass dies bei der Person nicht dazu führt, dass sie sich Selbstvorwürfe macht, sondern dass sie versucht, aus der Situation das Beste zu machen (siehe die Theorie von Ellis). Diese Eigenschaft findet sich auch in den philosophischen Konzeptionen von einem guten Leben (siehe Tabelle 5) als der Aspekt Ausgeglichenheit. Damit ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass die Person in ihren Selbstbeschreibungen nicht fortlaufend hin und her schwankt und sich selbst Vorwürfe wegen vergangener Fehler macht. Dieser Aspekt geht auf die bei Erikson geforderte Balance zwischen Integrität (der Akzeptanz der eigenen Vergangenheit) und der Verzweiflung (der negativen Evaluation des eigenen Lebens) zurück. Ein dritter Punkt, der zur Ambiguitätstoleranz gehört, ist das Wissen um die Komplexität des Lebens (siehe Labouvie-Vief, Loevinger). Das heißt, die Person lässt in ihren Selbstbeschreibungen das Wissen erkennen, dass sie sich selbst nie vollständig kennen kann. Sie weiß, dass sie sich selbst im Laufe des Lebens ändert, und dass daher die Beschreibung der eigenen Person nur temporär gültig ist. Sie zeigt ein Verständnis von der eigenen Person als sich fortlaufend wandelnd (siehe Rogers). Darüber hinaus erkennt eine Person, die hohe Werte in Ambiguitätstoleranz zeigt, dass ihr Leben endlich ist, und dass das Auftreten von Krankheit und Tod nicht bis ins Letzte kalkulierbar ist. Sie zeigt keinen unrealistischen Optimismus in Bezug auf Krankheit, d.h. sie glaubt nicht, dass es sie selbst nicht treffen könnte. Es wird jedoch in ihren Selbstbeschreibungen deutlich, dass sie nicht darüber verzweifelt, sondern Krankheit und Tod als etwas zum Leben Gehörendes akzeptiert (siehe Erikson, Bühler, Fromm und die philosophischen Konzeptionen). Mit einem weiteren wichtigen Teil der Ambiguitätstoleranz beschäftigen sich die letzten drei Aspekte: Es genügt nicht, sich der Ungewissheiten und Komplexitäten des eigenen Lebens bewusst zu sein, sondern auch damit umzugehen. Eine Person, die hohe Werte in Ambiguitätstoleranz erzielt, weiß, dass sie trotz der Ungewissheit der Zukunft und der Komplexität der Welt Entscheidungen treffen muss. Sie 95

96 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit versucht, möglichst viele Informationen in Entscheidungen einzubeziehen, die Zukunft möglichst weit mit einzukalkulieren (siehe die impliziten Weisheitstheorien). Andererseits wird deutlich, dass sie weiß, dass sie nie alle Informationen haben wird, um die perfekte Entscheidung zu treffen: Sie ist nicht perfektionistisch (siehe Ellis). Es wird erkennbar, dass sie sich zu einem gewissen Teil auf ihre Intuition verlässt, um Entscheidungen zu treffen (siehe die impliziten Weisheitstheorien). Zum Umgang mit den Ungewissheiten des Lebens gehört auch, dass die Person mit plötzlichen Änderungen in der Situation durch äußere Umstände umgehen kann, sie ist offen für Erfahrungen. So kann es sein, dass die eigenen Pläne unter den gegebenen Umständen nicht mehr durchführbar sind. Offenheit für Erfahrungen ist ein Bestandteil fast aller Reifetheorien. In den Selbstbeschreibungen wird deutlich, dass die Person Veränderungen und Überraschungen als etwas Positives begreift. Das Unerwartete wird konstruktiv genutzt und nicht als Feind der eigenen Planungen abgelehnt (siehe Ellis). Die geringe Angst vor dem Unbekannten, die die Person zeigt, geht auf Eriksons Aspekt des Urvertrauens und auf den in bürgerlichen und religiösen Tugenden enthaltenen Aspekt der Hoffnung zurück. In den Selbstbeschreibungen wird erkennbar, dass die Person ein grundlegendes Vertrauen in die eigene Person sowie ins Leben im Allgemeinen besitzt und optimistisch in die Zukunft blickt. Bei manchen Personen zeigt sich dies als Glaube religiöser Natur, bei anderen als Zuversicht, dass sich alles zum Guten entwickeln wird. Damit hängt auch zusammen, dass die Person deutlich macht, die Kompetenz zu besitzen, sich auch im Angesicht ungelöster Probleme entspannen zu können. Es besteht nicht der Zwang alles zu kontrollieren (siehe implizite Theorien), sondern sie kann auch loslassen. 4.3 Was ist der Unterschied zwischen allgemeiner und selbstbezogener Weisheit? In diesem Abschnitt sollen zusammenfassend die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit mit denen der verglichen allgemeinen werden, und Vermutungen darüber angestellt werden, wie sich die Ausprägung allgemeiner Weisheit zu der selbstbezogener Weisheit verhält Vergleich der Kriterien der beiden Weisheitsmaße Tabelle 6 macht deutlich, dass die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit denen der allgemeinen Weisheit in ihrem groben Thema entsprechen. Durch die Einbeziehung von Theorien reifer Persönlichkeit sind jedoch Inhalte hinzugekommen, und aufgrund des Selbstbezugs ist der Schwerpunkt der Kriterien teilweise anders. Das Kriterium Selbstwissen der selbstbezogenen Weisheit enthält im Vergleich zum Faktenwissen andere Aspekte, über die eine Person breites und tiefes Wissen besitzen muss, nämlich selbstrelevante Aspekte und nicht Themen des Lebens im Allgemeinen. Das Kriterium Wachstums- und Bewältigungswissen bezieht Strategien, die im prozeduralen Wissen der allgemeinen Weis- 96

97 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit heit angegeben sind, auf das eigene Leben und ergänzt diese mit Strategien, die in Theorien reifer Persönlichkeit genannt werden. Im Zusammenhangswissen werden aus dem Lebensspannen- Kontextualismus vorwiegend die genannten Kontexte und das kontextualistische Denken übernommen. Der Fokus des Zusammenhangswissens auf die Reflexion über Ursachen und Abhängigkeiten des eigenen Verhaltens basiert auf den Theorien reifer Persönlichkeit. Das Kriterium Selbstrelativierung übernimmt von dem Kriterium Wertrelativismus den Fokus auf Werte. Die Kompetenz, sich und andere mit Distanz zu betrachten, ist zwar ansatzweise im Wertrelativismus enthalten, in der Selbstrelativierung jedoch aufgrund der Wichtigkeit dieses Aspektes in Theorien reifer Persönlichkeit deutlich stärker ausgeprägt. Die Ambiguitätstoleranz überträgt zunächst den Aspekt des Erkennens der Ungewissheit auf das eigene Leben und ergänzt dies mit konkreten Beispielen für diese Erkenntnis und den Umgang damit aus Theorien reifer Persönlichkeit. Tabelle 6: Übersicht über die Kriterien allgemeiner und selbstbezogener Weisheit Allgemeine Weisheit Selbstbezogene Weisheit Basiskriterien Faktenwissen: Reiches Wissen über Lebensverlauf und Lebenslagen Prozedurales Wissen: Reiches Wissen über das Umgehen mit Lebensproblemen Selbstwissen: Tiefes Wissen in selbstrelevanten Bereichen Wachstums- und Bewältigungswissen: Wissen über Heuristiken für Wachstum und Selbstregulation Metakriterien Lebensspannen-Kontextualismus: Kenntnis von Lebenskontexten und ihrer zeitlichen (entwicklungsbezogenen) Einbettung Wert-Relativismus: Wissen um die Unterschiede in Werten und Lebenszielen Ungewissheit: Wissen um die relative Unbestimmtheit des Lebens und die Art, damit umzugehen Zusammenhangswissen: Reflexion über Gründe und Abhängigkeiten des eigenen Verhaltens Selbstrelativierung: Fähigkeit, sich selbst und andere mit Distanz zu betrachten Ambiguitätstoleranz: Erkenntnis und Umgang mit Ungewissheiten des eigenen Lebens Hypothetische Beziehung zwischen allgemeiner und selbstbezogener Weisheit Für das Verständnis selbstbezogener Weisheit und einiger in den nächsten Abschnitten diskutierten Annahmen über Zusammenhänge zwischen selbstbezogener Weisheit und anderen Variablen ist es wichtig, das Verhältnis zwischen selbstbezogener und allgemeiner Weisheit zu klären. Dies betrifft vor allem die Frage nach der differentiellen Ausprägung von allgemeiner und selbstbezogener Weisheit. So ist es vorstellbar, dass eine Person tiefes Wissen über das Leben im Allgemeinen, d.h. allgemeine Weisheit besitzt und anderen gute Ratschläge geben kann, aber ihr Wissen nicht auf das eigene Leben übertragen kann, also geringe selbstbezogene Weisheit zeigt (siehe auch Staudinger, im Druck). Der umgekehrte Fall scheint weniger wahrscheinlich: Wenn eine Person tiefes Wissen über sich selbst besitzt, verschiedene Kontexte und mögliche Ungewissheiten dabei berücksichtigt und vor allem von 97

98 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit der eigenen Sichtweise abstrahieren kann, sollte sie dazu fähig sein, ihr Wissen bzw. die Art und Weise des Umgehens damit, auch auf andere Personen zu übertragen. Diese Annahme basiert darauf, dass es aufgrund des geringeren Abstands zur eigenen Person möglicherweise schwieriger ist, die Weisheitskriterien auf die eigene Person anzuwenden, als auf andere. Sich selbst differenziert und kritisch zu betrachten, und Ungewissheiten und Widersprüche zu erkennen, ist deutlich selbstwertbedrohlicher, als eine solche Betrachtungsweise der Welt und anderer. Dies hängt damit zusammen, dass die eigene Person aus einer persönlich interessierten Perspektive gesehen wird (Dittmann-Kohli, 1995; S. 70) und einen so genannten Motivationsraum darstellt (Greenwald & Patkanis, 1984). Konzepte über die eigene Person sind durch ihre Bedürfnisse geprägt, d.h. eine Person bildet perspektivische Schwerpunkte und nimmt die Realität in Bezug auf ihre förderlichen oder schädlichen Eigenschaften für sich selbst war (Greenwald & Patkanis, 1984). Darüber hinaus kommen verschiedene die Realität verzerrende so genannte parteiische Korrekturmechanismen zur Anwendung, die zum Schutz zentraler Strukturen des Selbstverständnisses und zur Steigerung des Selbstwertgefühls dienen. Beispiele für solche Strategien sind z.b. downward comparison, positives Denken, Auflösung logischer Widersprüche durch logische Synthese, Aneignung umfassender Bezugssystemen (z.b. religiöser Art) (Greenwald & Patkanis, 1984). Diese Mechanismen, die beim Wissen und bei der Wahrnehmung der eigenen Person greifen, erschweren es, selbstbezogenes Wissen - im Vergleich zu allgemeinem - zu erlangen. Aus diesem Grund wird erwartet, dass Personen selbstbezogene Weisheit in geringerem Maße erreichen als allgemeine. 4.4 Entwicklung einer Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit Die Erhebung selbstbezogener Weisheit soll dem Ablauf nach an das Schema, wie es sich im Berliner Weisheitsparadigma bewährt hat, angelehnt werden und durch die Auswertung von Protokollen lauten Denkens erfasst werden. Dafür ist jedoch die Entwicklung einer speziellen Aufgabe, die die Einsicht in das eigene Leben erfasst, nötig. Die bisher im Berliner Weisheitsparadigma verwendeten Aufgaben (siehe z.b. Staudinger & Leipold, 2002; Staudinger, Smith, & Baltes, 1994) beschäftigen sich mit Problemen des Lebens im Allgemeinen am Beispiel einer fiktiven Person und sind daher nicht gut dafür geeignet, selbstbezogenes Wissen zu aktivieren. Die zu entwickelnde Aufgabe sollte die Person dazu bringen, über sich selbst zu sprechen. Daher scheint es vorteilhaft, statt eines Problems, das sich mit dem Leben im Allgemeinen befasst, ein Problem auszuwählen, in dem es um die eigene Person geht. Die Art und Weise sowie teilweise auch die Inhalte der Selbstbeschreibung sollten als Grundlage für die Beurteilung der selbstbezogenen Weisheit dienen. Wie bereits oben diskutiert (Punkt 4.3.2) weist selbstbezogenes Wissen im Vergleich zu sonstigem, allgemeinem Wissen über das Leben einige Spezifitäten auf, die seine Erhebung erschweren. So 98

99 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit ist im Vergleich zu den im Berliner Weisheitsparadigma eingesetzten Aufgaben zur Messung allgemeiner Weisheit, die Personen mit einem zu lösenden Dilemma konfrontieren, der Dilemmacharakter im Selbstbereich schwer umzusetzen. In Pilotversuchen, die zur Entwicklung der Aufgabe der selbstbezogenen Weisheit durchgeführt wurden, wurde deutlich, dass ein selbstbezogenes Dilemma für die Erfassung selbstbezogener Weisheit nicht geeignet ist. In den Versuchen wurden die Personen gebeten, ein konkretes Problem aus einem vorgegeben Selbstbereich zu erinnern und sich selbst in dieser Situation zu beschreiben und ihr Verhalten zu bewerten. Dies führte jedoch meistens zur bloßen Deskription der Situation und verschiedener daran beteiligter Personen, es war wenig Wissen über die eigene Person in den Antworten enthalten. So beschrieb eine Person bei einer Problemsituation mit einer Freundin eher deren Verhaltensweisen und die Situation des Kinobesuchs, als ihren eigenen Umgang mit der Situation zu reflektieren. Möglicherweise ist dies darauf zurückzuführen, dass Dilemmata im Selbstbereich deutlich bedrohlicher und emotionsgeladener sind als Dilemmata im Bereich des Wissens über das Leben im Allgemeinen. Dadurch sind Personen vielleicht weniger bereit, solche Dilemmata in Bezug zu ihrer eigenen Persönlichkeit zu setzen und tendieren dazu, stärker Charakteristika der entsprechenden Situation oder beteiligter Personen zu beschreiben als eigene Verhaltensweisen. Dies entspricht auch dem üblicherweise gefundenen Bias, dass Personen dazu tendieren, ihr Verhalten auf die Situation zu attribuieren und das anderer Personen auf deren Persönlichkeit, der so genannte fundamentale Attributionsfehler (Jones & Harris, 1967). Da demnach die Methode des allgemeinen, nicht problembezogenen Nachdenkens über die eigene Person deutlich besser dazu geeignet schien, um selbstbezogenes Wissen zu aktivieren, wurde dies zur Erhebung selbstbezogener Weisheit verwendet. Es zeigte sich weiter als vorteilhaft, einen bestimmten Selbstbereich als Thema herauszugreifen, da eine globale Frage nach Einsichten über das eigene Leben nicht genügend Anhaltspunkte für konkrete Selbstbeschreibungen bietet. Bei der zu treffenden Auswahl eines solchen Selbstbereichs war eine weitere Besonderheit der Erfassung selbstbezogenen Wissens zu beachten, die bereits angeklungen ist: das Problem der Selbstoffenbarung, das sich grundsätzlich beim Sprechen über die eigene Person stellt (Jourard & Lasakow, 1958). Es ist anzunehmen, dass dies in deutlich stärkerem Maße beim Sprechen über die eigene Person auftritt als bei der Bearbeitung einer Aufgabe über das Leben im Allgemeinen. Daher muss bei der Entwicklung der Aufgabe besonders darauf geachtet werden, dass sie eine möglichst hohe Bereitschaft bei Personen erzeugt, sich offen dazu zu äußern. Es scheint in diesem Sinne nicht gut zu sein, die Person aufzufordern, über Bereiche ihres Lebens zu sprechen, die sehr zentral für die eigene Selbstdefinition sind, wie zum Beispiel die eigene Partnerbeziehung: Negative Aspekte in diesen Bereichen anzuerkennen, ist stark selbstwertbedrohlich und würde zu starken Hemmungen, sich zu offenbaren, führen. Es sollte jedoch trotzdem ein Bereich sein, der für möglichst alle Menschen eine hohe Re- 99

100 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit levanz besitzt, um sicher zu stellen, dass jede Person die Gelegenheit hatte, Einsichten über sich selbst in diesem Bereich zu entwickeln. Eine Möglichkeit, um die Relevanz bestimmter Selbstbereiche für Personen zu bestimmen, ist es, die Zentralität verschiedener Bereiche für das Selbstkonzept zu betrachten. In der Selbstkonzeptliteratur ist seit langem anerkannt, dass das Selbstkonzept aus multiplen Komponenten besteht (z.b. Kihlstrom & Cantor, 1984; Markus, 1977; Marsh, 1986), von denen einige zentraler und andere weniger zentral sind (Rosenberg, 1979; Stryker & Serpe, 1994). Da eine Hauptquelle von selbstbezogenen Informationen soziale Interaktionen sind (siehe Donahue, Robins, Roberts, & John, 1993; Filipp, 1979; James, 1948), sind viele Bereiche des Selbstkonzepts Rollenidentitäten, die im Selbstkonzept internalisiert sind (Burke & Tully, 1977). Wenn es darum geht, eine Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit zu entwickeln, könnten Rollen ein gutes Thema sein. Rollen sind meistens komplexer als andere selbstdefinierende Themen, wie beispielsweise Werte, und enthalten mehr Möglichkeiten zum Selbstbezug als beispielsweise die eigenen Interessen und Hobbies. Außerdem enthalten sie auch einen sozialen Aspekt, der für die selbstbezogene Weisheit aufgrund ihres Bezugs zur Balance zwischen eigenem Wohlergehen und dem anderer sehr relevant ist. Wichtige selbstbeschreibende Bereiche, die eine starke soziale Verankerung aufweisen, sind zum Beispiel die eigene Person im Beruf, in der Familie bzw. Partnerschaft oder in Freundschaften (Freund, 1995). Wie lässt sich nun feststellen, welche Rollen bzw. welche sozialen Bereiche am zentralsten für das Selbstkonzept und daher ungeeignet für die Erhebung selbstbezogener Weisheit sind, und welche etwas weiter entfernt, aber noch selbstrelevant sind? Der für die Aufgabe auszuwählende Bereich sollte für jüngere und ältere Erwachsene gleichermaßen Relevanz besitzen. Verschiedene Forschungsergebnisse geben Hinweise darauf, dass die Bereiche Familie und Partnerschaft wichtiger für Personen sind als der Bereich Freundschaft. So konnte Freund (1995) in einer Untersuchung zur Selbstdefinition von Personen über 70 zeigen, dass unter den sozialen Bereichen Familie und Angehörige häufiger als selbstdefinierender Bereich genannt wurde als soziale Kontakte und Beziehungen. Auch bei einer Stichprobe von Personen von finden Cross und Markus (1991), dass Familie zu den am häufigsten genannten Kategorien für die eigenen Hoffnungen für die Zukunft genannt wird. Weitere Hinweise für die Zentralität von Bereichen für die eigene Selbstdefinition finden sich in der Forschung zum Lebensinvestment. So zeigte sich, dass ab dem Alter von 20 mehr in Familie als in Freunde investiert wird, das heißt mehr darüber nachgedacht und/oder dafür getan wird (Staudinger & Schindler, 2004). Insgesamt lässt sich feststellen, dass Familie und Partnerschaft die zentralsten sozialen Selbstkonzeptbereiche im Erwachsenenalter und daher nicht geeignet sind, um Selbstoffenbarung zu fördern. Der Bereich Beruf wird hier nicht weiter berücksichtigt, da die Entwicklung von selbstbezogener Weisheit in diesem Bereich die Ausübung eines Berufes voraussetzt und dies bei Frauen sowie bei älteren Ver- 100

101 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit suchspersonen vermutlich in geringerem Maße der Fall ist, so dass hier ein Bias erzeugt würde. Der Bereich Freundschaft scheint daher für eine Aufgabe zur Erfassung selbstbezogener Weisheit am geeignetsten zu sein. Da das Thema Freundschaft für verschiedene Altersgruppen möglicherweise eine andere Bedeutung besitzt, sollen im Folgenden mögliche Besonderheiten des Themas Freundschaft für verschiedene Altersgruppen des Erwachsenenalters aus einer lebensspannenpsychologischen Perspektive betrachtet werden. Unterschiede scheinen vor allem im Hinblick auf die sozialen Prozesse, die zwischen Freunden in verschiedenen Lebensaltern ablaufen, zu bestehen. Bei jüngeren und mittelalten Erwachsenen konzentrieren sich die Freundschaftsaktivitäten um den Bereich der Arbeit und Familie (Hess, 1972; Winstead, Derlega, & Montgomery, 1995). Im höheren Lebensalter zentrieren sich Freundschaften um Themen wie Unterstützung und Hilfeleistung (Rawlins, 1992; Shea, Thompson, & Bliezner, 1988). In den meisten relevanten Aspekten von Freundschaft zeigen sich jedoch Gemeinsamkeiten zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen. In ihrer Definition von Freundschaft und dem, was sie von Freunden erwarten, unterscheiden sich Personen unterschiedlichen Lebensalters von der Adoleszenz bis ins höhere Lebensalter kaum: Alle erwarten eine gewisse Gegenseitigkeit sowie Vertrauen von Freundschaften (Hartup & Stevens, 1997; Weiss & Lowenthal, 1975). Weiterhin bleibt die Größe des inneren Kreises dieses Netzwerkes, die Anzahl sehr enger Freunde, bis ins sehr hohe Lebensalter erhalten: Ältere Personen haben dieselbe Anzahl enger Freunde, wie Personen mittleren Lebensalters (Lang & Carstensen, 1994), auch wenn die gesamte Netzwerkgröße aufgrund des Verlustes von oberflächlichen Freundschaften abnimmt (Dickens & Perlman, 1981). Auch die Menge an Zeit, die mit Freunden verbracht wird, scheint während des Erwachsenenalters ungefähr konsistent zu bleiben: Personen jungen und mittleren Erwachsenalters (19-65) verbringen im Durchschnitt 7%, ältere Erwachsene über 65 ca. 9% ihrer Zeit mit Freunden (Larson & Bradney, 1988). Weil die zentralen Variablen, d.h. was von Freundschaften erwartet wird, die Anzahl sehr enger Freunde und die mit Freunden verbrachte Zeit, während des Erwachsenenalters weitgehend vergleichbar zu bleiben scheint, wurde hier davon ausgegangen, dass die Aufgabe für jüngere sowie für ältere Erwachsene gut geeignet ist. Ein weiterer Aspekt ist bei der Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit anzumerken. Wie in diesem Abschnitt deutlich wurde, ist die Aufgabe von hoher Relevanz für die Erfassung selbstbezogener Weisheit. Um zu zeigen, dass die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit und damit auch die Ergebnisse dieser Studie nicht nur spezifisch für die entwickelte Aufgabe mit dem Thema Freundschaft sind, soll im empirischen Teil dieser Studie eine zweite, im gleichen Projekt entwickelte Aufgabe zur Kreuzvalidierung herangezogen werden. In dieser zweiten Aufgabe geht es um das Thema, wie man sich selbst Personen gegenüber verhält, die man nicht kennt. Die Messung selbstbezogener Weisheit sollte nicht vollständig durch die Aufgabe bestimmt sein, sondern es sollte einen gewissen invarianten 101

102 Kapitel 4: Eine Konzeptualisierung selbstbezogener Weisheit Anteil geben, der auf die individuelle Ausprägung der Kriterien zurückgeht. Vergleichbare Analysen wurden bereits im Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas durchgeführt (Staudinger, Böhmig- Krumhaar, & Raykov, 2004). 102

103 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen 5. Kapitel Die Beziehung von selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen und dem Lebensalter Im Folgenden sollen mögliche Zusammenhänge zwischen selbstbezogener Weisheit und anderen Variablen sowie Annahmen über Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit besprochen werden. Die Spezifikation dieser Zusammenhänge ist Grundlage für die Hypothesen, die in dieser Studie untersucht werden, und das zunächst dargestellte Modell der Korrelate selbstbezogener Weisheit dient als Basis für die Validierung des Instrumentes. Im Anschluss werden Überlegungen zu Altersunterschieden in selbstbezogener Weisheit angestellt, die ebenfalls in dieser Studie überprüft werden. Um die Annahmen über Korrelate und Altersunterschiede zu begründen, wird zum Teil auf theoretisch postulierte Zusammenhänge in den oben diskutierten Wachstumstheorien Bezug genommen. Vor allem werden aber empirische Ergebnisse zu Korrelaten anderer Maße von Persönlichkeitsreife und die Resultate des Berliner Weisheitsparadigmas für die Ermittlung von zu erwartenden Zusammenhängen herangezogen, wobei allerdings Spezifitäten der selbstbezogenen Weisheit berücksichtigt werden. Da in dieser Studie nur jüngere (20-40) und ältere Erwachsene (60-80) untersucht wurden, werden, wenn möglich, vorwiegend Studien herangezogen, die diese Altersgruppen heranziehen. 5.1 Ein Modell der Korrelate selbstbezogener Weisheit Im Folgenden wird ein Modell der Korrelate selbstbezogener Weisheit aufgestellt, das sich in seiner Struktur grob an dem Modell der Antezedenzien und Korrelate der allgemeinen Weisheit orientiert (z.b. Staudinger & Baltes, 1996b), aber, da es sich um ein selbstbezogenes Konstrukt handelt, andere Variablen enthält, mit denen ein Zusammenhang erwartet wird 14. In dem Modell werden fünf Variablengruppen unterschieden, für die jeweils unterschiedliche Annahmen über Zusammenhänge mit selbstbezogener Weisheit getroffen werden. Auf der rechten Seite von Abbildung 3 wird auf die in dieser Arbeit zentrale Unterscheidung zwischen Persönlichkeitsreife und Adaptivität zurückgegriffen, die auch in die Definition des hier verwendeten Reifebegriffs und der selbstbezogenen Weisheit eingeflossen ist. Mit den Persönlichkeitsreifevariablen wird aufgrund inhaltlicher Ähnlichkeit ein starker Zusammenhang mit der selbstbezogenen Weisheit postuliert, während mit den Konzepten der Adaptivität und Funktionalität nur ein geringer Zusammenhang erwartet wird. Auf der linken Seite von Abbildung 3 sind einige weitere psychologische Variablen aufgeführt, mit denen 14 Es wird hier ausdrücklich von einem Modell der Korrelate und nicht einem der Antezedenzien gesprochen, da zwischen den meisten der Variablen und der selbstbezogenen Weisheit wechselseitige Interaktionen plausibel sind und auch die empirischen Ergebnisse, auf denen das Modell basiert, vorwiegend korrelativer und querschnittlicher Natur sind 103

104 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen bestimmte Zusammenhänge mit selbstbezogener Weisheit erwartet werden. So wird angenommen, dass bestimmte kognitive Kompetenzen als Grundlage für die selbstbezogene Weisheit dienen. Eine weitere Variablengruppe, die mit selbstbezogener Weisheit möglicherweise zusammenhängt, sind kritische Lebensereignisse, die einer Person Erfahrungskontexte bereitstellen könnten, die eine Basis für die Entwicklung selbstbezogenen Wissens sein könnten. Diese können in wechselseitigem Zusammenhang mit der selbstbezogenen Weisheit stehen: Sie können sowohl Vorbedingung, als auch Resultat selbstbezogener Weisheit sein. Für die Werte einer Person werden je nach Art dieser Werte differentielle Zusammenhänge erwartet. Kognitive Faktoren Fluide Intelligenz kristalline Intelligenz Bildung Persönlichkeitsreife Ego-Entwicklung Psychologisches Wohlbefinden (Reife) Selbstkonzeptreife Offenheit für Erfahrungen Psychologisches Feingefühl Lebensereignisse Selbstbezogene Weisheit Adaptivität Werte selbstbezogen selbsttranszendent Neurotizismus Extraversion Gewissenhaftigkeit Verträglichkeit Lebenszufriedenheit Psychologisches Wohlbefinden (Adaptivität) Abbildung 3: Ein Modell der möglichen Korrelate selbstbezogener Weisheit. Dünne, gestrichelte Verbindungen symbolisieren einen erwarteten schwachen Zusammenhang Der Zusammenhang mit Konzepten der Persönlichkeitsreife Selbstbezogene Weisheit ist konzipiert als ein Konstrukt, welches Persönlichkeitsreife erfasst. Die einzelnen Aspekte, die in den fünf Kriterien enthalten sind, stammen weitgehend aus Theorien der Persönlichkeitsreife. Wenn selbstbezogene Weisheit Persönlichkeitsreife erfasst, sollte es mit Persönlichkeitsreifekonzepten zusammenhängen. Einige dieser Zusammenhänge gründen sich darauf, dass die Konstrukte als Reifekonzepte in die Entwicklung der Kriterien selbstbezogener Weisheit direkt eingegangen sind. Andere Konstrukte sind zwar nicht in die Konzeptionalisierung selbstbezogener Weisheit einge- 104

105 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen gangen, beschäftigen sich jedoch mit einzelnen Aspekten von Persönlichkeitswachstum. Diese Zusammenhänge werden im Folgenden genauer spezifiziert Ego-Entwicklung und psychologisches Wohlbefinden Das empirisch gut erprobte und etablierte Reifekonstrukt der Ego-Entwicklung (Loevinger, 1976) ist in die Entwicklung des Konzeptes der selbstbezogenen Weisheit eingegangen und sollte aus diesem Grund Zusammenhänge mit dieser zeigen. Ein weiteres Reifekonstrukt, das zwar nicht direkt in die Entwicklung selbstbezogener Weisheit eingegangen ist, aber auf denselben Reifetheorien wie diese beruht, ist das psychologische Wohlbefinden (Ryff, 1989a). Wie allerdings bereits oben erwähnt, zielen nicht alle Skalen ausschließlich auf Reife ab, einige scheinen auch Vorbedingungen von Adaptivität zu erfassen. Von den beiden eher reifeorientierten Skalen des psychologischen Wohlbefindens, Persönlichkeitswachstum und Sinn im Leben, wird jedoch angenommen, dass sie mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängen. Die Konzepte der Ego-Entwicklung und des psychologischen Wohlbefindens sind bereits unter Punkt 3.3 dargestellt worden Selbstkonzeptreife Ein kürzlich entwickeltes Persönlichkeitswachstumskonzept (Dörner, 2004) beschäftigt sich damit, wie ein reifes Selbstkonzept definiert und erfasst werden kann. Das reife Selbstkonzept wird definiert durch ein bestimmtes, theoretisch festgelegtes Idealprofil auf den Dimensionen Selbstwert, Selbstkomplexität, Integration und Werte. Die Selbstkonzeptreife einer Person wird durch die Ähnlichkeit des Profils der Person mit diesem Idealprofil bestimmt. Nach diesem Idealprofil zeigt eine reife Person einen mittleren Level an Selbstwert, da für Persönlichkeitswachstum bei zu geringem Selbstwert keine Ressourcen bereitstehen, zu hoher Selbstwert aber auch verhindert, sich zu hinterfragen und weiterzuentwickeln. Weiterhin wird eine komplexe und vielseitige Betrachtung des eigenen Selbst und der eigenen Emotionen, wie sie in der Selbstkomplexität zum Ausdruck kommt, als Ausdruck der Selbstkonzeptreife betrachtet, und es wird festgelegt, dass eine Person mit reifem Selbstkonzept eine hohe Selbstkomplexität aufweisen sollte. Trotz dieser Komplexität sollte die Person eine gewisse Integration aufweisen, d.h. sich in einem gewissen Maße als konsistent über Situationen hinweg erleben. Zu starke Integration würde jedoch bedeuten, dass die Person nicht zwischen dem eigenen Verhalten und Erleben in unterschiedlichen Situationen differenziert, was kein Zeichen von Selbstkonzeptreife wäre. Daher wird vorgeschrieben, dass eine Person mit hoher Selbstkonzeptreife ein mittleres Niveau an Integration aufweisen sollte. Schließlich wird als Vorraussetzung für Selbstkonzeptreife die Ausprägung bestimmter Werte festgelegt. Eine Person mit hoher Selbstkonzeptreife sollte nach dem Idealprofil selbsttranszendente Werte besitzen. 105

106 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen Das Konstrukt der Selbstkonzeptreife weist starke inhaltliche Parallelen zu der Definition der Kriterien der selbstbezogenen Weisheit auf. Ein Mindestniveau an Selbstwert wird beispielsweise in dem Kriterium der Selbstrelativierung gefordert. Selbstkomplexität, sich selbst in verschiedenen Bereichen zu kennen, aber auch eine gewisse Konsistenz über Situationen wahrzunehmen (Integration) sind wichtig, um Zusammenhangswissen, Selbstwissen und Wachstums- und Bewältigungswissen zu entwickeln. Werte schließlich sind ein wichtiger Bestandteil der Basiskriterien Selbstwissen sowie Wachstums- und Bewältigungswissen. Es wird also erwartet, dass selbstbezogene Weisheit mit dem Konstrukt der Selbstkonzeptreife zusammenhängt Offenheit für Erfahrungen Offenheit für Erfahrungen wird in mehreren Reifetheorien als Kriterium für Reife genannt (z.b. Maslow, 1994; Rogers, 1961). Auch wenn es eigentlich zu den klassischen Trait-Maßen von Persönlichkeit gehört (z.b. Costa & McCrae, 1985), wird es in Studien als Indikator für Persönlichkeitsreife eingesetzt (z.b. Compton, Smith, Cornish, & Qualls, 1996). Empirisch zeigt Offenheit für Erfahrungen konsistente Zusammenhänge sowohl mit Maßen der allgemeinen Weisheit, als auch mit Persönlichkeitsreifemaßen. So zeigten Studien zum Berliner Weisheitsparadigma, in denen Offenheit für Erfahrungen als Prädiktor der allgemeinen Weisheit eingesetzt wurde, durchgehend signifikante Korrelationen (Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997; Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998). Lyster (1996) verwendete einen Ansatz, der die Kriterien des Berliner Weisheitsparadigmas mit zwei weiteren Kriterien, Integration von Affekt und Kognition sowie Generativität, verbindet. Auch hier stellte sich Offenheit für Erfahrungen als der wichtigste Prädiktor heraus. Helson und Srivastava (2002) setzten ein zusammengesetztes Maß für Weisheit ein, das ebenfalls die Aufgabe des Berliner Weisheitsparadigma verwendet und zusätzlich die Maße praktische und transzendentale Weisheit aus der oben erwähnten (Punkt ) Studie von Wink und Helson (1997) heranzieht. Sie konnten zeigen, dass Offenheit für Erfahrungen ihr Maß von Weisheit signifikant vorhersagt. Auch in einer Studie von Shedlock (1998) wurden signifikante Korrelationen mit Offenheit und den Weisheitskriterien des Berliner Paradigmas (Faktenwissen, Prozedurales Wissen und Kontextualismus) gefunden. Nicht nur mit der allgemeinen Weisheit, auch mit Persönlichkeitsreifekonzepten zeigt Offenheit für Erfahrungen bedeutsame Zusammenhänge. So konnte in der Forschung zur Ego-Entwicklung Offenheit für Erfahrungen wiederholt als wichtiger Prädiktor identifiziert werden (z.b. Einstein & Lanning, 1998; McCrae & Costa, 1980). Helson und Wink (1987) fanden Zusammenhänge zwischen Ego-Level und Eigenschaften, die Offenheit für Erfahrungen nahe kommen. So korrelierte Ego-Level mit dem Interesse an abstrakten, philosophischen Themen und der Unabhängigkeit von sozialen Erwartungen. Offenheit sagt außerdem ein weiteres Maß für Persönlichkeitsreife, die Skalen persönliches Wachstum und Sinn 106

107 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen im Leben aus Ryffs Inventar zum psychologischen Wohlbefinden, vorher (Schmutte & Ryff, 1997). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Offenheit für Erfahrungen sowohl für die allgemeine Weisheit, als auch im Bereich des Persönlichkeitswachstums ein wichtiger Prädiktor ist. Diese empirischen Ergebnisse legen bereits nahe, dass es plausibel ist, einen Zusammenhang zwischen Offenheit für Erfahrungen und selbstbezogener Weisheit anzunehmen, da selbstbezogene Weisheit als eine Synthese aus Persönlichkeitsreifekonzepten und einem Weisheitsparadigma diesen Konstrukten inhaltlich sehr nahe steht. Auch theoretisch lassen sich gute Gründe dafür finden, einen Zusammenhang zwischen Offenheit und selbstbezogener Weisheit anzunehmen. Ein Argument gründet sich auf den unterschiedlichen Umgang von offenen und weniger offenen Personen mit Erfahrungen. Einer Person, die offen für Erfahrungen ist, neue Kontexte aufsucht und auch Veränderungen gegenüber offen ist, bietet sich eher die Möglichkeit, erstens überhaupt Erfahrungen aufzunehmen, zweitens diese unvoreingenommen zu verarbeiten und drittens sich selbst auch zu verändern, möglicherweise in Richtung zunehmender Reife. Offene Personen tendieren nach einer Hypothese von McCrae & Costa (1997) dazu, Konflikte nicht zu unterdrücken, sondern sie sich bewusst zu machen. Auch empirisch konnte gezeigt werden, dass Offenheit mit einer von Haan (1965) entwickelten Skala zur Erfassung von Intellektualisierung, d.h. einer bewussten Verarbeitung von Problemen, positiv zusammenhängt, hingegen negativ mit Verneinung, was einer Unterdrückung von ungeliebten Informationen entspricht (Costa, Zonderman, & McCrae, 1991). Ein weiterer Grund für einen angenommenen Zusammenhang zwischen Offenheit und selbstbezogener Weisheit ist, dass Offenheit in den Kriterien der selbstbezogenen Weisheit enthalten ist, wie beispielsweise im Kriterium Ambiguitätstoleranz als Strategie, um mit Ungewissheiten des eigenen Lebens umzugehen Psychologisches Feingefühl Psychologisches Feingefühl ist ein Konstrukt, das mit dem CPI (California Psychological Inventory, Gough 1964) erhoben wird. Es misst Interesse an sowie Reaktionsfähigkeit auf innere Bedürfnisse, Motive und Erfahrungen von sich selbst und anderen. Hinweise darauf, dass psychologisches Feingefühl als ein Indikator für Persönlichkeitsreife betrachtet werden kann, kommen aus impliziten Theorien von reifer Persönlichkeit oder Weisheit: Attribute, die dem Konstrukt des psychologischen Feingefühls nahe sind, werden als Aspekte reifer Persönlichkeit genannt. Weisen Personen werden Attribute zugeschrieben wie sensibel und empathisch, außerdem sollen sie ein außergewöhnliches Verständnis und Intuition besitzen (z.b. Clayton & Birren, 1980; Holliday & Chandler, 1986). Empirisch zeigen sich Zusammenhänge zwischen psychologischem Feingefühl und Persönlichkeitsreife. So korreliert psychologisches Feingefühl mit der Ego-Entwicklung (Helson & Roberts, 1994; Helson & Wink, 1987; Westenberg & Block, 1993) und Wink und Helsons (1997) Konzept praktischer und transzendentaler Weisheit 107

108 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen (siehe Punkt ). Auch unter Verwendung des allgemeinen Weisheitsmaßes des Berliner Weisheitsparadigmas werden signifikante Korrelationen zwischen psychologischem Feingefühl und allgemeiner Weisheit gefunden (Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997). Abgesehen von diesen empirischen Ergebnissen, die die Möglichkeit eines Zusammenhangs zwischen selbstbezogener Weisheit und psychologischem Feingefühl aufzeigen, scheint es theoretisch plausibel, eine entsprechende Korrelation anzunehmen. Ein gewisses Maß an psychologischem Feingefühl ist sicherlich auch für die selbstbezogene Weisheit hilfreich, da es wahrscheinlich ist, dass Personen mit einem höheren Interesse für psychologische Themen eher introspektiv sind und über die eigene Psyche, über das eigene Leben reflektieren. Dies könnte zu erhöhter Selbsteinsicht und somit zu höherer selbstbezogener Weisheit führen Adaptivität und selbstbezogene Weisheit Wie bereits unter Punkt 2.1 diskutiert, liegt dem Konzept der selbstbezogenen Weisheit ein Reifemodell zugrunde, welches in seiner Berücksichtigung der Balance zwischen den eigenen Interessen und denen anderer als Wert an sich, etwas anderes als adaptives Verhalten bezeichnet. Hier soll zunächst diskutiert werden, welche psychologischen Konzepte dem Bereich der Adaptivität zugeordnet werden können. Im Anschluss werden empirische Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsreifeindikatoren und Adaptivitätsindikatoren vorgestellt, die die Unterscheidung zwischen den beiden Konstrukten unterstützen Indikatoren der Adaptivität Ein wichtiges Resultat adaptiven Verhaltens ist subjektives Wohlbefinden, das aus einer kognitiven Komponente (z.b. Lebenszufriedenheit) und einer emotionalen Komponente (Anwesenheit von positiven Emotionen, Abwesenheit von negativen Emotionen) (Diener, 1984; Diener & Lucas, 1999; Diener & Suh, 1998; Kahneman, 1999) besteht. Positive Emotionen korrelieren hoch mit der Persönlichkeitseigenschaft Extraversion, negative Emotionen hängen stark mit der Eigenschaft Neurotizismus zusammen (Costa & McCrae, 1980; Diener & Lucas, 1999; Watson & Clark, 1992). Nach einer Kontrolle des Messfehlers fand Fujita (1991; zitiert in Diener & Lucas, 1999) eine Korrelation von.80 zwischen Extraversion und positivem Affekt, und der Zusammenhang von Neurotizismus und negativem Affekt war sogar noch höher. Dies geht wahrscheinlich teilweise auf die Items zurück, mit denen Extraversion und Neurotizismus erhoben werden, die zum großen Teil nach Emotionen fragen. Extraversion und Neurotizismus können also als Äquivalente zu positiven und negativen Emotionen und daher als Indikatoren der Adaptivität betrachtet werden. Dies wird weiter durch eine Vielzahl empirischer Ergebnisse bestätigt, 108

109 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen die Zusammenhänge zwischen Extraversion bzw. Neurotizismus und subjektivem Wohlbefinden zeigen (Carp, 1985; Costa & McCrae, 1980; McCrae & Costa, 1991) Abgesehen von den drei konstitutiven Komponenten des subjektiven Wohlbefindens (positive und negative Emotionen, sowie Lebenszufriedenheit) gibt es Konzepte der Adaptivität, die als Korrelate subjektiven Wohlbefindens fungieren. Wichtige Prädiktoren für subjektives Wohlbefinden sind u.a. positives Selbstkonzept und eine internale Kontrollüberzeugung (Argyle, 1987). Ryff (1989a) hat in ihrem Modell des psychologischen Wohlbefindens versucht, Vorbedingungen subjektiven Wohlbefindens und Persönlichkeitswachstums festzulegen. Einige der Komponenten zielen mehr auf Adaptivität (Selbstakzeptanz, Umweltbewältigung und Autonomie) (siehe Punkt ) und können daher als Indikatoren adaptiven Verhaltens konzipiert werden. In eine ähnliche Richtung zielen die Big-Five Eigenschaften Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Verträglichkeit betont den adaptiven Umgang mit sozialen Beziehungen: Eine verträgliche Person versucht, Konflikte zu vermeiden und freundlich zu sein. Dieses Verhalten sichert positive soziale Interaktion (Asendorf & Wilpers, 1998; Graziano, Jensen-Campbell, & Hair, 1996; McCrae & Costa, 1991), muss jedoch nicht zwangsläufig zu Wachstum in sozialen Beziehungen im Sinne von tiefer Verständigung und Zuneigung führen. Es scheint plausibel anzunehmen, dass gelegentliche Konflikte in Beziehungen auch zu Reflexionen über die eigene Person führen, im Sinne eines Ereignisses, das die übliche Routine unterbricht und zum Nachdenken anregt (z.b. Filipp, 1996; Lieberman & Tobin, 1983; Staudinger & Dittmann-Kohli, 1994). Gewissenhaftigkeit erfasst Funktionalität im Bereich von Aufgaben und Arbeit (Hogan & Holland, 2003; McCrae & Costa, 1991; Tett, Jackson, & Rothstein, 1991) und führt möglicherweise über Belohnungen durch die Umwelt zu subjektivem Wohlbefinden (Seidlitz, 1993; zitiert in Diener & Lucas, 1999). Empirisch zeigen sich Zusammenhänge zwischen allen Komponenten des subjektiven Wohlbefindens (positiver/negativer Affekt und Lebenszufriedenheit) und Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit (McCrae & Costa, 1991; Watson & Clark, 1992). Offenheit, das als einziger der Big-Five Persönlichkeitsfaktoren hier nicht unter Adaptivität gefasst wird, zeigt im Vergleich sehr inkonsistente Zusammenhänge, teilweise hängt es schwach positiv mit positivem Affekt, nicht aber mit negativem Affekt oder Lebenszufriedenheit zusammen (McCrae & Costa, 1991), teilweise schwach negativ mit negativem Affekt (Watson & Clark, 1992), teilweise positiv mit beidem (Costa & McCrae, 1984). Abgesehen von den oben aufgeführten theoretischen Argumenten (Punkt ) scheinen diese Ergebnisse es zu rechtfertigen, Offenheit nicht unter Adaptivität zu subsummieren Empirische Studien zu Adaptivität und Wachstum Dass es sinnvoll ist, zwischen dem Streben nach Wohlbefinden und Glück (Adaptivität) und dem nach Selbstverwirklichung (Reife) zu unterscheiden, konnte Waterman (1993) empirisch zeigen. Eudaimoni- 109

110 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen sches Wohlbefinden, welches er personal expressiveness nennt, korrelierte zwar mit Maßen des hedonischen Wohlbefindens, hing aber im Gegensatz zu diesem zusätzlich mit der Ausübung von selbstverwirklichenden Aktivitäten zusammen. Weitere Unterstützung für die Unterscheidung in Reifebedürfnisse und Adaptivität kommt aus einer Studie von Compton, Smith, Cornish und Qualls (1996), die einen Zusammenhang zwischen subjektivem Wohlbefinden und Maßen von Persönlichkeitsreife untersuchte. Eine Hauptkomponentenanalyse zeigte zwei Faktoren: Ein Faktor, der mit Reifemaßen wie dem Index of Self-Actualization nach der Theorie von Maslow (Jones & Crandall, 1986) und dem Perceived Self- Questionnaire nach Heaths Theorie der reifen Persönlichkeit (Heath, 1968, 1977) zusammenhing und einen zweiten, auf dem Adaptivitätsmaße des subjektiven Wohlbefindens wie das Happiness Measure (Fordyce, 1988) und die Affect Balance Scale (Bradburn, 1969) luden. Das Instrument des psychologischen Wohlbefindens von Ryff (1989a, 1989b, 1995) lud auf beiden Faktoren, etwas stärker auf dem der Adaptivität. Dies deutet darauf hin, dass die Ryff-Skalen in der Tat heterogen in Bezug auf Persönlichkeitsreife und Adaptivität sind. Weitere Hinweise auf einen eher geringen Zusammenhang zwischen Reife und Adaptivität kommen aus Studien des Berliner Weisheitsparadigmas. So korrelierten die adaptiven Variablen Neurotizismus, Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit nicht mit der als eudaimonisches Konstrukt zu bezeichnenden allgemeinen Weisheit (Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997). Eine weitere Studie ergab vergleichbare Ergebnisse, allerdings wurde hier ein signifikanter negativer Zusammenhang mit Extraversion gefunden (Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998), d.h. je geselliger die Person, desto geringer war ihre weisheitsbezogene Leistung. Da die Betrachtung des Streudiagramms ergab, dass vorwiegend extreme Werte in Extraversion mit geringer weisheitsbezogener Leistung einhergehen, schließen die Autoren, dass eine mittlere Ausprägung der Suche nach sozialem Kontakt und von Empathie vorteilhaft sei. Insgesamt scheinen diese Variablen also weitgehend unabhängig von allgemeiner Weisheit zu sein. Ergebnisse im Rahmen von Loevingers Konstrukt der Ego-Entwicklung zielen in eine ähnliche Richtung. So konnten McCrae und Costa (1983) keine Korrelation zwischen Ego-Entwicklung und Maßen der Adaptivität wie positiven und negativen Affekt, Hoffnungslosigkeit und Lebenszufriedenheit, feststellen. Es gibt jedoch auch Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Reifevariablen und Adaptivität. In einigen Studien zur Ego-Entwicklung zeigten sich positive Korrelationen mit den Big-Five Faktoren Umgänglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Diese Ergebnisse sind allerdings zum großen Teil geschlechtsspezifisch und dies auch nicht einheitlich (Einstein & Lanning, 1998; Hy & Loevinger, 1996) In einer anderen Studie untersuchten Alker und Gawin (1978) den Zusammenhang zwischen Reife und Wohlbefinden und fand positive Korrelationen. Allerdings wurde Reife über Selbstwert operationalisiert, der als einer der wichtigsten Prädiktoren von Wohlbefinden gilt (Argyle, 1987). 110

111 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die Ergebnisse zu Zusammenhängen von Maßen der Adaptivität mit Persönlichkeitsreifevariablen heterogen sind. Es scheint wichtig zu sein, die so genannten Reifevariablen genau zu betrachten, um zu beurteilen, inwieweit sie wirklich Persönlichkeitsreife, wie es in dieser Studie definiert wird, erfassen oder doch Aspekte von Adaptivität enthalten. Es scheint plausibel zu sein, davon auszugehen, dass Persönlichkeitsreife zu einem gewissen, mittleren Level von subjektivem Wohlbefinden führt. Dies entspricht auch der Auffassung von Ryan und Deci (2001), dass eudaimonisches Wohlbefinden ein Weg zum Erreichen von subjektivem Wohlbefinden sein kann. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass hohe Ausprägungen von Reife subjektives Wohlbefinden erzeugen. Es muss nur ein gewisses Mindestmaß an Reife vorhanden sein, um subjektives Wohlbefinden zu ermöglichen. Man könnte von einem Schwellenwert ausgehen, in dem Sinne, dass bei einem insgesamt niedrigen Niveau von Persönlichkeitsreife Kennzeichen von Adaptivität zunächst stärker werden, dass sich aber ab einem mittleren Niveau von Reife kein Zusammenhang mehr zeigt. Hohe Ausprägungen von subjektivem Wohlbefinden bedürfen anderer Kompetenzen, als die die unter Reife gefasst werden (Seligman, 2003). Eudaimonia ist nur zu einem gewissen Grad Bedingung für Hedonia. Auch umgekehrt ist anzunehmen, dass ein Mindestniveau an adaptivem Verhalten und an funktionalen Eigenschaften und Emotionen vorliegen muss, damit kognitive, soziale und emotionale Ressourcen bereitstehen, die nötig sind, um Persönlichkeitswachstum zu entwickeln. Allerdings wird in nichtklinischen Stichproben nicht angenommen, dass dieses Niveau von den Teilnehmern unterschritten wird. Auch selbstbezogene Weisheit wird hier nicht als vollständig unabhängig von Adaptivität betrachtet. Um Annahmen über Zusammenhänge von selbstbezogener Weisheit mit Adaptivitätsmaßen zu treffen, müssen die einzelnen Kriterien genauer betrachtet werden. Die Basiskriterien (Selbstwissen bzw. Wachstums- und Bewältigungswissen) sollten eine stärkere Verbindung zur Adaptivität aufweisen als die Metakriterien. Bestimmte Lebensbereiche, in denen sich eine Person mit hohem Selbstwissen selbst kennen muss, sind nicht unabhängig von subjektivem Wohlbefinden und Adaptivität, wie beispielsweise das Vorhandensein tiefer zwischenmenschlicher Beziehungen oder die Kenntnis der eigenen Ziele. Auch die Kenntnis von Strategien, die in dem Kriterium Wachstums- und Bewältigungswissen erfasst wird, wie beispielsweise das Wissen, wie man tiefe Beziehungen entwickelt, wirkt sich höchstwahrscheinlich positiv auf die Bewältigung des eigenen Lebens aus und ist daher adaptiv. Die Metakriterien sollten hingegen weitgehend unabhängig von Adaptivität sein. Das Wissen über die Hintergründe des eigenen Verhaltens (Zusammenhangswissen), die Fähigkeit, sich selbst von außen zu betrachten (Selbstrelativierung) und das Bewusstsein von Komplexität und Unvorhersehbarkeit im eigenen Leben (Ambiguitätstoleranz) führen nicht unbedingt dazu, das eigene Leben besser im Griff zu haben. Im Gegenteil, genaue Reflexion über die eigene Handlung kann zu Depressivität führen und das Selbstbe- 111

112 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen wusstsein verringern (Taylor & Gollwitzer, 1995). Auch kann die realistische Wahrnehmung der Welt, die mit der Selbstrelativierung einhergeht, positive und angenehme Illusionen zerstören und damit Lebenszufriedenheit herabsetzen. Daher wäre denkbar, dass das in den Metakriterien geforderte komplexere Denken über sich selbst und die differenzierte Wahrnehmung auch negativer Aspekte der eigenen Person subjektivem Wohlbefinden entgegenwirken Kognitive Faktoren und selbstbezogene Weisheit Intelligenz Intellektuelle Fähigkeiten werden von Laien häufig mit Weisheit assoziiert dies zeigt sich in Untersuchungen zu impliziten Weisheitstheorien. So fand Sternberg (1985) in seiner Untersuchung impliziter Vorstellungen von weisen Personen einen Faktor, den er reasoning ability (Fähigkeit zum logischen Schlussfolgern) nennt. Ähnliche intellektuelle Fähigkeiten beschreibende Aspekte fanden Holliday und Chandler (1986) mit general competence, einen Faktor, der die Eigenschaft intelligent einschließt, Sowarka (1989) mit intellectual competence und Clayton und Birren (1980) mit der von ihnen gefunden Beschreibung weiser Personen als intelligent. Es scheint in der Vorstellung von Laien also Konsens darüber zu bestehen, dass eine weise, reife Person auch intelligent sein solle. Auch Loevinger (1976) geht in ihrer Theorie der Ego-Entwicklung davon aus, dass mit höheren Stufen der Ego-Entwicklung eine höhere Kompetenz zu abstraktem Denken und kognitiver Komplexität einhergeht. Empirisch scheint ein solcher Zusammenhang zwischen Intelligenz und Indikatoren von Persönlichkeitsreife tatsächlich zu bestehen. Ein sowohl fluide, als auch kristalline Komponten beinhaltendes Maß der Intelligenz, zeigte in einer Studie signifikante Korrelationen mit Reifeaspekten, wie Ambiguitätstoleranz und psychologischem Feingefühl (Eichhorn, Hunt, & Honzik, 1981). Auch zwischen der Ego-Entwicklung und Intelligenz wurden signifikante Zusammenhänge gefunden. So wurde in Studien, die eine Altersspannbreite bis mindestens 60 Jahren berücksichtigen, regelmäßig Zusammenhänge zwischen Ego-Entwicklung und kristalliner Intelligenz gefunden (z.b. Labouvie-Vief & Diehl, 1998; McCrae & Costa, 1980; Newman, Tellegen, & Bouchard, 1998; Vincent & Vincent, 1979). Auch die fluide Intelligenz hing jedoch positiv mit der Ego-Entwicklung zusammen (z.b. Newman, Tellegen, & Bouchard, 1998). In empirischen Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Intelligenz und allgemeiner Weisheit, die hier als mit der selbstbezogenen Weisheit verwandtes Maß relevant ist, zeigen sich ebenfalls positive Korrelationen (Helson & Srivastava, 2002; Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997; Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998). In den meisten Studien ist der Zusammenhang mit kristalliner Intelligenz höher als der mit fluider Intelligenz (Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997; Staudinger & Pasu- 112

113 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen pathi, 2003), manchmal wurde aber auch eine stärkere Assoziation mit fluider Intelligenz gefunden (Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998). Wie lassen sich diese empirischen Ergebnisse und theoretischen Überlegungen in Annahmen über Zusammenhänge zwischen Intelligenz und selbstbezogener Weisheit übersetzen? 15 Es ist anzunehmen, dass fluide Intelligenz als Hardware zwar eine Vorraussetzung für den Erwerb von selbstbezogener Weisheit darstellt, aber dass ab einem mittleren Niveau höhere Werte nicht weiter zu höherer Leistung beitragen. Daher ist mit der selbstbezogenen Weisheit keine lineare Beziehung, sondern eine quadratische zu erwarten. Diese Annahme erhält Unterstützung durch Untersuchungen, die zeigen, dass für Personen mit niedrigerer fluider Intelligenz diese eine größere Rolle für ihre weisheitsbezogene Leistung spielt. So korreliert allgemeine Weisheit deutlich stärker mit fluider Intelligenz bei Jugendlichen als bei Erwachsenen (Staudinger & Pasupathi, 2003). Da Adoleszente in fluider Intelligenz noch nicht das Niveau von Erwachsenen erreicht haben (siehe Case, 1992; Kail, 1995), kann dies als ein Hinweis darauf gesehen werden, dass eine gewisse Höhe an fluider Intelligenz nötig ist, um weisheitsbezogene Leistungen zu erbringen. Fluide Intelligenz scheint jedoch vorwiegend für die Metakriterien relevant zu sein. Die Metakriterien, wie das Ergründen von Ursachen des eigenen Verhaltens (Zusammenhangswissen) oder das fortlaufende Abwägen und Hinterfragen der eigenen Sicht auf die Dinge (Selbstrelativierung), erfordern hohe kognitive Komplexität, für die fluide Intelligenz zentral ist (Cattel, 1987; Spearman, 1923). Weiterhin ist für solche Prozesse ein Arbeitsgedächtnis, das viele Aspekte gleichzeitig verarbeiten kann, zentral das Arbeitsgedächtnis wird oft als Sitz der fluiden Intelligenz interpretiert (Engle, Tuholski, Laughlin, & Conway, 1999; Kyllonen & Christal, 1990; Süß, Oberauer, Wittman, Wilheim, & Schulze, 2002). Das Ansammeln und Wiedergeben von Wissen über sich selbst, das in den Basiskriterien gefordert ist, sollte hingegen nicht so stark von fluider Intelligenz abhängen. So ist der Abruf von Wissen aus dem Langzeitgedächtnis, der für die Basiskriterien zentral ist, weitgehend unabhängig vom Arbeitsgedächtnis (Logie & Della Sala, 2001). Daher wird angenommen, dass die Metakriterien stärker mit fluider Intelligenz zusammenhängen als die Basiskriterien. Um selbstbezogenes Wissen gut ausdrücken zu können, und möglicherweise auch um es differenziert im Langzeitgedächtnis enkodieren zu können, wird sprachliche Kompetenz, die eine Facette kristalliner Intelligenz ist, benötigt. Die Abbildung von Wissen oder Schemata über sich selbst erfolgt nach Bower und Gilligan (1979) in propositionalen Netzwerken. Wenn Propositionen erzeugt werden, 15 Bei theoretischen Überlegungen zu einem möglichen Zusammenhang von Intelligenz und selbstbezogener Weisheit muss unterschieden werden zwischen der Weisheitsleistung in der Testsituation und dem latenten Konstrukt der selbstbezogenen Weisheit. Letzteres bezeichnet die Einsichten in die eigene Persönlichkeit und das eigene Leben, die durch den Test erfasst werden sollen. Es ist vorstellbar, dass Intelligenz in der Testsituation einen direkten Einfluss auf die Leistung in selbstbezogener Weisheit ausübt, während es auf das latente Konstrukt über Mediatoren wirkt. Da diese Effekte in dieser Studie jedoch nicht überprüft werden können, sollen lediglich in der Diskussion entsprechende Überlegungen angestellt werden. 113

114 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen die dann den Inhalt des Langzeitgedächtnisses bilden, erfolgt dies über die sprachliche Interpretation der Charakteristika der Situation (Frederiksen, 2001). Ob bestimmte Aspekte der Umwelt, wie z.b. Differenzen zwischen Farben, überhaupt wahrgenommen werden können, hängt davon ab, ob Personen einen Begriff dafür haben (Roberson, Davies, & Davidoff, 2000). Daher wäre es denkbar, dass eine reichere Sprache, wie sie durch eine höhere kristalline Intelligenz angezeigt wird, zu differenzierteren Selbstrepräsentationen führt und damit zu einer höheren Ausprägung der selbstbezogenen Weisheit im Sinne von differenzierteren Einsichten über die eigene Person. Aus diesen Gründen scheint es plausibel anzunehmen, dass selbstbezogene Weisheit und kristalline Intelligenz zusammenhängen. Aufgrund der Zentralität sprachlicher Kompetenz für die Erhebungsmethode der selbstbezogenen Weisheit und für die Repräsentation von selbstbezogenem Wissen sowie den empirischen Ergebnissen zu Zusammenhängen zwischen kristalliner Intelligenz und allgemeiner Weisheit und zu Persönlichkeitsreife wird angenommen, dass dieser Zusammenhang stärker ist, als der mit der fluiden Intelligenz. Weiterhin ist nicht unbedingt davon auszugehen, dass ein bestimmtes Niveau an sprachlicher Kompetenz genügt, sondern dass höhere Werte in kristalliner Intelligenz auch auf einem höheren Niveau noch bei der besseren Formulierung und Enkodierung von Urteil und Wissen über die eigene Person hilfreich sind. Daher wird hier von einem linearen Zusammenhang ausgegangen. Es wird allerdings wie bei der fluiden Intelligenz davon ausgegangen, dass der Zusammenhang mit den Metakriterien stärker ist als mit den Basiskriterien, weil die Wiedergabe von eigenen Verhaltensweisen sprachlich weniger anspruchsvoll sein sollte als die komplexe Erörterung von Hintergründen für das eigene Verhalten oder das Ausdrücken der Kompetenz, sich selbst mit den Augen anderer betrachten zu können Bildung Als ein weiterer Aspekt, der mit Persönlichkeitsreife zusammenhängen könnte, muss die formale Bildung in Betracht gezogen werden. In der Persönlichkeitswachstumsforschung werden regelmäßig signifikante Zusammenhänge zwischen der Anzahl der Ausbildungsjahre und Loevingers Satzergänzungstest gefunden (Lee & Snarey, 1988), sowohl bei Schülern (Browning, 1987), als auch bei jährigen (Truluck & Courtenay, 2002). Diese Zusammenhänge werden teilweise dadurch erklärt, dass Bildung Erfahrungskontexte für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit bereitstellt (Manners & Durkin, 2000). Für diese Interpretation spricht, dass selbstgerichtetes Lernen, das möglicherweise Selbstreflexion über die eigene Person unterstützt, Ego-Entwicklung fördert (Billington, 1988). Weiterhin konnte eine Studie von Snarey und Lydens (1990) zeigen, dass der Zusammenhang von formaler Bildung mit Ego-Entwicklung im Kontext eines Kibbuz - das möglicherweise allen Mitgliedern gleichermaßen Erfahrungsmöglichkeiten bereitstellt, die Persönlichkeitswachstum erleichtern - verschwindet. Ein Effekt von Bildung auf Persönlich- 114

115 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen keitsreife über Erfahrungskontexte könnte allerdings auch durch die mit Bildung konfundierte Variable der sozialen Herkunft zustande kommen. Es wäre möglich, dass in Familien höheren Bildungsniveaus ein anderes Klima für Selbstexploration und Selbstverwirklichung herrscht als in solchen niedrigeren Bildungsniveaus (Bourdieu, 1987). Hinweise auf die Wichtigkeit des sozioökonomischen Status des Elternhauses geben zwei Studien zur Ego-Entwicklung. So konnte Browning (1987) feststellen, dass der Ego-Level von Jugendlichen bis zur Volljährigkeit mit dem Ausbildungsstand der Eltern korrelierte. Redmore und Loevinger (1979) konnten weiter einen signifikanten Zusammenhang zwischen Ego-Level und sozioökonomischem Status bei High-School Schülern zeigen. Ein Hauptproblem der Interpretation der oben zitierten Studien ist, dass nicht für die mit Bildung stark konfundierte Variable Intelligenz kontrolliert wurde. Bildungsniveau hängt eng mit Intelligenz zusammen (Korrelationen liegen um r =,7; Jencks, 1972) und wird oft als Indikator für kristalline Intelligenz verwendet. Der Großteil von Personen mit hoher Bildung weist einen überdurchschnittlichen Intelligenzquotienten auf (Matarazzo, 1972), wobei allerdings bei Personen mit niedriger Bildung eine breite Streuung von weit unterdurchschnittlicher bis weit überdurchschnittlicher Intelligenz gefunden wurde (Harrell & Harrell, 1945). Aufgrund dieser Konfundierung wurde Bildung hier den kognitiven Aspekten zugeordnet. Insgesamt scheint es nahe liegend, dass Teile des Zusammenhangs zwischen Bildung und Persönlichkeitsreife auf Unterschiede in der kristallinen Intelligenz zurückgehen, die ebenfalls mit der Ego-Entwicklung zusammenhängt (siehe Punkt ). Die oben berichteten Studien legen nahe, einen Zusammenhang zwischen Bildung und selbstbezogener Weisheit anzunehmen. Es scheint jedoch plausibel, davon auszugehen, dass ein solcher Zusammenhang vorwiegend über die durch Bildung vermittelte und mit ihr stark zusammenhängende kristalline Intelligenz zustande kommt. Von einem Effekt der Bildung auf die selbstbezogene Weisheit über den Effekt der kristallinen Intelligenz hinaus, ist demnach nicht auszugehen Lebensereignisse und selbstbezogene Weisheit In der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne wird das Konzept der Lebensereignisse seit längerem als eines der Erklärungsprinzipien von Entwicklung im Erwachsenalter diskutiert (Baltes, 1979; Brim & Ryff, 1980; Filipp, 1990). Lebensereignisse sind zum Beispiel altersabhängige normative Ereignisse (auch Entwicklungsaufgaben genannt; z.b. Elternschaft), non-normative Ereignisse, die nur wenigen Personen passieren und zufällig geschehen (z.b. ein Unfall) und kulturgeschichtliche Lebensereignisse, die vielen Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt passieren (z.b. Krieg) (Filipp, 2001). Diese Ereignisse können sowohl positiv als auch negativ sein. Lebensereignisse sind in verschiedenen Forschungstraditionen mit unterschiedlichen Effekten in Verbindung gebracht worden: in der klinischen Forschung mit psychischen Störungen wie der posttraumatischen Belastungsstörung (z.b. Davidson & 115

116 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen Foa, 1993), in der gesundheitspsychologischen Forschung mit negativen Auswirkungen auf die Schwere körperlicher Krankheit (z.b. Holmes & Masuda, 1974) oder in der entwicklungspsychologischen Tradition mit positiven Effekten wie Wachstum (z.b. Lerner & Gignac, 1992; Tedeschi & Calhoun, 1995). Letztere sind für diese Studie von besonderem Interesse. In der entwicklungspsychologischen Forschung zu Lebensereignissen wird davon ausgegangen, dass der Prozess des Umgangs mit Lebensereignissen, so lange diese das Individuum nicht überfordern, positive Veränderungen hervorrufen kann (z.b. Aldwin, 1994; Park, 1999). Positive Ergebnisse, von denen in der Literatur berichtet wird, können zum Beispiel verbesserte Coping-Kompetenzen, ein anderes Selbstbild, das einerseits erhöhte Widerstandsfähigkeit, anderseits ein stärkeres Bewusstsein der eigenen Verletzlichkeit umfasst, verbesserte, intensivierte soziale Beziehungen und vertiefte oder erneuerte Perspektiven auf das Leben sein (Schaefer & Moos, 1992; Tedeschi & Calhoun, 1995). In verschiedenen Studien wurde gezeigt, dass Personen positive Veränderungen in dieser Hinsicht erleben, nachdem sie verschiedensten Stressoren ausgesetzt waren, wie Knochenmarktransplantation (Curbow, Somerfield, Baker, Wingard, & Legro, 1993), Krebs (Taylor, 1983) oder Verlust eines Angehörigen (Calhoun & Tedeschi, ). In dieser Literatur wird allerdings bei dem Begriff Wachstum oft nicht zwischen einem adaptiven Wachstum und einem, das in Richtung Reife geht, unterschieden (siehe auch Punkt 2.1). So beschreibt Park (1999) Wachstum in diesen Fällen als positives Ergebnis, das Personen nach stressreichen Situationen erleben (oder berichten), teilweise entstanden durch ihre Anstrengungen, mit dem Stressor umzugehen eine Interpretation von Wachstum, die eher in Richtung Adaptivität geht. Im Folgenden sollen vorwiegend Ergebnisse betrachtet werden, die den Zusammenhang zwischen Lebensereignissen und Wachstum zur Reife untersuchen. Theoretisch wird ein möglicher Zusammenhang zwischen Lebensereignissen und Reife darüber begründet, dass Lebensereignisse Personen mit Unerwartetem konfrontieren oder übliche Abläufe behindern (Wollheim, 1984) und es erfordern, die eigenen Schemata anzupassen (Filipp & Ferring, 2002). So nimmt Loevinger (1976) an, dass bestimmte, disäquilibrierende Kontexte eine Voraussetzung für weitere Ego-Entwicklung sind, da nur so die eigenen Schemata hinterfragt und an die neuen Umstände angepasst (akkommodiert) werden müssen. Dies kann sowohl durch negative Ereignisse geschehen, die (wie in der Forschung zur posttraumatischen Belastungsstörung angenommen) nicht in bisherige Selbstschemata passen (siehe Filipp, 1999; Filipp & Ferring, 2002), als auch durch positive Ereignisse, die es zum Teil im Sinne von Entwicklungsaufgaben (wie. z.b. Elternschaft) ermöglichen, die eigene Person in neuen Kontexten und Rollen zu erleben. Wenn sich Erlebnisse dem Profil der bereits erworbenen Deutungsschemata nicht völlig anpassen und Diskrepanzen zwischen dem eigenen Selbstbild und bestimmten Ereignissen bestehen (z.b. Higgins, 1987), verlangt dies nach Veränderung des bestehenden Wissens (z.b. Schütz und Luckmann, 1979; Tedeschi & Calhoun, 1995). Möglicherweise kann 116

117 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen eine wahrgenommene Diskrepanz zu bestehenden Selbstschemata und das Erleben der eigenen Person in neuen Kontexten und Rollen, Reflexionen über das eigene Leben auslösen ein Prozess, der mit kritischen Lebensereignissen in Zusammenhang gebracht worden ist (Filipp, 1996, 1999; Staudinger, im Druck; Staudinger & Dittmann-Kohli, 1994). Weiterhin erhöhen vor allem negative Lebensereignisse die Selbstaufmerksamkeit (Filipp, Klauer, & Ferring, 1993), vermutlich über die mit ihnen verbundenen starken negativen Emotionen (Green & Sedikides, 1999). Die erhöhte Selbstaufmerksamkeit könnte dazu beitragen, Elemente des selbstbezogenen Wissenssystems zu aktivieren und diese offener für Veränderung zu machen (Glinder & Compas, 1999). Die allgemeine Stimulation durch akkommodative Herausforderungen im Lebensverlauf scheint tatsächlich in Zusammenhang mit dem Ego-Level zu stehen (Helson & Roberts, 1994). Frauen, die traditionelle Familienrollen ausgeübt hatten, ohne einen Beruf zu ergreifen, oder solche, die weder Beruf noch Familie gehabt hatten, zeigten die geringsten durchschnittlichen Ego-Levels, einen etwas höheren Ego-Level zeigten solche mit etwas mehr Anregung durch Brüche in entweder Ehe oder Beruf. Die höchsten Ego-Levels konnten Frauen aufweisen, die ihren Beruf durchgehend ausgeübt hatten und dadurch kontinuierliche Stimulation erfahren hatten. Leider wurde der Ego-Level nicht bei der ersten Messung erhoben, so dass das Ausgangsniveau nicht bekannt ist. In einer früheren Studie hatten Helson, Mitchell und Moane (1984) festgestellt, dass nach Lebensereignissen wie Mutterschaft oder früher Scheidung die mit Persönlichkeitsreife zusammenhängende Eigenschaft des psychologischen Feingefühls zunahm. Bei der Beurteilung eines Einflusses von Lebensereignissen auf Wachstum zur Reife muss jedoch auch berücksichtigt werden, dass die oben beschriebene Verarbeitung von Ereignissen, beispielsweise durch Selbstreflexion, nicht immer gelingt. Lebensereignisse scheinen ein zweischneidiges Schwert zu sein: Sie können als Erfahrungskontexte die Person dazu anregen, über sich selbst zu reflektieren und Selbstschemata veränderbarer machen, besonders traumatisierende oder zu viele Ereignisse könnten jedoch eine Person auch überfordern und dadurch sogar schädliche Einflüsse im Sinne eines Entstehens von Pathologie haben, wie beispielsweise die posttraumatische Belastungsstörung (z.b. O Hara, Schlechte, Lewis, & Varner, 1991; Solomon, Miulincer, & Flum, 1988). Zwar ist dies immer von dem Umgang der einzelnen Person mit dem Ereignis abhängig (Filipp, 1999). Insgesamt scheint es jedoch plausibel davon auszugehen, dass eine gewisse Menge und Intensität von Lebensereignissen optimal für Wachstum zur Reife ist, dass darüber hinaus jedoch auch negative, Wachstum entgegenwirkende Effekte entstehen können. Ein wichtiger Aspekt, der den Zusammenhang zwischen Reife und Lebensereignissen moderieren könnte, ist die Art und Weise, wie die Person mit den Lebensereignissen umgeht (z.b. Filipp, 1990). So geht Persönlichkeitsveränderung nach Lebensereignissen mit positiver Reinterpretation von eigentlich 117

118 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen negativen Ereignissen (wie z.b. den Tod eines Angehörigen als Gottes Wille zu betrachten) einher (Heatherton & Nichols, 1994; Park, Cohen, & Murch, 1996; Tedeshi & Calhoun, 1995). Die positive Reinterpretation ist möglicherweise ein Hinweis auf eine stattgefundene intensive Auseinandersetzung mit den Ereignissen, die entscheidend dafür sein könnte, ob ein Wachstum in Richtung auf Persönlichkeitsreife stattfindet. So zeigte sich in einer Studie, dass wenn Frauen eine Trennung als disäquilibrierend wahrnahmen (dadurch, dass sie direkt nach der Trennung eine eher schlechte emotionale Anpassung zeigten), und wenn daraufhin im Laufe eines Jahres ihr Anpassungs-Level anstieg, sie einen höheren Ego-Level als zuvor aufwiesen (Bursik, 1991). Der Anstieg des Anpassungslevels wird von Bursik (1991) als Hinweis auf eine intensive Auseinandersetzung mit dem Problem und eine erfolgreiche Bewältigung interpretiert, die zu einem Anstieg des Ego-Levels geführt haben könnte. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass nicht das Lebensereignis an sich, sondern der Umgang damit entscheidend für Persönlichkeitswachstum ist. Dass eine kritische, strukturierte Reflexion über Lebensereignisse eher zum Wachstum zur Reife führt als einfaches Nachdenken, zeigen auch Ergebnisse aus der Lebensrückblicksforschung (z.b. Romaniuk & Romaniuk, 1981; für einen Überblick siehe Staudinger, 2001a). Es ist also anzunehmen, dass Lebensereignisse, die stärker reflektiert werden, eher mit Reife zusammenhängen als solche, die nicht reflektiert wurden. Auch die speziellen Merkmale von Lebensereignissen könnten eine Rolle spielen für den Zusammenhang zwischen Lebensereignissen und Wachstum zur Reife (siehe Brim & Ryff, 1980; Filipp, 1990). Theorie und Forschung scheinen darauf hinzudeuten, dass Ereignisse mit sozialen Aspekten besonders dazu geeignet sind, selbstbezogene Schemata in Frage zu stellen und Reife zu fördern. So verweist Hormuth (1990) darauf, dass kritische Lebensereignisse, wenn sie mit Veränderungen in sozialen Rollen einhergehen, häufiger zu Veränderungen im selbstbezogenen Wissenssystem führen sollten. Filipp und Ferring (2002) vermuten weiterhin, dass der Verlust eines nahe stehenden Menschen sich besonders stark auf das Selbstsystem auswirkt. Weitere Hinweise auf die Effektivität von Erfahrungen aus dem sozialen Bereich für die Entwicklung von Persönlichkeitsreife kommen aus einer Studie, in der gezeigt werden konnte, dass sich das Training von Beratungskompetenzen und die Konfrontation mit neuen sozialen Interaktionen positiv auf die Ego-Entwicklung auswirkt (Oja, 1979) 16. Diese Ergebnisse scheinen auch vor dem Hintergrund der in dieser Studie verwendeten Definition von Reife, die die Achtung der Interessen anderer impliziert, verständlich. Demnach ist davon auszugehen, dass Lebensereignisse in sozialen Bereichen besonders stark mit Reife zusammenhängen. 16 Weitere Eigenschaften von Lebensereignissen, die hier jedoch nicht untersucht werden konnten, sind beispielsweise die kulturelle Angemessenheit in Bezug auf das Alter, in dem das Ereignis auftritt, die allgemeine kulturelle Angemessenheit, die Auftretenswahrscheinlichkeit und die Kontrollierbarkeit des Ereignisses (siehe Manners & Durkin, 2000). Empirisch zeigte sich, dass verschiedene Variablen der Persönlichkeitsreife mit der Einschätzung des Einflusses des Ereignisses (ob es als gut oder schlecht eingestuft wurde) zusammenhingen (Ryff & Dunn, 1985) und mit dem zeitliches Auftreten (ob es als früh im Leben, genau richtig, oder eher spät aufgetreten war) (Ryff & Dunn, 1985; Ryff & Heidrich, 1997). 118

119 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen Wie lassen sich diese Konzeptualisierungen und Ergebnisse in Annahmen über Zusammenhänge zwischen Lebensereignissen und selbstbezogener Weisheit übersetzen? Theoretisch ist ein solcher Zusammenhang anzunehmen. Dass das Kriterium Selbstwissen mit der Menge an Situationen zusammenhängt, in denen man Gelegenheit hatte, sich selbst zu erleben, möglicherweise auch auf Grenzen zu stoßen und Selbstkonzepte zu überdenken, liegt nahe. Auch das Wachstums- und Bewältigungswissen, die Strategien und Heuristiken zum Umgang mit schwierigen Lebensproblemen kann durch die Konfrontation mit problematischen Ereignissen und der Notwendigkeit, damit umzugehen, geübt und verbessert werden. Das Erfahren von mehr und mehr Lebensereignissen in verschiedenen Kontexten und Lebensbereichen kann der Person, bei entsprechender Reflexion, die Bedeutung der Zusammenhänge des eigenen Verhaltens und Erlebens deutlich machen. Belastende Ereignisse können auch die Frage nach dem Warum der Geschehnisse oder dem des eigenen Verhaltens in der entsprechenden Situation auslösen, die für das Zusammenhangswissen zentral ist. Weiterhin kann erwartet werden, dass das Erleben von verschiedensten Lebenslagen zur Ausbildung von relativierendem Denken im Sinne einer Toleranz gegenüber der Verschiedenartigkeit von Zielen menschlichen Handelns und Lebens führt - relativistisches Denken ist ein wichtiger Bestandteil der Selbstrelativierung. Schließlich könnte man erwarten, dass das wiederholte Erleben von Ereignissen sowie derer Unvorhersehbarkeit und Unkontrollierbarkeit einerseits das Bewusstsein für diese Ungewissheit schärft, andererseits den Erwerb von Strategien des Umgangs mit diesen Überraschungen ermöglicht. Aufgrund der theoretischen Begründung (und teilweise auch empirischen Ergebnissen), dass ein Zusammenhang von Reife und Lebensereignissen über Verarbeitung von Selbstschema-Diskrepanzen zu Stande kommt, ist anzunehmen, dass das reine Erleben von Lebensereignissen nicht ausreicht, um selbstbezogene Weisheit zu erlangen. Es kommt vielmehr darauf an, dass die Ereignisse durch kritische Auseinandersetzung verarbeitet werden. Weiterhin ist davon auszugehen, dass eine mittlere Anzahl an Lebensereignissen optimal ist, um genügend Stimulation jedoch keine Überforderung in der Verarbeitung auszulösen. Die Studien zum Einfluss von Scheidung und stimulierenden Lebenspfaden sowie zu sozialen Interventionen weisen darauf hin, dass interpersonale Erlebnisse ein besonders starkes Potential beinhalten, um selbstbezogene Weisheit zu fördern. Dies scheint auch aus theoretischer Perspektive aufgrund der Wichtigkeit interpersonaler Aspekte in den Kriterien selbstbezogener Weisheit plausibel Werte und selbstbezogene Weisheit Ein anderer Aspekt, der potentiell mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängt, betrifft die Werte, die einer Person wichtig sind. Die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit beinhalten, dass die Person sich mit der Suche nach einem eigenen Wertesystem beschäftigt, auf andere Rücksicht nimmt und sich so- 119

120 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen zial engagiert. Daher könnte man erwarten, dass selbstbezogene Weisheit mit Werten, die sich mit dem Wohlergehen anderer oder dem Gemeinwohl beschäftigen, zusammenhängt. Empirische Unterstützung für eine solche Hypothese kommt aus der Forschung zu allgemeiner und persönlicher Weisheit. Eine bereits oben erwähnte Studie von Helson und Srivastava (2002) gibt Hinweise über die Werte, die empirisch bei als weise eingestuften Personen vorliegen. Sie finden, dass als weise eingestuften Personen nach einem Sinn suchen und sich mit abstrakten, übergeordneten Werten beschäftigen. Sie engagieren sich für das Wohl anderer, d.h. zeigen gemeinnützige, benevolente Werte und sind tolerant. Da das von Helson und Srivastava verwendete Weisheitsmaß auch selbstbezogene Anteile enthält, unterstützen die Ergebnisse die Annahme, dass auch die selbstbezogene Weisheit mit gemeinnützigen Werten zusammenhängt. Ähnliche Ergebnisse wie Helson und Srivastava (2002) konnten Kunzmann und Baltes (2003) im Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas finden. Personen, die hohe allgemeine Weisheit besaßen, tendierten zu Werten, die das Ziel haben, andere zu fördern, wie das Wohlbefinden von Freunden, soziales Engagement und Umweltschutz. Weiterhin schätzten sie das Streben nach persönlichem Wachstum und Einsicht. Nach diesen Ergebnissen scheint es plausibel, dass selbstbezogene Weisheit mit gemeinnützigen, sozialen Werten zusammenhängt. Diese Werte sind in den Kriterien der selbstbezogenen Weisheit besonders stark in der Definition der Basiskriterien enthalten. So geht es beim Selbstwissen um die Entwicklung eines eigenen Wertesystems und die Sorge um das Wohlergehen anderer, beim Wachstums- und Bewältigungswissen, um diese Strategien umzusetzen. In den Metakriterien hingegen sind diese Werte nicht als direkte Aspekte enthalten. Daher wird davon ausgegangen, dass soziale und gemeinnützige Werte stärker mit den Basiskriterien zusammenhängen als mit den Metakriterien. Eine andere Gruppe von Werten, wie Hedonismus, Machtstreben oder Leistungsmotivation, richtet sich auf eher selbstbezogene oder adaptive Ziele. So wird die emotionale Komponente von subjektivem Wohlbefinden auch als hedonic balance bezeichnet (z.b. Schimmack, Radhakrishnan, Oishi, Dzokoto, & Ahadi, 2002), was darauf hindeutet, dass Hedonismus eben genau dieses emotionale Wohlbefinden anstrebt. Ebenso kann ein gewisses Streben nach Leistung und Macht zumindest in gewissen Kontexten (z.b. in Unternehmen) als adaptiv für die Bewältigung gesellschaftlicher und beruflicher Anforderungen betrachtet werden (Sagiv & Schwartz, 2000). Wie bereits oben (Punkt 5.1.2) erörtert, genügt subjektives Wohlbefinden nicht, um selbstbezogen weise zu sein (genauso wenig wie selbstbezogene Weisheit dazu ausreicht, um glücklich zu sein). Für die selbstbezogenen Werte wird ein Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit vergleichbar zu dem mit Indikatoren von Adaptivität erwartet: ein geringer, unbedeutender Zusammenhang. 120

121 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen 5.2 Lebensalter und selbstbezogene Weisheit Ein zentrales Ziel dieser Arbeit ist es, Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit zu untersuchen. In dieser Studie interessiert vor allem der Altersunterschied zwischen jungen und älteren Erwachsenen, die jedoch noch nicht das hohe Erwachsenenalter (über 80) erreicht haben. Daher werden theoretische Annahmen und empirische Ergebnisse zu anderen Altersgruppen hier weitgehend vernachlässigt. Im Folgenden soll im ersten Abschnitt überlegt werden, ob Altersunterschiede in der Höhe der selbstbezogenen Weisheit zu erwarten sind, und wie diese aussehen könnten. In einem zweiten Abschnitt werden Annahmen über differentielle Prädiktionsmuster von bestimmten Variablen des Modells der Korrelate für ältere und jüngere Erwachsene getroffen Alter und die Leistung in selbstbezogener Weisheit Empirische Ergebnisse in der Forschung zum Zusammenhang zwischen Alter und Weisheit bzw. Persönlichkeitsreife scheinen auf den ersten Blick sehr heterogen zu sein und drei mögliche Hypothesen über Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit nahe zu legen. Einige Argumente sprechen dafür, eine bessere Leistung Älterer zu erwarten, andere dafür, keinen Altersunterschied anzunehmen, während weitere Ergebnisse und theoretische Überlegungen die Annahme nahe legen, dass ältere Erwachsene sogar niedrigere Werte in selbstbezogener Weisheit erzielen. Argumente für diese drei Hypothesen sollen im Folgenden diskutiert werden. Die erste Argumentationslinie ist eine, die impliziten Theorien von Weisheit entspricht: Intuitiv wird Weisheit häufig mit Alter assoziiert (z.b. Clayton & Birren, 1980; Holliday & Chandler, 1986) und ältere Erwachsene werden von Laien häufiger als weise eingestuft, als jüngere (Stange, Kunzmann, & Baltes, 2003). Auch einige der klassischen Wachstumstheoretiker vertreten die Auffassung, Reife und Weisheit könnten sich erst ab einem höheren Erwachsenenalter entwickeln, da man in jüngerem Alter noch nicht genug Wissen und Bildung angesammelt habe (Jung, 1964; Maslow, 1994). Eine weitere Annahme ist, dass erst im Erwachsenenalter die Einschränkungen wegfallen, die in der Jugend vorliegen und die Fortschritte behindern, wie zu wenig Abwechslung in Familie und Schule (Labouvie-Vief, 1982). Es scheint plausibel, dass Alter die Möglichkeit bietet, im Laufe des Lebens Einsichten über das Leben oder im Falle der selbstbezogenen Weisheit, über die eigene Person zu erlangen. Länger zu leben erhöht die Möglichkeit und die Wahrscheinlichkeit, weisheitsförderliche Erlebnisse zu haben. Studien zum Zusammenhang von Alter und Persönlichkeitsreife zeigen jedoch eher einen Anstieg in Reifeindikatoren bis zum mittleren Erwachsenalter. So zeigte sich, dass die Komplexität von Selbstdarstellungen und Emotionen zwar während des Erwachsenenalters ansteigt, allerdings im mittleren Erwachsenenalter am höchsten zu sein scheint und dann abfällt (Labouvie-Vief, 2003; Labouvie-Vief, 121

122 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen DeVoe, & Bulka, 1989; Labouvie-Vief, Chiodo, Goguen, Diehl, & Orwoll, 1995). Auch Wink und Helson (1997) konnten in ihrer Längsschnittstudie von Frauen zeigen, dass vom Alter von 27 bis 52 die Werte in praktischer Weisheit (einer persönlichkeitsbezogenen Messung der Weisheit, siehe Punkt ) anstiegen - allerdings handelt es sich auch hier um Personen mittleren Lebensalters. Daher lassen diese Ergebnisse keine validen Schlüsse über das spätere Erwachsenenalter zu. Zusammenfassend lässt sich für die Argumente für eine höhere Leistung Älterer in selbstbezogener Weisheit festhalten, dass diese sich vorwiegend auf implizite oder nicht-empirische, klassische Theorien von Persönlichkeitsreife stützen. Das überzeugendste Argument scheint zu sein, dass ältere Erwachsene im Laufe ihres Lebens mehr Zeit hatten, sich selbst kennen zu lernen. Die meisten der empirischen Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Alter und Reife scheinen hingegen nur höhere Leistungen von Personen mittleren Lebensalters nahe zu legen. Die zweite mögliche Hypothese zu Altersunterschieden in selbstbezogener Weisheit, nämlich die, dass kein Altersunterschied besteht, wird vor allem von empirischen Befunden genährt. So werden in der Forschung zu allgemeiner Weisheit und zur Ego-Entwicklung durchgängig keine Altersunterschiede gefunden. Verschiedene Studien im Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas fanden keine signifikante Korrelation zwischen der allgemeinen weisheitsbezogenen Leistung und dem Alter nach der Adoleszenz (z.b. Shedlock, 1998; für einen Überblick siehe Staudinger, 1999a). Der größte Zuwachs an allgemeiner weisheitsbezogener Leistung findet in der Adoleszenz bis zum Alter von ca. 20 Jahren statt (Staudinger & Pasupathi, 2003). Auch unter den oberen 20% der Leistungen befinden sich nicht überzufällig viele ältere Erwachsene (Baltes, Staudinger, Maercker, & Smith, 1995; Staudinger, 1989; Staudinger, Smith, & Baltes, 1992). Dies ändert sich, wenn zusätzlich andere begünstigende Erfahrungskontexte, wie der Beruf, dazu kommen. Wenn nur Personen mit einem begünstigenden beruflichen Kontext betrachtet wurden, wurden überzufällig viele ältere TeilnehmerInnen in den oberen 20% der weisheitsbezogenen Leistungen gefunden (Smith, Staudinger, & Baltes, 1994; Staudinger, Smith, & Baltes, 1992). Auch in der Forschung zur Ego-Entwicklung zeigen sich ab dem Erwachsenenalter keine Altersunterschiede. Die meisten Erwachsenen stabilisieren sich auf dem Self-Aware oder dem Conscientious Level weit unterhalb des Maximums (Holt, 1980; Redmore & Loevinger, 1979). Es tritt kaum mehr Veränderung auf (Browning, 1987; Cohn, 1998; Loevinger & Wessler, 1970; McCrae & Costa, 1980). Loevinger (1976) geht auch theoretisch von einer Stabilität des Ego-Levels ab dem frühen Erwachsenenalter aus. Weiteres Wachstum könne nur noch in Ausnahmen auftreten, wenn nämlich so genannte disäquilibrierende Lebensereignisse auftreten, die nach Loevinger der wichtigste Wachstumsmotor sind. Nach der Adoleszenz sei die Umwelt der Person hinreichend bekannt und löse keine Anpassungsleistung mehr aus. Außerdem suchten sich die meisten Personen ihre Umwelt entsprechend ihrem Ego- Level aus und verhinderten so eine weitere Entwicklung. Diese empirischen Ergebnisse legen also na- 122

123 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen he, dass ab dem frühen Erwachsenenalter, von Ausnahmen abgesehen, kein Zuwachs an allgemeiner Weisheit und Ego-Entwicklung stattfindet. Die empirische Basis der zweiten Argumentationslinie scheint auf keinen existierenden Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsreife und Alter hinzuweisen. Bei der nun folgenden, dritten möglichen Hypothese wird jedoch eine Spezifität der selbstbezogenen Weisheit mit berücksichtigt, die andere Annahmen über den Zusammenhang zwischen letzterer und Alter nahe legt: Für die Übertragung der oben dargestellten Ergebnisse auf die selbstbezogene Weisheit muss berücksichtigt werden, dass es sich bei der selbstbezogenen Weisheit, im Unterschied zur allgemeinen Weisheit, um Wissen über die eigene Person handelt. Auch die Ego-Entwicklung wird streng genommen nicht rein selbstbezogen erhoben 17 und beinhaltet daher nicht nur selbstbezogenes Wissen. Labouvie-Vief, die mit der Komplexität von Emotionen und Selbstbeschreibungen Maße einsetzt, die einen deutlicheren Bezug zum eigenen Leben zeigen, findet im Gegensatz zu den Studien zur Ego-Entwicklung, dass ältere Erwachsene (ab 60) niedrigere Werte auf diesen Reifemaßen erzielen (Labouvie-Vief, 2003; Labouvie-Vief, DeVoe, & Bulka, 1989; Labouvie-Vief, Chiodo, Goguen, Diehl & Orwoll, 1995). Selbstbezogenes Wissen ist deutlich stärker von selbstwertdienlichen Verzerrungstendenzen betroffen als Wissen über das Leben im Allgemeinen. Ein erster Punkt, der auf Nachteile älterer Erwachsener speziell in selbstbezogenem Wissen verweisen könnte ist, dass Offenheit für Erfahrungen, eine Eigenschaft, die helfen könnte, solche Verzerrungstendenzen zu vermeiden (Costa, Zonderman, & McCrae, 1991; McCrae & Costa, 1997; vgl. auch Punkt ) mit dem Alter abnimmt (Costa & McCrae, 1988; 1992; 1994b; Roberts, Robins, Caspi, & Trzesniewski, 2003). Dies könnte darin resultieren, dass ältere Erwachsene weniger bereit sind, ungeliebte Aspekte der eigenen Person anzuerkennen eine Bereitschaft, die jedoch zentral für Persönlichkeitsreife ist (Pazy, 1985). Nun gibt es weitere Gründe dafür anzunehmen, dass ältere Erwachsene in Bezug auf ihr eigenes Leben stärker dazu neigen, Informationen als selbstwertdienlich zu interpretieren und weniger bereit sind, sich mit negativen Bereichen des eigenen Lebens zu beschäftigen. So ist es das Ziel der zentralen Entwicklungsaufgabe des höheren Erwachsenenalters, Integrität zu erreichen (Erikson, 1963), d.h. zu einer abschließend positiven Evaluation des eigenen Lebens zu kommen. Auch wenn für Erikson (1963) diese Aufgabe beinhaltet, eine Balance zum Gegenpol der Verzweiflung herzustellen (aus der die angestrebte Weisheit erwächst), legen empirische Ergebnisse nahe, dass viele Personen diese psychosoziale Krise vermutlich so lösen, dass sie das eigene Leben als vorwiegend positiv bewerten, also mehr in Richtung Integrität tendieren (für eine ähnliche Argumentation siehe Labouvie-Vief, Chiodo, Goguen, Diehl, & Orwoll, 1995). So findet Dittmann-Kohli (1995), dass ältere Erwachsene über das von 36 Items sind so formuliert, dass es offen bleibt, ob die eigene Person, oder eine andere Person gemeint ist. Es ist jedoch durchaus möglich, dass hier nicht nur selbstbezogenes Wissen, sondern auch Wissen über die Welt im Allgemeinen angesprochen wird. 123

124 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen eigene Leben weniger scharf urteilen und eine größere Selbst- und Lebensakzeptanz demonstrieren als jüngere Erwachsene, die über das eigene Leben schärfer urteilen. Weiterhin zeigen ältere Erwachsene eine Tendenz, die eigene Vergangenheit, die eigene Lebensgeschichte als positiver zu beurteilen, als sie es war junge Erwachsene tun dies nicht (Kennedy, Mather, & Carstensen, 2004). Es lässt sich also festhalten, dass ältere Erwachsene im Vergleich zu jüngeren eher dazu neigen, sich selbst und ihr eigenes Leben als positiv zu bewerten. Da einige Kriterien der selbstbezogenen Weisheit es jedoch erfordern, sich selbst kritisch zu betrachten (z.b. Selbstrelativierung), ungewisse und negative Ereignisse im eigenen Leben anzuerkennen (z.b. Ambiguitätstoleranz) oder innere Konflikte zu erkennen (z.b. Zusammenhangswissen), ist zu erwarten, dass ältere Erwachsene niedrigere Werte zumindest in den Kriterien selbstbezogener Weisheit zeigen, die eine hohe Selbstkritik und Selbstkontextualisierung erfordern. Abgesehen von der geringeren Offenheit älterer Erwachsener und ihrer Tendenz, das eigene Leben positiv zu bewerten, könnte ein anderer Aspekt es ihnen erschweren, hohe Leistungen in selbstbezogener Weisheit zu erlangen: Die im Durchschnitt mit dem Alter abnehmenden Ressourcen. Im höheren Erwachsenenalter nehmen körperliche Probleme langsam zu und geistige Kapazitäten, vor allem fluide Intelligenz (z.b. Schaie, 1994, 1996) werden geringer (für einen Überblick, siehe Freund & Riediger, 2003). Auch wenn dies bis zum sehr hohen Erwachsenalter (bis 80) nicht zur Minderung des subjektiven Wohlbefindens führt (Diener & Suh, 1998; Kunzmann, Little, & Smith, 2000; Staudinger, 2000), stellen die genannten Einschränkungen doch Anforderungen an die Resilienz. Ein Modell des erfolgreichen Alterns, das Modell der selektiven Optimierung mit Kompensation, postuliert, dass wenn Ressourcen geringer werden, es sinnvoll ist, die Anzahl der Ziele zu reduzieren und an diesen intensiver zu arbeiten (Baltes & Baltes, 1986). Empirische Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Ziel der Funktionalität im höheren Erwachsenenalter eine größere Priorität besitzt als Ziele des Persönlichkeitswachstums. In einer Studie von Nurmi (1992) lag für ältere Erwachsene (55-64) der Fokus sowohl für Hoffnungen als auch Befürchtungen auf dem Bereich der Gesundheit, und Gesundheit ist ab dem Alter von 60 Jahren der Bereich, in den Personen am meisten investieren (Staudinger & Schindler, 2004). Der Bereich Selbst hingegen scheint für die älteren Erwachsenen weniger wichtig zu sein als für die 25-34jährigen (Nurmi, 1992). Diese Ergebnisse unterstützen die Annahme, dass ältere Erwachsene ihr Investment vorwiegend auf in dem Lebensabschnitt dringliche Bereiche richten, während der Bereich Selbst in den Hintergrund rückt. Insgesamt scheint also die Motivation älterer Erwachsener vorwiegend darauf gerichtet zu sein, eine positive Evaluation des eigenen Lebens zu entwickeln, mit diesem zufrieden zu sein und die eigene Funktionalität so aufrecht zu erhalten, dass möglichst lange ein gutes Leben möglich ist. Da das hier vertretene Reifekonzept davon ausgeht, dass einmal erlangte Reife reversibel ist (im Gegensatz zu 124

125 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen Stufenkonzeptionen von Reife), ist die aktuelle Motivation einer Person, kritisch und komplex über sich selbst zu denken, entscheidend. Weiterhin wird mit diesem Reifekonzept impliziert, dass es fortlaufend notwendig ist, Ressourcen in diese Art des Denkens über sich selbst zu investieren, vor allem kognitive Ressourcen, die im Alter ohnehin geringer werden. Lässt sich daraus schließen, dass ältere Erwachsene geringere selbstbezogene Weisheit besitzen? Bei genauerem Betrachten wird deutlich, dass die Tendenz, sich selbst positiv zu sehen, und die geringeren Ressourcen älterer Erwachsener vor allem die Art und Weise des Denkens über sich betreffen, wie sie für die Metakriterien nötig ist. Vor allem die Metakriterien erfordern eine hohe kognitive Komplexität, die auch fluide kognitive Ressourcen benötigt (siehe Punkt ) und setzen ein kritisches Denken über sich selbst voraus. Für die Basiskriterien hingegen scheint es eher denkbar, dass das dort erfragte selbstbezogene Wissen in propositionalen Netzwerken abgespeichert wird und geringe Ressourcen zur Aufrechterhaltung benötigt, so dass es auch im höheren Erwachsenenalter noch erhalten sein könnte. Hier könnte sich sogar der Vorteil bemerkbar machen, den ältere Erwachsene durch ihre längere Lebenszeit in der Möglichkeit, selbstbezogenes Wissen zu sammeln, besitzen Altersinteraktionen in den Zusammenhängen mit selbstbezogener Weisheit Entwicklungsbedingte Mittelwertsunterschiede zwischen älteren und jungen Erwachsenen in verschiedenen Variablen können sich auch auf die Höhe der Zusammenhänge von einzelnen Prädiktoren mit der selbstbezogenen Weisheit auswirken. Bei verschiedenen Prädiktoren wird davon ausgegangen, dass ein gewisses Niveau hilfreich für die Entwicklung oder Anwendung selbstbezogene Weisheit sein kann. Dabei wird davon ausgegangen, dass ein bestimmter Mindestwert nötig ist, um höhere Werte in selbstbezogener Weisheit zu erlangen. Wenn einige Gruppen von Personen in diesen wichtigen Variablen ein durchschnittlich geringeres Niveau aufweisen, impliziert dies, dass ein stärkerer Zusammenhang bestehen sollte. Unterschiede in diesen Variablen sollten deshalb auf einem geringeren Niveau besser zwischen Personen hoher und niedriger selbstbezogener Weisheit unterscheiden. In zwei der im Modell der Korrelate eingeschlossenen Prädiktorgruppen, Intelligenz und Lebensereignisse werden Altersunterschiede erwartet. Ältere Erwachsene erzielen üblicherweise geringere Werte in fluider Intelligenz (z.b. Nyberg, Bäckman, Erngrund, Olofsson, & Nilsson, 1996; Schaie, 1996), so dass anzunehmen wäre, dass für sie der Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und fluider Intelligenz stärker ist als für jüngere. Eine Studie von Staudinger und Pasupathi (2003) konnte im Vergleich von Jugendlichen mit Erwachsenen eine Hypothese bestätigen, die der gleichen Logik folgt. Bei der Gruppe von Jugendlichen zeigte sich eine höhere Korrelation mit fluider Intelligenz als bei den Erwachsenen Jugendliche haben typischerweise ein niedrigeres Niveau an fluider Intelligenz als Erwachsene (z.b. Case, 1992). In der kristallinen Intelligenz wird ein umgekehrtes Bild erwartet. Diese 125

126 Kapitel 5: Die Beziehung selbstbezogener Weisheit zu anderen Variablen erreicht ihren Höhepunkt üblicherweise nicht vor dem 50. Lebensjahr und bleibt dann lange stabil (Nyberg, Bäckman, Erngrund, Olofsson, & Nilsson, 1996; Schaie, 1996). Junge Erwachsene sollten also geringere Werte in kristalliner Intelligenz zeigen als ältere. Aus diesem Grund wird analog zur fluiden Intelligenz erwartet, dass kristalline Intelligenz für jüngere Erwachsene mit selbstbezogener Weisheit stärker zusammenhängt als für ältere Erwachsene. Im Bereich der Lebensereignisse ist anzunehmen, dass jüngere Erwachsene im Laufe ihres kürzeren Lebens noch weniger Lebensereignisse erlebt haben als ältere. Oft wird bei älteren Personen zwar von einer geringeren Anzahl an Lebensereignissen berichtet (z.b. Holmes & Masuda, 1974), in diesen Studien wird jedoch die Anzahl an Lebensereignissen erfasst, die in letzter Zeit aufgetreten sind. Bei einer Erfassung von Lebensereignissen als Summe der im gesamten Leben erfahrenen Ereignisse, die auch Entwicklungsaufgaben enthalten, scheint es plausibel, dass ältere Erwachsene bereits eine größere Zahl an Ereignissen erlebt haben. Es ist weiter davon auszugehen, dass es für die selbstbezogene Weisheit nützlich ist, eine bestimmte Mindestanzahl an Lebensereignissen erfahren zu haben Lebensereignisse ermöglichen es, sich selbst in unterschiedlichen Kontexten zu erleben und stoßen möglicherweise zur Reflexion über die eigenen Selbstschemata an (siehe Punkt 5.1.4). Wenn jüngere Erwachsene noch wenige solcher Kontexte und Anstöße zur Selbstreflexion erlebt haben, wäre es denkbar, dass bei ihnen Unterschiede in der Menge der erlebten Ereignisse eine größere Rolle spielen. Bei älteren Erwachsenen hingegen, bei denen die meisten eine größere Anzahl solcher Kontexte und Anstöße gehabt haben, spielen Unterschiede in diesen vermutlich nur noch eine geringe Rolle. Daher wird davon ausgegangen, dass Lebensereignisse für jüngere Erwachsene stärker mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängen als für ältere Erwachsene. 126

127 Kapitel 6: Ausblick auf den empirischen Teil 6. Kapitel Ausblick auf den empirischen Teil der Studie In diesem Kapitel soll ein Ausblick auf den empirischen Teil der Studie gegeben werden. Dafür wird zunächst ein kurzer Überblick über Design und Methodik der Studie gegeben, um ein besseres Verständnis für den im Anschluss folgenden Abschnitt zu ermöglichen, in dem die Hypothesen der Studie zusammengefasst werden. 6.1 Überblick über die Studie Ziel der vorliegenden Studie war es, ein Konzept selbstbezogener Weisheit auf der Grundlage des Berliner Weisheitsparadigmas (siehe Punkt 2.2) und ausgewählter Persönlichkeitsreifetheorien zu entwickeln. Die theoretische Basis, das Vorgehen und das Resultat dieser Entwicklung ist bereits unter Kapitel 3 und 4 dargestellt worden. Unter Kapitel 5 sind Annahmen über mögliche Zusammenhänge zwischen selbstbezogener Weisheit und anderen Variablen sowie über Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit getroffen worden. Im empirischen Teil dieser Arbeit soll das neue Instrument zur Messung selbstbezogener Weisheit auf Reliabilität überprüft und unter Zuhilfenahme einer zweiten Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit kreuzvalidiert werden sowie die theoretisch angenommene Struktur der Kriterien, im Sinne von Basis- und Metakriterien, überprüft werden. Anhand von Hypothesen, die sich auf das oben entwickelte Modell der Korrelate stützen, soll das Instrument auf Konstruktvalidität überprüft werden. Zusätzlich sollen Alterseffekte und altersdifferentielle Korrelationsmuster untersucht werden. In der Studie, die im Rahmen eines DFG-Projektes 18 stattfand, wurden zwei Altersgruppen rekrutiert, die eine im jüngeren (20-40), die andere im höheren Erwachsenenalter (60-80). Die Erhebung selbstbezogener Weisheit fand in Interviewsitzungen statt, in denen die Teilnehmer 19 gebeten wurden, laut über sich selbst nachzudenken. Diese Protokolle lauten Denkens wurden von trainierten Ratern im Hinblick auf ihre Ausprägung der fünf Kriterien selbstbezogener Weisheit eingeschätzt. Neben den Werten der Teilnehmer in der für diese Studie entwickelten Aufgabe standen noch die Leistungen in einer zweiten Aufgabe zur Verfügung, die ebenfalls in dem Projekt erhoben worden waren. Weiterhin standen Messungen der Reifekonstrukte Ego-Entwicklung, Selbstkonzeptreife, Reifeskalen des psychologischen Wohlbefindens, Offenheit für Erfahrungen und psychologisches Feingefühl zur Verfügung. Im Bereich 18 Projekt STA 540/3-1/2 mit dem Titel: Lässt sich Selbsteinsicht fördern? Eine empirische Untersuchung mit Hilfe einer Intervention zur Lebensreflektion 19 Die männliche Form soll hier für die weibliche mit gelten. 127

128 Kapitel 6: Ausblick auf den empirischen Teil der Adaptivität wurden Lebenszufriedenheit, Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit sowie Adaptivitätsskalen des psychologischen Wohlbefindens erfasst. Als kognitive Maße standen die Messung fluider und kristalliner Intelligenz und Bildung zur Verfügung. Weiterhin wurde die Anzahl der Lebensereignisse in verschiedenen Bereichen, u.a. Familie, Partnerschaft und Beruf erhoben. Dabei wurde unterschieden zwischen der Anzahl der erlebten Ereignisse und der Anzahl von Ereignissen, durch die man meint, Einsichten gewonnen zu haben. Schließlich war ein Wertemaß vorhanden, das sowohl selbstbezogen-adaptive Werte, als auch gemeinnützige und soziale Werte erfasst. 6.2 Untersuchungshypothesen Diese Studie verfolgt das Ziel, die Reliabilität und Validität eines Instruments zur Erfassung von selbstbezogener Weisheit zu ermitteln sowie Alterseffekte in selbstbezogener Weisheit zu untersuchen. Die in Frage kommende Art der Validierung ist die Konstruktvalidierung, die immer dann angebracht ist, wenn ein Attribut gemessen werden soll, das nicht operational definiert ist und wenn kein Kriterium existiert, das für das zu messende Konstrukt vollständig valide wäre (Cronbach & Meehl, 1955). Beides traf auf die selbstbezogene Weisheit zu. Bei einer Konstruktvalidierung wird ein nomologisches Netz von Hypothesen über die Beziehung des Konstrukts zu anderen manifesten und latenten Variablen formuliert, die dann überprüft werden (Cronbach & Meehl, 1955). Dabei überprüft die Konstruktvalidierung sowohl konvergente Validität (dass das Konstrukt mit ähnlichen Konstrukten sowie anderen Variablen, mit denen es plausiblerweise zusammenhängen sollte, tatsächlich zusammenhängt), als auch diskriminante Validität (dass das Konstrukt nicht mit anderen Konstrukten, mit denen aufgrund theoretischer Annahmen keine Verbindung besteht, zusammenhängt) (Campbell & Fiske, 1959). Solche Annahmen sollen mittels der in diesem Abschnitt dargestellten Hypothesen auf der Basis des Modells der Korrelate (Punkt 5.1) überprüft werden. Der erste Teil der Hypothesen beschäftigt sich mit den Vorraussetzungen für die Validierung, mit der Wortlänge der Protokolle sowie der Reliabilität der Kriterien und mit einigen ersten Schritten der Validierung: mit der Überprüfung der Kriterienstruktur, die eine Form der Konstruktvalidierung ist (Cronbach & Meehl, 1955), und mit der Kreuzvalidierung der Kriterien mit einer anderen Aufgabe der selbstbezogenen Weisheit. In einem zweiten Teil der Hypothesen werden zentrale Annahmen über Zusammenhänge der selbstbezogenen Weisheit mit anderen Konstrukten getroffen, die die Basis für den Hauptteil der Konstruktvalidierung sind. Es sollen spezifische Vorhersagen zum Zusammenhang von selbstbezogener Weisheit und bestimmten Prädiktoren sowie zur spezifischen Varianzaufklärung dieser Prädiktoren aufgestellt werden. Im dritten Teil der Hypothesen wird eine aus entwicklungspsychologischer Perspektive interessante Fragestellung, die Frage nach Altersunterschieden in der Höhe der selbstbezogenen Weisheit, behandelt. Diese wird hier nicht mehr als Aspekt der Validierung begriffen, 128

129 Kapitel 6: Ausblick auf den empirischen Teil auch wenn die Untersuchung von Gruppenunterschieden Teil einer Konstruktvalidierung sein kann (Cronbach & Meehl, 1955). Dies gründet sich darauf, dass Altersunterschiede hier nicht als dem Konstrukt der selbstbezogenen Weisheit inhärent begriffen werden, sondern als eine empirische Fragestellung, die aus entwicklungspsychologischer Perspektive zu beantworten ist (vgl. Punkt 2.1). Einige Hypothesen werden zu Zusammenhängen 0.Ordnung aufgestellt, andere zu multivariaten Zusammenhängen. Bei den Hypothesen zu multivariaten Zusammenhängen muss unterschieden werden zwischen Zusammenhängen innerhalb eines Prädiktorbereichs (z.b. verschiedene Reifeindikatoren) und multivariaten Zusammenhängen im größeren Kontext fast aller Prädiktorbereiche. Oft werden Annahmen über die spezifischen Varianzanteile getroffen, die eine Variable oder Variablengruppe an der selbstbezogenen Weisheit aufklärt, nachdem andere oder alle Prädiktoren berücksichtigt worden sind. A. Vorraussetzungen der Validität, interne Struktur und Konsistenz der Kriterien Ausreichende Protokolllänge Die Vorraussetzung für die Bewertung selbstbezogener Weisheit ist eine ausreichende Protokolllänge. Es wird angenommen, dass die Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit dazu geeignet ist, selbstbezogenes Wissen in ausreichender Menge von Personen zu erheben. Dies sollte sich in Protokollen von nicht weniger als 70 Worten (geringster Wert einer Antwort auf Aufgaben zur allgemeinen Weisheit des Berliner Weisheitsparadigmas, in der Studie von Smith und Baltes, 1990) zeigen. Zufriedenstellende Reliabilität Es wird angenommen, dass sich die fünf neu entwickelten Kriterien der selbstbezogenen Weisheit mit Hilfe der entwickelten Aufgabe reliabel messen lassen, d.h. eine zufrieden stellende Interraterreliablität zeigen. Vorhergesagte Faktorenstruktur Theoretisch wird in der hier vorliegenden Konzeption selbstbezogener Weisheit zwischen Basiskriterien und Metakriterien unterschieden. Die Basiskriterien umfassen vorwiegend Wissen über die eigene Person, während die Metakriterien komplexere Urteils- und Abwägungsprozesse über die eigene Person beinhalten. Aufgrund der theoretisch angenommenen stärkeren inhaltlichen Ähnlichkeit innerhalb der Kritierengruppen wird angenommen, dass sich die Kriterien in einer Faktorenanalyse auch empirisch in Basiskriterien (Selbstwissen sowie Wachstums- und Bewältigungswissen) und Metakriterien (Zusammenhangswissen, Selbstrelativierung und Ambiguitätstoleranz) gruppieren. 129

130 Kapitel 6: Ausblick auf den empirischen Teil Konsistenz der Kriterien in einer anderen Aufgabe Die in dieser Studie entwickelten Kriterien der selbstbezogenen Weisheit sollten, auch wenn sie über verschiedene Aufgaben erhoben werden, dasselbe messen. Es wird zwar erwartet, dass mit den Aufgaben teilweise Unterschiedliches erfasst wird, d.h. dass die Aufgaben einen gewissen Teil der Varianz in den Daten aufklären. Die Kriterien sollten jedoch über den konkreten Aufgabenkontext hinaus signifikant Varianz aufklären. B. Konstruktvalidität des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit Zusammenhänge zwischen selbstbezogener Weisheit und anderen Variablen Persönlichkeitsreife: Aufgrund der inhaltlichen Ähnlichkeit von Persönlichkeitsreifemaßen und selbstbezogener Weisheit wird erwartet, dass auf der Ebene der Korrelationen 0. Ordnung ein substantieller positiver Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und den Maßen Ego-Entwicklung, Wachstumsskalen des psychologischen Wohlbefindens, Selbstkonzeptreife, Offenheit für Erfahrungen und psychologischem Feingefühl besteht. Adaptivität: Es wird davon ausgegangen, dass adaptive Variablen wie subjektives Wohlbefinden nicht genügen, um selbstbezogene Weisheit zu erlangen. Eine gewisse Basis des normalen Funktionierens ist wichtig, diese ist aber wahrscheinlich in einer nicht-klinischen Stichprobe wie der vorliegenden vorhanden. Selbstbezogene Weisheit beinhaltet auch unliebsame Einsichten über die eigene Person, die nicht zu hohem subjektivem Wohlbefinden beitragen. Umgekehrt benötigt man, um subjektives Wohlbefinden zu erlangen, andere Kompetenzen als selbstbezogene Weisheit. Aus diesem Grund wird bei den Korrelationen 0. Ordnung von keinem substantiellen Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und den Adaptivitätsmaßen Lebenszufriedenheit, Neurotizismus, Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und den adaptiven Skalen des psychologischen Wohlbefindens ausgegangen. Persönlichkeitsreife & Adaptivität: Multivariat Da angenommen wird, dass Persönlichkeitsreife stärker mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängt als Adaptivität, sollte es über Adaptivität hinaus signifikant Varianz der selbstbezogenen Weisheit aufklären. Die durch den jeweiligen Bereich aufgeklärte spezifische Varianz (nach Berücksichtigung des jeweils anderen Bereichs) sollte für Persönlichkeitsreife signifikant größer sein. 130

131 Kapitel 6: Ausblick auf den empirischen Teil Intelligenz und Bildung: Zur Aufnahme und Weiterverarbeitung selbstbezogenen Wissens ist Intelligenz unerlässlich. Bei der fluiden Intelligenz wird jedoch davon ausgegangen, dass sie im Sinne einer mechanischen Basiskompetenz funktioniert, und dass ab einem bestimmten, mittleren Niveau höhere Werte nicht mehr mit höherer selbstbezogener Weisheit assoziiert sind es wird also ein quadratischer Zusammenhang erwartet. Bei der kristallinen Intelligenz wird hingegen ein linearer Zusammenhang angenommen, da davon auszugehen ist, dass sprachliche Kompetenz, wie sie in der kristallinen Intelligenz erfasst wird, auch auf höherem Niveau für die Enkodierung und Wiedergabe selbstbezogenen Wissens nützlich ist. Aus diesem Grund wird auch von einem signifikant höheren (linearen) Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und kristalliner Intelligenz als zwischen selbstbezogener Weisheit und fluider Intelligenz ausgegangen. Es ist weiter davon auszugehen, dass die Schulbildung mit der selbstbezogenen Weisheit positiv zusammenhängt, dass jedoch dieser Zusammenhang durch kristalline Intelligenz mediiert wird. Bildung sollte also unabhängig von kristalliner Intelligenz keinen Vorhersagewert für selbstbezogene Weisheit besitzen. Lebensereignisse: Es wird angenommen, dass die Anzahl von Lebensereignissen (sowohl nur erlebte, als auch solche, durch die Einsichten gewonnen wurden) positiv mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängen. Da davon ausgegangen wird, dass das reine Erleben nicht in dem Maße zu Wachstum führt, wie wenn zusätzlich darüber reflektiert wird, sollte die bloße Anzahl von erlebten Ereignissen signifikant schwächer mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen als die Anzahl von als einsichtsförderlich wahrgenommenen Ereignissen. Darüber hinaus wird davon ausgegangen, dass ein mittleres Niveau von Lebensereignissen besonders vorteilhaft ist, während zu viele Ereignisse die Reflexions- und Verarbeitungskapazität möglicherweise überfordern und nicht mehr zu höherer selbstbezogener Weisheit führen oder sogar negative Auswirkungen haben könnten. Es wird also von einem quadratischen Zusammenhang ausgegangen, wobei noch offen ist, ob ab einer gewissen Anzahl von Lebensereignissen kein Zusammenhang mehr oder gar ein negativer Zusammenhang besteht. Dies soll explorativ überprüft werden. Weiterhin wird erwartet, dass nicht alle Arten von Ereignissen mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängen. Bisherige Forschung legt nahe, dass Ereignisse, die sich im sozialen Kontext abspielen, besonders wachstumsförderlich sind. Dementsprechend soll die Hypothese untersucht werden, dass Ereignisse, die vorwiegend einen sozialen Kontext betreffen, stärker mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängen als nicht-soziale Ereignisse, d.h. sie sollten über die nicht-sozialen Ereignisse hinaus signifikant Varianz in der selbstbezogenen Weisheit aufklären. Soziale Ereignisse sollten auch signifikant mehr spezifische Varianz an der selbstbezogenen Weisheit (nachdem die nicht-sozialen Ereignisse 131

132 Kapitel 6: Ausblick auf den empirischen Teil berücksichtigt worden sind) aufklären als die nicht-sozialen (nachdem die sozialen berücksichtigt worden sind). Werte: Es wird angenommen, dass selbstbezogene weise Personen soziale und auf die Gesellschaft ausgerichtete (im Folgenden: selbsttranszendente) Werte schätzen. Daher werden positive Zusammenhänge zwischen diesen Werten und selbstbezogener Weisheit auf der Ebene der Korrelationen 0.Ordnung erwartet. Hedonistische, leistungsorientierte und machtorientierte (im Folgenden: selbstbezogene) Werte sollten bei selbstbezogen weisen Personen nicht besonders stark, jedoch auch nicht besonders gering ausgeprägt sein, daher werden mit dem Ziel einer diskriminanten Validierung Nullkorrelationen auf der Ebene der Korrelationen 0.Ordnung erwartet. Weiterhin sollte der multivariate Zusammenhang zwischen den selbsttranszendenten Werten und selbstbezogener Weisheit größer sein als der multivariate Zusammenhang zwischen selbstbezogenen Werten und selbstbezogener Weisheit. Dazu gehört, dass selbsttranszendente Werte über die selbstbezogenen Werte hinaus selbstbezogene Weisheit vorhersagen sollten, während dies bei selbstbezogenen nicht der Fall sein sollte. Weiterhin sollte der durch die selbsttranszendenten Werte vorhergesagte Anteil an der Varianz der selbstbezogenen Weisheit größer sein als der durch die selbstbezogenen Werte vorhergesagte Anteil. Spezifische Varianzanteile der Prädiktoren: Weiterhin sollen die spezifischen Varianzanteile der Prädiktoren betrachtet werden, die diese bei der selbstbezogenen Weisheit aufklären, nachdem bereits alle anderen Prädiktoren berücksichtigt wurden 20. Es wird angenommen, dass der Bereich der Persönlichkeitsreife auch im Kontext aller Prädiktoren signifikant mehr spezifische Varianz an der selbstbezogenen Weisheit aufklärt als der Bereich Adaptivität. Lebensereignisse und kristalline Intelligenz sollten einen signifikanten Anteil an spezifischer Varianz vorhersagen. Bei fluider Intelligenz wird von einem insgesamt etwas schwächeren Zusammenhang ausgegangen, daher wäre es denkbar dass es im Kontext aller Prädiktoren nicht mehr signifikant ist. Kristalline Intelligenz sollte auch im multivariaten Kontext signifikant mehr Varianz der selbstbezogenen Weisheit aufklären als fluide Intelligenz. Unterschiede in den Korrelationsmustern von Basis- und Metakriterien Da Basis- und Metakriterien andere Inhalte enthalten, ist es für die Validierung des Instrumentes wichtig zu zeigen, dass sich diese Inhalte auch in unterschiedlichen Zusammenhängen mit bestimmten Variablen zeigen. 20 Der Bereich Werte kann hier nicht mit einbezogen werden, da die Werte bereits in dem Maß der Selbstkonzeptreife enthalten sind und sonst Kollinearitäten entstehen würden. 132

133 Kapitel 6: Ausblick auf den empirischen Teil Die Basiskriterien enthalten deutlich stärker als die Metakriterien Verhaltensweisen und Strategien, die neben ihrem Reifeaspekt auch adaptiv sind, d.h. beispielsweise zu Lebenszufriedenheit führen können. Daher wird erwartet, dass die Basiskriterien stärker positiv mit Konzepten von Adaptivität zusammenhängen als die Metakriterien, d.h. die Adaptivitätsvariablen sollten signifikant mehr Varianz in den Basiskriterien erklären als in den Metakriterien. Es wird weiter angenommen, dass die Metakriterien im Gegensatz zu den Basiskriterien kognitive und sprachliche Komplexität erfordern, während die Basiskriterien vorwiegend das Aufzählen von Inhalten verlangen. Daher wird erwartet, dass sowohl fluide als auch kristalline Intelligenz stärker mit den Metakriterien zusammenhängen als mit den Basiskriterien, d.h. Intelligenz sollte signifikant mehr Varianz der Metakriterien vorhersagen als der Basiskriterien. Werte sind vorwiegend in den Basiskriterien und weniger in den Metakriterien enthalten. Daher sollten die Basiskriterien stärker als die Metakriterien mit selbsttranszendenten Werten zusammenhängen (nur diese kommen in den Basiskriterien vor). Das bedeutet, dass diese Werte signifikant mehr Varianz in den Basiskriterien aufklären sollten als in den Metakriterien. C. Der Zusammenhang zwischen Lebensalter und selbstbezogener Weisheit Unterschiede in der Ausprägung selbstbezogener Weisheit Verschiedene Gründe sprechen dafür, eine geringere Leistung älterer Erwachsener in selbstbezogener Weisheit anzunehmen. Aufgrund abnehmender Ressourcen scheint es wahrscheinlich, dass ältere Erwachsene eher in die Aufrechterhaltung adaptiven Funktionierens investieren als in Persönlichkeitsreife. Weiterhin legen Forschungsergebnisse nahe, dass ältere Erwachsene aufgrund der Entwicklungsaufgabe des höheren Erwachsenenalters, Integrität, dazu tendieren, ihr eigenes Leben als positiv gefärbt zu betrachten, während jüngere Erwachsene diesen Bias nicht zeigen. Weiterhin zeigen sie geringere Offenheit für Erfahrungen, was sich negativ auf ihre selbstbezogene Weisheit auswirken könnte. Diese Nachteile wirken sich jedoch wahrscheinlich vorwiegend auf die Metakriterien aus: Hier geht es um komplexes, relativierendes Denken, das fortwährend Ressourcen wie fluide Intelligenz benötigt, während das Wissen in den Basiskriterien weniger kognitive Komplexität erfordert und wahrscheinlich trotz abnehmender Ressourcen aufrecht erhalten bleiben kann, wenn es einmal erworben wurde. Daher wird davon ausgegangen, dass ältere Erwachsene nur in den Metakriterien schlechter abschneiden als jüngere. Zusätzlich wird angenommen, dass dieser Effekt teilweise auf kognitive Ressourcen, wie fluide Intelligenz und persönliche Eigenschaften wie Offenheit für Erfahrungen, zurückgeht und daher nach statistischer Kontrolle für diese Variablen geringer wird. Weiterhin wird kein Unterschied in den Basiskriterien oder sogar eine bessere Leistung älterer Erwachsener erwartet. 133

134 Kapitel 6: Ausblick auf den empirischen Teil Unterschiedliche Korrelationsmuster Es wird angenommen, dass sich die beiden Altersgruppen in der Höhe der Zusammenhänge bestimmter Variablengruppen mit der selbstbezogenen Weisheit unterscheiden. Diese Annahmen gründen sich auf erwartete Mittelwertsunterschiede zwischen den Altersgruppen in diesen Variablen und gehen davon aus, dass ein gewisses Mindestniveau in diesen Variablen wichtig für die Entwicklung oder Performanz selbstbezogener Weisheit ist. Daher sollten Unterschiede in diesen Variablen einen größeren Effekt haben, wenn eine Altersgruppe in ihnen eine geringere Ausprägung aufweist, als wenn generell bereits ein hohes Niveau besteht. Da ein gewisses Niveau an fluider Intelligenz als notwendige Bedingung für selbstbezogene Weisheit betrachtet wird, wird hier davon ausgegangen, dass bei älteren Erwachsenen ein höherer Zusammenhang zwischen fluider Intelligenz und selbstbezogener Weisheit besteht. Bei kristalliner Intelligenz zeigt sich oft, dass diese bis in das späte mittlere Erwachsenenalter zunimmt, so dass davon ausgegangen werden kann, dass jüngere Erwachsene eine geringere kristalline Intelligenz besitzen. Daher wird angenommen, dass der Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und kristalliner Intelligenz bei jüngeren Erwachsenen stärker ist. Diese Hypothesen sollten auch im multivariaten Kontext bestand haben, d.h. dass der spezifische Varianzanteil der fluiden Intelligenz (nachdem Reife, Adaptivität und Lebensereignisse berücksichtigt wurden) bei älteren Erwachsenen größer ist als bei jüngeren. Bei der kristallinen Intelligenz wird erwartet, dass der spezifische Varianzanteil der jüngeren Erwachsenen größer ist als der der älteren. Ein weiterer Unterschied wird im Bereich der Lebensereignisse angenommen. Jüngere Personen haben wahrscheinlich weniger Lebensereignisse erlebt bzw. dementsprechend Einsichten daraus gewonnen als ältere Erwachsene. Daher sollten beide Lebensereignisvariablen (erlebte Ereignisse und Einsichten) bei jüngeren Erwachsenen stärker mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängen als bei älteren. Dies sollte auch im multivariaten Kontext zutreffen, d.h. der spezifische Varianzanteil der Lebensereignisse (nachdem Reife, Adaptivität und Intelligenz berücksichtigt wurden) sollte bei jüngeren Erwachsenen größer sein als bei älteren. Weiterhin soll im multivariaten Kontext der Prädiktorbereiche Intelligenz, Lebensereignisse, Adaptivität, Reife explorativ untersucht werden, ob weitere Altersunterschiede in den Korrelationsmustern bestehen. 134

135 Kapitel 7: Methode 7. Kapitel Methode Am Anfang dieses Kapitels wird es um das allgemeine Design der Studie, die Beschreibung der Teilnehmer, der Materialien für die Datensammlung sowie den allgemeinen Ablauf der Untersuchung gehen. Anschließend wird das Vorgehen bei der Gewinnung der selbstbezogenen Weisheitsdaten vorgestellt und über das Datenscreening im Hinblick auf Ausreißer, Fehlwerte und die Verteilung berichtet. 7.1 Design und allgemeines Vorgehen Untersuchungspersonen (N = 162) aus zwei Altersgruppen (junge Erwachsene von und ältere Erwachsene von 60-80) nahmen an drei Sitzungen teil. In einer ersten Sitzung wurden Reife- und Adaptivitätsvariablen, Intelligenz, Lebensereignisse und Werte erhoben. In der zweiten Sitzung wurde ihnen in strukturierten Interviews von trainierten Interviewerinnen nach einigen Übungsaufgaben eine Aufgabe zur Erfassung selbstbezogener Weisheit vorgelegt. Die Aufgabe forderte die Teilnehmer 21 dazu auf, über sich selbst als Freund oder Freundin laut nachzudenken. Diese Ergebnisse lauten Denkens wurden auf Kassette aufgenommen, transkribiert und anhand der in dieser Studie neu entwickelten fünf Kriterien der selbstbezogenen Weisheit (Selbstwissen, Wachstums- und Bewältigungswissen, Zusammenhangswissen, Selbstrelativierung und Ambiguitätstoleranz) von einer Gruppe unabhängiger Beurteiler (N = 10) bewertet. In der dritten Sitzung wurde eine andere, zur Kreuzvalidierung dienende Aufgabe der selbstbezogenen Weisheit sowie verschiedene Kontrollmaße eingesetzt. 7.2 Untersuchungspersonen Die Anzahl der für diese Untersuchung relevanten Teilnehmer der Studie lag bei insgesamt 162. Eine Person wurde aufgrund eines zu kurzen Antwortprotokolls von den weiteren Analysen ausgeschlossen (siehe Punkt 7.6.1). Verwertbare Messungen der selbstbezogenen Weisheit liegen demnach für 161 Personen vor. 21 Der Einfachheit halber soll im Folgenden nur die männliche Form verwendet werden, wenn es um Teilnehmer und Teilnehmerinnen geht. 135

136 Kapitel 7: Methode Rekrutierung der Stichprobe Ziel war es, eine möglichst heterogene Stichprobe zu untersuchen. Daher wurde eine geschichtete Stichprobe nach den Kriterien Geschlecht, Alter (20-40, 60-80) und Schulabschluss (mit oder ohne Abitur) rekrutiert. Bei Geschlecht und Alter wurde eine gleichmäßige Verteilung der Personen angestrebt, beim Bildungsstatus war das Ziel 2/3 der Personen mit Abitur und 1/3 ohne Abitur zu rekrutieren, aufgrund der üblichen Schwierigkeiten Teilnehmer mit niedriger Bildung für psychologische Experimente zu gewinnen (siehe Bortz & Döring, 1995). Die Teilnehmer wurden über die Veröffentlichung von Zeitungsartikeln in regionalen Tageszeitungen, kostenlosen Wochenblättern und Radio-Interviews angeworben. Es wurde ein relativ allgemein gehaltener Artikel über die Ziele der Entwicklungspsychologie der Lebensspanne entworfen und die Studie grob umrissen, ohne etwas über die Hypothesen zu verraten (Beispiele für die in Zeitungen erschienenen Artikel sind im Anhang A wiedergegeben). Als Referenz war eine Kontakt-Telefonnummer des Projektes angegeben. Bei den Telefonaten wurde neben einer allgemeinen Kurzinformation über Thema und Ablauf des Projekts darauf hingewiesen, dass Projektteilnehmer bereit sein müssten, über sich selbst nachzudenken. Aufgrund weiterer Zielsetzungen im größeren Projektzusammenhang wurden die Teilnehmer gebeten, eine Person ihrer Wahl zur Untersuchung mitzubringen, mit der sie sich auch im Alltag über ihr Leben austauschen. Die Anrufer und die mitgebrachten Personen nahmen als eigenständige Probanden an der Studie teil. Ein Problem abhängiger Messungen stellt sich insofern nicht, da die zusammengehörigen Paare ausschließlich derselben Altersgruppe angehörten und daher ein Gruppenvergleich nicht zwischen abhängigen Personen stattfindet. Die Teilnehmer erhielten für die Teilnahme an der gesamten Studie, die drei Sitzungen von insgesamt 8-9 Stunden umfasste, 30 Euro Aufwandsentschädigung Chronologisches Alter und Geschlecht Ein Ziel der Studie war die Untersuchung von Altersunterschieden in selbstbezogener Weisheit. Da in dieser Studie ein neues Konstrukt entwickelt wurde, wurden zur ersten Erforschung eines Altersunterschiedes nur zwei Altersgruppen, nämlich das junge Erwachsenenalter (20-40) und das höhere Erwachsenenalter (60-80) erhoben. Aufgrund des großen Abstandes zwischen den Gruppen wurden hier deutlichere Differenzen erwartet, als wenn das junge und mittlere Lebensalter gewählt worden wäre. Die Mittelwerte für die Altersverteilung sowie weitere demographische und psychologische Variablen sind in Tabelle 7 aufgeführt. Es ist ein leichtes Übergewicht an jüngeren sowie an weiblichen Probanden zu erkennen, wobei das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in beiden Altersgruppen nicht signifikant unterschiedlich ist (χ 2 (1; N = 161) = 0,11; n.s.). 136

137 Kapitel 7: Methode Bildung und Intelligenz Die Teilnehmer der Studie hatten zum größeren Teil einen höheren Bildungsstatus, wobei auch hier das Verhältnis zwischen Personen mit und ohne Abitur in beiden Altersgruppen nicht signifikant unterschiedlich war (χ 2 (1; N = 161) = 0,20; n.s.). Auch die Bildung, operationalisiert über die Anzahl der Ausbildungsjahre 22 war nicht signifikant verschieden (F 1/154 = 2,56; n.s.). Es zeigte sich hier allerdings ein ungleiches Geschlechterverhältnis: Der Anteil männlicher Personen mit Abitur war höher als der weiblicher Personen mit Abitur (χ 2 (1; N = 161) = 4.32; p <,05), ebenso war ihre durchschnittliche Ausbildungszeit länger (F 1/154 = 9,87; p <,01). In der kristallinen Intelligenz (Messung siehe unten) waren die älteren Untersuchungsteilnehmer den jüngeren überlegen (F 1/157 = 12,30; p <,01), in der fluiden Intelligenz war es umgekehrt (F 1/159 = 77,93; p <,01). Dies entspricht den Ergebnissen zahlreicher Studien, die im höheren Erwachsenenalter geringere fluide kognitive Kompetenzen (z.b. Nyberg, Bäckman, Erngrund, Olofsson, & Nilsson, 1996; Schaie, 1996) sowie höhere Werte in kristallinen Leistungen finden (z.b. Schaie, 1994). Weiterhin entsprachen die Durchschnittswerte sowohl in fluider als auch in kristalliner Intelligenz dem normalen Bereich der entsprechenden Altersgruppe (Heller, Kratzmeier, & Lengfelder, 1998; Wechsler, 1961) Weitere Stichprobenmerkmale Es wurden einige weitere Maße erhoben, um die Stichprobe in Hinblick auf psychologische Gesundheit, subjektive körperliche Gesundheit und Lebenszufriedenheit beschreiben zu können. Neurotizismus kann als Maß des allgemeinen psychischen Gesundheitszustandes verwendet werden (Costa & McCrae, 1985; Eysenck & Eysenck, 1975) Auf der Neurotizismus Skala des NEO Persönlichkeitsinventars (siehe Borkenau & Ostendorf, 1989) zeigten sich die älteren Probanden als signifikant weniger neurotisch (F 1/155 = 10,90; p <,01) als die jüngeren (siehe Tabelle 7). Dieses Ergebnis entspricht Untersuchungen, in denen sich ein negativer Alterstrend im Neurotizismus zeigte (McCrae et al., 2000; McCrae et al., 1999). Insgesamt lagen sowohl der Mittelwert der jüngeren, als auch der der älteren Erwachsenen im normalen Bereich der entsprechenden Normwerte (Ostendorf & Angleitner, 2004). Wie erwartet unterschieden sich die Teilnehmer signifikant in ihrem selbsteingeschätzten, körperlichen Gesundheitszustand (χ 2 (4; N = 159) = 38,82; p <,01). Von den jüngeren Erwachsenen beurteilten die meisten (51,8%) ihren Gesundheitszustand als sehr gut oder ausgezeichnet, 34,1% schätzen ihre Gesundheit zumindest als gut ein. Von den älteren Erwachsenen hielten hingegen nur 7,8% ihren Gesundheitszustand für sehr gut oder ausgezeichnet, die meisten (57,1%) schätzten ihn als gut, 32,5% 22 Die Anzahl der Ausbildungsjahre war als jede Art von Bildung von der Grundschule bis zur Berufsausbildung oder Universität definiert 137

138 Kapitel 7: Methode nur als mittelmäßig ein. Da nach einer Studie von LaRue, Bank, Jarvik und Hetland (1980) der selbst eingeschätzte Gesundheitszustand als gute Annäherung an die tatsächliche Gesundheit verwendet werden kann, kann davon ausgegangen werden, dass der Großteil der Probanden wenigstens von mittelmäßiger Gesundheit war. Nur zwei ältere Erwachsene schätzten ihren Gesundheitszustand als schlecht ein. Trotz ihrer schlechteren Gesundheit zeigten die älteren Erwachsenen auf einer Skala von 1-5 (M = 3,89; SD = 0,67) eine signifikant höhere Lebenszufriedenheit (F 1/158 = 12,12; p <,01) als die jüngeren (M = 3,51; SD = 0,69). In der gerontologischen Forschung ist bekannt, dass ältere Erwachsene bis zu einem Alter von 70 zumindest nicht von geringerer Lebenszufriedenheit berichten (Baltes & Baltes, 1986; Diener & Suh, 1998; Smith, Fleeson, Geiselmann, Settersten, & Nitschke, 1996). Tabelle 7: Stichprobenmerkmale Variablen Junge Erwachsene Ältere Erwachsene N Alter M 29,8 67,2 SD 6,1 4,2 Bereich Geschlecht Männlich 39,8% (33) 42,3% (33) Weiblich 60,2% (50) 57,7% (45) Ausbildungsjahre M 15,7 14,6 SD 3,2 4,7 Bereich Bildungsstatus mit Abitur 69,9% (58) 73,1% (57) ohne Abitur 30,1% (25) 26,9% (21) Fluide Intelligenz M 14,4 8,5 a SD 3,8 4,6 Bereich Kristalline Intelligenz M 52,1 59,9 a SD 14,2 13,6 Bereich Neurotizismus M 2,6 2,2 a SD 0,7 0,7 Bereich 1,5-4,8 1 4,3 Anmerkung. Die Anzahl der Ausbildungsjahre war als die Summe der Jahre jeder Art von Bildung von der Grundschule bis zur Berufsausbildung oder Universität operationalisiert. adie Mittelwerte unterscheiden sich signifikant mit p <,01. Aufgrund der Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit war das Verhältnis der Teilnehmer zum Bereich Freundschaft relevant. Es gab keine Altersunterschiede in der Anzahl der sehr guten Freunde (F 1/149 = 0,05; n.s.), zwischen älteren (M = 5,04) und jüngeren Probanden (M = 5,16). Die mittlere Anzahl von Freunden entspricht dem in der Literatur regelmäßig berichteten Durchschnitt von fünf Freunden (für einen Überblick, siehe Hartup & Stevens, 1997). Auch schätzten ältere und jüngere Teil- 138

139 Kapitel 7: Methode nehmer den Lebensbereich Freundschaft als ähnlich wichtig ein (F 1/154 = 0,03; n.s.). Erwartungsgemäß dauerten die Freundschaften der älteren Probanden bereits länger an (im Mittel 21,5 45 Jahre) als die der jüngeren (im Mittel 4,3 16 Jahre). Unterschiede zeigten sich auch in den Emotionen, die die Teilnehmer in ihren Freundschaften während des letzten Jahres erlebt hatten. Jüngere Erwachsene berichteten sowohl von häufigeren positiven (F 1/154 = 5,24; p <,05) und häufigeren negativen Emotionen (F 1/154 = 6,53; p <,05). Dieser Befund ist weitgehend konsistent mit der Literatur zum Zusammenhang von Emotionen und Lebensalter. Ältere Menschen berichten von weniger negativen Emotionen (z.b. Isaacowitz, Turk Charles, & Carstensen, 2000; Lawton, Kleban, Rajagopal, & Dean, 1992), die Literatur zu positiven Gefühlen ist allerdings heterogen, und findet z.t eine Abnahme (Diener, 1998) oder eine Zunahme positiver Emotionen (z.b. Mrozeck & Kolarz, 1998). 7.3 Messinstrumente und Untersuchungsmaterial Die Aufgaben zur Messung selbstbezogener Weisheit Es wurden insgesamt zwei Aufgaben zur Messung selbstbezogener Weisheit eingesetzt, wobei die zweite Aufgabe hier nur zum Zweck der Kreuzvalidierung der Kriterien eingesetzt wird. Erhebung und Auswertung der zweiten Aufgabe werden hier zusammen mit der ersten Aufgabe beschrieben, da Erhebung und Auswertung beider Aufgaben analog stattfanden. Die erste Aufgabe, auf die in dieser Untersuchung der Fokus gelegt werden soll, forderte die Probanden dazu auf, über sich selbst als Freund oder Freundin nachzudenken (siehe Anhang B). Das Thema Freundschaft wurde als ein relevanter, aber nicht zu zentraler Bereich des eigenen Lebens herausgegriffen, der für ältere und jüngere Personen in vergleichbarem Maße wichtig ist (siehe Punkt 4.4). Die zweite Aufgabe wurde in Analogie zur ersten so entworfen, dass sie in ähnlichem Maße selbstrelevant war und es sich ebenfalls um einen sozialen Bereich handelte, da dieser Bereich für die selbstbezogene Weisheit eine besondere Relevanz besitzt. In der zweiten Aufgabe wurden die Probanden gebeten, darüber nachzudenken, wie sie selbst im Umgang mit Fremden sind (siehe Anhang B). Bevor die Probanden die Aufgabe bearbeiteten, wurden einige Fragen gestellt, um zu überprüfen, ob die wichtigsten Aspekte der Aufgabe verstanden worden waren. Ursprünglich war in Analogie zu den Aufgaben der allgemeinen Weisheit geplant gewesen, die Personen zu bitten, ein spezifisches Ereignis aus ihrer Vergangenheit, aus dem Bereich Freundschaft, zu rekonstruieren und darüber nachzudenken. Diese Methode erwies sich in den Pilotstudien jedoch als ungünstig, da sich die Teilnehmer zu stark auf das eine Ereignis konzentrierten und vorwiegend nur über die äußeren Umstände dieses Ereignisses berichteten, anstatt über sich selbst zu reflektieren (siehe Punkt 4.4). 139

140 Kapitel 7: Methode Die Probanden wurden (in der Hauptstudie) gebeten, laut über die Aufgabe nachzudenken. Dies wurde auf ein Tonband aufgenommen und transkribiert. Pilotstudien hatten gezeigt, dass die ursprünglich geplante Niederschrift der Antwort, die die Datenauswertung erleichtert hätte, für die älteren Probanden teilweise aufgrund motorischer Probleme beim Schreiben ungünstig war. Außerdem hätte eine schriftliche Antwort noch stärker als eine mündliche, Personen begünstigt, die im Schreiben von Texten geübt sind, und damit auch Personen niedrigerer Bildung stärker benachteiligt Übungsaufgaben: Lautes Denken und selbstbezogene Reflexion Lautes Denken Im Paradigma des lauten Denkens werden Studienteilnehmer gebeten, die aufgabenbezogenen Gedanken auszusprechen, die ihnen durch den Kopf gehen, während sie eine Aufgabe bearbeiten. Die Methode des lauten Denkens (Ericsson & Simon, 1986) erlaubt es, die bewussten kognitiven Prozesse der Teilnehmer zu erfassen. Fehlerquellen der Introspektion und des retrospektiven Berichts über Denkvorgänge können damit vermindert werden. Kritisch ist gegenüber der Methode des lauten Denkens anzuführen, dass Interferenzprozesse zwischen Denk- und Sprechaktivitäten auftreten können, die zu einer Verlangsamung von Denkprozessen führen können (Kluwe, 1988). Bei der Verwendung dieser Methode wird nicht erwartet, eine direkte, unverzerrte Abbildung der Gedanken der Person zu erhalten, allerdings wird davon ausgegangen, dass eventuelle Verzerrungen nicht altersspezifisch sind. Um die Teilnehmer in das laute Denken einzuführen, wurde mindestens eine Übungsaufgabe durchgeführt. Vor dieser Übungsaufgabe führte die Interviewerin eine Aufgabe als Beispiel selbst durch, in der sie einen Weg geistig abschritt und dies aussprach. Dieser Text war standardisiert, damit alle Interviewerinnen dieselbe Wegbeschreibung verwendeten (siehe Anhang B). Die Teilnehmer selbst erhielten anschließend eine Frage nach der Anzahl von Fenstern und Türen in ihrer Wohnung, bei der nach dem gleichen Muster verfahren werden sollte. Sie wurden gebeten, alles zu sagen, was Ihnen zu der Aufgabe durch den Kopf geht (die Instruktionen sind im Anhang D wiedergegeben). Während sie sprachen, wurden sie nicht unterbrochen. Es gab noch zwei weitere Aufgaben, die eingesetzt wurden, wenn die Teilnehmer Schwierigkeiten mit dem lauten Denken hatten (siehe Anhang B). Dieser Ablauf und die Art der Aufgaben orientierten sich am standardisierten Ablauf der Messung von Weisheit im Berliner Weisheitsparadigma (z.b. Staudinger, Smith, & Baltes, 1994) Übungsaufgaben zur Selbstreflexion Neben den Übungsaufgaben zum generellen lauten Denken gab es Aufgaben, um die Teilnehmer in die Selbstreflexion einzuführen. Es ging einerseits darum, das laute Denken in Aufgaben, die sich auf die 140

141 Kapitel 7: Methode eigene Person beziehen, zu üben, andererseits sollten die Teilnehmer Gelegenheit haben, sich an die Kassettenaufnahme zu gewöhnen. Es wurden ähnliche Aufgaben wie die Aufgaben zur Messung selbstbezogener Weisheit (Freundschafts- und Fremdenaufgabe) gewählt, die sich jedoch mit anderen Lebensbereichen befassten (siehe Anhang B). In den Aufgaben wurden die Personen gebeten, darüber nachzudenken, wie sie sich im Urlaub, beim Einkaufen, und beim Aussuchen von Geschenken verhielten und was typisch für sie sei Weitere Variablen und Messinstrumente Ziel dieser Studie ist es, das neue Maß der selbstbezogenen Weisheit durch die Überprüfung von Hypothesen zum Zusammenhang mit Persönlichkeitsreifeindikatoren, Maßen der Adaptivität, Intelligenz und Bildung, Lebensereignissen und Werten zu validieren. Im Folgenden sollen die Fragebögen und Tests dargestellt werden, mit denen die Konstrukte und weitere Kontrollvariablen gemessen wurden. Um die Zuordnung der gemessenen Variablen zu den Konstrukten zu erleichtern, ist diese in einer Übersicht in Tabelle 8 wiedergegeben. Die psychometrischen Maße, wie beispielsweise der Worttest des HAWIE, die RAVEN-Matrizen und der NEO-Fragebogen, wurden nach den in den jeweiligen Manualen angegeben Instruktionen ausgewertet. Es wurden die Rohwerte verwendet, da eine Standardisierung mittels Altersnormen die in dieser Studie interessanten Altersunterschiede entfernt hätte. Die Auswertung der übrigen Instrumente erfolgte nach den Angaben der jeweiligen Autoren bzw. bei für diese Studie angepassten Maßen nach neuen Regeln, die unten bei dem entsprechenden Instrument beschrieben sind Ego-Entwicklung Loevingers Maß der Ego-Entwicklung (Loevinger, 1976) wurde ausgewählt, da es empirisch gut überprüft ist, das Problem der sozialen Erwünschtheit umgeht und gute Reliabilitäten besitzt (für einen Ü- berblick siehe Hauser, 1976). Dieses Inventar zur Erfassung der Ich-Entwicklung wurde in zahlreichen Studien angewendet (vgl. Westenberg, Blasi & Cohn, 1998). Die Stufen der Ego-Entwicklung repräsentieren ein wachsendes Ausmaß an Reife und Komplexität in der Organisation selbstbezogener Erfahrungen. Es wurde die 36-Item Version des Washington Sentence Completion Test von Loevinger verwendet (z.b. Hy & Loevinger, 1996), die aus 36 Satzanfängen der folgenden Art besteht: "Was mich in Schwierigkeiten bringt, ist..." oder "Eine Familie gründen...". Die Teilnehmer der Studie sollten ihre Antworten auf die Items handschriftlich niederschreiben. Anschließend wurden diese von zwei trainierten Ratern entsprechend dem von Loevinger (Hy & Loevinger, 1996) entwickelten Manual ausgewertet. Dabei werden die einzelnen Antworten einer der von Loevinger spezifizierten acht Stufen zugeordnet. Anschließend findet sowohl eine rechnerische Zusammenfassung der einzelnen Items nach den so 141

142 Kapitel 7: Methode genannten Ogive-Regeln, als auch eine intuitive Beurteilung durch die Rater statt. Bei mangelnder Ü- bereinstimmung zwischen der rechnerischen und der intuitiven Zusammenfassung müssen die Rater nach der Vorgabe bestimmter Regeln einige Antworten stärker gewichten. Bei nicht übereinstimmenden Bewertungen der beiden Rater wird eine Einigung über eine Stufe erzielt. Wenn ein Fragebogen mehr als 9 (25 %) Fehlitems aufwies, wurde, wie in der Literatur üblich (vgl. McCrae & Costa, 1980; Holt, 1980), kein Gesamtwert vergeben. Dies traf auf 9 Versuchspersonen (5,6 %) zu, die in den Analysen, die das Maß der Ego-Entwicklung einschließen, nicht mehr enthalten sind. Die Interraterübereinstimmung in dieser Stichprobe ist mit 75% gleichen Urteilen und einem Cohens Kappa von,62 (κ alt =,66; κ jung =,61) als gut zu bezeichnen (Mayer, 2003) Selbstkonzeptreife Das Konstrukt der Selbstkonzeptreife wurde von Dörner (2004) als eine Form der Bestimmung von Persönlichkeitsreife im Bereich des Selbstkonzepts entwickelt. Es vergleicht die von Probanden auf verschiedenen Dimensionen erzielten Werte mit einem theoretisch begründeten Idealprofil. Dieses Idealprofil besteht aus mittleren Werten im Selbstwert, einem integrierten Selbstkonzept, hohen Werten der Selbstkomplexität und in altruistischen Werten sowie einer niedrigen Ausprägung von egoistischen Werten. Die Erhebung dieser verschiedenen Aspekte erfolgte in Anlehnung an die Methode zur Bestimmung der Selbstkomplexität nach Linville (1987). Die Pbn wurden zunächst gebeten, die Aspekte bzw. Rollen aufzuschreiben, die für ihre eigene Person oder ihr Leben von Bedeutung sind (siehe Anhang C, Punkt 1.1). Mit Hilfe von 40 Eigenschaften, die zur Hälfte eine positive und eine negative Valenz besitzen, beschrieben sich die Pbn dann bezüglich dieser Selbstaspekte mit Hilfe einer 5stufigen Likert- Skala (von 1 trifft gar nicht zu bis 5 trifft sehr zu). Die Pbn hatten zur Bearbeitung 25 Minuten Zeit. Sie wurden gebeten, für jeden Selbstaspekt einzuschätzen, inwieweit jede der Eigenschaften auf sie zutraf (Anhang C, Punkt 1.2). Die Pbn schätzten außerdem bei jedem Selbstaspekt dessen Valenz ein (Anhang C, Punkt 1.1). Der Indikator Selbstkomplexität wurde über die Anzahl und Unterschiedlichkeit der Selbstbereiche erfasst (je unterschiedlicher, desto komplexer), der Selbstwert über die Bewertung der Bereiche. Integration wurde über die Unterschiedlichkeit der Einschätzung der eigenen Person in den verschiedenen Bereichen erfasst je weniger unterschiedlich, desto integrierter die Person. Werte wurden mittels des angepassten Schwartz-Werte-Fragebogens erhoben (siehe Punkt und Anhang C, Punkt 2). Der Wert der Selbstkonzeptreife wurde schließlich als Korrelation zwischen der Ausprägung der Person auf diesen Indikatoren und dem Idealprofil auf den Indikatoren berechnet. 142

143 Kapitel 7: Methode Psychologisches Wohlbefinden Der Fragebogen zum psychologischen Wohlbefinden von Ryff (1989b) wurde bereits häufig in der Persönlichkeitswachstumsforschung (Ryff, 1995; Ryff & Keyes, 1995; Schmutte & Ryff, 1997) sowie in der Weisheitsforschung (z.b. Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997) eingesetzt. Das Instrument beinhaltet die sechs Dimensionen Umweltbewältigung, Selbstakzeptanz, persönliches Wachstum, Sinn im Leben, Autonomie und positive Beziehungen (siehe auch Punkt ). Der Fragebogen besteht aus 54 Aussagen, deren Zutreffen auf sich die Probanden auf einer Likert-Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 5 (trifft sehr zu) einschätzen sollten. Jeder der von Ryff entwickelten Dimensionen sind dabei neun Items zugeordnet, aus denen ein Mittelwert für die jeweilige Dimension gebildet wird. Die internen Konsistenzen waren mit Cronbachs Alpha Werten von,65 bis,77 (α jung =,61-,75; α alt =,60-,78) befriedigend bis gut. Nach Ryff (z.b. 1989a, 1989b) sollen die Skalen die Vorraussetzungen für Wohlbefinden erfassen, und schließen im Gegensatz zu dem üblicherweise unter Wohlbefinden erfassten subjektiven Wohlbefinden auch Reifeaspekte ein. Allerdings stehen einige Skalen inhaltlich doch eher dem Konzept der Adaptivität nahe im Sinne eines guten, wertunabhängigen Funktionierens in der Gesellschaft, wie sich auch empirisch zeigte (Ryff & Keyes, 1995; siehe auch Punkt ). Andere hingegen enthalten Aspekte, die unter Persönlichkeitsreife, wie es in dieser Studie verwendet wird, gefasst werden können. Um diese unterschiedlichen Skalen zu separieren, wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit Varimaxrotation durchgeführt. Dabei wurde die Skala positive Beziehungen nicht mit aufgenommen, da diese theoretisch nicht einwandfrei Reife oder Adaptivität zuzuordnen ist: Positive Beziehungen zu haben, hängt einerseits mit adaptivem Funktionieren, andererseits, wenn tiefen Beziehungen gemeint sind, mit Reife zusammen. Bei der über die verbleibenden fünf Skalen durchgeführten Hauptkomponentenanalyse ergaben sich nach dem Eigenwertkriterium zwei Faktoren, die insgesamt 63,5% der Varianz aufklärten. Die zwei Faktoren konnten den Konzepten der Adaptivität (Skalen Umweltbewältigung, Selbst- Akzeptanz und Autonomie; Cronbachs α =,86; α jung =,86; α alt =,84) und Persönlichkeitsreife (Skalen persönliches Wachstum und Sinn im Leben; Cronbachs α =,77; α jung =,65; α alt =,84) zugeordnet werden. Die Faktorladungen der Hauptkomponentenanalyse sind im Anhang J (Tabelle A) wiedergegeben Werte Die Wichtigkeit bestimmter Werte für die Probanden wurde mittels eines an die Schwartz Value Survey (Schwartz, z.b. 1992) angelehnten Fragebogens erfasst. Den Probanden wurden 30 Werte vorgelegt (z.b. GLEICHHEIT. Gleiche Chancen für alle oder VERGNÜGEN. Erfüllung von Wünschen ), die sie hinsichtlich ihrer Bedeutsamkeit für das eigene Leben auf einer 5-stufigen Likert-Skala beurteilen sollten (Anhang C, Punkt 2). Die 30 Werte setzen sich aus fünf Skalen zusammen, die aus den von Schwartz (1992) spezifizierten 11 Wertebereichen ausgewählt wurden. Vier Bereiche wurden von Schwartz über- 143

144 Kapitel 7: Methode nommen: Hedonismus (2 Items, α =,60; α alt =,48 α jung =,59), Leistung (5 Items, α =,64; α alt =,71; α jung =,59), Macht (5 Items, α =,64; α alt =,59; α jung =,67), Unterstützung anderer (7 Items, α =,70; α alt =,69; α jung =,68). Der fünfte Bereich, Universalismus, wurde durch zwei Werte aus dem (in dieser Studie nicht erhobenen) Bereich Spiritualität (Sinn im Leben und innere Harmonie) ergänzt. Außerdem wurde der Wert Selbsterkenntnis hinzugefügt, da dieser sich in einer Studie von Kunzmann und Baltes (2003) im Zusammenhang mit Weisheit bewährt hat. Diese neu zusammengesetzte Skala Universalismus zeigte eine zufrieden stellende Reliabilität (11 Items, α = 0,74; α alt =,75; α jung =,70) Fluide Intelligenz Als Maß für fluide Intelligenz wurde eine Kurzversion des progressiven Matrizentests (APM; Raven, 1971) eingesetzt, die sich in der altersvergleichenden Forschung bewährt hat (z.b. Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997). Der Test beinhaltet die ersten 18 Items aus Set II des APM. Aufgabe des Tests ist es, für eine 3x3 Felder-Matrix, in der acht Figuren angeordnet sind, die neunte Figur aus acht Alternativen logisch zu ergänzen. Für die 18 Aufgaben bekamen die Teilnehmer 15 Minuten Zeit Kristalline Intelligenz Die Unterskala Worttest aus dem HAWIE (Wechsler, 1982), die semantisches Wissen erhebt, wurde als kristallisiertes Maß der Intelligenz eingesetzt. Auch dieser Test wird häufig eingesetzt und erreicht hohe Reliabilitäten (z.b. Matarazzo, 1972; Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997; Staudinger & Pasupathi, 2003). Er besteht aus einer Liste von 42 Wörtern steigenden Schwierigkeitsgrads, die ein Interviewer den Probanden vorträgt und sie bittet, die Wörter zu definieren. Der Interviewer notiert die Antworten und vergibt anschließend auf der Grundlage eines Bewertungsmanuals 0-2 Punkte. Insgesamt dauerte das Interview im Durchschnitt 20 Minuten Big Five Persönlichkeitseigenschaften Zur Messung einiger Indikatoren der Adaptivität sowie, um die hier als Reifeindikator eingesetzte Eigenschaft Offenheit für Erfahrungen zu erheben, eignete sich der häufig eingesetzte NEO-FFI (Costa & McCrae, 1985; Borkenau & Ostendorf, 1989) mit den Unterskalen Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Aufgrund seiner häufigen Anwendung wird ein Vergleich mit anderen Studien ermöglicht. Die hier eingesetzte Kurzform der Skala mit 30 Items (sechs pro Dimension) im Likert-Format wurde in einer Studie von Staudinger, Fleeson und Baltes (1999) entwickelt (siehe Anhang C, Punkt 3). Die internen Konsistenzen von Neurotizismus (α =,75; α jung =,74; α alt =,74), Extraversion (α =,55; α jung =,55; α alt =,58), Verträglichkeit (α =,47; α jung =,40; α alt =,52) und Gewissenhaftigkeit (α =,70; α jung =,64; α alt =,73) waren akzeptabel bis gut, für Offen- 144

145 Kapitel 7: Methode heit ergab sich jedoch nur ein Cronbachs Alpha von,25 (α jung =,32; α alt =,23). Die sechs hier verwendeten Items wurden jedoch als repräsentativ für die sechs Facetten von Offenheit (Offenheit für: Fantasie, Ästhetik, Gefühle, Handlungen, Ideen und Werte) ausgewählt und weisen innerhalb dieser Facetten zufrieden stellende Trennschärfen (>,42) auf (Ostendorf & Angleitner, 2004). Da die Kurzform zudem befriedigend mit der Langform korreliert (r =,61), siehe Staudinger, Fleeson, & Baltes, 1999), soll hier davon ausgegangen werden, dass sie trotz der geringen internen Konsistenz eine valide Messung von Offenheit für Erfahrungen darstellt Psychologisches Feingefühl Das Konstrukt psychologisches Feingefühl wurde mittels einer Subskala des California Psychological Inventory (CPI; Gough, 1964) erhoben. Es erfasst das Interesse und Verständnis für psychologische Sachverhalte wie beispielsweise Handlungsmotive oder Intentionen der eigenen Person und anderer. Die Skala besteht aus 22 Items, die im Ja/Nein Formal beantwortet werden und zeigte ein Cronbachs Alpha von,53 (α jung =,45; α alt =,62) Lebensereignisse Zur Erfassung der Lebenserfahrung wurde ein von Staudinger (1989) auf der Basis der PERI (Psychiatric Epidemiology Research Interview) Life Event Scale (Dohrenwend, Krasnoff, Askenasy, & Dohrenwend, 1978) entwickelter Fragebogen für diese Studie angepasst. Die Skala enthielt Lebensereignisse aus 11 Lebensbereichen (Kindheit, Schule/ Ausbildung, Berufstätigkeit, Liebesbeziehungen/ Ehe, Nachwuchs, Familie, Wohnen, Straftaten/ Gesetzliche Angelegenheiten, Finanzielle Situationen, Soziale Beziehungen/ Freundschaftsaktivitäten und Gesundheit) (siehe Anhang C, Punkt 4). Die Probanden wurden gebeten sich jeweils in den entsprechenden Lebensbereich hineinzuversetzen und dann diejenigen der aufgeführten Ereignisse zu markieren, die sie als wichtig erlebt hatten und diejenigen, durch die sie Einsichten über sich erhalten hatten. Diese letztere, zusätzliche Bewertung eines Ereignisses wurde von Staudinger (1989) eingeführt, da erwartet wird, dass das Erleben eines Ereignisses als wichtig allein nicht ausreicht, um zu Einsichten zu führen. Es wurden Summenwerte gebildet für alle von einer Person genannten Ereignisse, ein Wert für die als wichtig erlebten, einer für die Ereignisse, durch die Einsichten gewonnen wurden. Es war hier nicht sinnvoll, Cronbachs Alpha-Werte zu berechnen, da nicht zu erwarten war, dass das Erleben eines Ereignisses in dieser heterogenen Liste mit dem Erleben eines anderen positiv zusammenhängt. Da auch die Bedeutung unterschiedlicher Ereignisbereiche für die selbstbezogene Weisheit untersucht werden sollte, wurden Skalen zu den Ereignisbereichen gebildet. Dies wurde nur für die Lebensereignisse durchgeführt, von denen Personen angegeben hatten, dass sie Einsichten dadurch erlangt 145

146 Kapitel 7: Methode hatten, da hier ein stärkerer Effekt erwartet wurde. Dazu wurde die von der Person genannte Anzahl an Ereignissen zunächst an der für den Bereich möglichen Anzahl relativiert, um eine Vergleichbarkeit der Bereiche zu ermöglichen. Anschließend wurden die Bereiche einer Hauptkomponentenanalyse mit Varimaxrotation unterzogen. Es ergaben sich drei Faktoren, die insgesamt 62,2% der Varianz erklärten (Faktorladungen sind im Anhang J, Tabelle B, wiedergegeben): (1) Ereignisse in engen Beziehungen (Bereiche Familie, Liebesbeziehungen, Nachwuchs und Gesundheit; Cronbachs α =,76; α jung =,68; α alt =,71), (2) organisatorische Ereignisse (Bereiche Gesetz, Beruf, Finanzielles und Wohnen; Cronbachs α =,71; α jung =,69; α alt =,75) und (3) Jugendereignisse (Bereiche Kindheit, Jugend und soziale Beziehungen; Cronbachs α =,69; α jung =,71; α alt =,79) Freundschaft Weiterhin schien es wichtig, einige Merkmale von den Teilnehmern in dem Bereich zu erfassen, nach dem die Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit fragte: Freundschaft. Zur Messung von Emotionen im Bereich Freundschaft wurde eine adaptierte Version des PANAS (Positive and Negative Affect Scale, Watson, Clark, & Tellegen, 1988) eingesetzt. Der PANAS-Fragebogen erfragt üblicherweise die Häufigkeit bestimmter Emotionen in einer vorgegebenen Zeitspanne, auf einer Skala von 1 = sehr selten bis 5 = sehr oft. Um den Fragebogen auf den Bereich Freundschaft anzupassen, wurde der einführende Text, als auch die Frage nach den einzelnen Emotionen ergänzt um den Zusatz in ihren Freundschaften. Ein Item lautete also beispielsweise Wie oft haben Sie sich in ihren Freundschaften begeistert gefühlt? Als Zeitraum wurde das vergangene Jahr gewählt. Die Reliabilitäten waren sowohl für die negativen Emotionen (10 Items; α =,83; α jung =,83; α alt =,85), als auch für die positiven Emotionen (10 Items; α =,80; α jung =,75; α alt =,83) zufrieden stellend. Zusätzlich wurden noch einige Merkmale zu Freundschaften erfragt, wie die Anzahl der Freunde und die Dauer enger Beziehungen sowie mit Hilfe einer Likert-Skala die Einschätzung der Wichtigkeit des Bereichs Freundschaft Tendenz zur Selbstoffenbarung Personen unterscheiden sich in ihrer Tendenz, Informationen über sich preiszugeben (Jourard & Lasakow, 1958). Da es bei der Aufgabe zur Erfassung der selbstbezogenen Weisheit zentral ist, über sich selbst zu sprechen und auch Persönliches von sich preiszugeben, kann die generelle Tendenz zur Selbstoffenbarung einer Person wichtig für die Leistung in selbstbezogener Weisheit sein. Daher wurde ein Maß eingesetzt, das die allgemeine Tendenz, persönliche Informationen über sich selbst preiszugeben, erfasst. Die verwendete Skala enthält acht Items und ist Teil des Interpersonal Competence Questionnaire (Riemann & Allgöwer, 1993). Die Probanden werden gebeten, Verhaltensweisen auf 146

147 Kapitel 7: Methode einer fünf-stufigen Skala danach einzuschätzen, ob ihnen die Ausführung dieses Verhaltens leicht oder weniger leicht gelingt. Die Reliabilitäten waren zufrieden stellend (α =,78; α jung =,77; α alt =,78) Demographischer Fragebogen In einem demographischen Fragebogen wurden die für die Studie relevanten Variablen Ausbildungsabschluss und Anzahl der Ausbildungsjahre, Alter, Geschlecht, der subjektiv eingeschätzte Gesundheitszustand sowie in zwei Items die Zufriedenheit mit dem bisherigen und dem gegenwärtigen Leben erhoben (Anhang C, Punkt 5) Fragebogen zur Untersuchungssituation Schließlich wurden noch als Kontrollvariablen bestimmte Charakteristika der Untersuchungssituation erfasst. In Anlehnung an einen von Böhmig-Krumhaar (1998) eingesetzten Fragebogen wurden die Schwierigkeiten mit der Untersuchungssituation (z.b. ich habe mich während der Sitzung unwohl gefühlt ) (6 Items, α =,72; α jung =,72; α alt =,71) und die Schwierigkeiten mit dem lauten Denken (z.b. ich fand es schwierig, laut nachzudenken ) (5 Items, α =,60; α jung =,70; α alt =,44) erfasst (Anhang C, Punkt 6). Damit leichter erkennbar ist, welche der dargestellten Erhebungsinstrumente welche in dieser Studie untersuchten Konstrukte erfassen, ordnet Tabelle 8 (nächste Seite) die ersteren den letzteren in einem Überblick zu. 147

148 Kapitel 7: Methode Tabelle 8: Zuordnung der Erhebungsinstrumente zu Konstrukten mit Cronbachs α Konstrukte Erhebungsmethode/ Aggregation α Persönlichkeitswachstum Ego Entwicklung Washington University Sentence Completion Test (Hy,62 a & Loevinger, 1996) Selbstkonzeptreife Dörner (2004) Wachstum (Ryff) Ryff (1989b), Skalen persönliches Wachstum, Sinn im,63 Leben Offenheit für Erfahrungen NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1989),25 Psychologisches Feingefühl CPI (Gough, 1964),53 Adaptivität Lebenszufriedenheit Demographischer Fragebogen, zwei Items,63 Extraversion (positive Emotionalität) NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1989),55 Neurotizismus (negative Emotionalität) NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1989),75 Verträglichkeit (soziale Adaptivität) NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1989),47 Gewissenhaftigkeit (aufgabenorientierte Anpassung) NEO-FFI (Borkenau & Ostendorf, 1989),70 Adaptivität (Ryff) Ryff (1989b), Skalen Umweltbewältigung, Selbst- Akzeptanz, Autonomie,72 Werte Adaptiert nach Schwartz (1992) Hedonismus 2 items,60 Leistung 5 items,64 Macht 5 items,64 Wohlwollen 7 items,70 Universalismus 11 items,74 Intelligenz/ Bildung Fluid Raven Matrizen (Raven, 1971) Kristallin HAWIE Worttest (Wechsler, 1982) Anzahl der Ausbildungsjahre Einzelitem Lebensereignisse Adaptiert nach Staudinger (1989) Summe wichtige Ereignisse Summe Ereignisse mit Einsichten Bereich enge Beziehungen Bereiche Familie, Liebesbeziehungen, Nachwuchs,,76 Gesundheit Bereich Organisatorisches Bereiche Gesetz, Beruf, Finanzielles, Wohnen,71 Bereich Jugend Bereiche Kindheit, Schule, Soziale Beziehungen,69 Kontrollvariablen Wichtigkeit von Freundschaft 1 item Anzahl guter Freunde 1 item positive Emotionen in Freundschaften 10 items,80 negative Emotionen in Freundschaften 10 items,83 Tendenz zur Selbstoffenbarung 8 items,78 Protokolllänge Wortanzahl gezählt mit dem Programm MS Word Schwierigkeiten mit der Untersuchungssituation 6 items,72 Schwierigkeiten mit dem lauten Denken 5 items,60 ahier wird Cohens κ berichtet. 7.4 Vorgehen Allgemeines Vorgehen Die Messinstrumente wurden in drei verschiedenen Sitzungen erhoben. In der ersten Sitzung, an der die Probanden in Gruppen von Personen teilnahmen, wurden fluide Intelligenz, Lebensereignis- 148

149 Kapitel 7: Methode se, Werte, Adaptivitäts- und Persönlichkeitsreifemaße erhoben. Die zweite und dritte Sitzung wurden als Einzelinterviews durchgeführt. Die zweite Sitzung erfolgte ein bis zwei Wochen später und diente zur Erfassung der selbstbezogenen Weisheit mittels der Freundaufgabe. Nochmals zwei Wochen darauf wurde eine dritte Sitzung durchgeführt, in der kristalline Intelligenz und die Kontrollmaße zur Freundschaft sowie die Skalen zur Untersuchungssituation erhoben wurden, und die Fremdenaufgabe zur Erfassung selbstbezogener Weisheit eingesetzt wurde. Da diese Studie im Kontext eines größeren Forschungsprojektes durchgeführt wurde, war es nicht möglich, den Erhebungszeitpunkt der Aufgaben zu variieren. Um eine Konfundierung von Aufgabe und Messzeitpunkt zu vermeiden, hätte die Fremdenaufgabe bei 50% der Probanden in der ersten Sitzung und die Freundaufgabe in der zweiten Sitzung erhoben werden müssen. Da die Aufgabe jedoch nur zur Kreuzvalidierung eingesetzt wird, und hier nur die Rangfolgen der Personen, nicht die absolute Höhe (die durch Trainingseffekte verzerrt sein könnte) relevant ist, schien dies kein großes Problem zu sein. Die Gruppensitzungen wurden von der Autorin und einer weiteren im Projekt beschäftigten Doktorandin durchgeführt (Instruktionen siehe Anhang D, Punkt 1). An den Einzelsitzungen waren zusätzlich vier weitere Interviewerinnen beteiligt. Die insgesamt sechs Interviewerinnen wurden einem 4-tägigen Training (Rollenspiel, Videoaufnahmen und Feedback) unterzogen, sowohl im Durchführen von Interviews allgemein, als auch in den speziellen Instruktionen. Alle Interviewerinnen waren weiblich und zwischen 22 und 30 Jahre alt. Um mögliche Einflüsse einzelner Interviewerinnen zu vermeiden, wurde darauf geachtet, dass jede Interviewerin eine gleiche Anzahl älterer wie jüngerer Probanden befragte. Jede der Sitzungen dauerte 2-3 Stunden. Die Einzelsitzungen werden wegen ihrer Relevanz für diese Studie unten detailliert beschrieben. Einen Überblick über den Ablauf der Studie gibt Tabelle 9. Tabelle 9: Überblick über den Ablauf der Studie Sitzung Bestandteile 1. Termin: Gruppensitzung Fluide Intelligenz Ego-Entwicklung Psychologisches Wohlbefinden NEO-FFI CPI 2. Termin: 1. Einzelsitzung Einführende Konversation Übungsaufgaben zum lauten Denken Übungsaufgaben zur Selbstreflexion Freundaufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit 3. Termin: 2. Einzelsitzung Übungsaufgaben zum lauten Denken Übungsaufgaben zur Selbstreflexion Fremdenaufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit Kristalline Intelligenz Freundschaftsfragebogen Fragebogen zur Untersuchungssituation 149

150 Kapitel 7: Methode Die Interviewsitzungen Die Sitzungen waren an den üblichen Ablauf der Weisheitsmessung des Berliner Weisheitsparadigmas angelehnt (Staudinger, Smith, & Baltes, 1994). Ein wichtiger Unterschied bestand jedoch darin, dass die Interviewerin den Raum verließ, während die Probanden die selbstbezogenen Weisheitsaufgaben bearbeiteten, und nicht, wie im Berliner Weisheitsparadigma üblich, bei der Antwort zuhörte und teilweise das Gespräch leitete. Dies war aufgrund des selbstbezogenen Themas und des damit verbundenen Problems der Selbstoffenbarung nötig. So haben Studien gezeigt, dass die Selbstoffenbarung abnahm, wenn die Selbstaufmerksamkeit erhöht war (Stephan, Stephan, Wenzel, & Cornelius, 1991), wie dies durch eine anwesende Person geschehen kann. Durchgeführte Pilotstudien für die vorliegende Studie hatten bestätigt, dass es förderlich für die Selbstoffenbarung war, wenn die Interviewerin nicht anwesend war. Zunächst soll die erste Interviewsitzung beschrieben werden, die aus drei Teilen bestand (siehe Anhang D, Punkt 2), im Anschluss werden die Variationen in der zweiten Interviewsitzung dargestellt (siehe Anhang D, Punkt 3). In der ersten Einzelsitzung wurde am Anfang eine einführende Konversation geführt, um eine positive Beziehung zwischen Interviewerin und Teilnehmer aufzubauen. Den Probanden wurde die Gelegenheit gegeben, über ihre Motivation zur Teilnahme an der Studie zu sprechen. Dies diente einerseits zur Information für die Interviewerin als Grundlage für Reaktionen im Fall von später auftretenden Problemen, andererseits gab es dem häufigen Bedürfnis vor allem älterer Probanden Raum (siehe Staudinger, 1989), über die eigene Lebensgeschichte zu sprechen. Außerdem wurde den Probanden ein genereller Überblick über den Ablauf der Sitzung und die Ziele der Studie gegeben (ohne die Hypothese oder die Worte Weisheit bzw. Reife zu erwähnen). Sie wurden über die Anonymität ihrer Aussagen informiert und gebeten, trotz der persönlichen Natur der Fragen möglichst offen zu sein. Schließlich wurden sie um ihr Einverständnis für die Teilnahme an der Studie und die Tonbandaufnahme gebeten (vgl. Anhang C, Punkt 7). Im zweiten Teil des Interviews wurden die oben dargestellten Übungsaufgaben zum lauten Denken und zur Selbstreflexion durchgeführt (exakte Formulierung siehe Anhang B). Alle Aufgaben erhielten die Teilnehmer schriftlich auf Karten. Wenn deutlich wurde, dass die Teilnehmer das laute Denken noch nicht beherrschten, machte die Interviewerin an Beispielen deutlich, wie das laute Denken ausgesehen hätte. Dabei wurde nach der standardisierten Instruktion vorgegangen. Es wurde dann die zweite Aufgabe gegeben und falls nötig eine dritte (siehe Anhang B). Anschließend folgten zwei Ü- bungsaufgaben zur Selbstreflexion. Um den Teilnehmern Feedback geben zu können, blieb die Interviewerin während der ersten Übungsaufgabe, die 7 Minuten dauerte, im Raum und notierte sich wichtige Punkte. Anschließend wurde ein Feedback darauf gegeben, ob die Teilnehmer beim lauten Denken über sich Selbst einerseits abstrakte Aspekte über sich selbst nannten, andererseits aber auch einige 150

151 Kapitel 7: Methode konkrete Beispiele aufführten. Bei der zweiten Aufgabe verließ die Interviewerin den Raum und die Teilnehmer hatten 5 Minuten Zeit, alleine über die Aufgabe nachzudenken. Dann kam die Interviewerin wieder in den Raum und stellte das Tonband an. Die Probanden dachten noch einmal laut über die zweite Übungsaufgabe nach, die Antwort wurde auf Kassette aufgenommen. Dies geschah um die Situation der Hauptaufgabe einzuüben, bei der die Probanden alleine laut nachdachten während die Kassette lief. Der letzte Teil der Sitzung bestand aus der Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit. Das Vorgehen war den Teilnehmern von der zweiten Übungsaufgabe bekannt, so dass nur noch gesagt wurde, dass es sich um die eigentliche Hauptaufgabe handelte, und kurz der Ablauf genannt wurde. Sie erhielten eine Karte, auf der die Aufgabe gedruckt war und wurden gebeten, diese laut vorzulesen. Sie bekamen dann 20 Minuten Zeit, um für sich alleine über die Aufgabe nachzudenken 23. Nach der Hälfte der Zeit schaute die Interviewerin kurz in den Raum und teilte den Probanden mit, dass sie noch 10 Minuten Zeit hätten. Nach Ablauf der 20 Minuten betrat die Interviewerin wieder den Raum und stellte, wenn keine weiteren Fragen bestanden, unter Verweis auf die zur Verfügung stehende Zeit (20 Minuten) den Kassettenrekorder an. Nach 20 Minuten kam sie zurück und stellte den Kassettenrekorder aus. In der zweiten Einzelsitzung wurde ebenfalls ein einleitendes Gespräch geführt, in dem es vorwiegend darum ging, wie es dem Teilnehmer in der letzten Sitzung ergangen war. Der Ablauf war weitgehend genauso, wie in der ersten Einzelsitzung, außer dass nur eine Übungsaufgabe zur Selbstreflexion gegeben wurde (die Geschenkaufgabe, siehe Anhang B), die der Auffrischung diente. Alle Teilnehmer erhielten 20 Minuten Nachdenkzeit und 20 Minuten, in denen ihr lautes Denken über die Aufgabe auf Kassette aufgezeichnet wurde. 7.5 Gewinnung der selbstbezogenen Weisheitsdaten Verarbeitung der Protokolle Die Protokolle wurden nach festgelegten Regeln transkribiert. Füllwörter wurden ausgelassen und erkennbarer Dialekt wurde angepasst, da diese für die Auswertung in Bezug auf selbstbezogene Weisheit nicht relevant waren und das Lesen erschwert hätten. Pausen von über 30 Sekunden und über eine Minute wurden vermerkt, ebenso wie eindeutige Emotionsäußerungen wie Lachen oder Weinen. Die Anzahl der Wörter pro Protokoll wurde mittels der Funktion des Computerprogrammes MS Word errechnet. 23 Da die Studie Teil eines größeren Projektes war, wurde in der ersten Interviewsitzung eine Intervention mit vier Versuchsgruppen durchgeführt. Aus diesem Grund erhielten nicht alle TeilnehmerInnen 20 Minuten Nachdenkzeit, 39 Personen wurden gebeten, ihre Antwort direkt aufs Band zu sprechen. Die Werte der selbstbezogenen Weisheit unterschieden sich jedoch nicht signifikant zwischen den Untersuchungsgruppen (F3/157 = 0,55). 151

152 Kapitel 7: Methode Auswertung der Protokolle Das Ratingverfahren als Methode Die Auswertungsmethode wurde analog zu der bewährten Methode des Berliner Weisheitsparadigmas gewählt (Baltes & Smith, 1990; Smith & Baltes, 1990; Staudinger, 1989). Da in dieser Studie vergleichbares Datenmaterial vorlag (transkribierte, verbale Protokolle), schien es sinnvoll auf das erprobte Verfahren der Bewertung durch externe Rater zurückzugreifen. Ziel dabei ist es, aus dem verbalen, qualitativen Material quantitative Daten zu erhalten, die gleichzeitig die Komplexität und Qualität der Protokolle optimal wiedergeben. Für diese Studie wurde ein neues Auswertungsmanual als Basis für ein Ratertraining entwickelt (siehe Anhang H), das sich an dem bereits existierenden Manual für die allgemeine Weisheit orientiert (Staudinger, Smith, & Baltes, 1994). Vor- und Nachteile eines Ratingverfahrens für verbale Protokolle sind oft diskutiert worden (Bortz & Döring, 1995), auch im Kontext des Berliner Weisheitsparadigmas (Staudinger, 1989). Es besteht die Gefahr, dass nur weniges oder Unwesentliches vom Gehalt der Protokolle in einem Ratingprozess berücksichtigt wird. Dies sollte sich jedoch in einer geringen Reliabilität und Validität niederschlagen. Wenn nur periphere Information abgeschöpft würde, ist anzunehmen, dass verschiedene Urteiler zu anderen Bewertungen kämen, was sich in unbefriedigenden Gütewerten ausdrücken würde. Andere Probleme des Ratingverfahrens, die sich auf mangelnde Reliabilität und Validität auswirken können, sind Urteilsfehler, wie zentrale Tendenz, Milde oder Strenge Effekt, die jedoch durch ein ausführliches Beurteilertraining und ein ausgearbeitetes Manual reduziert werden können. Die Reliabilität der Ratingmethode hat sich in Studien im Rahmen des Berliner Weisheitsparadigmas als gut erwiesen (siehe z.b. Staudinger & Leipold, 2002). Generell spricht für den Einsatz des Ratingverfahrens, dass es Ausdruck einer sozialen Konsensbildung ist. Für ein wertgebundenes Konstrukt wie die selbstbezogene Weisheit ist dies besonders wichtig, da es hier (trotz der Setzung der Kriterien) einen Interpretationsspielraum für die Bewertung der jeweiligen Ausprägung der Kriterien gibt. Die Pragmatik des Lebens ist grundsätzlich ein schlecht definierter Wissensbereich (Staudinger, 1989), und daher bleibt trotz eines detaillierten Manuals ein Beurteilungsspielraum. Da es aufgrund dieses Spielraumes besonders entscheidend ist, dass die Rater selbst ein gewisses Lebenswissen besitzen, wurden keine Studenten als Beurteiler eingesetzt, sondern Personen des mittleren und höheren Erwachsenenalters durch eine spezifische Auswahlprozedur rekrutiert (siehe unten Punkt ) Beurteilungskriterien Als Beurteilungskriterien wurden die fünf Kriterien der selbstbezogenen Weisheit eingesetzt, die für diese Studie neu entwickelt worden waren. Die Kriterien sind bereits unter Punkt 4.2 ausführlich darge- 152

153 Kapitel 7: Methode stellt worden. Um die Kriterien auf die konkrete Aufgabe aus dem Bereich Freundschaft anwendbar zu machen, wurde ein ausführliches Auswertungsmanual erstellt (siehe Anhang H). Eine Kurzform der Kriterien für den Bereich Freundschaft und jeweils ein Beispiel einer entsprechenden Formulierung sind in Tabelle 10 wiedergegeben. Tabelle 10: Übersicht über die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit bezogen auf die Freundschaftsaufgabe Kriterium Ideale Manifestation in den Antworten Beispielantwort Selbstwissen Eigenschaften, Rollen, Emotionen, Ziele, Werte, Beziehung zu anderen, Kompetenzen, Interessen. Übernehmen von Verantwortung und Sorge um Freunde, ausgewählte Freundschaften. Ab und zu denke ich darüber nach, nach welchen Richtlinien ich in meinen Freundschaften handele. Ich versuche zuverlässig zu sein. Ein Ziel von mir ist, Freundschaften aufrecht zu erhalten. Wachstumsund Bewältigungs-wissen Ich plane in meinen Freundschaften, so z.b. Termine abstimmen ist sehr wichtig, sonst klappt es irgendwie nie, dass man sich sieht. Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, meine Gefühle nicht vollständig zu unterdrücken. Andererseits muss man da immer auf die Situation achten, und schauen, wann man seine Gefühle ausdrückt, und wann eher nicht. Strategien, um Probleme zu lösen und um das Leben zu gestalten, wie Umgang mit Kritik, Offenheit für Erfahrungen, Umgang mit anderen, Emotionsregulation, Zielsetzung, Entscheidungen treffen, Humor, Lebensrückblick und Suche nach sozialer Unterstützung. Zusammenhangswissen Selbstrelativierung Ambiguitätstoleranz Verständnis des psychologischen Hintergrundes und der Zusammenhänge von Emotionen, Rollen, Eigenschaften mit Kontexten und Lebensbereichen. Verbundenheit mit Zeitgenossen, Erkennen von Konflikten. Erkennen von interpersonellen Abhängigkeiten. Außensicht auf eigene Eigenschaften, Relativierung eigener Sichtweisen auf sich und andere. Selbstkritik trotz Selbstakzeptanz. Bescheidenheit und Engagement für eine Aufgabe. Akzeptanz der Werte anderer und eigenes Wertesystem. Bewusstsein der Ungewissheit in der eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und der eigenen Person als sich wandelnd. Umgang damit durch keine Selbstvorwürfe, Akzeptanz von Krankheit und Tod, Spontaneität, Urvertrauen und Entspannungsfähigkeit. Einige meiner Freundschaften sind wohl auch durch die Zeitumstände, den Krieg, und das häufige Umziehen auseinander gegangen. Vielleicht habe ich dieses Verhalten in meiner Familie gelernt, meine Mutter hatte auch dieses Problem. Wichtig finde ich, dass man seine eigenen Angelegenheiten bis zu einem gewissen Grad zurückstellt, allerdings sollte man sich nicht ganz aufgeben. Ich könnte mir vorstellen, dass meine Freunde finden, dass ich zu wenig Zeit für sie habe. Ich verändere mich ja als Freundin, früher war ich viel zurückhaltender. bis ins Letzte kann man das im Nachhinein nicht sagen. Der Tod einer Freundin damals hat mich auch mit dem eigenen Tod konfrontiert es kann einen ganz plötzlich treffen Die Ratingskala Die Beurteilung der Protokolle wurde analog der Prozedur des Berliner Weisheitsparadigmas mit einer 7-Punkte-Skala vorgenommen, die einer so genannten elaborierten Skala entsprach. Entsprechend den Charakteristiken einer elaborierten Skala (Langer & Schulz von Thun, 1974; vgl. auch Staudinger, 1989) bestand das Material für die Anwendung der selbstbezogenen Weisheitsskala erstens aus der Definition der fünf Kriterien der selbstbezogenen Weisheit und deren Paraphrasierung, zweitens aus der Illustrierung charakteristischer Merkmale einer idealen Antwort und drittens den Anwendungsregeln für drei Skalenpunkte (siehe Anhang H). 153

154 Kapitel 7: Methode Für die Skalenkonstruktion wurde eine 7-Punkte-Ratingskala für jedes der fünf Kriterien der selbstbezogenen Weisheit verwendet. Drei der sieben Punkte wurden als Ankerpunkte benannt. Die Anzahl von sieben (wie auch fünf) Skalenpunkten soll eine optimale Beziehung zwischen Reliabilität und Differenziertheit gewährleisten (vgl. z.b. Cicchetti, Showalter, & Tyrer, 1985; Green & Rao, 1970; Rohrmann, 1978) und hat sich in Studien zum Berliner Weisheitsparadigma als geeignet herausgestellt (vgl. Staudinger & Baltes, 1996b), d.h. die Rater konnten die Qualität von Antwortprotokollen auf einer 7-Punkte-Skala differenzieren Rating-Design und Vorbereitung der Protokolle Analog zum Vorgehen im Berliner Weisheitsparadigma wurde entschieden, jeden Rater 24 nur ein Kriterium beurteilen zu lassen. Dies hat vor allem den Sinn, Urteilerfehler, insbesondere den Halo-Effekt zu vermeiden. Um die Bestimmung von Interraterreliabilität zu ermöglichen, wurden pro Kriterium zwei Rater eingesetzt, also insgesamt 10 Rater für die fünf Kriterien. Die Rater wurden den Kriterien zufällig zugeordnet. Bevor die vom Tonband transkribierten Protokolle den Ratern zur Beurteilung vorgelegt wurden, wurden sie innerhalb von Blöcken von jeweils 8 Protokollen nach einer Zufallszahlenfolge geordnet. In einem Block waren jeweils 4 Protokolle von älteren Probanden und 4 von jüngeren in jeweils randomisierter Zuteilung enthalten. Die Blöcke hatten das Ziel, eine gleichmäßig Verteilung der Altersgruppen in der Abfolge der Protokolle bei gleichzeitiger Randomisierung zu garantieren. Ein Block bestand immer aus Protokollen einer Aufgabe (Freund oder Fremde). Randomisierung über die Aufgaben hinweg hätte die Auswertung für die Rater erschwert und ihnen keine Möglichkeit gegeben, sich auf ein Thema einzustellen. Blöcke mit den beiden Aufgaben wurden abwechselnd gegeben, wobei einer der Rater für ein Kriterium mit der Freundaufgabe anfing, der andere mit der Fremdenaufgabe, um Reihenfolgeeffekte der Aufgaben zu vermeiden. Die Randomisierung wurde für jeden Rater separat vorgenommen und sollte Positionseffekte der einzelnen Protokolle (z.b. wenn ein Protokoll immer als erstes, oder nach einem bestimmten anderen gegeben würde) vermeiden. Allerdings ließ sich die Zugehörigkeit zu der jeweiligen Altersgruppe durch die von den Probanden verwendete Sprache erkennen, wie sich im Nachhinein herausstelle ein Effekt der bei dieser Methode allerdings nicht zu verhindern ist. 24 Es wird hier nur die männliche Form verwendet, diese soll auch für Frauen gelten. 154

155 Kapitel 7: Methode Auswahl der Rater Da die Rater von hoher Wichtigkeit für die Ergebnisse der Studie waren, wurde eine sorgfältige Auswahlprozedur durchgeführt (Leitfäden und Materialien siehe Anhang E). Das zentrale Selektionskriterium der Rater war, dass sie über einen hohen Wertrelativismus verfügen sollten. Dies war entscheidend, da sie beim Beurteilen der Protokolle mit diversen Werten und Lebensweisen konfrontiert waren, und die Qualität der Protokolle unabhängig davon und von ihren eigenen Werten beurteilen sollten. Weiterhin sollten sie über ein gewisses Maß an Lebenserfahrung verfügen. Darunter fielen eigene kritische Erfahrungen sowie Erfahrung im Umgang mit den Lebensumständen, Tatsachen und Problemen anderer Menschen. Schließlich sollten die Rater geübt im Umgang mit Texten sein und die abstrakten Sachverhalte gut erfassen können, um die Kriterien gut verstehen zu können. Für die Auswahl der Rater wurde auf eine Kartei von Personen zurückgegriffen, die sich für die Studie interessiert hatten, aber nicht mehr aufgenommen werden konnten, da von der entsprechenden demographischen Gruppe bereits genug Personen teilnahmen. Da davon auszugehen war, dass Personen mit Hochschulabschluss im Mittel gut darin geübt sind, abstrakte Sachverhalte zu verstehen, wurden vorwiegend solche Personen kontaktiert. Unter Anwendung eines Fragerasters (Anhang E, Punkt 1) wurde ein erstes Telefonscreening bei den potentiellen Ratern durchgeführt. Für die Auswahlsitzung wurden schließlich zweimal so viele Personen wie Rater benötigt eingeladen (N = 23). Mit den potentiellen Ratern wurden drei Gruppendiskussionen à 7-8 Personen durchgeführt. Die Sitzungen wurden auf Video aufgenommen. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es in der von der Autorin geleiteten Sitzung zunächst darum, den Personen Informationen über ihre mögliche Tätigkeit zu vermitteln (Leitfaden siehe Anhang E, Punkt 2). Dies schien wichtig, um spätere Drop-outs zu verhindern und keine Personen umsonst dem intensiven Training zu unterziehen. Die potentiellen Rater wurden daher über den allgemeinen Hintergrund der Studie informiert und über die Herkunft und die Natur der Protokolle, die sie später beurteilen würden. Bei dieser Information wurden weder die Hypothesen der Studie, noch die Begriffe Weisheit oder Reife erwähnt. Ein weiteres Ziel der Auswahlrunde war, die Bewerber hinsichtlich der oben dargestellten Auswahlkriterien zu beurteilen. Dafür wurden die potentiellen Rater gebeten, ein Lebensrückblicksproblem zu diskutieren, das sich bereits in der Auswahl von Ratern der allgemeinen Weisheit im Berliner Weisheitsparadigma (Staudinger, 1989) bewährt hatte (siehe Anhang E; Punkt 3). Danach wurden sie gebeten, fünf Protokolle (siehe Anhang E, Punkt 5), die ebenfalls bereits in einer Auswahlprozedur eingesetzt worden waren (Staudinger, 1989), nach zwei Kriterien zu bewerten (Anhang E, Punkt 4). Diese Kriterien waren denen der selbstbezogenen Weisheit von ihrer Beschaffenheit ähnlich, aber inhaltlich verschieden. Diese Bewertung diente einerseits dazu, den Bewerbern zu verdeutlichen, welche Art von 155

156 Kapitel 7: Methode Aufgabe sie später erwarten würde, andererseits dazu, um die Kompetenz der Personen im Umgang mit einem abstrakt formulierten Kriterium zu testen. Die Auswahldiskussion wurde von zwei Mitarbeiterinnen des Instituts durch eine Einwegscheibe beobachtet. Die Bewerber waren vorher darüber informiert worden. Jeder Bewerber wurde auf der Basis seines Verhaltens in der Gruppendiskussion auf drei Dimensionen eingeschätzt. Eine Dimension bezog sich auf den oben erwähnten Wertrelativismus, die zweite auf die Güte der Aufgabenbearbeitung und die dritte auf die Reichhaltigkeit der Lebenserfahrung. (siehe Anhang E; Punkt 6). Die letzte Dimension sollte Kompetenzen wie Aufnehmen und Verstehen von Erklärungen erfassen, und die Bereitschaft, die Aufgabe so auszuführen, wie beschrieben, und nicht wie sie sie selbst durchgeführt hätten. Die Personen mit den höchsten Werten auf den Dimensionen wurden ausgewählt, wobei im Zweifelsfall die Dimension Wertrelativismus stärker gewichtet wurde. In nicht eindeutigen Fällen wurden die Videobänder nochmals zur Bewertung herangezogen. Zusätzlich wurde berücksichtigt, wie die Person die Protokolle bewertet hatte. Schließlich wurden 12 Rater ausgewählt, von denen zwei als Ersatzrater gedacht waren, für den Fall, dass es im Einzelfall Schwierigkeiten bei Training oder Auswertung geben würde. Tatsächlich zeigten zwei der Kriterien, Selbstrelativierung und Ambiguitätstoleranz, in einer Zwischenbilanz geringe Reliabilitäten (α amb =,41; α selbstrel =,46). Um die unzuverlässigen Rater zu identifizieren, wurden von den Projektmitarbeiterinnen vergebene Bewertungen der Protokolle als Vergleich herangezogen. Die so identifizierten Rater wurden ausgeschlossen, und die zwei Ersatzrater nachtrainiert Beschreibung der Rater In der Auswahlsitzung füllten die Rater verschiedene Fragebögen aus, die vorwiegend der Auswahl dienten, anhand derer es aber auch möglich ist, sie mit den Probanden zu vergleichen. Der Altersdurchschnitt der Rater lag über dem der Probanden genau wie ihr Bildungsstand (Tabelle 11). Sie berichteten von einer größeren Anzahl von wichtigen Lebensereignissen und von mehr Lebensereignissen, durch die sie Einsichten über sich gewonnen hatten. 156

157 Kapitel 7: Methode Tabelle 11: Charakteristika der Rater (im Vergleich zu den Probanden) Variablen Rater Probanden Alter M 60,75 47,9 SD 10,8 19,5 Bereich Geschlecht Frauen 8 95 Männer 2 66 Ausbildungsjahre M 17,6 15,15 SD 3,2 4,0 Bereich Anzahl der Lebensereignisse M 39,25 28,8 SD 10,0 11,2 Bereich Anzahl der Lebensereignisse mit Einsichten M 27,0 20,3 SD 8,9 11,8 Bereich Ratertraining Der Ablauf des Ratertrainings basierte auf den Richtlinien des Handbuchs zur Erfassung weisheitsbezogenen Wissens (Staudinger, Smith, & Baltes, 1994). Es bestand aus zwei Teilen, einem allgemeinen, der vollständig aus dem eben genannten Handbuch übernommen wurde, und einem speziellen, in dem die allgemeinen Weisheitskriterien durch die der selbstbezogenen Weisheit ersetzt wurden. Das Training wurde von der Autorin durchgeführt. Der erste allgemeine Trainingsteil bestand aus einer ca. zweistündigen Gruppensitzung à fünf Teilnehmer (Instruktionen siehe Anhang F, Punkt 1; Materialien siehe Anhang G). Zunächst wurde eine kurze Einführung in die Studie gegeben und auf die Merkmale verbaler Antwortprotokolle, die durch das laute Denken entstehen, hingewiesen. Es wurde auch auf typische Beurteilungsfehler hingewiesen, wie Milde- bzw. Strengefehler, Scheu vor Extremen, Fehler durch die Reihenfolge des zu beurteilenden Materials und durch die Wechselwirkung zwischen Beurteiler und zu beurteilendem Material (siehe Bernardin & Walter, 1977; Saal, Downey, & Lahey, 1980). Auch wurde vor der Gefahr gewarnt, das eigene Urteil durch die Bildung impliziter Annahmen über potentielle Merkmale von Untersuchungsteilnehmern (z.b. Alter und Geschlecht) beeinflussen zu lassen. Die Rater wurden gebeten, solche Merkmale nicht in die Beurteilung mit einzubeziehen. Anschließend wurde die Anwendung der 7-Punkte-Skala an einer konkreten Übungsaufgabe, bei der es um die Beurteilung von Fahrzeugen nach vorgegebenen, einfachen Kriterien ging, trainiert (Materialien für das allgemeine Training, siehe Anhang G). Im Feedback wurde auf Beurteilungsfehler Bezug genommen, und die Rater wurden wenn nötig daran erinnert und darum gebeten, die Skala vollständig auszunutzen. Es wurde betont, dass es wichtig ist, die zu beurteilenden Objekte mit dem vorgegebenen Ideal zu vergleichen und nicht untereinander. Als weitere Ü- 157

158 Kapitel 7: Methode bungsaufgabe wurde die Beurteilung von Texten anhand zweier komplexerer Kriterien erklärt und geübt. Zur Übung wurden vier kurze Märchengeschichten vorgelegt, die mit einem den Kriterien entsprechenden, vorgegebenem Ideal verglichen werden sollten (Anhang G). Beim Feedback wurde auf die unterschiedliche Bewertung einiger Texte je nach verwendetem Kriterium hingewiesen. In dem zweiten, kriterienspezifischen Trainingsabschnitt wurden jeweils zwei Rater in der Anwendung des ihnen zufällig zugewiesenen Kriteriums in einer 3-4-stündigen Sitzung trainiert. Zunächst wurde die Definition des Kriteriums durchgesprochen und diskutiert, um zu einem gemeinsamen Verständnis zu kommen. Anschließend wurden mögliche Antworten auf die Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit ( Bitte denken Sie darüber nach, wie Sie als Freund/ Freundin sind ) diskutiert, um den Ratern eine Idee zu geben, welche Themen in den Protokollen vorkommen können. Für die Führung der Diskussion hatte die Trainingsleiterin vorgegebene Richtlinien (siehe Anhang F, Punkt 2 für Instruktionen und Anhang H für das Material). Anschließend war das Ziel, gemeinsam eine für das Kriterium ideale Antwort für die Aufgabe zu konstruieren, dafür wurde zunächst versucht, gemeinsam ideale Beispielsätze für die einzelnen Aspekte der Kriterien zu finden. Für den Fall, dass dies den Ratern schwer viel, hatte die Trainingsleiterin vorformulierte Beispielsätze parat (siehe Anhang H, Punkt 3). Danach wurde ein abstrakt formuliertes Idealprotokoll entwickelt, das die Definition des entsprechenden Kriteriums auf die jeweilige Aufgabe bezog. Anschließend übten die Rater das Auswerten anhand von ausgewählten Antwortprotokollen, die aus der Pilotstudie stammten. Diese Protokolle waren so manipuliert worden, dass eine niedrige, eine mittlere und eine hohe Bewertung darunter war (siehe Anhang H). Zusätzlich waren zwei weitere Protokolle aus den Pilotstudien vorhanden, für den Fall, dass keine gute Übereinstimmung zwischen den Ratern erreicht wurde. Wenn eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Bewertungen der Rater und den vom Projekt vorgegebenen Werten erreicht war, und die Rater ihre Bewertung anhand ausgewählter Textstellen begründen konnten, war das Training zu Ende. Am Ende des Trainings hatten die Rater drei Rating-Instrumente zur Beurteilung der Protokolle nach ihrem entsprechenden Kriterium: (1) Die Kriteriumsdefinition mit Paraphrasierungen mit den Beispielsätzen für die einzelnen Aspekte, (2) charakteristische Merkmale einer idealen Antwort und (3) die Anwendungsregeln für drei Skalenpunkte, inklusive dem Idealprotokoll. Die Rater wurden instruiert, die Antwortprotokolle mit dem Idealprotokoll zu vergleichen, das sie im Training erarbeitet hatten. Zusätzlich erhielten sie einen Beurteilungsbogen, in dem sie ihre Bewertung der Protokolle eintragen sollten (Anhang I). 158

159 Kapitel 7: Methode Ablauf des Ratings Die Rater wurden gebeten, jedes Protokoll mit einem Idealprotokoll zu vergleichen und die Ähnlichkeit der einzelnen Protokolle mit diesem zu beurteilen, anstatt die Protokolle in eine Reihenfolge zu bringen. Da angenommen wurde, dass nur wenige Protokolle mit der höchsten Bewertung eingeschätzt werden würden, hätte ein Rangordnen die Standards herabgesetzt. Außerdem wurde davon ausgegangen, dass das Rating im Vergleich zum Idealprotokoll den Einfluss von möglichen Urteilerfehlern, wie Reihenfolgeeffekte, reduziert. Die Gesamtdauer des Ratings betrug zwei Monate. Jeder Rater erhielt eine Summe von 600 Euro für die Bewertung von 320 Protokollen und der Teilnahme an dem Training. Die Antwortprotokolle wurden in zwei Etappen an die Rater gegeben. Das Rating führten sie zu Hause durch. Für die Abgabe bewerteter und zur Übergabe neuer Protokolle wurden die Rater in das Institut gebeten. Beim Abgeben der letzten Protokolle wurde eine Kontrolle des Kriteriumsverständnisses und der impliziten Hypothesen der Rater vorgenommen, um zu überprüfen, ob die Beurteilungen tatsächlich nur kriteriengeleitet und unbeeinflusst von den zentralen Annahmen der Studie getroffen worden waren. Die Rater wurden gebeten, den Wortlaut ihres Ratingkriteriums aus ihrer freien Erinnerung heraus so genau wie möglich aufzuschreiben. Die Auswertung der schriftlichen Kriteriumswiedergabe zeigte, dass die Rater die zentralen Punkte der entsprechenden Skalenbeschreibung wiedergeben konnten. Zur Überprüfung impliziter Annahmen über die Studie wurden sie gefragt, was sie glaubten, was mit der Studie untersucht werden sollte. Die Rater erwähnten, es sei um Alter gegangen, da sie ältere und jüngere Probanden an der Art der Sprache in den Protokollen identifizieren konnten. Weitere Themen, die angesprochen wurden, waren Lebenswissen, Identität, soziale Kompetenz, Selbstreflexion und positives Denken. Keiner der Rater sprach Weisheit, Persönlichkeitsreife oder genaue Hypothesen über den Unterschied zwischen älteren und jüngeren Personen an. Daher wurden keine systematischen Urteilsverzerrungen durch die Rater erwartet. Nach dem Ratingprozess wurden die Rater zu einer Abschlusssitzung eingeladen, die dazu dienen sollte, ihnen für ihre Arbeit und ihr Engagement im Projekt zu danken. Sie erhielten die Gelegenheit, Schwierigkeiten beim Ratingprozess und ihre Eindrücke zu diskutieren. Außerdem wurden ihnen in Form eines Vortrags Informationen über die Ziele der Studie und die verfolgten Hypothesen gegeben. 7.6 Datenscreening: Antwortlänge, Fehlwerte, Ausreißer, Verteilung In diesem Abschnitt sollen einige die Datenauswertung vorbereitende Analysen dargestellt werden. Da diese Analysen nicht der Hypothesenüberprüfung dienen, sollen sie schon hier im Methodenteil abge- 159

160 Kapitel 7: Methode handelt werden. Es soll zunächst um die Mindestlänge eines auswertbaren Protokolls gehen. Im zweiten Abschnitt werden Vorraussetzungen der weiteren Datenanalyse evaluiert, wie die Überprüfung von Fehlwerten, die Lokalisation von möglichen Ausreißern und die Verteilung Mindestlänge der Antwortprotokolle Da die Protokolle die Basis für das Rating der selbstbezogenen Weisheitskriterien darstellen, war es wichtig zu überlegen, ob eine bestimmte Mindestlänge nötig ist, um ein Kriterium anhand eines Protokolls beurteilen zu können. In Untersuchungen zur allgemeinen Weisheit im Berliner Weisheitsparadigma wurden unterschiedliche Werte als geringste Wortanzahl gefunden, von 64 (Smith & Baltes, 1990) bis 697 (Staudinger, Smith, & Baltes, 1992); es wird hier jedoch keine Mindestlänge als Ausschlusskriterium für Protokolle gesetzt. Da durch den bei der Erhebung der allgemeinen Weisheit anwesenden Interviewer eine gewisse Kontrolle der Motivation des Teilnehmers besteht und durch Nachfragen sichergestellt werden kann, dass die Person ihr weisheitsbezogenes Wissen weitestgehend geäußert hat, scheint es plausibel, dass hier keine Mindestlänge für die Protokolle gesetzt wird. Bei der Erhebung der selbstbezogenen Weisheit hingegen war auf Grund des Problems der Selbstoffenbarung kein Interviewer zugegen. Daher ist unklar, ob bei kurzen Antworten ein Motivationsproblem bestand: Eine extrem kurze Antwort kann hier im Grunde einer Verweigerung der Aufgabenbearbeitung entsprechen. Abgesehen davon ist es schwierig, ein sehr kurzes Protokoll valide zu bewerten. Als Mindestlänge wurde deshalb in dieser Studie eine halbe Seite transkribierten Protokolls gesetzt, entsprechend der (runden) Anzahl von 200 Wörtern. Nach diesem Kriterium wurde eine Person (weiblich, 65 Jahre) von den weiteren Analysen ausgeschlossen Analyse von Fehlwerten, Ausreißern und der Verteilung Die Analyse von Fehlwerten ist eine wichtige Vorraussetzung weiterer Datenanalyse (Tabachnick & Fidell, 2001). Wenn Personen, die Fehlwerte aufweisen, sich von solchen, bei denen die Variable vorhanden ist, unterscheiden, kann dies aufgrund von Selektionseffekten die Ergebnisse verzerren. Außer für das Maß der Ego-Entwicklung, das wie oben erwähnt, 5,7% Fehlwerte aufwies, gab es in keiner anderen Variablen über 5% Fehlwerte eine Größe, die in der Literatur als noch akzeptabel bezeichnet wird (Tabachnick & Fidell, 2001). Auch zeigten sich in einer Fehlwerteanalyse mittels SPSS keine signifikanten Unterschiede in relevanten Variablen zwischen Personen, mit und ohne Fehlwerten in der Ego- Entwicklung. Die Analyse von Ausreißern ist wichtig, da Ausreißer aufgrund ihres extremen Wertes in einer oder mehrerer Variablen einen stärkeren Einfluss auf die Ergebnisse haben als andere Personen und 160

161 Kapitel 7: Methode so das Ergebnis instabil machen können. In der Stichprobe existierten jedoch keine multivariaten Ausreißer, wie mittels der berechneten Mahalanobis Distanz festgestellt wurde 25 (χ 2 max(35; N = 120) = 58,2; p <,005). Dies galt auch wenn die Mahalanobis Distanz für beide Altersgruppen getrennt untersucht wurde (Ältere: χ 2 max(35; N = 59) = 47,63; p <,05; Jüngere: χ 2 max(35; N = 60) = 47,31; p <,05). Tabachnick und Fidell (2001) empfehlen als Kriterium für univariate Ausreißer eine Standardabweichung von über 3,29 festzulegen. Wenn allerdings der Abstand dieses Extremscores zum nächsten Score gering ist, wird empfohlen, den Wert nicht als Ausreißer zu klassifizieren. In diesem Fall ist nicht davon auszugehen, dass der Wert eine deutlich stärkere Wirkung auf die Ergebnisse zeigt, als andere. Einen Abstand zum nächsten Wert von 0,5 Standardabweichungen wiesen zwei Werte auf, einer in den Wachstumsskalen von Ryff, einer in den Lebensereignissen. Auf Ausschluss der Werte wurde hier verzichtet, stattdessen wurden die Analysen mit und ohne diese Ausreißer gerechnet und es lässt sich bereits vorab sagen, dass es keine bedeutsamen Änderungen gab. Die in dieser Studie eingesetzten statistischen Analysemethoden setzen Normalverteilung voraus. Daher wurden Prädiktoren und Kriterien mittels eines Kolmogorov-Smirnov-Tests auf Abweichungen von der Normalverteilung geprüft. Signifikante Abweichungen wiesen die Variablen Lebenszufriedenheit, fluide und kristalline Intelligenz, Ego-Entwicklung, hedonistische, soziale, und universalistische Werte, Selbstrelativierung (Freundschaftsaufgabe) und Ambiguitätstoleranz (Freundschafts- und Fremdenaufgabe) auf. Abhilfe bei Verletzungen der Normalverteilung können Transformationen schaffen, die jedoch die Interpretierbarkeit der Ergebnisse erschweren. Da die hier eingesetzten statistischen Tests zudem robust gegenüber Verletzungen der Normalverteilung sind (Bortz, 1993), wurde entschieden, die Werte nicht zu transformieren. 25 Es wird hier angestrebt, einen möglichst kleinen χ 2 -Wert zu erzielen, der nicht auf einem höheren als dem 0,1%- Signifikanz-Niveau signifikant ist (Tabachnick & Fidell, 2001). 161

162 Kapitel 7: Methode 162

163 Kapitel 8: Ergebnisse 8. Kapitel Ergebnisse Der Ergebnisteil gliedert sich in drei große Abschnitte. Im ersten Abschnitt sollen Voraussetzungen für die Validierung, wie die Protokolllänge und Interraterreliabilität, sowie erste Schritte der Konstruktvalidierung, wie die Faktorenstruktur der Kriterien und die Konsistenz der Kriterien in einer anderen Aufgabe, dargestellt werden. Im zweiten Teil geht es um eine der zwei Hauptfragestellungen dieser Studie, die Konstruktvalidierung des Instrumentes zur Messung selbstbezogener Weisheit mittels konvergenter und diskriminanter Zusammenhänge. Hier werden zunächst einige spezifische Hypothesen zu Zusammenhängen einzelner Prädiktorbereiche, wie Adaptivität und Reife, Intelligenz, Lebensereignisse und Werte, mit der selbstbezogenen Weisheit überprüft. Anschließend wird durch eine Kommunalitätsanalyse bestimmt, welchen prädiktiven Wert die einzelnen Prädiktorbereiche für die selbstbezogene Weisheit unter Berücksichtigung der anderen Prädiktoren besitzen. Als Abschluss dieses Teils werden spezifische Hypothesen über differentielle Zusammenhänge von Basis- und Metakriterien der selbstbezogenen Weisheit mit verschiedenen Prädiktoren überprüft. Im dritten Abschnitt geht es um die zweite Hauptfragestellung: Altersunterschiede in der selbstbezogenen Weisheit. Zunächst werden hier Unterschiede in der Ausprägung der selbstbezogenen Weisheit, und der mögliche Einfluss verschiedener Kontrollvariablen auf diesen untersucht. Anschließend sollen Hypothesen zu Altersinteraktionen in Korrelationsmustern von bestimmten Variablengruppen mit der selbstbezogenen Weisheit untersucht werden. Vor der Analyse sollen noch einige Aspekte angemerkt werden. Es wurde angenommen, dass die Werte der selbstbezogenen Weisheit Intervallskalenniveau aufweisen, da die Beurteilung anhand einer Skala mit drei definierten Ankerwerten vorgenommen worden war. Aus diesem Grund schien es gerechtfertigt, Analysemethoden einzusetzen, die Invervallskalenniveau voraussetzen. Ein weiterer Aspekt betrifft das verwendete Signifikanzniveau. Nach Bortz (1993) ist es für Untersuchungen in relativ neuen Gebieten gerechtfertigt, ein Signifikanzniveau von p <,10 noch zuzulassen. Da dies auf die vorliegende Studie zutrifft, soll auch ein entsprechendes Signifikanzniveau noch akzeptiert werden. 8.1 Voraussetzungen und erste Schritte der Validierung Protokolllänge Eine erste Annahme war gewesen, dass die neu entwickelte Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit dazu geeignet ist, selbstbezogenes Wissen von Personen zu erfassen. Die Voraussetzung dafür war es, dass Personen in akzeptabler Länge, d.h. mit über 70 Wörtern (die geringste Wortanzahl 163

164 Kapitel 8: Ergebnisse im Berliner Weisheitsparadigma), auf die Aufgabe antworten. Dies schien der Fall zu sein: Selbst der eine Ausreißer (siehe Punkt 7.6.1) lag mit 135 Wörtern über der niedrigsten in einer Studie des Berliner Weisheitsparadigmas gefundenen Wortanzahl (siehe Smith & Baltes, 1990). Die in der Analyse verbliebenen Probanden sprachen im Mittel 1668 Wörter pro Protokoll, mit einer Standardabweichung von 786, das Minimum war 232, das Maximum Es gab hier einen Alterseffekt: Die älteren Probanden sprachen signifikant kürzer, als die jüngeren (F 1/159 ) = 20,01; p <,01; M alt = 1399 (SD = 653); M Jung = 1923 (SD = 819). Auf Implikationen dieses Unterschieds für die Ergebnisse zu Altersunterschieden wird an entsprechender Stelle (Punkt ) eingegangen. Dort wird auch der Zusammenhang zwischen Protokolllänge und selbstbezogener Weisheit berichtet Interraterreliabilität Zur Überprüfung der Auswertungsobjektivität wurde für die einzelnen Kriterien der selbstbezogenen Weisheit die α-koeffizienten für intervallskalierte Daten nach Cronbach (1964) errechnet. In einem zweiten Schritt wurde überprüft, ob sich diese Interraterreliabilitäten für die beiden Altersgruppen unterschieden. Die Begründung für die Wahl des α-koeffizienten als Reliabilitätsmaß gründet sich auf die angenommene Intervallskalierung der Werte der selbstbezogenen Weisheit (Bortz, 1993). Die Werte der α-koeffizienten sind in der Diagonale von Tabelle 12 (fettgedruckt) für die fünf Kriterien und den Gesamtmittelwert wiedergegeben. Die Koeffizienten für die Einzelkriterien waren in Anbetracht der Komplexität der Kriterien befriedigend, sie reichten von α =,62 bis,69. Aufgrund der zufrieden stellenden Übereinstimmung schien es gerechtfertigt, die Werte über die jeweils zwei Rater pro Kriterium zu mitteln. Der α-koeffizient des über die fünf Kriterien zusammengefassten Wertes der selbstbezogenen Weisheit ist mit α =,84 als gut zu bezeichnen. In einer getrennten Analyse wurde durch Berechnung von 12 altersgruppenspezifischen Koeffizienten (Werte für 5 Kriterien + 1 Gesamtwert X 2 Altersgruppen) verglichen, ob die Übereinstimmung zwischen den Beurteilern für die beiden Altersgruppen variieren. Im Ergebnis zeigten sich für keine der Altersgruppen extrem andere Muster der Reliabilitätswerte als in den Gesamtwerten über beide Altersgruppen hinweg. Die Übereinstimmungswerte bewegten sich in einem Bereich von α =,53 bis,74, wobei sich nur 3 der 10 Werte für die Einzelkriterien unter α =,60 befanden (siehe Anhang K, Tabelle C). Aufgrund dieser Ergebnisse schien es gerechtfertigt, aus den jeweils zwei Beurteilungen pro Protokoll für ein Kriterium den Mittelwert zu bilden. Ebenso wurde ein Gesamtwert der selbstbezogenen Weisheit als Mittelwert aus den fünf Kriterien gebildet. 164

165 Kapitel 8: Ergebnisse Tabelle 12: Interkorrelationen und Cronbachs α (Diagonale) zwischen den Kriterien selbstbezogener Weisheit Kriterien Kriterien Selbstwissen,63 2 Wachstums- und Bewältigungswissen,57,69 3 Wissen über Zusammenhänge,34,48,62 4 Selbstrelativierung,31,50,57,66 5 Ambiguitätstoleranz,38,39,54,51,62 6. Mittelwert selbstbezogene Weisheit,69,79,76,77,71,84 Anmerkung. Korrelationen,16 sind mit p,05 signifikant; die Interkorrelationen beruhen auf den über beide Rater gemittelten Werten Faktorenstruktur der Kriterien selbstbezogener Weisheit Es war angenommen worden, dass sich die theoretisch angenommene Differenzierung der Kriterien in Basis- und Metakriterien auch empirisch wieder findet. Eine erste Inspektion der Interkorrelationen der Kriterien (Tabelle 12) zeigt bereits rein deskriptiv, dass die Zusammenhänge innerhalb der Basiskriterien und innerhalb der Metakriterien höher waren als die Korrelationen zwischen Basis- und Metakriterien. Um die Hypothese zu überprüfen, dass die theoretische Unterteilung der Kriterien sich empirisch wieder findet, wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse mit dem Programm AMOS gerechnet. Es wurde überprüft, ob ein Modell, das zwei latente Faktoren annimmt (einen, auf den die Basiskriterien zurückgehen, und einen für die Metakriterien) einen akzeptablen Fit aufweist. Zusätzlich wurde eine Korrelation zwischen den beiden latenten Faktoren angenommen. Zum Vergleich wurde ein Modell getestet, das nur von einem Faktor, der alle fünf Kriterien erklärt, ausgeht. Die beiden Modelle sind mit Pfadkoeffizienten im Anhang K (Abbildung A) wiedergegeben. Kovarianzmatrizen wurden mit der Maximum-Likelihood-Methode der Parameterschätzung berechnet. Das erste, der Hypothese entsprechende Zwei-Faktoren Modell, wies mit χ 2 (4, N = 160) = 6,89 (p =,14), (AGFI =,94; TLI =,97; RMSEA =,07) einen guten Fit auf. Das gegen die Hypothese aufgestellte Ein-Faktoren-Modell zeigte einen schlechten Fit (χ 2 (5, N = 160) = 29,28; p =,00; AGFI =,80; TLI =,79; RMSEA =,18). Dies bestätigt die Hypothese, dass eine Zwei-Faktorenlösung besser auf die Daten passt. Ergänzend wurde nun eine Hauptkomponentenanalyse durchgeführt. Es wurde eine oblique Rotation gewählt, da theoretisch davon auszugehen war, dass die zu extrahierenden Faktoren korreliert sind. Die Lösung wurde auf zwei Faktoren gezwungen, da sich diese Struktur in der konfirmatorischen Faktorenanalyse bestätigt hatte. Es zeigte sich auch hier, dass Basis- und Metakriterien jeweils auf einem Faktor laden (siehe Tabelle 13). Insgesamt wurde durch die beiden Faktoren 74% der Varianz aufgeklärt. Der erste Faktor klärte 56%, der zweite 17% der Varianz auf. 165

166 Kapitel 8: Ergebnisse Tabelle 13: Faktorenlösungen der fünf Kriterien Kriterien Faktor 1 (α =,76) Faktor 2 (α =,71) Zusammenhangswissen,85 Selbstrelativierung,84 Ambiguitätstoleranz,78 Selbstwissen -,10,97 Wachstums- und Bewältigungswissen,23,72 Anmerkung. Hauptkomponentenanalyse mit obliquer Rotation (delta = 0); Eigenwerte Faktor 1: e = 2,79; Faktor 2: e = 0,85. Aufgrund der Faktorenstruktur schien es gerechtfertigt, die Kriterien zu zwei Skalen, den Basisund den Metakriterien zusammenzufassen. Die beiden Skalen zeigten zufrieden stellende Cronbachs- Alpha-Werte (siehe Tabelle 12). Die beiden Skalen dienten der Überprüfung von Hypothesen zu differentiellen Korrelationen von Basis- und Metakriterien mit verschiedenen Prädiktoren und zur Untersuchung von Altersunterschieden in selbstbezogener Weisheit Konsistenz der Kriterien in verschiedenen Aufgaben Ziel der Entwicklung des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit war es, fünf Kriterien zu entwickeln, die über die spezifische Aufgabe, die zur Messung eingesetzt wird, hinaus eigene Aussagekraft besitzen und sich in verschiedenen Aufgaben konsistent zeigen. Statistisch gesprochen bedeutet das, dass zusätzlich zu der Varianz in den selbstbezogenen Weisheitsdaten, die durch die Aufgabe aufgeklärt wird, signifikant Varianz durch die fünf Kriterien aufgeklärt wird. Dazu wurden Daten herangezogen, die in einem anderen Teil des Projektes mit einer anderen Aufgabe erhoben worden waren. In dieser Aufgabe wurde gefragt, wie die Person im Umgang mit Fremden sei. Die Reliabilitäten dieser Aufgabe, der Fremdenaufgabe, waren zufrieden stellend und in ihrer Höhe vergleichbar mit denen der Freundaufgabe (siehe Anhang K, Tabelle C). Die Hypothese wurde mittels einer konfirmatorischen Faktorenanalyse mit dem Programm A- MOS überprüft. Kovarianzmatrizen wurden mit der Maximum-Likelihood-Methode der Parameterschätzung berechnet. Als beobachtete Variablen wurden die zehn Kriterien der selbstbezogenen Weisheit (5 Kriterien X 2 Aufgaben) verwendet. Es wurden zwei ineinander geschachtelte Modelle ( nested models ) gerechnet: Im ersten Modell wurden nur die beiden Aufgaben als latente Faktoren spezifiziert, die jeweils fünf Kriterien vorhersagen sollten, im zweiten Modell wurden zusätzlich Verbindungen zwischen jeweils zwei zu einem Kriterium gehörenden Variablen hinzugenommen (siehe Abbildung 4 zur Illustration der beiden Modelle). Rechnerisch entspricht die Annnahme von Korrelationen zwischen zwei inhaltlich zusammengehörigen Variablen der Annahme eines zusätzlichen Faktors, der das Gemeinsame in diesen Variablen repräsentiert. Ein Faktor, der aus zwei Variablen geschätzt wird, wird aus der Kovarianz zwischen diesen Variablen geschätzt (Backhaus, Erichson, Pinke, & Weiber, 2003; Tabachnick & 166

167 Kapitel 8: Ergebnisse Fidell, 2001). Zudem hat diese Rechenweise den Vorteil, dass weniger Freiheitsgrade verloren gehen, da statt einem Faktor und einer Ladung (df = 2) nur eine Korrelation (df = 1) errechnet werden muss. Mittels eines Chi-Quadrat-Unterschiedstests (siehe Tabachnick & Fidell, 2001) wurde überprüft, ob das zweite Modell eine signifikante Verbesserung des Fit erzeugt. Freund,58,71,70,70,66,33 Selbstwissen Freund,51 W & Freund B-Wissen,49 Zushgswissen Freund,49 Selbstrela. Freund,44 Amb.toleranz Freund e sel1 e wb1 e zus1 e rela1 e amb1 Freund,55,69,72,73,67,30 Selbstwissen Freund,48 W & B-Wissen Freund,51 Zushgswissen Freund,53 Selbstrela. Freund,45 Amb.toleranz Freund e sel1 e wb1 e zus1 e rela1 e amb1,50,45,61,72,68,51 Selbstwissen Fremde,47 W & B-Wissen Fremde,56 e sel2 e wb2,55,69,64,48 Selbstwissen Fremde,42 W & B-Wissen Fremde,55 e sel2 e wb2,03,37,06 Fremde,75,73,70 Zushgswissen Fremde,54 Selbstrela Fremde,49 e zus2 e rela2 Fremde,74,76,73 Zushgswissen Fremde,58 Selbstrela Fremde,53 e zus2 e rela2 Amb.toleranz Fremde e amb2 Amb.toleranz Fremde e amb2 Modell 1 Modell 2 χ 2 (34; N = 160) = 171,45; p <,00; AGFI =,66; TLI =,92; RMSEA =,16 χ 2 (28; N = 160) = 92,35; p <,00; AGFI =,81; TLI =,97; RMSEA =,12 Abbildung 4: Die miteinander verglichenen Strukturgleichungsmodelle mit Pfadkoeffizienten Die Verbesserung durch das zusätzliche Hinzufügen der fünf Korrelationen zwischen jeweils zwei inhaltlich zusammengehörigen Kriterien in Modell 2 war signifikant (χ 2 diff (5; N = 160) = 79,10; p <,001). Das erweiterte Modell war signifikant besser zur Erklärung der Varianz in den Daten geeignet als das Modell, das nur die Aufgaben als latente Faktoren enthielt. Das bedeutet, dass die Messung der Kriterien der selbstbezogenen Weisheit nicht allein aufgabenspezifisch ist, sondern dass die fünf Kriterien über die Aufgaben hinaus signifikanten Erklärungswert besitzen. Die Differenz in den AGFI-Werten, kann nach Tanaka und Huba (1989) als gewichteter Determinationskoeffizient interpretiert werden, der das Verhältnis der vorhergesagten zur beobachteten Varianz wiedergibt. Demnach klärte das zweite Modell zusätzlich 15% Varianz auf. 8.2 Validierung des Instrumentes zur Messung selbstbezogener Weisheit Im folgenden Abschnitt geht es darum, anhand spezifischer Hypothesen die Validität des neu entwickelten Instrumentes zur Messung selbstbezogener Weisheit zu überprüfen. Da dieses Instrument für verschiedene Altersgruppen gleichermaßen gültig sein sollte, wurden zunächst altersunabhängige Hypo- 167

168 Kapitel 8: Ergebnisse thesen überprüft. Die vorliegende Stichprobe bestand aus jungen und älteren Erwachsenen, ohne Personen aus dem mittleren Lebensalter, und wies daher eine diskontinuierliche Verteilung der Altersvariablen auf. Da eine Kovariation von Alter und bestimmten Prädiktoren bei gleichzeitiger Kovariation von Alter mit selbstbezogener Weisheit die Ergebnisse zu Zusammenhängen von diesen Prädiktoren mit der selbstbezogenen Weisheit verzerren könnte, wird in allen Analysen dieses Abschnitts für Alter kontrolliert. Alle unter diesem Abschnitt berichteten Korrelationskoeffizienten sind also partielle Korrelationen, die für Alter kontrolliert wurden. Alter wurde wegen der diskontinuierlichen Verteilung nur als Dummy- Variable verwendet, die die Zugehörigkeit zu einer Altersgruppe kodiert. Die unkontrollierten Korrelationen werden im Anhang K (Tabelle D) berichtet. Im ersten Teil dieses Abschnittes geht es um allgemeine Zusammenhänge zwischen bestimmten Variablen und selbstbezogener Weisheit, im zweiten Teil um spezielle Zusammenhänge von verschiedenen Variablen mit Basis- und Metakriterien Zusammenhänge zwischen Prädiktoren und dem Mittelwert selbstbezogener Weisheit In diesem Teil werden Hypothesen über Zusammenhänge zwischen verschiedenen Prädiktoren (Persönlichkeitsreife und Adaptivität, Intelligenz, Lebensereignisse und Werte) mit dem Mittelwert der selbstbezogenen Weisheit als abhängige Variable überprüft. Im Anschluss werden in einer Kommunalitätsanalyse die spezifischen Varianzanteile dieser Prädiktorbereiche in der Vorhersage selbstbezogener Weisheit untersucht Selbstbezogene Weisheit und Persönlichkeitsreife versus Adaptivität Es wurde erwartet, dass Indikatoren des Bereichs Persönlichkeitsreife signifikant mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen, und dass dieser Zusammenhang signifikant stärker ist als für Prädiktoren des Bereichs Adaptivität. Ein erster Blick auf die für Alter kontrollierten Korrelationen (Tabelle 14) zeigt, dass die Zusammenhangsmuster weitgehend der Vorhersage entsprechen. Bis auf psychologisches Feingefühl korrelierten alle Reifeindikatoren signifikant mit selbstbezogener Weisheit, während von den Adaptivitätsindikatoren keiner signifikant mit selbstbezogener Weisheit zusammenhing. Allein Verträglichkeit zeigte eine etwas höhere, jedoch nicht-signifikante Korrelation mit selbstbezogener Weisheit. Dieses Korrelationsmuster deutet insgesamt darauf hin, dass selbstbezogene Weisheit relativ unabhängig von Indikatoren der Adaptivität ist, aber mit denen der Reife zusammenhängt. 168

169 Kapitel 8: Ergebnisse Tabelle 14: Regressionsanalysen von Adaptivitäts- und Reifevariablen auf selbstbezogene Weisheit Gesamtmodell R 2 F df R 2 F df Analyse 1 Step 1 a : Adaptivitätsvariablen,063 1,28 7/132,026 b 0,62 6/132 Step 2: Reifevariablen,167 2,53** 12/127,150 4,83** 5/127 Analyse 2 Step 1 a : Reifevariablen,198 5,47 6/133,162 b 5,36** 5/133 Step 2: Adaptivitätsvariablen,167 2,53* 12/127,014 0,39 6/127 Variablen im Modell (Step 2) β t r c Reife Ego-Entwicklung,12 1,33,24** Selbstkonzeptreife,23** 2,64,28** Psychologisches Feingefühl,04 0,44,11 Offenheit für Erfahrungen,18* 2,13,21 ** Wohlbefinden (Reife),14 1,34,21** Adaptivität Lebenszufriedenheit -,02-0,18,02 Negative Emotionen -,02-0,14 -,02 Positive Emotionen,02 0,23,05 Gewissenhaftigkeit -,13-1,28 -,04 Verträglichkeit,05 0,58,11 Wohlbefinden (Adaptivität),01 0,06,03 Anmerkung. Es wurden zwei hierarchische Regressionsanalysen mit dem Mittelwert der selbstbezogenen Weisheit als AV gerechnet, bei denen die Reihenfolge der Sets variiert wurde. Alter wurde zur Kontrolle vorher in die Regression eingegeben. Die kleinste Toleranz war,42. ader eigentliche erste Schritt war die Eingabe von Alter (als Dummy-Variable), die hier aber nicht berichtet wird, da Alter nur als Kontrollvariable eingesetzt wird. b Der Anteil der an selbstbezogener Weisheit durch Reife aufgeklärten Varianz ist mit p <,01 signifikant größer als der durch Adaptivität aufgeklärte Anteil. c für Alter kontrolliert. **p <,01. *p <,05. # p <,10. Um die Hypothese eines höheren Zusammenhangs von selbstbezogener Weisheit mit den Reifevariablen im Vergleich zu den Adaptivitätsvariablen zu überprüfen, wurden zwei hierarchische Regressionsanalysen gerechnet (Tabelle 14). Es wurden nacheinander als Set die Reife- und dann die Adaptivitätsvariablen eingegeben bzw. umgekehrt. In dem ersten Schritt konnte jeweils überprüft werden, ob die Vorhersage selbstbezogener Weisheit durch den Variablenbereich signifikant war. Dies traf, wie erwartet, nur für den Bereich Reife zu. Mit dem zweiten Schritt der Regressionsanalysen sollte überprüft werden, ob die Reifevariablen auch über die Adaptivitätsvariablen hinaus signifikant selbstbezogene Weisheit vorhersagen, und dass die Adaptivitätsvariablen dies umgekehrt nicht tun. Auch dies konnte bestätigt werden. Ein letzter Test sollte die durch die beiden Bereiche jeweils aufgeklärten spezifischen Anteile an der Varianz der selbstbezogenen Weisheit (entsprechend dem jeweils zweiten Schritt der in Tabelle 14 berichteten Regressionsanalysen) auf Unterschiedlichkeit überprüfen. Dadurch konnte der durch Reife und Adaptivität an der selbstbezogenen Weisheit aufgeklärte Anteil der Varianz, die unabhängig von Überlappungen zwischen diesen Bereichen ist, verglichen werden. Die Reifevariablen klärten mit 15,0% deutlich mehr spezifische Varianz der selbstbezogenen Weisheit auf als die Adaptivitätsvariablen mit 1,4%. Um diesen Unterschied auf Signifikanz zu überprüfen, wurden die multiplen quadrierten Korrelationen ( R 2 des 2. Steps) durch Wurzelziehen in Korrelationen zurückverwandelt und (nach einer Fishers Z-Transformation) mittels eines t-tests für Korrelationen aus einer Stichprobe auf 169

170 Kapitel 8: Ergebnisse Unterschiedlichkeit getestet (Diehl & Arbinger, 1992). Es zeigte sich, dass die Reifevariablen signifikant mehr spezifische Varianz der selbstbezogenen Weisheit aufklärten als die Adaptivitätsvariablen (t 146 = 2,55; p einseitig <,01), womit die Hypothese als bestätigt gelten kann Selbstbezogene Weisheit und kognitive Variablen Die erste Hypothese im Bereich der Intelligenz nahm an, dass der Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und kristalliner Intelligenz höher sei als der mit fluider Intelligenz. Die für Alter kontrollierte Korrelation für kristalline Intelligenz war mit r =,32 (p <,01) tatsächlich höher als die für fluide Intelligenz (r =,21; p <,01). Dieser Unterschied wurde mittels eines t-tests für Korrelationen einer Stichprobe (mit Fishers Z-Transformierten Korrelationen) auf Signifikanz überprüft (Diehl & Arbinger, 1992), war jedoch nicht signifikant (t 150 = 1,22; p einseitig =,11). Kristalline Intelligenz besaß also auf der univariaten Ebene keinen signifikant stärkeren Vorhersagewert für die selbstbezogene Weisheitsleistung als fluide Intelligenz. Es wurde weiter angenommen, dass ein gewisses, mittleres Niveau in fluider Intelligenz nötig sei, um selbstbezogene Weisheitsleistungen zu erbringen, dass darüber hinaus höhere Werte jedoch keinen Effekt auf die selbstbezogene Weisheit haben. Bei kristalliner Intelligenz hingegen wurde erwartet, dass höhere Werte auf jedem Niveau der kristallinen Intelligenz mit höheren Werten der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen. Um diese Hypothese zu testen, wurde überprüft, ob nur bei der fluiden Intelligenz ein quadratischer Zusammenhang besteht. Dafür wurden zwei getrennte hierarchische Regressionsanalysen gerechnet, in die (nach der zur Kontrolle eingegebenen Altersvariablen) zunächst der jeweilige lineare Term der (z-standardisierten) Intelligenzvariable und in einem zweiten Schritt der quadratische Term eingegeben wurde (siehe z.b. Cohen, Cohen, West, & Aiken, 2003). Der Hypothese entsprechend zeigte sich kein signifikanter Zugewinn an Varianzaufklärung durch den quadratischen Term bei kristalliner Intelligenz ( R 2 =,006; F 1/153 = 0,97; n.s.), wohl aber bei fluider Intelligenz ( R 2 =,035; F 1/153 = 5,88, p <,05). Die Ergebnisse der Regressionsanalysen sind in Tabelle E (Anhang K) im Detail wiedergegeben und in Abbildung 5 veranschaulicht. Diese Ergebnisse scheinen auf einen umgekehrt u-förmigen Zusammenhangs für fluide Intelligenz hinzudeuten. Im niedrigeren Bereich von fluider Intelligenz hängt diese noch stärker mit der selbstbezogenen Weisheit zusammen, in mittleren Bereichen hat ein Anstieg in fluider Intelligenz einen geringeren Effekt. Auf einem höheren Niveau fluider Intelligenz scheint sogar ein negativer Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit zu bestehen: Die Korrelation zwischen fluider Intelligenz und selbstbezogener Weisheit von Personen mit einer Standardabweichung über dem Mittelwert (n = 34) war mit r = -,30 (p <,10) signifikant negativ. Möglicherweise ist dies dadurch zu erklären, dass für die hochintelligenten Personen der Zusammenhang zwischen kristalliner Intelligenz und fluider Intelligenz mit r = -,12 (n.s.) tendenziell negativ war. Es wäre 170

171 Kapitel 8: Ergebnisse also möglich, dass die geringere kristalliner Intelligenz hochintelligenter Personen zu ihren geringeren Leistungen in selbstbezogener Weisheit beitrug. Tatsächlich wurde nach Kontrolle für kristalline Intelligenz der Zusammenhang von selbstbezogener Weisheit und fluider Intelligenz für hochintelligente Personen mit r =,12 zwar nicht signifikant, aber immerhin positiv statt wie ohne Kontrolle negativ. 1 Mittelwert SBW (kontrolliert für Alter) 0-1 β = -,21* β = -,09 kristalline Intelligenz fluide Intelligenz Intelligenz-Werte (z-standardisiert) Abbildung 5: Quadratischer Zusammenhang von Intelligenzvariablen mit selbstbezogener Weisheit (SBW) unter Kontrolle von Alter Schließlich wurde noch die Hypothese überprüft, dass Bildung zwar einen Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit besitzt, dass dieser jedoch vollständig durch kristalline Intelligenz mediiert wird. Die für Alter kontrollierte Korrelation 0.Ordnung zwischen der Anzahl der Ausbildungsjahre und selbstbezogener Weisheit ist mit r =,15 signifikant. Um die Mediationshypothese zu überprüfen, wurde in einer Regressionsanalyse (nach Alter) zunächst nur die Anzahl der Ausbildungsjahre aufgenommen. Dieses Maß der Bildung sagte die selbstbezogene Weisheit signifikant vorher (siehe Tabelle 15). Nachdem jedoch kristalline Intelligenz in die Analyse mit aufgenommen wurde, verlor die Anzahl der Ausbildungsjahre ihre Bedeutung, während kristalline Intelligenz die selbstbezogene Weisheit signifikant prädizierte. Dies bedeutet, dass kristalline Intelligenz der deutlich bessere Prädiktor ist, und die Ausbildungsjahre keine davon unabhängige Varianz aufklären. Personen höherer Bildung schienen demnach nur eine höhere selbstbezogene Weisheit aufzuweisen, weil Bildung mit kristalliner Intelligenz einhergeht (r =,50; p <,01). 171

172 Kapitel 8: Ergebnisse Tabelle 15: Mediation des Effektes von Bildung auf selbstbezogene Weisheit durch kristalline Intelligenz 172 β t R 2 F df R 2 F df Modell 1 a : Ausbildungsjahre,15 # 1,89,086 6,99 2/148,022 3,57 # 1/148 Modell 2: Ausbildungsjahre -,01 -,11 & kristalline Intelligenz,33** 3,66,163 9,53** 3/147,076 13,42** 1/147 Anmerkung. In die hierarchische Regressionsanalyse mit der AV Mittelwert selbstbezogene Weisheit wurde die Anzahl der Ausbildungsjahre, im nächsten Schritt zusätzlich kristalline Intelligenz einbezogen. Alter wurde zuvor (als Dummy-Variable) in die Regressionsanalyse eingegeben. Toleranzen waren,74. ader eigentliche erste Schritt war die Eingabe von Alter, die hier aber nicht berichtet wird, da Alter nur als Kontrollvariable eingesetzt wird. **p <,01. # p <, Selbstbezogene Weisheit und Lebensereignisse Es wurde erwartet, dass die Summe an Lebensereignissen, die eine Person erlebt hat, und die Anzahl, durch die sie Einsichten gewonnen hat, mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen. Dies wurde durch die (für Alter kontrollierte) Korrelation bestätigt (siehe Tabelle 16). Eine zweite Hypothese war, dass der Zusammenhang von selbstbezogener Weisheit mit Lebensereignissen mit Einsichten stärker ist als der mit nur erlebten Lebensereignissen, da angenommen wurde, dass die Art der Verarbeitung von Ereignissen eine wichtige Rolle spielt. Es zeigte sich jedoch, dass die (für Alter kontrollierte) Korrelation zwischen nur erlebten Ereignisse und selbstbezogener Weisheit mit r =,20 (p <,05) nur geringfügig geringer war, als die von Ereignissen mit Einsichten und selbstbezogener Weisheit (r =,21; p <,01), und dass dieser Unterschied in einem t-test für den Vergleich von Korrelationen aus einer Stichprobe (Bortz, 1993) nicht signifikant wurde (t 148 = 0,26; p =,39). Demnach scheint es weniger relevant zu sein, ob nach dem bloßen Erleben von Ereignissen oder danach gefragt wird, ob die Personen Einsichten daraus gewinnen konnten: In beiden Fällen gingen mehr Lebensereignisse mit höheren Werten in selbstbezogener Weisheit einher. Eine zusätzliche Annahme war, dass ein quadratischer Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und Lebensereignissen besteht. Lebensereignisse sollten eine Basis für die Entwicklung selbstbezogener Weisheit darstellen, aber ab einer gewissen Anzahl nicht mehr zu höheren Werten der selbstbezogenen Weisheit beitragen, bzw. ein Zuviel an Ereignissen könnte sich durch Überforderung sogar negativ auswirken. Um diese Hypothese zu überprüfen, wurde über die z-standardisierten Lebensereignisvariablen (erlebte Ereignisse und Ereignisse mit Einsichten) eine hierarchische Regression gerechnet, in die beide quadrierten Terme im zweiten Schritt nach den linearen Termen eingegeben wurden (nachdem vorher Alter als Kontrolle aufgenommen worden war). Es wurde sowohl die Summe an Lebensereignissen mit Einsichten, als auch die Summe der nur erlebten Ereignisse einbezogen, da sich beide als gleich gute Prädiktoren der selbstbezogenen Weisheit erwiesen hatten und so mögliche Unterschiede zwischen beiden Lebensereignisvariablen in der Natur der Zusammenhänge exploriert werden konnten. Es zeigte sich, dass die quadratischen Terme signifikant Varianz über die linearen Terme hinaus aufklären konnten ( R 2 =,044; F 2/149 = 3,63, p <,05). Die Beta-Gewichte der quadratischen Terme waren allerdings nicht signifikant (siehe Abbildung 6, und Tabelle F, Anhang K). Dies wur-

173 Kapitel 8: Ergebnisse de möglicherweise durch die starken Überlappungen zwischen den Lebensereignissen mit Einsichten, und den nur erlebten Ereignissen verursacht (r =,75; p <,01; für Alter kontrolliert). In einer ergänzenden Analyse zeigte sich, dass, wenn der quadratische Effekt für die beiden Lebensereignisvariablen einzeln berechnet wurde, sowohl der quadratische Haupteffekt signifikant blieb, als auch die Beta- Gewichte der quadratischen Terme signifikant wurden (siehe Tabelle G, Anhang K). Tatsächlich scheint es also für die Leistung in selbstbezogener Weisheit am besten zu sein, eine mittlere Menge an erlebten Ereignissen und Einsichten aus Ereignissen zu haben. Es scheint tendenziell so zu sein, dass sehr viele Lebensereignisse sogar einen negativen Effekt haben: Bei Personen mit einer höheren Summe von Ereignissen (eine Standardabweichung über dem Mittelwert) zeigten sich tendenziell negative (für Alter kontrollierte) Korrelationen, sowohl bei den erlebten Ereignissen (r = -,11; df = 26; n.s.), als auch bei den Einsichten (r = -,44; df = 20; p <,05). 1 Mittelwert SBW (kontrolliert für Alter) 0-1 β = -,13 β = -,12 erlebte LE LE mit Einsichten Summe Lebensereignisse (LE) Abbildung 6: Quadratischer Zusammenhang von Lebensereignissen mit selbstbezogener Weisheit (SBW) unter Kontrolle für Alter Weiterhin wurde die Fragestellung untersucht, welche Arten von Ereignissen den größten Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit zeigen. Es war erwartet worden, dass Ereignisse im sozialen Bereich stärker mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen, als andere Ereignisse. Um diese Hypothese zu überprüfen, waren die einzelnen Bereiche, in denen die Teilnehmer nach Lebensereignissen gefragt worden waren, mittels einer Faktorenanalyse zu größeren Bereichen, zu Oberbereichen, zusammengefasst worden (siehe oben, Punkt , und Anhang J, Tabelle B). Dafür wurden nur die Ereignisse verwendet, in denen Personen angaben, Einsichten erlangt zu haben, da hier ein größerer 173

174 Kapitel 8: Ergebnisse Effekt erwartet wurde 26. In dem Oberbereich, der mit dem Titel enge Beziehungen benannt wurde und die Ereignisbereiche Familie, Liebesbeziehungen, Nachwuchs und Gesundheit beinhaltete, schien der soziale Aspekt besonders dominant zu sein. Auch in dem Oberbereich Kindheit und Jugend waren mit den Unterbereichen soziale Beziehungen, Schule und Kindheit, deutlich soziale Ereignisse vorhanden. Weniger soziale Ereignisse hingegen schien der Oberbereich Organisatorisches, mit den Unterbereichen Gesetz/Straftaten, Beruf, Wohnen und Finanzen, zu beinhalten. Um die Hypothese zu überprüfen, dass die Oberbereiche enge Beziehungen sowie Kindheit und Jugend (im Folgenden: soziale Ereignisse) mehr Varianz an der selbstbezogenen Weisheit aufklären als der Oberbereich Organisatorisches (im Folgenden auch: nicht-soziale Ereignisse), wurden zwei hierarchische Regressionsanalysen gerechnet, in denen die beiden Sets in unterschiedlicher Reihenfolge aufgenommen wurden, um zu überprüfen, ob die sozialen Bereiche über die organisatorischen hinaus signifikant Varianz aufklärten, während dies bei den organisatorischen nicht der Fall wäre. Der Vergleich der ersten Schritte der Regressionsanalysen (Tabelle 16) zeigte, dass die organisatorischen Ereignisse schon im ersten Schritt nicht signifikant zur Vorhersage selbstbezogener Weisheit beitrugen, die sozialen Ereignisse jedoch schon. Im zweiten Schritt wurde deutlich, dass die sozialen Ereignisse signifikant zusätzlich zu den organisatorischen Ereignissen Varianz der selbstbezogenen Weisheit aufklären. Schließlich wurden noch die durch die beiden Ereignisarten jeweils aufgeklärten spezifischen Anteile an der Varianz der selbstbezogenen Weisheit (der Anteil an Varianz, den die Variablen nach der Berücksichtigung der anderen Variablen aufklären) gegeneinander auf Signifikanz getestet. Hypothesenkonform klärten die sozialen Ereignisse mit 7,1% mehr Varianz auf, als die organisatorischen (1,5%) (Tabelle 16). Dieser Unterschied wurde in einem t-test für Korrelationen aus einer Stichprobe signifikant (t 150 = 1,84; p <,05). Bei der Betrachtung der Ergebnisse der Regressionen zu den durch die sozialen und organisatorischen Ereignisbereiche aufgeklärten Anteilen spezifischer Varianz, fällt auf, dass die sozialen Ereignisse mehr Varianz aufklären, wenn zuvor die organisatorischen Ereignisse berücksichtigt worden sind. Dies ist ein ungewöhnliches Ergebnis, da normalerweise der spezifische Varianzanteil einer Variablengruppe (der Anteil an aufgeklärter Varianz nach Berücksichtigung anderer Variablen) geringer ist als der Anteil, wenn nur die eine Variablengruppe in die Analyse gegeben wird. Möglicherweise deutet das auf einen Supressoreffekt durch die organisatorischen Ereignisse hin. Das würde bedeuten, dass die organisatorischen Ereignisse einen Teil der für die selbstbezogene Weisheit irrelevanten Varianz in den sozialen Ereignissen aufklärten. 26 Die Analysen wurden auch für die nur erlebten Ereignisse gerechnet, und ergaben vergleichbare Ergebnisse (siehe Tabelle H, Anhang K). 174

175 Kapitel 8: Ergebnisse Insgesamt kann zusammengefasst werden, dass Personen, die viele Lebensereignisse erfahren hatten, eine höhere selbstbezogene Weisheit aufwiesen. Dieser Zusammenhang ließ sich vor allem auf Ereignisse im sozialen Bereich, d.h. Erlebnisse in engen Beziehungen, wie Familie und Partnerschaft, sowie auf Kindheits- bzw. Jugendereignisse zurückführen und weniger auf organisatorische Ereignisse, wie beispielsweise im Beruf oder im finanziellen Bereich. Tabelle 16: Regressionsanalysen von Lebensereignissen auf selbstbezogene Weisheit Gesamtmodell R 2 F df R 2 F df Analyse 1 Step 1 a : organisatorische,056 4,35** 2/151,003 b 0,53 1/151 Ereignisse Step 2: soziale Ereignisse,128 4,95** 4/149,071 6,10** 2/149 Analyse 2 Step 1 a : soziale Ereignisse,113 6,37** 3/150,060 b 5,07** 2/150 Step 2: organisatorische Ereignisse,128 4,95** 4/149,015 2,44 1/149 Variablen im Modell (Step 2) β t r c Organisatorische Ereignisse -,15-1,58,06 Soziale Ereignisse Enge Beziehungen,24* 2,35,24** Jugend,14 1,44,20* Anmerkung. Es wurden zwei hierarchische Regressionsanalysen gerechnet, bei denen die Reihenfolge der Sets variiert wurde. Die UVs waren Lebensereignisse aus verschiedenen Bereichen mit Einsichten. Alter wurde (als Dummy-Variable) zur Kontrolle in die Regression als 1. Schritt eingegeben. Toleranzen waren,54. ader eigentliche erste Schritt war die Eingabe von Alter, die hier aber nicht berichtet wird, da Alter nur als Kontrollvariable eingesetzt wird. b Der Anteil der an selbstbezogener Weisheit durch soziale Ereignisse aufgeklärten Varianz ist mit p <,05 signifikant größer als der durch nicht-soziale Ereignisse aufgeklärte Anteil. c für Alter kontrolliert. **p <,01. *p <,05. # p <, Selbstbezogene Weisheit und Werte Im Bereich der Werte war erwartet worden, dass selbstranszendente Werte mit selbstbezogener Weisheit signifikant zusammenhängen, während bei selbstbezogenen Werten kein solcher Zusammenhang angenommen worden war. Soziale und universalistische Werte korrelierten hypothesenkonform signifikant mit selbstbezogener Weisheit (Tabelle 17). Es ist weiter erkennbar, dass selbstbezogene Weisheit nicht mit den selbstbezogenen Werten wie Hedonismus, Leistung und Macht zusammenhing (siehe Tabelle 17). Es ist allerdings für die Werte Hedonismus und Macht ein leicht negativer Trend zu erkennen, der darauf hindeutet, dass Personen mit höherer selbstbezogener Weisheit eher dazu tendieren, Macht und Hedonismus abzulehnen, als sie zu schätzen. Da die Korrelationen jedoch nicht signifikant und darüber hinaus auch sehr gering sind, scheint es geboten, von keinem bedeutsamen Zusammenhang zwischen diesen Werten und selbstbezogener Weisheit auszugehen. 175

176 Kapitel 8: Ergebnisse Tabelle 17: Regressionsanalysen von Werten auf selbstbezogene Weisheit Gesamtmodell R 2 F df R 2 F df Analyse 1 Step 1 a : selbstbezogen,070 2,92* 4/154,017 0,94 3/154 Step 2: selbsttranszendent,112 2,87** 6/152,042 3,35* 2/152 Analyse 2 Step 1 a : selbsttranszendent,100 5,14 3/155,047 4,03* 2/155 Step 2: selbstbezogen,112 2,87** 6/152,012 0,67 3/152 Variablen im Modell (Step 2) β t r b Selbstbezogene Werte Hedonismus -,03-0,32 -,04 Macht -,10-1,00 -,09 Leistung,01 0,08,02 Selbsttranszendente Werte Soziale Werte,21* 2,06,22** Universelle Werte,03 0,32,17* Anmerkung. Es wurden zwei hierarchische Regressionsanalysen gerechnet, bei denen die Reihenfolge der Sets variiert wurde. Alter wurde (als dichotome Variable) zur Kontrolle in die Regression vorher eingegeben. Toleranzen waren,53. ader eigentliche erste Schritt war die Eingabe von Alter, die hier aber nicht berichtet wird, da Alter nur als Kontrollvariable eingesetzt wird. b für Alter kontrolliert. **p <,01. *p <,05. # p <,10. Um die weitere Hypothese zu überprüfen, dass der Zusammenhang von selbstbezogener Weisheit mit selbsttranszendenten Werten stärker als der mit selbstbezogenen Werten ist, wurden zwei hierarchische Regressionsanalysen gerechnet. In einer Analyse wurden die selbstbezogenen Werte als Set zuerst eingegeben und in einem zweiten Schritt die selbstranszendenten Werte hinzugefügt. In der zweiten Analyse war die Abfolge umgekehrt, um zu überprüfen, ob selbsttranszendente über selbstbezogene Werte hinaus signifikant Varianz an der selbstbezogenen Weisheit aufklären. Hypothesenkonform sagten selbstranszendente Werte sowohl im ersten Schritt, als auch, wenn sie im zweiten Schritt nach den selbstbezogenen Werten eingegeben wurden, selbstbezogene Weisheit signifikant vorher, während dies bei den selbstbezogenen Werten nicht der Fall war (siehe Tabelle 17). Auch wenn die Anteile der spezifischen Varianzaufklärung durch die beiden Bereiche betrachtet werden klärten die selbsttranszendenten Werte mit 4,2% mehr Varianz auf als die selbstbezogenen Werte mit 1,2%. Ein Vergleich der in Korrelationen umgewandelten R 2 -Werte mittels eines t-tests für Korrelationen aus abhängigen Stichproben zeigte jedoch, dass dieser Unterschied nicht signifikant war (t 153 = 0,95; p =,17). Möglicherweise war aufgrund der begrenzten Stichprobengröße die Power des Tests nicht groß genug. Die etwas schwächere Hypothese, dass selbsttranszendente Werte über die selbstbezogenen Werten hinaus signifikant zusätzliche Varianz aufklären und umgekehrt nicht, konnte jedoch bestätigt werden. Der Effekt des stärkeren Zusammenhangs von selbsttranszendenten Werten mit selbstbezogener Weisheit im Vergleich mit selbstbezogenen Werten schien demnach nicht sehr stark zu sein, war jedoch in der Tendenz erkennbar. Insgesamt implizieren diese Ergebnisse, dass kein Zusammenhang zwischen einer hedonistischen, machtstrebenden und leistungsorientierten Motivation und der Höhe der selbstbezogenen Weis- 176

177 Kapitel 8: Ergebnisse heit besteht, d.h. selbstbezogene Weisheit und selbstbezogene Werte weitgehend unabhängig voneinander sind. Die Höhe der selbstbezogenen Weisheit hing dagegen mit sozialen Werten, wie Hilfsbereitschaft und reife Liebe sowie universellen Werten, wie Frieden und Toleranz zusammen Spezifische Varianzanteile der Prädiktoren in selbstbezogener Weisheit Um die oben genannten Bereiche zueinander in Beziehung zu setzen und zu bestimmen, wieviel Varianz sie im Verhältnis zu den anderen aufklären, wurde eine Kommunalitätsanalyse gerechnet. Zusätzlich sollte die spezifische Hypothese überprüft werden, dass die Indikatoren der Persönlichkeitsreife auch in diesem multivariaten Kontext signifikant mehr spezifische Varianz aufklärten, als die Variablen aus dem Bereich der Adaptivität und ob kristalline Intelligenz mehr spezifische Varianz aufklärt als fluide Intelligenz. Der Bereich Werte konnte nicht mit einbezogen werden, da die Werte direkt in die Berechnung des Maßes der Selbstkonzeptreife eingegangen sind (siehe Punkt ) und durch ihre Aufnahme in die Regression so Kollinearitäten entstanden wären. Die Analyse wurde also über die Prädiktoren der Bereiche Persönlichkeitsreife, Adaptivität, fluide Intelligenz, kristalline Intelligenz und Lebensereignisse gerechnet. fluide Intelligenz; Alter; 1,8% # 1,4% kristalline Intelligenz; 3,9% ** Lebensereignisse; 6,8% ** Persönlichkeitsreife; 7,1% * Adaptivität; 1,2% nicht aufgeklärte Varianz; 64,0% gemeinsame Varianz; 13,8% Abbildung 7: Spezifische Varianzaufklärung der Prädiktorbereiche an der selbstbezogenen Weisheit Es wurden insgesamt sechs hierarchische Regressionsanalysen berechnet, wobei jeweils ein Set von Prädiktoren als letztes in die Gleichung eingeschlossen wurde. Dadurch war es möglich, die spezifische Varianz zu bestimmen, die ein Set von Prädiktoren über alle anderen Prädiktoren hinaus von dem Kriterium aufklärt, ohne die überlappende Varianz. Die überlappende Varianz, die alle Prädiktoren gemeinsam an der selbstbezogenen Weisheit aufklären, wurde errechnet als Differenz der gesamt aufgeklärten Varianz und der Summe der spezifischen Varianzanteile der Prädiktorsets. Die Ergebnisse sind in Abbildung 7 dargestellt. Alter ist hier auch mit dargestellt, da es zur Kontrolle ebenfalls in die 177

178 Kapitel 8: Ergebnisse Regressionen aufgenommen wurde und sonst ein Teil der aufgeklärten Varianz in der Abbildung fehlen würde. Die ausführlichen Ergebnisse der Regression und die Beta-Gewichte aller Prädiktoren im jeweils letzten Schritt der Analyse sind in Tabelle I (Anhang K) wiedergegeben. Insgesamt klärten alle Prädiktoren zusammen 36% der Varianz an der selbstbezogenen Weisheit auf. Die meiste spezifische Varianz klärte mit 7,1% der Bereich der Persönlichkeitsreife auf, wobei allerdings Lebensereignisse mit 6,8% einen fast genauso großen Anteil an spezifischer Varianz vorhersagten. Zwei Hypothesen wurden hier überprüft. Erstens klärte kristalline Intelligenz zwar wie erwartet mehr Varianz auf (3,9%) als fluide Intelligenz (1,4%), dieser Unterschied war allerdings nicht signifikant (t 128 = 1,00; n.s). Zweitens sagte Adaptivität mit 1,2% deutlich, und auch signifikant weniger Varianz vorher, als Persönlichkeitsreife (t 128 = 1,42; p einseitig <,10) Zusammenfassung der Zusammenhangsmuster Selbstbezogene Weisheit hing nicht mit Konzepten der Adaptivität zusammen, weder die Korrelationen 0.Ordnung, noch die Vorhersage selbstbezogener Weisheit durch das gesamte Set von Prädiktoren waren signifikant. Persönlichkeitsreife zeigte sich hingegen als ein signifikant wichtigerer Prädiktor als Adaptivität, auch im multivariaten Kontext der Kommunalitätsanalyse. Kristalline Intelligenz zeigte einen linearen Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit, mit fluider Intelligenz bestand ein umgekehrt u- förmiger Zusammenhang. Der Effekt von Bildung auf selbstbezogene Weisheit wurde vollständig durch kristalline Intelligenz mediiert. Lebensereignisse hingen mit höheren selbstbezogenen Weisheitsleistungen zusammen, wobei jedoch ein umgekehrt u-förmiger Zusammenhang bestand. Lebensereignisse in engen Beziehungen und in der Jugend waren wichtiger in der Vorhersage selbstbezogener Weisheit als organisatorische Ereignisse. Lebensereignisse klärten neben Persönlichkeitsreife im multivariaten Kontext der anderen Prädiktoren den größten Teil spezifischer Varianz auf. Selbstbezogene Werte wie Macht, Leistung und Hedonismus, zeigten keine systematischen Zusammenhänge mit selbstbezogener Weisheit, soziale und universelle Werte korrelierten positiv mit den Leistungen in selbstbezogener Weisheit Unterschiede in den Korrelationsmustern von Basis- und Metakriterien Aufgrund unterschiedlicher Inhalte und verschiedener angenommener kognitiver Anforderungen von Basis- und Metakriterien waren für einige einzelne Variablen oder Variablenbereiche unterschiedliche Korrelationsmuster mit Basis- und Metakriterien angenommen worden. Für die Überprüfung dieser Hypothesen wurden mit den entsprechenden Prädiktorbereichen jeweils getrennte multiple Regressionsanalysen für Basis- und Metakriterien gerechnet. Die quadrierten multiplen Korrelationen (R 2 ) wurden durch Wurzelziehen in Korrelationen umgewandelt und in Fischers Z-Werte transformiert. Über t- 178

179 Kapitel 8: Ergebnisse Tests für die Unterschiedlichkeit von Korrelationen einer Stichprobe wurden die Unterschiede dieser aufgeklärten Varianzanteile auf Signifikanz getestet (Diehl & Arbinger, 1992). Als ergänzende Einzeltests wurde für jede Variable eines Prädiktorbereichs einzeln die Korrelation mit den Basis- und den Metakriterien mittels des eben erwähnten t-tests auf Unterschiedlichkeit geprüft. Tabelle 18: Regressionsanalysen der Adaptivitätsvariablen auf Basis- und Metakriterien Abhängige Variable R 2a F df tdiff b Basiskriterien,053 1,37 6/148 0,83 Metakriterien,024 0,69 6/148 Basiskriterien Metakriterien Prädiktoren im Modell β t r c β t r c tdiff b Lebenszufriedenheit -,06-0,60,03,03 0,31,00 0,39 Negative Emotionen,03 0,23 -,11,00 0,03,06 2,26* Positive Emotionen,08 0,88,13 # -,01-0,12,04 1,19 # Gewissenhaftigkeit,00-0,03,09 -,10-1,02 -,13 # 2,96** Verträglichkeit,11 1,32,13 #,08 1,05,07 0,79 Wohlbefinden (Adaptivität),19 1,53,18* -,07-0,62 -,10 3,83** Anmerkung. Es wurden für die Mittelwerte von Basis- und Metakriterien getrennte Regressionsanalysen mit den Adaptivitätsvariablen als Prädiktoren gerechnet. Im oberen Teil der Tabelle sind die Zusammenfassungen der beiden Regressionsmodelle, im unteren Teil die Beta-Gewichte und Korrelationen 0.Ordnung für die einzelnen Prädiktoren wiedergegeben. Toleranzen waren,41. aalter wurde (als Dummy-Variable) als Kontrollvariable in die Analyse zuerst eingegeben, hier werden aber nur dir Veränderungen durch die Basis- bzw. Metakriterien wiedergegeben. b Tests auf Unterschiedlichkeit der Korrelationen; Signifikanzen wurden hier einseitig berechnet. c für Alter kontrolliert. **p <,01. *p <,05. # p <,10. Die erste Hypothese war, dass die Basiskriterien stärker mit Adaptivitätswerten zusammenhingen als die Metakriterien. Tatsächlich klärte die Adaptivitätswerte in den Basiskriterien mit 5,3% auf den ersten Blick mehr Varianz auf als in den Metakriterien (2,4%). Dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant (siehe Tabelle 18). Die Einzeltests der sechs Adaptivitätsvariablen zeigen jedoch, dass bei drei Variablen der Unterschied zwischen Basis- und Metakriterien signifikant war. Bei negativen Emotionen, Gewissenhaftigkeit und adaptivem Wohlbefinden wies die Korrelation mit den Basiskriterien signifikant stärker in Richtung Adaptivität als bei den Metakriterien. Bei der Variable Gewissenhaftigkeit war zwar die absolute Korrelation mit den Metakriterien höher, aber diese war negativ d.h. je gewissenhafter die Person, desto geringer war ihre Leistung in den Metakriterien. Lebenszufriedenheit hing weder mit den Basis- noch mit den Metakriterien zusammen, es gab hier also keinen Unterschied. Insgesamt scheinen die Ergebnisse einen Trend anzuzeigen, dass Personen, die in den Metakriterien hohe Werte erzielten, sich tendenziell weniger adaptiv verhielten und fühlten als Personen, die eine hohe Ausprägung der Basiskriterien aufwiesen. Dieser Trend ist jedoch, möglicherweise aufgrund der insgesamt recht niedrigen Korrelationen zwischen Adaptivität und selbstbezogener Weisheit, nicht signifikant. Im Bereich der Intelligenz war angenommen worden, dass für die Ausführung der Metakriterien kognitive und sprachliche Kompetenz wichtiger ist als für die Basiskriterien, in denen es vorwiegend um die Ansammlung und Wiedergabe von Wissen über sich selbst geht. Daher war erwartet worden, dass Intelligenz insgesamt bei den Metakriterien mehr Varianz aufklären würde als bei den Basiskriterien. 179

180 Kapitel 8: Ergebnisse Dies wurde über zwei Regressionsanalysen auf die Basis- und auf die Metakriterien (Tabelle 19) und mittels eines t-tests über die in Korrelationen zurückverwandelten R 2 -Werte überprüft und konnte bestätigt werden (t 151 = 1,79; p einseitig <,05). Auch in den Einzelvergleichen der Korrelationen zeigte sich, dass fluide und kristalline Intelligenz bessere Prädiktoren für die Metakriterien als für die Basiskriterien waren (Tabelle 19). Es zeigte sich jedoch noch ein Unterschied zwischen den beiden Intelligenzvariablen. Fluide Intelligenz war nur für die Metakriterien ein signifikanter Prädiktor, während kristalline Intelligenz sowohl mit Basis- als auch Metakriterien signifikant korrelierte. Demnach schien sprachliche Kompetenz für die Leistung in beiden Kriteriengruppen wichtig zu sein, während fluide Intelligenz nur für die Leistung in den Metakriterien relevant war. Sprachliche Kompetenz war jedoch noch wichtiger für die Meta- als für die Basiskriterien. Tabelle 19: Regressionsanalysen von fluider und kristalliner Intelligenz auf Basis- und Metakriterien Abhängige Variable R 2a F df tdiff b Basiskriterien,050 4,03 2/152 2,08* Metakriterien,121 12,20 2/152 Basiskriterien Metakriterien Prädiktoren im Modell β t r c β t r c tdiff b Fluide Intelligenz,07 0,66,13,17 # 1,82,25** 1,60 # Kristalline Intelligenz,21* 2,40,22**,29** 3,75,34** 1,65 # Anmerkung. Es wurden für die Mittelwerte von Basis- und Metakriterien getrennte hierarchische Regressionsanalysen mit fluider und kristalliner Intelligenz als Prädiktoren gerechnet. Im oberen Teil der Tabelle sind die Zusammenfassungen der beiden Regressionsmodelle, im unteren Teil die Beta Gewichte und Korrelationen 0.Ordnung für die einzelnen Prädiktoren wiedergegeben. Toleranzen waren,53. aalter wurde (als dichotome Variable) als Kontrollvariable in die Analyse zuerst eingegeben, hier werden aber nur dir Veränderungen durch die Basis- bzw. Metakriterien wiedergegeben. b Test auf Unterschiedlichkeit der Korrelationen; Signifikanzen wurden einseitig berechnet. c kontrolliert für Alter. **p <,01. *p <,05. # p <,10. Für den Bereich der Werte war angenommen worden, dass diese mit den Basiskriterien stärker zusammenhängen sollten als mit den Metakriterien, da Werte vor allem in der Definition der Basiskriterien enthalten sind. Es wurden hier nur die selbsttranszendenten Werte herangezogen, da nur diese in der Beschreibung der Basiskriterien vorkommen. Entsprechend der Hypothese zeigte sich, dass die Werte mit 7,9% mehr Varianz in den Basiskriterien als in den Metakriterien (1,6%) aufklärten. Dieser Unterschied war mit t 156 = 2,14 (p einseitig <,05) signifikant. Beim Betrachten der Einzelvergleiche (Tabelle 20) wird deutlich, dass dieser Unterschied vermutlich vorwiegend auf die sozialen Werte zurückgeht. Bei ihnen zeigte sich, dass sie mit den Basiskriterien signifikant stärker korrelierten, als mit den Metakriterien. Bei den universalistischen Werten ist dieser Unterschied nur als Trend erkennbar. Die Ergebnisse bestätigen die Hypothese, dass Werte vor allem mit den Basiskriterien zusammenhängen, und untermauern damit die Validität des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit. 180

181 Kapitel 8: Ergebnisse Tabelle 20: Regressionsanalysen von Werten auf die Basis- und Metakriterien Abhängige Variable R 2a F df tdiff b Basiskriterien,079 6,72** 2/157 1,94* Metakriterien,016 1,48 2/157 Basiskriterien Metakriterien Prädiktoren im Modell β t r β t r tdiff b Soziale Werte,25* 2,53,28**,11 1,17,13 # 2,07* Universalistische Werte,06 0,64,19*,03 0,32,10 1,22 Anmerkung. Es wurden für die Mittelwerte von Basis- und Metakriterien getrennte hierarchische Regressionsanalysen mit sozialen und universalistischen Werten als Prädiktoren gerechnet. Im oberen Teil der Tabelle sind die Zusammenfassungen der beiden Regressionsmodelle, im unteren Teil die Beta- Gewichte und Korrelationen 0.Ordnung für die einzelnen Prädiktoren wiedergegeben. Toleranzen waren,60. aalter wurde (als Dummy-Variable) als Kontrollvariable in die Analyse zuerst eingegeben, hier werden aber nur die Veränderungen durch die Basis- bzw. Metakriterien wiedergegeben. b Test auf Unterschiedlichkeit der Korrelationen; Signifikanzen wurden einseitig berechnet. c für Alter kontrolliert. **p <,01. *p <,05. # p <,10. Die Ergebnisse zu unterschiedlichen Korrelationsmustern von Basis- und Metakriterien lassen sich wie folgt zusammenfassen. Es gab einen Trend in Richtung eines stärkeren Zusammenhangs von Konzepten der Adaptivität mit den Basiskriterien im Vergleich zu den Metakriterien. Weiterhin zeigten sich stärkere Zusammenhänge zwischen Basiskriterien und Werten als zwischen Metakriterien und Werten. Intelligenz hingegen war für die Metakriterien wichtiger als für die Basiskriterien. 8.3 Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit und in Zusammenhangsmustern Unterschiede in der Ausprägung selbstbezogener Weisheit Im folgenden Abschnitt sollen die Ergebnisse der Untersuchung von Mittelwertsunterschieden in selbstbezogener Weisheit zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen berichtet werden. Es war angenommen worden, dass ältere Erwachsene aufgrund geringerer Ressourcen und einer entwicklungsabhängigen Tendenz, das eigene Leben als positiv zu beurteilen, in den Metakriterien schlechtere Werte zeigen. In den Basiskriterien war erwartet worden, dass hier eher die Vorteile älterer Erwachsener in der Sammlung selbstbezogenen Wissens über ein ganzes Leben zum Tragen kommen, und dass kein Unterschied bzw. bessere Leistungen älterer im Vergleich zu jüngeren Erwachsenen zu finden seien. Zunächst wurde für einen ersten Überblick eine univariate Varianzanalyse mit dem Mittelwert der selbstbezogenen Weisheit gerechnet. Es stellte sich heraus, dass ältere Probanden signifikant geringere Werte in dem Mittelwert selbstbezogene Weisheit erreichten (M alt = 3,58; M jung = 4,03; F 1/159 = 9,00; p <,01). Um nun die Hypothese, dass die älteren Erwachsenen nur in den Metakriterien schlechter abschneiden, zu überprüfen, wurde eine multivariate Varianzanalyse mit den Mittelwerten der Basisund Metakriterien als abhängige Variablen gerechnet (siehe Tabelle 21). Erwartungsgemäß unterschieden sich jüngere und ältere Probanden nicht in den Basiskriterien (siehe, Abbildung 8, links), wohl aber 181

182 Kapitel 8: Ergebnisse in den Metakriterien. Die schlechtere Leistung der älteren Erwachsenen im Gesamtwert der selbstbezogenen Weisheit ging also auf ihre geringeren Werte in den Metakriterien zurück. Mittelwerte ohne Kontrollvariablen Geschätzte Mittelwerte nach Kontrolle für fluide Intelligenz und Offenheit 4,50 4,50 4,00 3,50 Jung Alt 4,00 3,50 Jung Alt Mittelwert SBW 3,00 2,50 2,00 Mittelwert SBW 3,00 2,50 2,00 1,50 1,50 1,00 Basiskriterien Metakriterien 1,00 Basiskriterien Metakriterien Abbildung 8: Mittelwerte (mit Standardfehlern) älterer und jüngerer Probanden in Basis- und Metakriterien der selbstbezogenen Weisheit (SBW), ohne und mit Kontrolle für fluide Intelligenz und Offenheit für Erfahrungen. Es war weiter angenommen worden, dass die niedrigeren Werte der älteren Erwachsenen auf geringere Ressourcen, von denen ein Aspekt fluide Intelligenz ist, sowie möglicherweise auf Verzerrung von selbstbezogenen Informationen begünstigende Veränderungen in der Persönlichkeit, wie geringere Offenheit für Erfahrungen, zurückgehen. Um diese Hypothese zu untersuchen wurde zunächst überprüft, ob sich die Mittelwerte von älteren und jüngeren Probanden in Offenheit und fluider Intelligenz unterscheiden. Tatsächlich zeigten jüngere Erwachsene eine signifikant höhere Offenheit (F 1/155 = 20,37; p <,01) sowie fluide Intelligenz (F 1/159 = 77,93; p <,01) als ältere Erwachsene (siehe auch Anhang K, Tabelle D). Anschließend wurden mehrere multivariate Kovarianzanalysen gerechnet, in denen fluide Intelligenz und Offenheit für Erfahrungen erst separat, und dann gemeinsam als Kontrollvariablen einbezogen wurden. Eine Kontrolle für Offenheit bzw. fluide Intelligenz einzeln, änderte nichts am Signifikanzmuster. Der Altersunterschied in den Metakriterien blieb bestehen (siehe Tabelle J, Anhang K). Nach Kontrolle für beide Variablen war der Unterschied in den Metakriterien, im Einklang mit der Hypothese, nicht mehr signifikant (Tabelle 21). An den geschätzten Mittelwerten nach der Kontrolle für Offenheit und fluide Intelligenz (Abbildung 8, rechts) ist erkennbar, dass die älteren Erwachsenen weiter tendenziell schlechter in den Metakriterien, tendenziell jedoch nun besser in den Basiskriterien waren. Der Unterschied in den Basiskriterien war jedoch nicht signifikant (Tabelle 21). Der multivariate Effekt für Alter ist auch nach der Kontrolle für fluide Intelligenz und Offenheit signifikant. Dies kommt daher, dass multivariat die quadrierten Abweichungen zwischen den Altersgruppen über beide abhängige Va- 182

183 Kapitel 8: Ergebnisse riabeln (Basis- und Metakriterien) gerechnet werden und die Abweichung vermutlich insgesamt signifikant ist. Es besteht also insgesamt ein Altersunterschied, der aber nach der Kontrolle für Offenheit und fluide Intelligenz im Einzelvergleich weder in den Basis- noch in den Metakriterien signifikant ist. Tabelle 21: Multivariate Varianzanalysen von selbstbezogener Weisheit durch Alter mit und ohne Kovariaten Varianzquelle df F η 2 M (SD) Jung M (SD )Alt Analyse 1: Ohne Kovariate Multivariat (Alter) 2/158 15,67**,166 Univariate Vergleiche (Alter) Basiskriterien 1/159 0,02,000 4,11 (1,16) 4,08 (1,31) Metakriterien 1/159 22,36**,123 3,99 (0,91) 3,24 (1,07) Analyse 2: Mit Kovariaten Offenheit und fluide Intelligenz Multivariat Alter 2/152 3,83*,048 Kovariate: Offenheit 2/152 3,30*,042 Kovariate: Fluide Intelligenz 2/152 4,89 *,059 Univariate Vergleiche Alter Basiskriterien 1/153 1,87,012 3,93 a 4,27 a Metakriterien 1/153 1,68,011 3,73 a 3,48 a Kovariate: Offenheit Basiskriterien 1/153 3,13 #,020 Metakriterien 1/153 6,43*,040 Kovariate: Fluide Intelligenz Basiskriterien 1/153 2,65,017 Metakriterien 1/153 9,63**,059 Anmerkung. Kriterium für multivariate Tests war Pillai's Trace. ageschätzte Mittelwerte. **p <,01. *p <,05. # p <,10. Um den einzelnen Einfluss von Intelligenz und Offenheit auf den Altersunterschied beurteilen zu können, muss die Effektivität der beiden Kovariaten als Kontrollvariablen in der Kovarianzanalyse betrachtet werden (Tabelle 21). Die Kovarianzanalyse beurteilt jede Kovariate so, als wenn sie nach den anderen Kovariaten aufgenommen worden wäre (Tabachnick & Fidell, 2001). Es zeigte sich, dass beide Kovariaten signifikant nützlich als Kontrollvariablen für die Metakriterien waren. Für die Basiskriterien war nur Offenheit signifikant, fluide Intelligenz jedoch nicht. Aus diesen Ergebnissen kann geschlossen werden, dass sowohl geringere Offenheit und als auch geringere fluide Intelligenz, unabhängig voneinander, zu den geringeren Werten der älteren Erwachsenen in den Metakriterien beitrugen. Aufgrund der Vollständigkeit der Informationen wurde diese Analyse zusätzlich mit den fünf einzelnen Kriterien als abhängige Variablen gerechnet, um explorativ zu überprüfen, in welchen der Basisund Metakriterien sich die Unterschiede zeigten. Die Ergebnisse dieser Analyse sind im Detail im Anhang K (Tabelle J) wiedergegeben und hier in Abbildung 9 dargestellt. Zusammenfassend zeigte sich in der multivariaten Analyse, die Ergebnisse der vorhergehenden Analyse bestätigend, dass jüngere Erwachsene in allen Metakriterien signifikant bessere Leistungen erbrachten als die älteren. In den Basiskriterien zeigte sich auch hier kein Unterschied. Nach Kontrolle für Offenheit und fluide Intelligenz waren die älteren Erwachsenen signifikant besser im Selbstwissen, während die jüngeren Erwachsenen weiterhin höhere Werte in der Selbstrelativierung erzielten. In den übrigen Kriterien ergab sich kein Unter- 183

184 Kapitel 8: Ergebnisse schied mehr. Dies deutet darauf hin, dass (nach der Kontrolle von Offenheit und Intelligenz) die etwas höheren Werte der jüngeren Erwachsenen in den Metakriterien vor allem durch ihre bessere Leistung in der Selbstrelativierung zustande kam, während der tendenzielle Vorteil der älteren Erwachsenen durch eine Überlegenheit im Selbstwissen erklärbar ist. 5,50 Mittelwerte Kriterien 5,00 4,50 4,00 3,50 3,00 2,50 2,00 Jung Alt Jung m. Kontrolle Alt m. Kontrolle 1,50 1,00 Selbstwissen Wachs.-u. Bew- Wissen Zusammenhangswissen Selbstrelativierung Ambiguitätstoleranz Abbildung 9: Mittelwerte (mit Standardfehlern) in den fünf Kriterien der selbstbezogenen Weisheit (SBW) getrennt nach Alter, mit und ohne Kontrolle für Offenheit für Erfahrungen und fluide Intelligenz Erklärbarkeit des Altersunterschiedes durch möglicherweise verzerrende Variablen In diesem Abschnitt soll untersucht werden, ob der Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit entgegen der Annahme nicht durch entwicklungsbedingte Veränderungen in Intelligenz und Persönlichkeit oder andere Entwicklungsaufgaben älterer und jüngerer Erwachsener bedingt ist, sondern vielleicht doch durch bestimmte Charakteristika des Erhebungsinstruments oder der Untersuchungssituation zu erklären ist. Diese Frage stellt sich primär für die Variablen Selbstoffenbarung und Protokolllänge. Beide hängen mit der Methode der Erhebung selbstbezogener Weisheit zusammen und zeigen in ihrer Ausprägung Altersunterschiede. Mit den folgenden Untersuchungen soll also überprüft werden, ob der Altersunterschied artifiziell durch die verwendete Methode hervorgerufen wurde. Weiterhin sollen Aspekte der Untersuchungssituation, wie die Wahrnehmung der Situation und Schwierigkeiten mit dem lauten Denken, untersucht werden. 184

185 Kapitel 8: Ergebnisse Die Tendenz zur Selbstoffenbarung Die verwendete Frage zur Messung selbstbezogener Weisheit betraf ein persönliches Thema (die eigene Person) und daher bestand die Gefahr, dass die Probanden gehemmt sein könnten, laut darüber nachzudenken. Personen unterscheiden sich in ihrer Tendenz, persönliche Informationen preiszugeben (z.b. Jourard & Lasakow, 1958). Ältere und jüngere Kohorten könnten sich, möglicherweise aufgrund unterschiedlicher Sozialisation, zum Beispiel durch andere Ermutigung von Selbstoffenbarung in verschiedenen Zeiten, in dieser Tendenz unterscheiden. Tatsächlich zeigte sich, dass jüngere Erwachsene eher bereit sind, sich selbst zu offenbaren (F 1/158 = 8,03; p <,01; siehe auch Anhang K, Tabelle D). Darüber hinaus korrelierte die Tendenz zur Selbstoffenbarung signifikant mit dem Mittelwert der selbstbezogenen Weisheit, wobei die Korrelationen für ältere und jüngere Erwachsene vergleichbar waren (Tabelle 22). Ist die Tendenz zur Selbstoffenbarung also eine das Ergebnis des Altersunterschieds in selbstbezogener Weisheit verzerrende Variable und sollte deshalb für sie kontrolliert werden? Dagegen spricht, dass die Tendenz zur Selbstoffenbarung auch mit anderen Reifekonstrukten korrelierte: Bis auf psychologisches Feingefühl korrelierten alle Persönlichkeitsreifevariablen signifikant mit der Selbstoffenbarungstendenz (Tabelle 22). Da diese Maße Paper-and-Pencil-Tests waren, kann die Selbstoffenbarung hier nicht mit einer Hemmung zusammenhängen, offen über sich zu sprechen. Daher liegt ein inhaltlicher Zusammenhang nahe: Möglicherweise kann Selbstoffenbarung als sinnvolles Korrelat von Reife konzipiert werden. Dies wird in Kapitel 9 diskutiert. Auch wenn die Tendenz zur Selbstoffenbarung ursprünglich als Kontrollvariable konzipiert worden war, wird sie aufgrund des vermuteten sinnvollen Zusammenhangs mit selbstbezogener Weisheit hier nicht zur Kontrolle des Alterseffekts in selbstbezogener Weisheit eingesetzt. Tabelle 22: Korrelationen von Selbstoffenbarung mit Persönlichkeitsreifevariablen Ego-Entwicklung Selbstkonzeptreife Offenheit Psychologisches Feingefühl Wohlbefinden (Reife) selbstbezogene Weisheit Gesamt,22**,16*,24**,12,25**,36** Jung,27*,17,17 -,04,13,36** Alt,13,16,20,16,31**,29* **p <,01. *p <, Protokolllänge Da ältere Erwachsene, wie oben berichtet (Punkt 8.1.1), signifikant kürzere Antworten auf die Frage zur Messung selbstbezogener Weisheit gaben als jüngere, wäre es möglich, falls die Protokolllänge mit der Leistung in selbstbezogener Weisheit zusammenhängt, dass die schlechtere Leistung der älteren Erwachsenen durch ihre knapperen Antworten zustande kam. Tatsächlich hing die Bewertung der selbstbezogenen Weisheit mit der Protokolllänge zusammen: Die Wortanzahl korrelierte signifikant mit allen fünf Kriterien der selbstbezogenen Weisheit (siehe Tabelle 23), wobei die Höhe der Korrelationen bei 185

186 Kapitel 8: Ergebnisse älteren Erwachsenen stärker zwischen den Kriterien variiert als bei jüngeren. Im Folgenden sollen die Auswirkungen der Protokolllänge auf den Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit untersucht und versucht werden, den Altersunterschied in der Protokolllänge einerseits durch Aspekte der Methodik, andererseits durch inhaltlich bedeutsame Variablen aufzuklären. Dabei wird auch teilweise auf die Zusammenhänge dieser Variablen mit der selbstbezogenen Weisheit eingegangen, da von einem solchen Zusammenhang die Implikationen eines Effekts der Variablen auf den Altersunterschied in der Protokolllänge abhängen. Wenn der Altersunterschied in den Basis- und Metakriterien für die Protokolllänge kontrolliert wird, sind die jüngeren Erwachsenen zwar weiterhin signifikant besser in den Metakriterien (F 1/158 = 8,02; p <,01; M jung = 3,83; M alt = 3,41), aber die älteren Erwachsenen erzielen jetzt signifikant höhere Werte in den Basiskriterien (F 1/158 = 3,76; p <,10; M jung = 3,92; M alt = 4,28). Dieser Vorteil in den Basiskriterien nach der Kontrolle der Wortanzahl lässt sich vermutlich damit erklären, dass bei den älteren Erwachsenen die Wortanzahl tendenziell für die Basiskriterien etwas wichtiger war, als für die Metakriterien (siehe Tabelle 23). Tabelle 23: Korrelationen zwischen Wortanzahl und den Kriterien selbstbezogener Weisheit Selbstwissen Wachstums & Bewätligungswissen Zusammenhangswissen Selbstrelativierung Ambiguitätstoleranz selbstbezogene Weisheit (Gesamt) Gesamt,34**,41**,46**,40**,44**,55** Jung,31**,33**,34**,41**,44**,50** Alt,51**,48**,51**,22*,36**,54** **p <,01.*p <,05. Im Folgenden soll weiter geklärt werden, welche Implikationen der Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und Protokolllänge für die gefundenen Alterseffekte haben kann. Es wäre einerseits möglich, dass die Rater sich von der Länge der Protokolle täuschen ließen und längere Protokolle im Durchschnitt überschätzten. In diesem Fall wäre die Wortanzahl eine verzerrende Variable, für die bei der Untersuchung von Altersunterschieden kontrolliert werden müsste. Eine zweite Erklärungsmöglichkeit für den Zusammenhang zwischen Protokolllänge und selbstbezogener Weisheit ist es, ihn inhaltlich zu interpretieren. Aufgrund der Definition einiger Kriterien der selbstbezogenen Weisheit scheint es plausibel, dass höhere Werte mit längeren Antworten einhergehen. Wichtig für die Beantwortung der Frage, ob der Altersunterschied in der Protokolllänge und der Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit inhaltlich oder als Verzerrung zu interpretieren ist, scheint die Klärung von Gründen für diesen Altersunterschied in der Protokolllänge zu sein. Um die Bedeutung des Altersunterschiedes in der Protokolllänge zu verstehen, wurde nach Variablen gesucht, die den Unterschied erklären können. Wenn Aspekte der Untersuchungssituation für die Altersunterschiede in der Protokolllänge verantwortlich wären, würde dies auf einen verzerrenden Einfluss der Protokolllänge auf die selbstbezogene Weisheit hindeuten. Wichtig war hier zum Beispiel, ob 186

187 Kapitel 8: Ergebnisse ältere Probanden auf drei Skalen eines Kontrollfragebogens zur Untersuchungssituation mehr Schwierigkeiten berichteten (siehe Punkt ). Ein Blick auf die Mittelwerte verweist hier zumindest auf keinen Nachteil der älteren Erwachsenen, im Gegenteil die jüngeren hatten signifikant mehr Schwierigkeiten mit der Untersuchungssituation (z.b. mit der Stimmung, dem empfundenen Druck) und dem lauten Denken, das ja die Basis für die Protokolle darstellt (Tabelle 24). Außerdem korrelierte weder für ältere noch für jüngere Erwachsene eine der beiden Variablen mit der Protokolllänge oder mit der Leistung in selbstbezogener Weisheit. Daher schien es wenig wahrscheinlich, dass diese Aspekte der Untersuchungssituation zum Altersunterschied in der Protokolllänge oder der selbstbezogenen Weisheit beigetragen haben. Die Thematik der Aufgabe, Freundschaft, war ein weiterer mit der Methode zusammenhängender Aspekt, in dem sich ältere und jüngere Erwachsene unterschieden haben könnten und der so zu unterschiedlich langen Protokollen und verschiedener Leistung in selbstbezogener Weisheit beigetragen haben könnte. Es zeigte sich jedoch, dass für ältere und jüngere Erwachsene der Lebensbereich Freundschaft gleich wichtig war, und dass sie im Mittel gleich viele gute Freunde hatten. Allerdings gaben jüngere Erwachsene sowohl mehr positive, als auch mehr negative Emotionen im Bereich Freundschaft an (Tabelle 24). Dies muss jedoch nicht unbedingt spezifisch für den Bereich Freundschaft sein, denn ältere Erwachsene zeigten generell signifikant weniger negative (Neurotizismus) und positive (Extraversion) Emotionen als jüngere (siehe Tabelle D, Anhang K). Die Protokolllänge hing allerdings positiv mit der Häufigkeit negativer Emotionen im Bereich Freundschaft zusammen, d.h. je häufiger jemand negative Emotionen in seinen Freundschaften erlebt hatte, desto länger war seine Antwort auf die selbstbezogene Weisheitsaufgabe (Tabelle 24). Ältere Erwachsene berichteten von signifikant weniger häufigen negativen Emotionen im Bereich Freundschaft als jüngere, in diesem Sinn tragen die negativen Emotionen in Freundschaften zu den kürzeren Protokollen der älteren Erwachsenen bei. Tatsächlich trugen die negativen Emotionen im Bereich Freundschaft als Kovariate in einer Kovarianzanalyse signifikant zur Erklärung der Protokolllänge bei, genügten aber nicht, um die Signifikanz des Altersunterschiedes aufzuheben (Tabelle L, Anhang K). Da die negativen Emotionen im Bereich Freundschaft jedoch nicht signifikant mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhingen (Tabelle 24), klärten sie wahrscheinlich vorwiegend Varianz der Protokolllänge auf, die nicht mit selbstbezogener Weisheit zusammenhing. Dies zeigte sich auch darin, dass negative Emotionen im Bereich Freundschaft über selbstbezogene Weisheit hinaus signifikant Varianz der Protokolllänge aufklärten (Tabelle L, Anhang K). Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass negative Emotionen in Freundschaften zwar teilweise zum Altersunterschied in der Protokolllänge beitrugen, dass dies jedoch weniger wichtig für die Werte in selbstbezogener Weisheit war, d.h. die geringeren negativen Emotionen älterer Erwachsener trugen wenig zum Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit bei. 187

188 Kapitel 8: Ergebnisse Weiterhin ist anzumerken, dass für ältere Erwachsene die Wichtigkeit des Bereichs Freundschaft signifikant mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhing, für jüngere jedoch nicht dies bedeutet, dass innerhalb der Gruppe der älteren Erwachsenen diese Variable eine größere Rolle für ihre Leistung in selbstbezogener Weisheit spielte. Da sich jedoch der Mittelwert der Wichtigkeit von Freundschaften nicht zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen unterschied, schien dies kein primärer Grund für die Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit zu sein. Tabelle 24: Mittelwerte von Kontrollvariablen und deren Korrelation mit selbstbezogener Weisheit und Protokolllänge, getrennt nach Alter Kontrollvariable M (SD) F df r mit SBW a r mit Wortanzahl Jung Alt Jung Alt Jung Alt Schwierigkeiten mit der 1,57 (0,53) 1,42 (0,51) 3,26 # 1/147 -,01 -,09 -,05 -,15 Untersuchungssituation Schwierigkeiten mit dem 2,39 (0,78) 2,15 (0,64) 4,72* 1/147,01 -,10 -,10 -,11 lauten Denken Wichtigkeit des Bereichs 3,65 (1,11) 3,68 (1,19) 0,03 1/154,00,23* -,01,12 Freundschaft Anzahl guter Freunde 5,16 (3,41) 5,04 (3,34) 0,05 1/149,03,16 -,05,08 Positive Emotionen in 3,86 (0,42) 3,69 (0,53) 5,23* 1/154,18,10,12,06 Freundschaften Negative Emotionen in Freundschaften 1,88 (0,50) 1,68 (0,49) 6,52* 1/154,04,08,25*,27* asbw = selbstbezogene Weisheit. *p <,05. # p <,10. In einem nächsten Schritt wurde der Einfluss von Offenheit für Erfahrungen und fluider Intelligenz auf den Altersunterschied in der Protokolllänge untersucht. Da diese Variablen bereits den Altersunterschied in der selbstbezogenen Weisheit erklären konnten, könnte es auf eine sinnvolle Bedeutung des Altersunterschieds in der Protokolllänge hindeuten, wenn die beiden Variablen auch diesen erklären könnten. Selbstbezogene Weisheit wurde in einem zweiten Schritt mit einbezogen, da es von Interesse war, festzustellen, ob die Variablen über selbstbezogene Weisheit hinaus den Altersunterschied in der Protokolllänge erklärten. Durch Kontrolle von Offenheit und fluider Intelligenz verliert der Altersunterschied in der Protokolllänge seine Signifikanz (Tabelle 25), durch Kontrolle für diese Variablen einzeln jedoch nicht (siehe Anhang K, Tabelle L). Die noch durch Alter aufgeklärte spezifische Varianz 27 wird nicht geringer, wenn auch noch selbstbezogene Weisheit als Kovariate einbezogen wird, d.h. selbstbezogene Weisheit trägt über fluide Intelligenz und Offenheit nicht weiter zur Aufklärung des Altersunterschieds in der Protokolllänge bei. Allerdings klärt sie mit 21,3% spezifischer Varianz den größten Anteil der Varianz der Protokolllänge auf. Über die selbstbezogene Weisheit hinaus sagt nur noch Offenheit für Erfahrungen mit 27 Das partielle η 2 der Kovarianzanalyse erfasst den Anteil der durch eine Kovariate aufgeklärten spezifischen Varianz im Verhältnis zu der nicht durch die anderen Kovariaten erklärten Varianz (Cohen, Cohen, West, & Aiken, 2003). 188

189 Kapitel 8: Ergebnisse 2,1% spezifischer aufgeklärter Varianz die Protokolllänge signifikant vorher, während fluide Intelligenz mit 1,6% nicht mehr signifikant ist. Tabelle 25: Varianzanalyse der Protokolllänge durch Alter mit und ohne Kovariaten Mittelwert der Protokolllänge Varianzquelle df F η 2 M (SD) Jung M (SD) Alt Analyse 1: Ohne Kovariate 1922,83 (818,58) 1398,59 (653,35) Alter 1/159 20,01**,112 a Analyse 2: Mit Kovariaten Offenheit und fluide 1752,28 b 1583,03 b Intelligenz Alter 1/153 1,36,009 Kovariate: Offenheit f. Erfahrungen 1/153 7,69**,048 Kovariate: Fluide Intelligenz 1/153 7,26**,045 Gesamt 3/153 12,02**,191 a Analyse 3: Mit Kovariaten Offenheit, fluide 1749,84 b 1585,63 b Intelligenz und selbstbezogene Weisheit Alter 1/152 1,62,011 Kovariate: Offenheit f. Erfahrungen 1/152 3,22 #,021 Kovariate: Fluide Intelligenz 1/152 2,43,016 Kovariate: selbstbezogene Weisheit 1/152 41,02**,213 Gesamt 4/152 21,63**,363 a Anmerkung. Kriterium für multivariate Tests war Pillai's Trace. afür das Gesamtmodell ist R 2, nicht η 2 angegeben. b geschätzte Mittelwerte. **p <,01. *p <,05. # p <,10. Insgesamt scheinen die Ergebnisse zur Erklärung des Altersunterschiedes in der Protokolllänge darauf hinzudeuten, dass methodische Aspekte, wie die Untersuchungssituation oder das Thema der Aufgabe, einen geringen Einfluss ausübten. Insbesondere gilt dies in Bezug auf Altersunterschiede in der Protokolllänge, die Auswirkungen auf die Altersunterschiede in selbstbezogener Weisheit gehabt haben könnten, da die methodischen Variablen nicht signifikant mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhingen. Die Altersunterschiede in der Protokolllänge ließen sich durch dieselben Variablen erklären, wie die Altersunterschiede in der selbstbezogenen Weisheit, durch Intelligenz und Offenheit für Erfahrungen Unterschiedliche Korrelationsmuster in den Altersgruppen Es war angenommen worden, dass sich die beiden Altersgruppen in der Höhe der Zusammenhänge bestimmter Variablen mit der selbstbezogenen Weisheit unterscheiden. Diese Annahmen gründeten sich auf erwartete Mittelwertsunterschiede in diesen Variablen wenn eine Altersgruppe in einer bestimmten, für die selbstbezogene Weisheit wichtigen Variable eine geringere Ausprägung aufwies, würden Unterschiede in dieser Variablen einen größeren Effekt haben, als wenn generell bereits ein hohes Niveau bestünde. Um die Hypothesen in diesem Bereich zu überprüfen, wurden zwei Regressionsanalysen mit Altersinteraktionstermen für die Prädiktoren aus den Bereichen Intelligenz und Lebensereignisse gerechnet, da nur in diesen Prädiktorengruppen Altersunterschiede erwartet wurden. Im An- 189

190 Kapitel 8: Ergebnisse schluss an jede Regressionsanalyse von Altersinteraktionen in einem Prädiktorbereich wurden als Einzeltests die Korrelationen 0.Ordnung der einzelnen Prädiktoren mit der selbstbezogenen Weisheit Fishers-Z-transformiert und einem Signifikanztest für Korrelationen aus zwei Stichproben (z-test) unterzogen (Bortz, 1993). Abschließend werden die Ergebnisse in den größeren Kontext aller Variablengruppen gesetzt, und die Hypothese überprüft, dass sich die angenommen Altersinteraktionen auch in den spezifischen Varianzanteilen von Intelligenz und Lebensereignissen wieder finden. Weiterhin wird explorativ überprüft, ob weitere Altersinteraktionen bestehen, und die spezifischen Varianzanteile werden in Analogie zu der Kommunalitätsanalyse unter Punkt für ältere und jüngere Erwachsene getrennt dargestellt Altersinteraktionen im Prädiktionsmuster der Intelligenz Eine erste Annahme betraf Altersinteraktionen im Bereich Intelligenz. Die Hypothese war, dass fluide Intelligenz für ältere Erwachsene stärker mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen würde als für jüngere, da ältere Erwachsene im Durchschnitt entwicklungsbedingt geringere fluide Intelligenz aufweisen. Für kristalline Intelligenz war umgekehrt erwartet worden, dass diese für jüngere Erwachsene stärker mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängt, da bei jüngeren von einem niedrigeren Niveau in kristalliner Intelligenz ausgegangen wurde. Um diese Hypothesen zu überprüfen wurden beide z-standardisierten Intelligenzvariablen zusammen mit der Altersvariable in eine Regressionsanalyse einbezogen, in der als zweiter Schritt die mit Alter multiplizierten z-standardisierten Variablen hinzugefügt wurden (Tabelle 26). Tabelle 26: Regressionsanalysen zur Altersinteraktion von Intelligenz auf selbstbezogene Weisheit Gesamtmodell R 2 F df R 2 F df Modell 1 Alter, Intelligenzvariablen a,169 10,28** 3/152 Modell 2 Modell 1, Intelligenzvariablen a *Alter 0,20 7,39** 5/150,029 2,71 # 2/150 Prädiktoren b im Modell 2 β t r (Jung) r (Alt) zdiff c Fluide Intelligenz*Alter,58 # 1,89,11,29** 1,17 Kristalline Intelligenz*Alter -,48 # -1,89,45**,21 1,66* Anmerkung. Alter wurde als dichotome Variable verwendet. Die Variablen wurden vor der Multiplikation mit Alter z-standardisiert. Toleranzen waren,23. afluide und kristalline Intelligenz. b Hier werden nur die Koeffizienten der Interaktionsterme dargestellt, die Gewichte des ersten Modells sind in den Regressionen weiter oben bereits dargestellt worden. c z-test auf Unterschiedlichkeit von Korrelationen. **p <,01. *p <,05. # p <,10. Es zeigte sich, dass die Interaktionsterme signifikant zusätzliche Varianz der selbstbezogenen Weisheit erklärten (Tabelle 26). Ein Blick auf die Beta-Gewichte zeigt, dass beide Altersinteraktionen signifikant waren. Die Einzelvergleiche der Korrelationen bestätigen dieses Ergebnis: Für ältere Erwachsene hing fluide Intelligenz stärker mit der selbstbezogenen Weisheit zusammen als für jüngere, für jüngere Erwachsene war dagegen der Zusammenhang zwischen kristalliner Intelligenz und selbstbezogener Weisheit stärker als für ältere Erwachsene (Tabelle 26). Letztere erzielten signifikant geringere Werte in 190

191 Kapitel 8: Ergebnisse fluider Intelligenz (F 1/157 = 77,93; p <,01) und erreichten deshalb wahrscheinlich häufiger nicht das nötige Mindestniveau, um selbstbezogene Weisheitsleistungen zu erbringen. Auch der höhere Zusammenhang zwischen kristalliner Intelligenz und selbstbezogener Weisheit bei jüngeren Erwachsenen geht vermutlich teilweise auf ihre geringeren Werte in kristalliner Intelligenz zurück (F 1/154 = 12,30; p <,01) (siehe auch Anhang K, Tabelle D) Altersinteraktionen im Bereich der Lebensereignisse Im Bereich der Lebensereignisse war erwartet worden, dass diese für jüngere Erwachsene wichtiger seien als für ältere. Da diese Hypothese sich auf angenommene niedrigere Mittelwerte der jüngeren Erwachsenen in den Lebensereignisvariablen stützt, wurden zunächst die Mittelwerte auf Unterschiedlichkeit getestet. Jüngere Erwachsene berichteten von signifikant weniger erlebten Ereignissen (F 1/152 = 11,24; p <,01), während der Unterschied in den Lebensereignissen mit Einsichten nicht signifikant war (F 1/152 = 0,91; n.s.) (siehe auch Anhang K, Tabelle D). Nach diesem Ergebnis war die Basis für die Annahme einer Altersinteraktion im Sinne von höheren Zusammenhängen bei jüngeren Erwachsenen nur für die Variable erlebte Lebensereignisse gegeben. Trotzdem wurde die Hypothese wie geplant über beide Lebensereignisvariablen getestet. Um die Altersinteraktion im Korrelationsmuster zu überprüfen, wurde eine hierarchische Regression über die z-standardisierten Lebensereignisvariablen Ereignisse mit Einsichten und erlebte Ereignisse gerechnet, in der die Altersinteraktionsterme als zweiter Schritt eingegeben wurden (siehe Tabelle 27). Es zeigte sich, dass die Interaktionsterme signifikant zur Aufklärung von Varianz der selbstbezogenen Weisheit beitrugen, d.h. es gab eine Altersinteraktion. Der Blick auf die Beta-Gewichte verrät jedoch, dass sich diese Interaktion bei den Ereignissen, durch die Einsichten gewonnen wurden anders gestaltete als bei den nur erlebten Ereignissen. Erlebte Lebensereignisse waren für jüngere Erwachsene ein deutlich wichtigerer Prädiktor der selbstbezogenen Weisheit als für ältere, während die Lebensereignisse mit Einsichten für ältere Erwachsene bedeutsamer waren. Allerdings waren die Altersunterschiede in der Höhe der Korrelationen in den Einzeltests nicht signifikant (siehe Tabelle 27). Im Trend schienen jedoch Einsichten durch Lebensereignisse für ältere Erwachsene bedeutsamer für die selbstbezogene Weisheit zu sein als für jüngere, während es bei den erlebten Ereignissen umgekehrt zu sein schien. Innerhalb der Gruppen zeigte sich, dass für ältere Erwachsene Einsichten durch Lebensereignisse signifikant höher mit der selbstbezogenen Weisheit korrelierten als die nur erlebten Ereignisse (t 73 = 1,44; p <,10). Für die jüngeren war es umgekehrt: Die erlebten Ereignisse hingen signifikant stärker mit der selbstbezogenen Weisheit zusammen, als die Einsichten, die durch Ereignisse gewonnen wurden (t 75 = 1,98; p <,05). 191

192 Kapitel 8: Ergebnisse Tabelle 27: Regressionsanalysen zur Altersinteraktion von Lebensereignissen auf selbstbezogene Weisheit Gesamtmodell R 2 F df R 2 F df Modell 1 Alter, Lebensereignisvariablen a,098 5,44** 3/ Modell 2 Modell 1, Lebensereignisvariablen a *Alter,135 4,61** 5/148,037 3,13* 2/148 Prädiktoren b β t r (Jung) c r (Alt) d zdiff e Lebensereignisse: Einsichten*Alter,92* 2,34,16,25** 0,75 Lebensereignisse: erlebt*alter -,97* -2,38,29**,12 1,08 Anmerkung. Alter wurde als dichotome Variable verwendet. Vor der Multiplikation mit Alter wurden die Variablen z-standardisiert. Toleranzen waren,21. aeinsichten und Ereignisse. b Hier werden nur die Koeffizienten der Interaktionsterme dargestellt, die Gewichte des ersten Modells sind in den Regressionen weiter oben bereits dargestellt worden. c Die Korrelationen innerhalb der Gruppe unterschieden sich mit p <,05. d Die Korrelationen innerhalb der Gruppe unterschieden sich mit p <,10. e z-test auf Unterschiedlichkeit von Korrelationen zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen. **p <,01. *p <,05. # p <, Spezifische Varianzanteile in den beiden Altersgruppen In diesem Abschnitt soll im multivariaten Kontext verschiedener Prädiktorbereiche getestet werden, ob die oben überprüften Annahmen zu Altersinteraktionen in den Bereichen Lebensereignisse und Intelligenz stabil bleiben, wenn die spezifischen Varianzanteile verglichen werden. Weiterhin sollen zusätzlich explorativ weitere Altersunterschiede in den Prädiktionsmustern untersucht werden. Um für die Bereiche Lebensereignisse und Intelligenz die Hypothesen über Altersinteraktionen in den spezifischen Varianzanteilen zu überprüfen, wurde in Analogie zu den Berechnungen unter Punkt eine Kommunalitätsanalyse mit den Prädiktoren Reife, Adaptivität, Lebensereignisse und Intelligenz für beide Altersgruppen getrennt berechnet. Die Ergebnisse der für die Kommunalitätsanalyse durchgeführten Regression sind im Detail im Anhang K (Tabelle N) wiedergegeben und in Abbildung 10 veranschaulicht. Ob die Größe der durch Lebensereignisse, fluide und kristalline Intelligenz aufgeklärten spezifischen Anteile der Varianz signifikant unterschiedlich zwischen jüngeren und älteren Erwachsenen war, wurde mittels eines z-tests für Korrelationen aus unabhängigen Stichproben (Bortz, 1993) nach einer Fishers Z-Standardisierung überprüft. Der Effekt eines höheren Zusammenhangs von kristalliner Intelligenz mit selbstbezogener Weisheit für jüngere Erwachsene blieb stabil: Es konnte festgestellt werden, dass kristalline Intelligenz für jüngere Erwachsene signifikant mehr spezifische Varianz aufklärte als für ältere (z = 2,06; p einseitig <,05). Es zeigte sich jedoch, dass der Unterschied in der fluiden Intelligenz nicht signifikant war (z = 0,59; n.s.). Der Unterschied in den Lebensereignissen war entgegen der Hypothese nicht signifikant (z = 0,62; n.s.). Dies lag möglicherweise daran, dass Ereignisse mit Einsichten entgegen der Annahme für ältere Erwachsene eine größere Wichtigkeit besaßen als für jüngere, und so bei diesen wahrscheinlich den Anteil spezifischer Varianz erhöhen. Zum Schluss soll explorativ untersucht werden, ob sich das Korrelationsmuster zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen insgesamt unterscheidet. Zunächst wurde eine globale multivariate Regressionsanalyse über die Variablen der Prädiktorbereiche Intelligenz, Lebensereignisse, Reife und Adaptivität gerechnet, um zu untersuchen, ob im gesamten Prädiktionsmuster Altersinteraktionen bestehen. Die im zweiten Schritt eingeschlossenen Interaktionsterme klärten 10,8% zusätzliche Varianz auf, dies 192

193 Kapitel 8: Ergebnisse war allerdings nicht signifikant (siehe Tabelle L, Anhang K). Das bedeutet, dass sich die Prädiktionsmuster zwischen jüngeren und älteren Erwachsenen, wenn alle Prädiktoren einbezogen werden, nicht signifikant unterscheiden. Wenn allerdings die in der Kommunalitätsanalyse aufgeklärten Anteile spezifischer Varianz betrachtet werden, fällt auf, dass insbesondere der Bereich der Persönlichkeitsreife zwischen älteren und jüngeren Erwachsenen zu differieren scheint (Abbildung 10). Daher wurde dieser Unterschied explorativ mittels eines z-tests für unabhängige Stichproben auf Signifikanz überprüft. Tatsächlich klärte Persönlichkeitsreife bei älteren Erwachsenen signifikant mehr Varianz der selbstbezogenen Weisheit auf als bei jüngeren Erwachsenen (z = 1,41; p einseitig <,10). Innerhalb der Gruppe der älteren Erwachsenen klärte Persönlichkeitsreife signifikant mehr spezifische Varianz auf, als Adaptivität (t 63 = 1,68; p einseitig <,05), als fluide Intelligenz (t 63 = 1,59; p einseitig <,10) und als kristalline Intelligenz (t 63 = 3,00; p einseitig <,01), jedoch nicht als Lebensereignisse (t 63 = 1,15; n.s.). Für jüngere Erwachsene klärten Lebensereignisse und kristalline Intelligenz die meiste spezifische Varianz auf, jedoch war dies nicht signifikant mehr als die durch Persönlichkeitsreife aufgeklärte Varianz (Lebensereignisse: t 61 = - 0,87; n.s.; kristalline Intelligenz: t 61 = 1,00; n.s.). Auch zwischen der durch Persönlichkeitsreife, und der durch Adaptivität aufgeklärten Varianz bestand kein signifikanter Unterschied (t 61 = - 0,04; n.s.). fluide Intelligenz; 0,6% kristalline Intelligenz; 12,7% ** # fluide Intelligenz; 3,3% kristalline Intelligenz; 0,0% Lebensereignisse; # 5,9% nicht aufgeklärte Varianz; 53,5% Junge Erwachsene Lebensereignisse; ** 11,9% Persönlichkeitsreife; 18,7% Persönlichkeitsreife; 4,2% Adaptivität; 7,3% gemeinsame Varianz; 9,8% nicht aufgeklärte Varianz; 57,1% Adaptivität; 2,8% gemeinsame Varianz; 12,2% Ältere Erwachsene Abbildung 10: Spezifische Varianzaufklärung einzelner Prädiktorgruppen am Mittelwert der selbstbezogenen Weisheit getrennt nach Altersgruppen * Zusammenfassung der Altersinteraktionen Fluide Intelligenz war für ältere Erwachsene ein besserer Prädiktor für selbstbezogene Weisheit als für jüngere, wobei dieser Effekt gering war und im multivariaten Kontext aller Prädiktoren nicht mehr stabil blieb. Eine hohe kristalline Intelligenz hingegen war bei jüngeren Erwachsenen vorteilhafter für das Erreichen hoher selbstbezogener Weisheitswerte als bei älteren und dieser Effekt blieb in allen Analysen 193

194 Kapitel 8: Ergebnisse stabil. Viele Ereignisse erlebt zu haben war für jüngere Erwachsene deutlich bedeutsamer im Zusammenhang mit ihren Leistungen in selbstbezogener Weisheit als für ältere. Für ältere Erwachsene war die Zahl der Einsichten, die sie durch Lebensereignisse gewonnen haben, wichtiger als für jüngere. Im Vergleich aller Prädiktorbereiche zeigte sich, dass für ältere Erwachsene Persönlichkeitsreife der wichtigste Prädiktor für selbstbezogene Weisheit war, während dies für jüngere Erwachsene die kristalline Intelligenz war. Bei älteren Erwachsenen zeigte sich klar der Bereich der Persönlichkeitsreife als der wichtigste Prädiktorbereich für die selbstbezogene Weisheit, während für jüngere Erwachsene kristalline Intelligenz, Lebensereignisse und Persönlichkeitsreife einen ähnlichen Stellenwert in der Varianzaufklärung der selbstbezogenen Weisheit einnahmen. 8.4 Zusammenfassung des Ergebnisteils Die Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit schien dazu geeignet, Antworten akzeptabler Länge zu erzeugen, und die fünf Kriterien der selbstbezogenen Weisheit konnten mit zufrieden stellender Reliabilität gemessen werden. In einer konfirmatorischen Faktorenanalyse konnte gezeigt werden, dass die theoretisch angenommene Zwei-Faktorenstruktur mit den Faktoren Basiskriterien und Metakriterien gut auf die Daten passt. Eine Kreuzvalidierung mit einer anderen Aufgabe zeigte, dass die Kriterien über die Aufgabe hinaus signifikant Varianz aufklären konnten, und somit über die Aufgabe hinaus eine konsistente Messung der Ausprägung der Kriterien in einer Person darstellten. Die Überprüfung von Zusammenhängen mit verschiedenen Prädiktoren ergab, dass selbstbezogene Weisheit, wie erwartet, signifikant stärker mit Persönlichkeitsreife als mit Konzepten der Adaptivität zusammenhing. Es gab einen Trend, dass kristalline Intelligenz stärker mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhing als fluide Intelligenz. Fluide Intelligenz zeigte einen umgekehrt u-förmigen Zusammenhang mit der selbstbezogenen Weisheit, kristalline Intelligenz zeigte einen linearen Zusammenhang. Höhere Werte in selbstbezogener Weisheit gingen mit einer mittleren Anzahl an Lebensereignissen einher. Allerdings gab es keinen Vorteil gegenüber dem reinen Erleben von Ereignissen, wenn durch die Ereignisse Einsichten gewonnen wurden. Die Art der Ereignisse scheint jedoch wichtig zu sein: Soziale Ereignisse hatten einen signifikant stärkeren Effekt auf selbstbezogene Weisheit als organisatorische Ereignisse. Höhere selbstbezogene Weisheit hing mit selbsttranszendenten Werten, jedoch nicht mit selbstbezogenen Werten zusammen. Es bestand ein Trend, dass die Basiskriterien stärker als die Metakriterien mit einigen Konzepten der Adaptivität zusammenhingen. Werte waren signifikant besser für die Vorhersage der Basiskriterien geeignet als für die der Metakriterien, während Intelligenz die Metakriterien besser prädizierte als die Basiskriterien. Ältere Erwachsene erzielten niedrigere Leistungen in den Metakriterien selbstbezogener Weisheit, jedoch nicht in den Basiskriterien. Der Unterschied in den Metakriterien schien teilweise auf Offenheit 194

195 Kapitel 8: Ergebnisse für Erfahrungen und fluide Intelligenz zurückzugehen, denn er wurde nach Kontrolle für diese Variablen unsignifikant. Selbstoffenbarung, eine Variable in der ältere Erwachsene geringere Werte erzielten, wurde als Korrelat von Persönlichkeitsreife identifiziert und daher nicht als den Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit verzerrende Variable interpretiert. Auch wenn ältere Erwachsene kürzer auf die selbstbezogene Weisheitsaufgabe antworteten und die Antwortlänge mit selbstbezogener Weisheit zusammenhing, wurde Protokolllänge nicht als verzerrende Variable aufgefasst. Der Altersunterschied in der Protokolllänge konnte durch sinnvolle Variablen wie Intelligenz und Offenheit für Erfahrungen erklärt werden, nicht aber durch methodische Spezifitäten der Untersuchungssituation, daher wurde nicht von einem verzerrenden Effekt ausgegangen. Erwartungsgemäß sagte fluide Intelligenz selbstbezogene Weisheit für ältere Erwachsene besser vorher als für jüngere, wobei dieser Effekt nicht groß und vermutlich daher im multivariaten Kontext nicht stabil war. Für jüngere Erwachsene war hingegen kristalline Intelligenz ein wichtigerer Prädiktor der selbstbezogenen Weisheit als für ältere. Für jüngere Erwachsene schien es wichtiger als für ältere zu sein, viele Ereignisse erlebt zu haben, während für die älteren Erwachsenen die Einsichten durch Lebensereignisse bedeutsamer für die Vorhersage selbstbezogener Weisheit waren. Persönlichkeitsreife war für ältere Erwachsene ein signifikant besserer Prädiktor von selbstbezogener Weisheit als für jüngere Erwachsene. 195

196 Kapitel 8: Ergebnisse 196

197 Kapitel 9: Diskussion 9. Kapitel Diskussion In diesem letzten Kapitel sollen die Hauptfragestellungen der Studie vor dem Hintergrund der Ergebnisse abschließend diskutiert werden. Um die Ergebnisse in einen empirischen Rahmen einzuordnen, soll auf die bestehende Literatur zum Berliner Weisheitsparadigma und zu anderen Konstrukten der Persönlichkeitsreife Bezug genommen werden. In einem ersten Abschnitt soll das erste Ziel der Arbeit, ein reliables und valides Instrument zur Erfassung von Persönlichkeitsreife zu entwickeln, bewertet werden. Dazu werden die Ergebnisse zur Protokolllänge und Reliabilität als erste Voraussetzungen der Validität des neuen Instruments diskutiert. Anschließend soll die Konstruktvalidität anhand der Kriterienstruktur sowie über die Ergebnisse zu konvergenten und diskriminanten Zusammenhängen mit verschiedenen Konstrukten, wie Persönlichkeitsreife, Adaptivität, Intelligenz, Lebensereignisse und Werten, evaluiert werden. Dabei sollen auch die Ergebnisse zu differentiellen Prädiktionsmustern für jüngere und ältere Personen erörtert werden. Im zweiten Abschnitt der Diskussion wird die zweite Hauptfragestellung der Studie, die Untersuchung von Altersunterschieden in selbstbezogener Weisheit, erörtert. Zur Beantwortung der Fragestellungen ist es weiterhin wichtig, Begrenzungen und alternative Interpretationsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies soll in einem letzten Abschnitt geschehen, in dem auch diskutiert wird, welchen Beitrag diese Studie für das Forschungsfeld der Weisheits- sowie der Persönlichkeitswachstumsforschung leisten kann und ein Ausblick auf zukünftige Forschung gegeben wird. 9.1 Konstruktvalidität der selbstbezogenen Weisheit Im Folgenden soll die Konstruktvalidität des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit beurteilt werden. Dazu sollen zunächst Vorrausetzungen der Validität evaluiert, und anschließend die interne Struktur der Kriterien als ein erster Aspekt der Konstruktvalidierung diskutiert werden. In den darauf folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse der Hypothesenüberprüfung zur konvergenten und diskriminanten Validität selbstbezogener Weisheit diskutiert. Die einzelnen Prädiktorbereiche werden nacheinander besprochen und dabei wird auf differenzielle Zusammenhänge der Prädiktoren mit Basisund Metakriterien eingegangen. In einem letzten Absatz werden die Altersinteraktionen in Zusammenhängen mit verschiedenen Prädiktoren diskutiert. 197

198 Kapitel 9: Diskussion Erste Vorraussetzungen der Validität: Antwortlänge und Reliabilität Bevor man über die Konstruktvalidität des neu entwickelten Maßes nachdenken kann ist es notwendig, sich über einige Grundeigenschaften der gewonnenen Antwortprotokolle Klarheit zu verschaffen. So schien es nötig, dass Personen genügend lange Antworten auf die neu entwickelte Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit geben. Da die Protokolle die Basis für die Bewertung der Leistungen in selbstbezogener Weisheit darstellen, spielt die Wortanzahl eine wichtige Rolle in der Beurteilung der Eignung des Instruments. Die Teilnehmer der Studie antworteten auf die Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit in sehr unterschiedlicher Länge, zwischen 232 und 4148 Wörtern. Der Mittelwert von 1668 Wörtern, der ca. fünf Maschine geschriebenen Seiten entspricht zeigt, dass in der untersuchten Population die Bereitschaft vorhanden war, über ein selbstbezogenes Thema zu sprechen. Dass die Antworten als hinreichende Basis für eine reliable Bewertung der selbstbezogenen Weisheit betrachtet werden können, zeigt sich auch in dem Vergleich mit Studien zum etablierten Berliner Weisheitsparadigma, die Antworten ähnlicher Länge zeigten ( Wörter) (Baltes, Staudinger, Maercker, & Smith, 1995; Smith, Staudinger, & Baltes, 1994; Staudinger, Smith, & Baltes, 1992). Die etwas größere Varianz der Antwortlängen in der allgemeinen Weisheit kommt wahrscheinlich teilweise durch die mit dem Untersuchungsgegenstand verbundene, etwas andere Methodik zustande: Bei der allgemeinen Weisheit war die Zeit der Beantwortung freigegeben, so dass Personen sowohl länger als auch kürzer reden konnten, während bei der selbstbezogenen Weisheit eine feste Zeit von 20 Minuten vorgegeben worden war, was die Varianz der Antwortlänge möglicherweise einschränkte. Eine weitere wichtige Voraussetzung der Validität ist die Reliabilität (z.b. Lienert & Raatz, 1994). Die neu entwickelten Kriterien selbstbezogener Weisheit ließen sich in Anbetracht ihrer hohen Komplexität in zufrieden stellender Weise reliabel messen. Die Interraterreliabilitäten für die einzelnen Kriterien lagen zwischen Cronbachs-Alpha-Werten von,62 bis,69. Der für die meisten Analysen dieser Studie verwendete Gesamtwert der selbstbezogenen Weisheit wies ein Cronbachs Alpha von,84 auf, das als gut zu bezeichnen ist. Als zusätzlicher Hinweis auf die Stabilität der gefunden Alpha-Werte kann das Ergebnis gewertet werden, dass die Alpha-Werte für ältere und jüngere Erwachsene vergleichbar waren. Ein Vergleich mit den Reliabilitäten aus Studien zur allgemeinen Weisheit zeigt, dass diese ungefähr den in dieser Studie gefunden Reliabilitäten entsprechen. Es werden sowohl etwas höhere Cronbachs-Alpha-Werte (bis zu,92) (Böhmig-Krumhaar, 1998), als auch niedrigere (bis,20) (Smith & Baltes, 1990), in den meisten Fällen jedoch ungefähr vergleichbare Reliabilitäten über,70 gefunden (z.b. Baltes, Staudinger, Maercker, & Smith, 1995; Kunzmann & Baltes, 2003; Pasupathi & Staudinger 2001a; Smith, Staudinger, & Baltes, 1994). 198

199 Kapitel 9: Diskussion Die interne Struktur der selbstbezogenen Weisheit: Basis- und Metakriterien Ein erster Aspekt der Konstruktvalidierung der fünf Kriterien war die Überprüfung der Faktorenstruktur in den fünf Kriterien. Es zeigte sich, dass ein Modell, das zwei latente, interkorrelierte Faktoren (einen, der die Basiskriterien, und einen, der die Metakriterien repräsentiert) annimmt, einen besseren Fit zeigte, als eines, das nur einen Faktor annimmt. Dies deutet darauf hin, dass die zwei Basiskriterien und die drei Metakriterien jeweils etwas Gemeinsames auszeichnet, das einen Zusammenhang unter ihnen erzeugt. Der Vergleich mit Studien der allgemeinen Weisheit scheint zu zeigen, dass hier nur ein Faktor vorliegt: Basis- und Metakriterien korrelieren innerhalb der Kriteriengruppe nicht stärker als zwischen den Kriteriengruppen (Baltes, Staudinger, Maercker, & Smith, 1995; Maercker, Böhmig-Krumhaar, & Staudinger, 1998; Smith, Staudinger, & Baltes, 1994). Es scheint daher plausibel, dass Maercker (1995) in den fünf Kriterien nur einen Faktor lokalisiert. Diese Differenz zwischen selbstbezogener und allgemeiner Weisheit lässt sich möglicherweise durch die unterschiedliche inhaltliche Ausgestaltung der Basiskriterien erklären. Die Basiskriterien der allgemeinen Weisheit sind den Metakriterien relativ ähnlich, da hier beide Gruppen von Kriterien eine starke Vernetzung des Wissens und einen hohen Abstraktionsgrad erfordern. Die Basiskriterien der selbstbezogenen Weisheit verlangen hingegen vorwiegend eine Deskription von Eigenschaften oder Strategien, sind wenig abstrakt und unterscheiden sich relativ stark von den Metakriterien, die abstrakter sind und eine höhere Komplexität des Denkens erfordern. Möglicherweise ist diese Differenz darauf zurückzuführen, dass in die Basiskriterien der selbstbezogenen Weisheit besonders viele Aspekte aus den Theorien reifer Persönlichkeit eingeflossen sind, während die Metakriterien sich stärker auf die Kriterien der allgemeinen Weisheit stützen. Diese Differenzierung zwischen Basis- und Metakriterien kann als Hinweis auf die Validität der Kriterien gewertet werden, da sich der inhaltliche Unterschied in den Daten wieder findet (siehe Cronbach & Meehl, 1955) Reife als besserer Prädiktor von selbstbezogener Weisheit als Adaptivität Im Einklang mit den Hypothesen zu diskriminanter und konvergenter Validität zeigte sich, dass die Indikatoren von Persönlichkeitsreife bessere Prädiktoren der selbstbezogenen Weisheit waren, als die Indikatoren der Adaptivität. Dieser Befund war sehr stabil: Er zeigte sich daran, dass keine der Adaptivitätsindikatoren signifikant mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhing, während dies bei den meisten Reifeindikatoren der Fall war. Außerdem sagte Reife selbstbezogene Weisheit besser vorher, als die Adaptivitätsindikatoren dies vermochten ein Ergebnis, das auch im multivariaten Kontext aller Prädiktoren stabil blieb. Im Folgenden sollen die einzelnen Zusammenhänge von Reife- und Adaptivitätsindikatoren mit selbstbezogener Weisheit im Detail diskutiert werden. Die Ergebnisse zur Persönlichkeitsreife sprechen für die konvergente Validität des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit und bestätigen die Annahme, dass selbstbezogene Weisheit 199

200 Kapitel 9: Diskussion mit inhaltlich ähnlichen Konstrukten, die auch Persönlichkeitsreife erfassen, zusammenhängt (vgl. Punkt 5.1.1). Dies bestätigte sich für die Konstrukte Ego-Entwicklung, Selbstkonzeptreife, Reifeaspekte des psychologischen Wohlbefindens und Offenheit für Erfahrungen, wobei die Effekte mit r =,21 bis,26 im mittleren Bereich liegen. Ein Vergleich mit Studien im Rahmen der allgemeinen Weisheit zeigt, dass Offenheit mit der allgemeinen Weisheit in vergleichbarer Höhe zusammenhing: Es zeigen sich hier Korrelationen 0.Ordnung zwischen r =,23 -,42, der Durchschnitt liegt bei,31 (siehe Maercker, Böhmig- Krumhaar, & Staudinger, 1998; Pasupathi & Staudinger, 2001a; Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997; Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998; Staudinger & Pasupathi, 2003), bei der selbstbezogenen Weisheit lag der Zusammenhang bei r =,21. Ein offener Umgang mit Erlebnissen und das Aufsuchen von neuen Kontexten und Erfahrungen, wie es offenen Personen zugeschrieben wird (Costa, Zonderman, & McCrae, 1991; McCrae & Costa; 1997), scheint also sowohl mit der allgemeinen Weisheit, als auch mit der selbstbezogenen Weisheit in gleichem Maße zusammenzuhängen. Das Konstrukt des psychologischen Feingefühls hing entgegen der Erwartungen, dass es ein Indikator für Reife sei, nicht signifikant mit selbstbezogener Weisheit zusammen. Hier besteht ein Unterschied zur allgemeinen Weisheit, mit der das Interesse für psychologische Themen deutlich höhere und signifikante Korrelationen zeigt (Mittelwert: r =,27) (Pasupathi & Staudinger, 2001a; Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997), während es mit der selbstbezogenen Weisheit nicht signifikant korreliert (r =,11). Psychologisches Feingefühl soll das Interesse und die Einsicht in psychologische Prozesse der eigenen Person und anderer erfassen (Gough, 1964). Möglicherweise führt dieses Interesse für die Psyche jedoch eher zum Erkennen genereller psychologischer Sachverhalte: Diese sind leichter zu erreichen, während es schwieriger ist, Einsichten über die eigene Person zu erlangen (z.b. Dittmann- Kohli, 1995; Staudinger, im Druck, vgl. auch Punkt 4.3.2). So zeigen empirische Ergebnisse, dass zwar der intensive Versuch, sich selbst zu erforschen, mit dem psychologischen Feingefühl zusammenhängt, nicht jedoch die Einsichten, die dadurch erlangt werden (McCallum und Piper, 1990). An den Zusammenhängen mit den Indikatoren der Adaptivität lässt sich die diskriminante Validität des Instruments bewerten. Die diskriminante Validität ist besonders wichtig, um plausible Gegenhypothesen über die Interpretation des Konstrukts zu entkräften (Popper, 1959). In diesem Fall wäre die Gegenhypothese, dass selbstbezogene Weisheit zum großen Teil subjektives Wohlbefinden erfasst. Diese ließ sich jedoch falsifizieren: In den Zusammenhängen von selbstbezogener Weisheit mit Adaptivitätsindikatoren zeigen sich Effektstärken um Null. Allein die Persönlichkeitseigenschaft Verträglichkeit zeigte einen sehr schwachen Effekt (r =,11), der aber auch nicht signifikant war. Verträglichkeit, die Tendenz altruistisch, bescheiden und freundlich zu sein, ist eigentlich dem adaptiven Aspekt von Beziehungen zugeordnet und trägt beispielsweise zu positiven sozialen Interaktionen bei (Asendorf & Wilpers, 1998; Graziano, Jensen-Campbell, & Hair, 1996; McCrae & Costa, 1991). Der schwache positive 200

201 Kapitel 9: Diskussion Zusammenhang von selbstbezogener Weisheit und Verträglichkeit lässt sich jedoch möglicherweise durch den sozialen Aspekt erklären, der generell in der Definition der selbstbezogenen Weisheit, vor allem in den Basiskriterien, stark ausgeprägt ist. Ein Aspekt des Kriteriums Selbstwissen ist beispielsweise das Wissen um die Bedeutung von tiefen sozialen Beziehungen. Es könnte sein, dass Personen, die um die Bedeutung tiefer Beziehungen wissen, auch in der Verträglichkeit etwas höhere Werte erzielen. Insgesamt bestätigen die Befunde zur Adaptivität Befunde aus anderen Studien mit Konstrukten, die dem Konzept der Eudaimonia nahe stehen. So zeigen auch Studien zur allgemeinen Weisheit keine signifikanten Zusammenhänge mit Maßen der Adaptivität, wie emotionalem Wohlbefinden (Kunzmann & Baltes, 2003; Maercker, Böhmig-Krumhaar, & Staudinger, 1998; Pasupathi & Staudinger, 2001a), und Eigenschaften, die das Wohlbefinden befördern können, wie Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit (Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998; Pasupathi & Staudinger; 2001a). Mit der Ego-Entwicklung verhält es sich ähnlich: McCrae und Costa (1983) finden ebenfalls Korrelationen um Null zwischen Loevingers Instrument und positiven und negativen Emotionen. Für die weitere Einschätzung des Zusammenhangs zwischen selbstbezogener Weisheit und A- daptivität ist es interessant, sich in diesem Bereich die differentiellen Korrelationen mit Basis- und Metakriterien anzusehen. Es zeigte sich ein Trend, dass die Basiskriterien stärker adaptiv sind als die Metakriterien, auch wenn dieser insgesamt nicht signifikant war. Im Einzelvergleich wies die Korrelation von vier der sechs Indikatoren (Neurotizismus, Extraversion, Gewissenhaftigkeit und adaptives Wohlbefinden) mit den Basiskriterien signifikant stärker in Richtung Adaptivität, als die Korrelationen dieser Indikatoren mit den Metakriterien. Personen, die hoch in den Basiskriterien abschneiden, empfinden also eher weniger negative und mehr positive Emotionen, sind kompetenter in der Bewältigung der Anforderungen des täglichen Lebens (Umweltbewältigung) und akzeptieren sich selbst mehr als Personen, die niedrige Werte in den Basiskriterien erzielen. Für das Abschneiden in den Metakriterien spielen diese psychologischen Merkmale keine Rolle. Möglicherweise werden in den Basiskriterien einige Verhaltensweisen und Strategien reifer Personen erfasst, die sich günstig auf das subjektive Wohlbefinden auswirken, wie beispielsweise Ziele im Leben zu besitzen oder zu wissen, wie man tiefe Beziehungen entwickelt. Diese Strategien können zum subjektiven Wohlbefinden beitragen (z.b. Myers, 1999), auch wenn sie Aspekte von Persönlichkeitsreife sind. Außerdem könnte es sein, dass die Basiskriterien Konzepten der Adaptivität nicht so stark entgegenstehen, wie die Metakriterien. Die Metakriterien erfordern komplexes und kritisches Nachdenken über sich selbst und das Anerkennen von Ungewissheiten des eigenen Lebens. Ein damit einhergehendes negativeres Selbstkonzept - im Vergleich zu einer Person, die ausschließlich positiv über sich selbst denkt - könnte zu einem geringeren subjektiven Wohlbefinden führen (Argyle, 1987). Auf einen solchen Zusammenhang deutet tendenziell die in der vorliegenden 201

202 Kapitel 9: Diskussion Studie gefundene, leicht positive Korrelation von Neurotizismus mit den Metakriterien (r =,06) hin. Auch andere Studien finden, dass ein detailliertes Nachdenken über negative Ereignisse in der eigenen Vergangenheit mit negativen Emotionen assoziiert ist (Strack, Schwarz, & Gschneidinger, 1985). Ebenso scheint ein differenziertes Selbstkonzept, d.h. sehr unterschiedliche Selbstrepräsentationen in verschiedenen Rollen und Kontexten, mit Indikatoren geringeren subjektiven Wohlbefindens wie Depressivität zusammen zu hängen (Block, 1961; Campbell, Assanand, & Di Paula, 2003; Diehl, Hastings, & Stanton, 2001; Donahue, Robins, Roberts, & John (1993). Ein solches differenziertes Selbstkonzept, das auch positiv mit der Ego-Entwicklung zusammenhängt (Pazy, 1985), geht vermutlich mit der in den Metakriterien erfassten kontextualistischen Perspektive auf die eigene Person (Zusammenhangswissen) einher. Die in den Basiskriterien erfasste Kenntnis der eigenen Person (Selbstwissen) hingegen und das Wissen um Strategien der Lebensbewältigung (Wachstums- und Bewältigungswissen) verlangen in weniger starkem Maße ein Bewusstsein der negativen Aspekte des eigenen Lebens. Zusammenfassend lassen sich die Ergebnisse als Hinweis auf die diskriminante und konvergente Validität des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit interpretieren. Selbstbezogene Weisheit soll Persönlichkeitsreife erfassen und hängt mit Indikatoren dieses Bereichs signifikant und deutlich stärker zusammen als mit Indikatoren des Bereichs Adaptivität, einem Konstrukt, mit dem Reife aufgrund theoretischer Annahmen (siehe Punkt 2.1) und empirischer Befunde (z.b. Compton, Smith, Cornish, & Qualls, 1996; Waterman, 1993) nur gering zusammenhängen sollte. Selbstbezogen weise Personen sind also nicht unbedingt mit dem eigenen Leben zufrieden oder empfinden besonders wenige negative und häufige positive Emotionen diese adaptiven Eigenschaften scheinen nicht mit selbstbezogener Weisheit einher zu gehen. Es scheint allerdings wahrscheinlich, dass sie in Populationen unter einem gewissen Mindestniveau an Funktionalität (das in der vorliegenden Stichprobe jedoch erwartungsgemäß erreicht wurde) eine Voraussetzung für Einsichten über die eigene Person darstellen. Einige Kriterien der selbstbezogenen Weisheit (die Basiskriterien) stehen adaptivem Verhalten näher als andere möglicherweise, weil die Aspekte reifer Persönlichkeit, die in diesen Kriterien enthalten sind, subjektives Wohlbefinden fördern können Zusammenhänge von selbstbezogener Weisheit mit kognitiven Variablen Die Ergebnisse für den Bereich Intelligenz und Bildung dienen einerseits der weiteren Etablierung der konvergenten Validität der selbstbezogenen Weisheit und erlauben andererseits Rückschlüsse über mögliche, notwendige Kompetenzen für die Leistung in selbstbezogener Weisheit. Vorweg soll angemerkt werden, dass in den folgenden Interpretationen kristalline Intelligenz mit sprachlicher Intelligenz gleichgesetzt wird, da kristalline Intelligenz über Wortschatz gemessen wurde. Weitere Formen kristalliner Intelligenz sind zum Beispiel Rechenkompetenz und induktives Denken (Cattel, 1987). 202

203 Kapitel 9: Diskussion Zusammenhänge selbstbezogener Weisheit mit Bildung und Intelligenz Es zeigte sich wie erwartet, dass Bildung mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhing (r =,15). Dieser Effekt wurde jedoch vollständig durch kristalline bzw. sprachliche Intelligenz mediiert, ein Befund, der darauf hindeutet, dass die Bildung ihren Beitrag zur Leistung in selbstbezogener Weisheit vorwiegend darüber leistet, dass sie sprachliche Kompetenz vermittelt (Jencks, 1972). Sprachliche Kompetenz wiederum ist zentraler Aspekt der Leistung in selbstbezogener Weisheit, wie in den nächsten Absätzen diskutiert werden wird. Das Ergebnis besitzt Implikationen für zukünftige Studien zum Zusammenhang von Bildung und Persönlichkeitsreife, indem es nahe legt, für kristalline Intelligenz zu kontrollieren. Es wäre möglich, dass Zusammenhänge zwischen Ego-Entwicklung und Bildung ebenfalls auf die Korrelation zwischen Bildung und kristalliner Intelligenz zurückgehen (Browning, 1987; Lee & Snarey, 1988; Truluck & Courtenay, 2002). Die Ergebnisse zu der demnach deutlich wichtigeren Variablen kristalline Intelligenz werden im Folgenden zusammen mit den Ergebnissen zur fluiden Intelligenz diskutiert. Im Bereich der Intelligenz scheinen die Ergebnisse insgesamt die Annahme zu bestätigen, dass sowohl fluide als auch kristalline Intelligenz für die Leistung in selbstbezogener Weisheit wichtig sind. Kristalline Intelligenz schien mit einer Korrelation von r =,31 tendenziell noch wichtiger als fluide Intelligenz (r =,21) zu sein, allerdings zeigte sich dies nur als Trend. Eine relativ höhere kristalline Intelligenz zu besitzen scheint auf jedem Niveau der kristallinen Intelligenz nützlich für höhere Ausprägungen selbstbezogener Weisheit zu sein: Es gab hier einen linearen Zusammenhang. Bei der fluiden Intelligenz schien hingegen ein mittleres Niveau dieser, der kognitiven Mechanik zugehörigen Kompetenz (siehe Punkt 2.3) am besten zu sein, um selbstbezogene Einsichten zu erlangen oder umzusetzen. Ab einem höheren Niveau zeigt sich sogar ein negativer Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit. Als Grund für die mit steigender Intelligenz zunehmend geringeren Leistungen in selbstbezogener Weisheit wäre eine singuläre Begabung hochintelligenter Personen denkbar. Ergebnisse aus der Begabtenforschung zeigen, dass mit einem steigenden IQ die Korrelation zwischen den Subtests sinkt (Detterman & Daniel, 1989) und dass hochintelligente Kinder verhältnismäßig geringe Leistungen in kristalliner Intelligenz zeigen (Achter, Lubinski, & Benbow, 1996; Wilkinson, 1993). Im Einklang mit diesen Befunden zeigte sich auch in der vorliegenden Studie, dass für die hochintelligenten Personen der Zusammenhang zwischen kristalliner und fluider Intelligenz mit r = -,12 zwar nicht signifikant, aber tendenziell negativ war obwohl die Korrelation für die gesamte Stichprobe mit r =,32 einen mittelgroßen positiven Zusammenhang anzeigt. Es wäre möglich, dass die geringere kristalline Intelligenz hochintelligenter Personen zu ihren geringeren Leistungen in selbstbezogener Weisheit beitrug. Tatsächlich wurde nach Kontrolle für kristalline Intelligenz in der vorliegenden Studie der Zusammenhang von selbstbezogener Weisheit und fluider Intelligenz für hochintelligente Teilnehmer von einem negativen in einen leicht positiven Zusammenhang umgekehrt. Eine weitere Erklärungsmöglichkeit wäre, dass bei sehr intelligenten 203

204 Kapitel 9: Diskussion Personen eine motivationale Fokussierung auf Aufgaben und eben nicht auf Persönlichkeitswachstum vorliegt, so dass sie sich möglicherweise weniger mit sich selbst beschäftigen. Diese Interpretation steht im Einklang mit der Diskussion in der Begabtenforschung, ob Begabung nicht oftmals durch ein sehr starkes Interesse für bestimmte Themenbereiche zu Stande kommt (für einen Überblick siehe Winner, 1996; 2000). Für die Höhe der in dieser Studie gefundenen Zusammenhänge zwischen Intelligenz und selbstbezogener Weisheit finden sich vergleichbare Ergebnisse in der Persönlichkeitswachstumsforschung und den Studien des Berliner Weisheitsparadigmas. So korreliert allgemeine Weisheit mit fluider Intelligenz von,09 -,30 und kristalline Intelligenz von,05 -,36 (Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997; Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998; Staudinger & Pasupathi; 2003; Pasupathi & Staudinger, 2001a). Bei der Ego-Entwicklung finden sich vorwiegend Zusammenhänge mit der kristallinen Intelligenz (Labouvie- Vief & Diehl, 1998; McCrae & Costa, 1980, Newman, Tellegen, & Bouchard, 1998), deren Höhe mit r =,28 -,37 mit der der selbstbezogenen Weisheit vergleichbar ist (vgl. die Meta-Analyse von Cohn & Westenberg, 2004). Mit fluider Intelligenz sind die Zusammenhänge ebenfalls vergleichbar (r =,19 -,32; siehe Cohn & Westenberg, 2004), allerdings gibt es hier weniger Studien, die signifikante Ergebnisse berichten (z.b. Newman, Tellegen, & Bouchard, 1998; Streich, 1989). Die häufiger berichtete signifikante und etwas höhere Korrelation zwischen kristalliner Intelligenz und Ego-Entwicklung steht im Einklang mit den in dieser Studie gefundenen, etwas stärkeren Zusammenhang zwischen kristalliner Intelligenz und selbstbezogener Weisheit (im Vergleich zu fluider Intelligenz). Insgesamt sind die Ergebnisse sowohl des Berliner Weisheitsparadigmas als auch zu Ego-Entwicklung relativ heterogen und aufgrund unterschiedlicher Altersspannbreiten schwer untereinander, sowie mit der selbstbezogenen Weisheit zu vergleichen. Wie lassen sich nun die Zusammenhänge zwischen Intelligenz und selbstbezogener Weisheit erklären? Da Intelligenz relativ basale kognitive Prozesse beschreibt, wird eine Wirkung von selbstbezogener Weisheit auf Intelligenz weitgehend ausgeschlossen, d.h. es scheint unwahrscheinlich, dass Intelligenz Folge selbstbezogener Weisheit ist. Bei einer möglichen Wirkung von Intelligenz auf selbstbezogene Weisheit muss unterschieden werden zwischen der Weisheitsleistung in der Testsituation, und dem latenten Konstrukt der selbstbezogenen Weisheit, das durch den Test erfasst werden soll. Es ist vorstellbar, dass Intelligenz in der Testsituation einen direkten Vorteil für die Leistung in selbstbezogener Weisheit bringt, während es auf das latente Konstrukt über Mediatoren wirkt. So ist fluide Intelligenz, die die basale Problemlösekompetenz einer Person, ihr schlussfolgerndes Denken und ihre selektive Aufmerksamkeit erfasst (Cattel, 1987), für das Verständnis der Instruktionen nötig. Speziell für die Prozesse der Metakriterien, wie beispielsweise komplexes Nachdenken, ist fluide Intelligenz relevant (Spearman, 1923), auch weil sie als Arbeitsgedächtniskapazität (Kyllonen & Christal, 204

205 Kapitel 9: Diskussion 1990; Süß, Oberauer, Wittman, Wilheim, & Schulze, 2002) die Basis dafür darstellt, um verschiedene Gründe und Kontexte gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis zu behalten, zu verarbeiten und zu relativieren. Das latente Konstrukt der selbstbezogenen Weisheit umfasst die selbstbezogenen Einsichten, die in den Kriterien der selbstbezogenen Weisheit beschrieben sind, wie sie tatsächlich bei einer Person vorliegen. Dies kann natürlich empirisch nicht direkt erfasst werden, es wäre jedoch vorstellbar, dass Personen mit höherer fluider Intelligenz bessere Problemlösekompetenzen besitzen und ihren Alltag dadurch leichter bewältigen können und dafür weniger geistige Anstrengung verbrauchen. Dies gilt vor allem für ältere Personen, bei denen fluide kognitive Ressourcen im Durchschnitt geringer sind (Diehl, Willis, & Schaie, 1995). Dadurch hätten sie mehr geistige Kapazitäten zur Verfügung, um über sich selbst nachzudenken. Hier wäre die Beschäftigung mit der eigenen Person ein Mediator, über den der Zusammenhang von fluider Intelligenz und selbstbezogener Weisheit zu Stande käme. Auch bei der kristallinen Intelligenz scheint es plausibel, dass sie einen direkten Einfluss auf das Testergebnis hat. Sich gut sprachlich ausdrücken zu können ist sowohl hilfreich, um eigene Eigenschaften zu nennen (wie für die Basiskriterien nötig), als auch um die komplexen Denkprozesse der Metakriterien zu formulieren. Es könnte jedoch auch sein, dass kristalline Intelligenz nicht nur für die Leistung in der Untersuchungssituation wichtig ist, sondern auch mit differenzierteren Selbstrepräsentationen zusammenhängt. Die Abbildung von Wissen oder Schemata über sich selbst erfolgt nach Bower und Gilligan (1979) in propositionalen Netzwerken. Wenn Propositionen erzeugt werden, die dann den Inhalt des Langzeitgedächtnisses bilden, erfolgt dies über die sprachliche Interpretation der Charakteristika der Situation (Frederiksen, 2001). Ob bestimmt Aspekte der Umwelt, wie zum Beispiel Differenzen zwischen Farben, überhaupt wahrgenommen werden können, hängt davon ab, ob Personen einen Begriff dafür haben (Roberson, Davies, & Davidoff, 2000). Analog dazu wäre denkbar, dass über eine reichere Sprache, wie sie durch eine höhere kristalline Intelligenz angezeigt wird, bestimmte Aspekte und Zusammenhänge der eigenen Person differenzierter in propositionalen Netzwerken des Langzeitgedächtnis repräsentiert werden, was in einer höheren selbstbezogenen Weisheit resultieren könnte Intelligenz als wichtigerer Prädiktor der Meta- als der Basiskriterien Für die weitere Beurteilung der Konstruktvalidität des Instruments der selbstbezogenen Weisheit sowie zur detaillierteren Klärung der Zusammenhänge zwischen Intelligenz und selbstbezogener Weisheit ist es wichtig, sich die Ergebnisse zu den differentiellen Zusammenhängen fluider und kristalliner Intelligenz mit Basis- und Metakriterien anzusehen. Es zeigte sich, dass sowohl fluide, als auch kristalline Intelligenz für die Metakriterien bedeutsamere Prädiktoren waren als für die Basiskriterien, wobei kristalline Intelligenz auch mit den Basiskriterien signifikant zusammenhing. Die Ergebnisse lassen sich dahingehend interpretieren, dass für die Kompetenzen der Metakriterien fluide und kristalline Intelligenz 205

206 Kapitel 9: Diskussion wichtiger sind, als für die Wissensbestände, auf die die Basiskriterien zugreifen. Die Metakriterien erfordern häufiges Abwägen, simultanes Beachten von verschiedenen Möglichkeiten und das Erkennen komplexer Strukturen - für all dies wird fluide Intelligenz benötigt (z. B. Cattell, 1987; Spearman, 1923). Vielleicht erleichtert das komplexere Denken von Personen mit höherer fluider Intelligenz auch (unabhängig von der Testsituation) die Komplexitäten des eigenen Lebens zu bedenken, die vor allem in den Metakriterien erfasst werden. Die Basiskriterien basieren hingegen vorwiegend auf dem Abruf von Wissen, das die Person über sich abgespeichert hat, und auf bestimmten Verhaltensweisen, die sie generell zeigt. Zum Abruf von Wissen aus dem Langzeitgedächtnis trägt zwar auch eine stärkere Gedächtnisspur bei, die wiederum durch intensivere Verknüpfung erzeugt wird (z. B. Anderson, 1976), diese ist jedoch kaum vom Arbeitsgedächtnis abhängig (Logie & Della Sala, 2001), das oft als Sitz der fluiden Intelligenz interpretiert wird (Engle, Tuholski, Laughlin, & Conway, 1999; Kyllonen & Christal, 1990; Süß, Oberauer, Wittman, Wilheim, & Schulze, 2002). Nicht nur kognitive Komplexität, auch sprachliche Kompetenz scheint für die Metakriterien wichtiger zu sein als für die Basiskriterien zu sein. Ein Vorteil, den Personen mit hoher sprachlicher Intelligenz besitzen, ist es möglicherweise, bei sich selbst wahrgenommene Widersprüche und Komplexitäten besser auszudrücken zu können. Es wäre möglich, dass für die weniger komplexe Repräsentation des Wissens über eigene Verhaltensweisen, das in den Basiskriterien erfasst wird, ein komplexes sprachliches Wissen weniger wichtig ist. Insgesamt lässt sich jedoch festhalten, dass kristalline Intelligenz sowohl für die Basis-, als auch für die Metakriterien wichtig ist Fazit zu den Prädiktionsmustern der kognitiven Variablen Die oben diskutierten Ergebnisse konnten die angenommenen Zusammenhänge im Bereich der kognitiven Variablen weitgehend bestätigen und unterstützen so die Konstruktvalidität des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit. Insgesamt lässt sich für den Bereich Intelligenz festhalten, dass von fluider Intelligenz eine mittlere Ausprägung am besten ist, um einsichtig über sich zu denken und höhere Werte sogar tendenziell negativ zu sein scheinen, während für kristalline Intelligenz höhere Werte durchgängig besser für die Leistung in selbstbezogener Weisheit sind. Tendenziell scheint kristalline Intelligenz auch von größerer Bedeutung als fluide Intelligenz zu sein, auch wenn dies nicht signifikant war. Vor allem scheint Intelligenz jedoch Grundlage für die komplexen Metakriterien zu sein und weniger für die Basiskriterien. Sprachliche Intelligenz ist vermutlich für die exaktere Formulierung eigener Einsichten und möglicherweise auch für eine komplexere und differenziertere Speicherung von selbstbezogenen Informationen im Langzeitgedächtnis hilfreich. Es scheint plausibel, dass fluide Intelligenz einerseits über das Verständnis und strukturierte Umgehen mit der Aufgabe, andererseits über erhöhte 206

207 Kapitel 9: Diskussion kognitive Kapazität zur Verarbeitung selbstbezogener Informationen und höhere kognitive Komplexität zur selbstbezogenen Weisheit beiträgt Lebensereignisse als wichtiger Prädiktor selbstbezogener Weisheit Für den Bereich der Lebensereignisse zeigte sich, wie erwartet, dass die Summe der erlebten Ereignisse und die Anzahl an Einsichten, die Personen im Laufe ihres Lebens durch Lebensereignisse erlangen, mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen. Es scheint jedoch nicht unbedingt optimal zu sein, so viele Ereignisse wie möglich erlebt zu haben: Es gab einen signifikanten umgekehrt u-förmigen Zusammenhang zwischen beiden Arten von Lebensereignissen und selbstbezogener Weisheit. Dies könnte darauf hindeuten, dass eine zu große Anzahl von Lebensereignissen die Verarbeitungskapazitäten von Personen überfordern können und dadurch nicht weiter zu Wachstum beitragen oder sogar schädliche Einflüsse im Sinne von Entstehen von Pathologie haben können, wie die Literatur zur Entstehung von psychischen Störungen, wie Depression und posttraumatischer Belastungsstörung, zeigt (O Hara, Schlechte, Lewis, & Varner, 1991; Solomon, Miulincer, & Flum, 1988). Eine mittlere Anzahl von Ereignissen bietet wahrscheinlich genügend Anregung und Konfrontation mit den eigenen unangemessenen Schemata (Loevinger, 1976; Wollheim, 1984), um Persönlichkeitsreife zu ermöglichen. Umgekehrt u-förmige Zusammenhänge sind bisher in der Forschung zum Zusammenhang zwischen Lebensereignissen und Reife oder Reife kaum untersucht oder vielleicht auch nicht gefunden worden dies wäre ein interessanter Fokus weiterer Studien. Allerdings scheint, entgegen der Annahme, bereits das Erleben von Lebensereignissen wichtig für selbstbezogene Weisheit zu sein. Mit r =,20 korrelierten die erlebten Ereignisse fast genauso hoch mit selbstbezogener Weisheit wie die Einsichten durch Lebensereignisse mit r =,21. Dieses Ergebnis steht jedoch im Einklang mit einer Studie zur allgemeinen Weisheit, in der ebenfalls die Korrelationen von Weisheit mit erlebten Ereignissen (r =,32) und mit solchen, durch die Einsichten gewonnen wurden (r =,35) (bei Verwendung derselben Lebensereignisskala), vergleichbar waren (Staudinger, 1989). Die Ergebnisse scheinen zunächst der Annahme zu widersprechen, dass die Verarbeitung von Lebensereignissen, wie beispielsweise durch Lebensreflexion (Staudinger, 2001a), entscheidend dafür ist, ob Wachstum geschieht (z.b. Bursik, 1991; Filipp, 1990; Romaniuk & Romaniuk, 1981). Eine mögliche Erklärung für das Ergebnis wäre, dass nach als wichtig erlebten Ereignissen und nicht nach überhaupt erlebten Ereignissen gefragt wurde. Dass Ereignisse als wichtig erlebt werden, bedeutet schon eine Form von Bewertung und damit auch der Verarbeitung. So wurde in mehreren Studien gefunden, dass die Anzahl selbstberichteter Lebensereignisse bereits starker kognitiver Verarbeitung unterliegt und eine andere Anzahl von Ereignissen erbringt als ein Interview (Hammen, Marks, Mayol, & demayo, 1985; Simons, Angell, Monroe, & Thase, 1993). Möglicherweise genügt jedoch auch das bloße Erleben 207

208 Kapitel 9: Diskussion von bestimmten Ereignissen, um durch eine Konfrontation mit den eigenen unpassenden Schemata (siehe Loevinger, 1976) Persönlichkeitsreife anzustoßen. Besonders relevant für die selbstbezogene Weisheit scheinen Erfahrungen in sozialen Beziehungen zu sein. Im Vergleich dazu erwiesen sich Erlebnisse organisatorischer Art als signifikant schlechtere Prädiktoren selbstbezogener Weisheit. Ereignisse in sozialen Beziehungen, wie sie in den Oberbereichen Kindheit/Jugend sowie enge Beziehungen enthalten sind, scheinen also eine große Rolle im Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit zu spielen. Dies lässt sich möglicherweise darauf zurückführen, dass soziale Aspekte zentral für die Kriterien der selbstbezogenen Weisheit sind. So wird in den Basiskriterien das Wissen sowie der Umgang mit sozialen Beziehungen betont, und in den Metakriterien geht es um die Beachtung der Sichtweisen anderer und darum, die eigene Person in den Kontext von sozialen Beziehungen zu setzen. Es ist gut möglich, dass Ereignisse aus dem Oberbereich enge Beziehungen, der Ereignisse wie den Verlust eines Partners oder eine intensive Auseinandersetzung mit einer Freundin beinhaltet, Personen die Wichtigkeit sozialer Beziehungen oder die Sichtweisen anderer verdeutlichen. Der zweite soziale Oberbereich, Kindheit/Jugend, enthält neben dem prädominanten sozialen Aspekt noch einen anderen Aspekt von Lebensereignissen: Den Auftretenszeitpunkt in der Lebensgeschichte (siehe auch Filipp, 1990). Die Ereignisse aus diesem Oberbereich sind hier vorwiegend in Kindheit und Jugend erlebt worden. Der positive Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit spricht gegen Befunde, die eine traumatisierende Wirkung bei Erlebnissen im Kindesalter finden (Benjamin, Costello, & Warren, 1990), beispielsweise in Studien zum Verlust der Eltern durch Scheidung (Amato, 2000) oder Tod (Harris, Brown, & Bifulco, 1986). Diese Ergebnisse werden damit begründet, dass Kinder und Jugendliche weniger Ressourcen besitzen, um mit den Ereignissen umzugehen (Kranzler, 1990). Diese Studien untersuchten jedoch allein auf Adaptivität bezogene Folgen der Lebensereignisse, wie Anpassung und Depressivität. Es wäre denkbar, dass durch spätere Reflexion eines solchen Ereignisses im Erwachsenenalter doch noch Persönlichkeitsreife entsteht. Die Bedeutung von Lebensereignissen aus dem sozialen Bereich hat sich auch bei anderen Persönlichkeitsreifekonzepten gezeigt. So hatten Helson, Mitchell und Moane (1984) festgestellt, dass nach einer Scheidung das psychologische Feingefühl zunahm. Ein weitere Studie hatte gezeigt, dass interpersonelle Komponenten von Erfahrungen besonders erfolgreich in der Förderung von Ego-Entwicklung waren (Oja, 1979). In Studien zur allgemeinen Weisheit zeigte sich, dass klinische Psychologen, die durch ihren Beruf vielfältigen sozialen Ereignissen allerdings vorwiegend anderer Personen - ausgesetzt waren, eine höhere Weisheit besaßen als Personen anderer Berufsgruppen (Smith, Staudinger, & Baltes, 1994; Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998; Staudinger, Smith, & Baltes, 1992). Es scheint weiter so zu sein, dass Lebensereignisse aus dem Bereich Organisatorisches, d.h. Erlebnisse im finanziellen oder beruflichen Bereich, nicht mit selbstbezogener Weisheit zusammenhän- 208

209 Kapitel 9: Diskussion gen. Diese Ereignisse betreffen möglicherweise stärker die tägliche Lebensbewältigung und ermöglichen es eventuell in geringerem Maße, Einsichten über sich zu bilden. Das Leiten eines selbstständigen Betriebes oder die Teilnahme an einem Gerichtsprozess führen nach diesen Ergebnissen nicht unbedingt dazu, reife Verhaltensweisen zu entwickeln oder komplexer über sich selbst zu denken. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass diese Ereignisse sich eher nach außen richten und vielfältige soziale Kompetenzen für ihre Bewältigung erfordern. Dies führt vielleicht nicht unbedingt zu Selbstreflexion und zum Ausbau von Selbsteinsichten. Es wäre auch denkbar, dass diese Ereignisse eher zum Aufbau von allgemeiner Weisheit führen, da sie durch ihre Außenorientierung eher den Erwerb von Wissen über das Leben im Allgemeinen ermöglichen. Insgesamt lässt sich bei den Lebensereignissen schwer sagen, ob sie Antezedenzien der Entwicklung selbstbezogener Weisheit oder aber Korrelate bzw. Folge einer höheren selbstbezogenen Weisheit sind. Nicht alle Lebensereignisse passieren einfach, d.h. widerfahren einer passiven Person, sondern sie werden oft herbeigeführt (z.b. Saudino, Pedersen, Lichtenstein, & McClearn, 1997; Schmitz, Rothermund, & Brandtstädter, 1999). Sicher kann eine Trennung zur Selbstreflexion und zu neuen Erkenntnissen über die eigene Person führen, es kann jedoch auch sein, dass Personen, die eine gewisse Reife erlangt haben mit einer bestimmten Art von Beziehung nicht mehr zufrieden sind, weil sie beispielsweise keinen tiefen Austausch erlaubt und deshalb eine Trennung initiieren (Baumeister, 1994). Unter diesem Blickwinkel ließen sich auch die Ergebnisse des in dieser Studie gefundenen umgekehrt u-förmigen Zusammenhangs zwischen Lebensereignissen und selbstbezogener Weisheit anders interpretieren: Es wäre denkbar, dass Personen mit geringer selbstbezogener Weisheit besonders viele negative Lebensereignisse verursachen. Solche Fragen ließen sich jedoch nur mit Micro- Längsschnittstudien untersuchen, die Personen, die vor bestimmten Entscheidungen bzw. Ereignissen stehen (z.b. Umzug) detailliert begleiten. Abschließend lässt sich für den Bereich der Lebensereignisse zusammenfassen, dass die aufgrund theoretischer Überlegungen aufgestellten Hypothesen weitgehend bestätigt wurden und damit die Konstruktvalidität des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit bekräftigt werden konnte. Es zeigte sich, dass Lebensereignisse ein wichtiger und im Vergleich mit anderen Prädiktoren einer der wichtigsten Prädiktoren selbstbezogener Weisheit waren. Es scheint jedoch optimal zu sein, eine mittlere Anzahl von Lebensereignissen erfahren zu haben, möglicherweise können zu viele Ereignisse nicht mehr verarbeitet werden. Vor allem Ereignisse sozialer Art scheinen mit selbstbezogener Weisheit zusammen zu hängen, während organisatorische Ereignisse wenig Relevanz besitzen. 209

210 Kapitel 9: Diskussion Der Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und Werten Für den Bereich der Werte zeigt sich hypothesenkonform, dass selbstbezogene Weisheit signifikant stärker mit selbsttranszendenten Werten, wie sozialen und universellen Werte zusammenhängt als mit selbstbezogenen Werten, wie Macht, Leistung und Hedonismus. Der nicht-bedeutsame Zusammenhang zwischen Werten wie Genuss, Macht und Leistung und selbstbezogener Weisheit (r = -,09 -,02) impliziert nicht unbedingt, dass Personen mit hoher selbstbezogener Weisheit auf keinen Fall nach diesen Werten streben. Das Ergebnis bedeutet, dass diese Werteausrichtung nicht in systematischem Zusammenhang mit selbstbezogener Weisheit steht. In einer Studie zur allgemeinen Weisheit zeigt sich ein deutlich stärkerer negativer Zusammenhang zwischen Weisheit und Hedonismus (r = -,42) (Kunzmann & Baltes, 2003). Eine mögliche Erklärung für diesen Unterschied könnte sein, dass selbstbezogene Weisheit sich auf das eigene Leben bezieht und daher teilweise auch Kompetenzen der eigenen Lebensbewältigung umfasst (vor allem in den Basiskriterien, siehe Punkt 4.2). Solche Kompetenzen schließen es auch ein, sich um sich selbst zu sorgen und es sich gut gehen zu lassen, wie es in einer mäßigen hedonistische Orientierung erfasst wird, daher scheint es plausibel, dass Hedonismus nicht negativ mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängt. Allgemeine Weisheit hat hingegen wenig mit Kompetenzen der eigenen Lebensbewältigung zu tun. Möglicherweise geht allgemeine Weisheit auch mit einer stark geistigen Orientierung einher und eine solche steht in Konflikt mit hedonistischen Werten (Schwartz, 1992). Anders als mit den selbstbezogenen Werten hing selbstbezogene Weisheit signifikant mit selbsttranszendenten Werten, wie sozialen Motiven (r =,22) (dazu gehören Werte wie Hilfsbereitschaft und wahre Freundschaft) und universellen Werten (r =,17), wie Frieden und Toleranz, zusammen. Diese Werte sind zum Teil in der Definition einiger Kriterien der selbstbezogenen Weisheit enthalten. So ist das Wohl anderer zu achten und sich dafür einzusetzen, ein zentraler Aspekt der Basiskriterien. Die Ergebnisse decken sich mit anderen Studien, die einen Zusammenhang zwischen Persönlichkeitsreife und dem Wert Toleranz, der in den universellen Werten enthalten ist, gefunden hatten (Helson & Roberts, 1994; Helson & Srivastava, 2002; McCrae & Costa, 1980). In einer Studie zur allgemeinen Weisheit (Kunzmann & Baltes, 2003) korrelierten universelle und soziale Werte in vergleichbarer Höhe (r =,17 -,20) wie in dieser Studie. Demnach scheinen Personen mit hoher allgemeiner sowie Personen mit hoher selbstbezogener Weisheit diese Werte zu schätzen. Für die Interpretation, dass der Zusammenhang zwischen selbsttranszendenten Werten und selbstbezogener Weisheit dadurch zustande kommt, dass die Werte in der Definition einiger Kriterien enthalten sind, sprechen auch die Ergebnisse zu differentiellen Korrelationen zwischen Basis- und Metakriterien. Soziale und universalistische Werte klärten zusammen in den Basiskriterien signifikant mehr Varianz auf als in den Metakriterien. Dies steht in Einklang mit der Annahme, dass Werte vor allem in 210

211 Kapitel 9: Diskussion der Definition der Basiskriterien zentral sind, während es in der Definition der drei Metakriterien mehr um Prozesse als um Inhalte geht. Die Bestätigung dieser Hypothese spricht erneut für die Validität des Instruments. Da die Werte nur in der Definition der Basiskriterien enthalten sind, spricht es für die Validität des Instruments, dass sich nur Korrelationen zwischen Basiskriterien und Werten, nicht aber zwischen Metakriterien und Werten finden. Die Ergebnisse im Bereich Werte bestätigen die Hypothesen und deuten damit auf die Validität des Instruments zur Messung selbstbezogener Weisheit hin. Vor allem die stärkeren Zusammenhänge von Werten mit den Basiskriterien im Vergleich zu den Metakriterien scheinen zu zeigen, dass die Definition der Kriterien sich in sinnvollen Zusammenhängen widerspiegelt. Insgesamt scheinen Personen mit höherer selbstbezogener Weisheit soziale und universelle Werte zu schätzen, während Motive wie Macht, Leistung und Genuss weitgehend unabhängig von selbstbezogener Weisheit sind Altersinteraktionen in den Prädiktionsmustern Im Anschluss an die oben diskutierten, für Alter kontrollierten Zusammenhänge, sollen nun noch die Altersinteraktionen besprochen werden, die vor allem in den Bereichen Intelligenz und Lebensereignisse gefunden wurden. In einem abschließenden Absatz werden die Ergebnisse der explorativen Untersuchung der unterschiedlich großen spezifischen Varianzanteile, die die Prädiktorbereiche an der selbstbezogenen Weisheit in den beiden Altersgruppen aufklären, diskutiert und eine Interpretationsmöglichkeit für die differentielle Wichtigkeit der Variablen für ältere und jüngere Erwachsene gegeben Altersinteraktionen in den Intelligenzvariablen Im Bereich der Intelligenz zeigten sich wie erwartet Altersinteraktionen. Fluide Intelligenz besaß für ältere Erwachsene eine größere Bedeutung als für jüngere, der Effekt war jedoch nicht in allen Analysen signifikant, zum Beispiel nicht im multivariaten Kontext der Kommunalitätsanalyse und scheint demnach relativ schwach zu sein. Dieses Ergebnis unterstreicht jedoch noch einmal, wichtig es für die Leistung in selbstbezogener Weisheit ist, ein gewisses Mindestniveau an fluider Intelligenz zu besitzen. Ältere Erwachsene zeigten signifikant geringere fluide Intelligenz als jüngere und vermutlich unterschritten viele das nötige mittlere Mindestniveau. Daher konnten Unterschiede in fluider Intelligenz noch zu einer erhöhten Leistung in selbstbezogener Weisheit beitragen. Bei jüngeren Erwachsenen war hingegen wahrscheinlich das entsprechende Niveau an fluider Intelligenz bei den meisten erreicht, deshalb trugen höhere Werte nicht mehr zu höherer selbstbezogener Weisheit bei. Ähnliche Ergebnisse finden sich in einer Studie, die die Komplexität von Selbstrepräsentationen über die Lebensspanne untersucht (Labouvie-Vief, Chiodo, Goguen, Diehl, & Orwoll, 1995): Fluide Intelligenz war für ältere Erwachsene ein signifikant besserer Prädiktor komplexer Selbstrepräsentationen als für jüngere. In einer Studie zur all- 211

212 Kapitel 9: Diskussion gemeinen Weisheit (Staudinger & Pasupathi, 2003) wurde ebenfalls in einer Gruppe, die im Vergleich zu einer anderen Gruppe eine geringere fluide Intelligenz aufwies (Adoleszente vs. Erwachsene), ein stärkerer Zusammenhang zwischen fluider Intelligenz und der allgemeinen Weisheit gefunden. Auch bei der kristallinen Intelligenz gab es eine Altersinteraktion, der Zusammenhang mit der selbstbezogenen Weisheit war bei jüngeren Erwachsenen stärker als bei den älteren. Dies geht vermutlich, nach derselben Logik wie bei der fluiden Intelligenz, auf das in dieser Studie signifikant niedrigere Niveau an kristalliner Intelligenz bei den jüngeren Erwachsenen zurück. Dieses geringere Niveau ist konsistent mit Befunden der Forschung zu kognitiver Entwicklung über die Lebensspanne, die finden, dass kristalline Kompetenzen nicht vor dem Alter von 50 ihren Höhepunkt erreichen (Schaie, 1996). Auch berichtet Schaie (1990), dass jüngere Kohorten in der Wortflüssigkeit im Nachteil gegenüber älteren Kohorten sind. Die Ergebnisse zu den Altersinteraktionen stimmen mit Befunden aus der allgemeinen Weisheitsforschung überein, die finden, dass für Personen mit geringerer kristalliner Intelligenz (Adoleszente) ein höherer Zusammenhang zwischen kristalliner Intelligenz und allgemeiner Weisheit besteht als für Personen mit höherer kristalliner Intelligenz (Erwachsene) (Staudinger & Pasupathi, 2003) Unterschiedliche Relevanz des Umgangs mit Lebensereignissen Für die Altersinteraktionen im Bereich der Lebensereignisse war erwartet worden, dass für die jüngeren Erwachsenen aufgrund einer geringeren Lebenserfahrung, Lebensereignisse wichtiger für die selbstbezogene Weisheit wären. Insgesamt waren sie dies nicht: Der spezifische Varianzanteil der durch Lebensereignisse an der selbstbezogenen Weisheit aufgeklärt wird, war nicht signifikant unterschiedlich für jüngere und ältere Erwachsene. Es zeigte sich jedoch, dass erlebte Ereignisse für jüngere Erwachsene signifikant wichtiger waren, allerdings waren die Einsichten durch Lebensereignisse für ältere Erwachsene signifikant wichtiger. Das erste Ergebnis entspricht der Hypothese: Jüngere Erwachsene haben noch weniger Ereignisse erlebt und deshalb möglicherweise einen gewissen kritischen Wert an Erfahrungen noch nicht erreicht. Daher spielen Unterschiede in den erlebten Ereignissen bei ihnen eine größere Rolle als bei älteren Erwachsene, die bereits mehr Lebensereignisse gesammelt haben diese unterschiedliche Lebenserfahrung zeigt sich in dieser Studie an einem signifikanten Mittelwertsunterschied in den erlebten Ereignissen. Dass die Einsichten durch Lebensereignisse für ältere Erwachsene bedeutsamer sind als die erlebten Ereignisse, scheint auch plausibel: Bei einem gewissen Erfahrungsschatz kommt es in einem höheren Lebensalter möglicherweise vorwiegend darauf an, diese Erfahrung zu verarbeiten und zu reflektieren in den Einsichten durch Lebensereignisse haben auch die meisten der älteren Erwachsenen vermutlich noch kein optimales Niveau erreicht (dafür spricht der geringere Mittelwert in den Einsichten im Vergleich zu den erlebten Ereignissen). Erstaunlich scheint jedoch auf 212

213 Kapitel 9: Diskussion den ersten Blick, dass für jüngere Erwachsene die Einsichten durch Lebensereignisse weniger wichtig sind als bei den älteren. Sollten nicht, trotz weniger erlebter Ereignisse, die Einsichten durch Lebensereignisse in gleicher Weise wie bei den älteren Erwachsenen mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen? Eine Erklärungsmöglichkeit dafür wäre, dass die Ereignisse im jüngeren Erwachsenenalter auf eine andere Art wirken als im höheren Erwachsenenalter. Es wäre möglich, dass Wachstum der Persönlichkeit hier direkt als Reaktion auf bestimmte Lebensereignisse geschieht und keine längeren Reflexionsprozesse erfordert. Weiter wäre denkbar, dass für jüngere Erwachsene bestimmte, möglicherweise kritische Lebensereignisse, die negativ besetzt sind, noch nicht weit genug entfernt sind, als dass sie bewusst daraus Einsichten hätten gewinnen können, beispielsweise im Sinne einer positiven Reinterpretation (Heatherton & Nichols, 1994; Park, Cohen, & Murch, 1996; Tedeshi & Calhoun, 1995). Damit zusammenhängend könnte es sein, dass ältere Erwachsene aufgrund ihrer Entwicklungsaufgabe der Integrität (Erikson, 1968), besser einschätzen können, welche Ereignisse in ihrem Leben tatsächlich zu Einsichten geführt haben. Das Nachdenken über vergangene Ereignisse ist Teil der Entwicklungsaufgabe des höheren Erwachsenenalters (z.b. Bluck & Levine, 1998; Butler, 1963; Webster & Cappeliez, 1993) und teilweise nimmt im höheren Alter die Erinnerung an Erlebnisse wieder zu und setzt damit erneute Verarbeitungsprozesse in Gang (Kruse & Schmitt, 2000) Differenzielle Wichtigkeit der Prädiktoren innerhalb der Altersgruppen Abschließend soll in Verbindung mit der Diskussion der explorativen Untersuchung der unterschiedlichen spezifischen Varianzanteile, die sich bei älteren und jüngeren Erwachsenen ergeben haben, ein Fazit aus den Altersinteraktionen gezogen werden. In der explorativen Untersuchung zeigte sich, dass die Indikatoren der Persönlichkeitsreife für die älteren Erwachsenen signifikant wichtiger waren als für jüngere. Es ist auch interessant, die Ergebnisse innerhalb der Altersgruppen zu betrachten. Für ältere Erwachsene ist der Bereich der Persönlichkeitsreife mit 18,7% spezifischer Varianz wichtiger in der Vorhersage selbstbezogener Weisheit als alle anderen Bereich, mit Ausnahme der Lebensereignisse. Für jüngere Erwachsene hingegen überwiegt keiner der Bereiche so stark. Kristalline Intelligenz (12,7%) und Lebensereignisse (11,9%) sind die beiden wichtigsten Prädiktoren, im Anschluss folgt erst Persönlichkeitsreife (4,2%), wobei kristalline Intelligenz und Lebensereignisse jedoch jeweils nicht signifikant wichtiger sind als Reife. Insgesamt scheinen bei jüngeren Erwachsenen Unterschiede in selbstbezogener Weisheit vorwiegend aufgrund unterschiedlicher sprachlicher Kompetenzen und anderer Lebenserfahrung zustande zu kommen. Unter älteren Erwachsenen sind die Unterschiede in selbstbezogener Weisheit hingegen vorwiegend durch Unterschiede in anderen Persönlichkeitsreifemaßen zu erklären. Die unterschiedlichen Ergebnisse für die beiden Altersgruppen können möglicherweise, in Analogie zu einer Studie von Staudinger und Pasupathi (2003), als Hinweise auf eine entwicklungsbedingte 213

214 Kapitel 9: Diskussion unterschiedliche Wichtigkeit verschiedener persönlicher Ressourcen und Erfahrungskontexte für den Erwerb und die Ausführung selbstbezogener Weisheit interpretiert werden. Im jüngeren Erwachsenenalter, wenn noch ein geringerer Erfahrungsschatz an verschiedensten Erlebnissen besteht, sind diese sehr wichtig für die selbstbezogenen Einsichten. Auch die Fähigkeit, sich sprachlich auszudrücken und damit zusammenhängend, die verbale Repräsentation von Selbsteinsichten, sind in diesem Alter noch geringer (Schaie, 1996). Da diese Erfahrungshintergründe und Kompetenzen für die selbstbezogene Weisheit wichtig sind (siehe oben), unterscheiden sich Personen mit hoher selbstbezogener Weisheit im jüngeren Erwachsenenalter gerade in diesen Variablen. Im höheren Erwachsenalter sind diese Hintergründe und Kompetenzen meistens in ausreichendem Maße vorhanden. Es könnte sein, dass aus diesem Grund andere Charakteristika entscheidend für den Umgang mit selbstbezogenen Einsichten werden, zum Beispiel, ob eine intensivere Auseinandersetzung mit Lebensereignissen stattgefunden hat, oder ob ein Interesse besteht, sich mit Aspekten des eigenen Lebens und der eigenen Persönlichkeit kritisch auseinander zu setzen und sich überhaupt noch weiter zu entwickeln, wie es in den Indikatoren der Persönlichkeitsreife erfasst wird. Auch die fluide Intelligenz bekommt aufgrund altersabhängiger kognitiver Defizite ein etwas größeres Gewicht, wiegt allerdings im Verhältnis zu anderen Variablen nicht allzu schwer, da diese kognitive, mechanische Basiskompetenz, wie sich in den altersunabhängigen Zusammenhängen gezeigt hat, insgesamt einen nicht allzu großen Effekt auf die selbstbezogene Weisheit ausübt. 9.2 Altersunterschiede selbstbezogener Weisheit Die zweite zentrale Fragestellung dieser Studie war es, Altersunterschiede in der Höhe selbstbezogener Weisheit zu untersuchen. In diesem Abschnitt sollen nun die gefundenen Altersunterschiede interpretiert werden und es soll diskutiert werden, ob möglicherweise Variablen in denen sich ältere und jüngere Personen unterschieden, wie die Bereitschaft Persönliches über sich preiszugeben oder die Länge der Antworten auf die selbstbezogene Weisheitsaufgabe, zu diesem Altersunterschied beigetragen haben Jüngerer Erwachsener erzielen höhere Werte in den Metakriterien Ältere Erwachsene zeigten insgesamt eine signifikant geringere selbstbezogene Weisheit als jüngere. Wenn jedoch Basis- und Metakriterien getrennt betrachtet werden, erzielten ältere Erwachsene jedoch nur geringere Werte in den Metakriterien, während in den Basiskriterien kein Unterschied bestand. Weitere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die niedrigeren Werte der älteren Erwachsenen wie angenommen, zumindest teilweise auf entwicklungsbedingte Veränderungen in Intelligenz und Persönlichkeit zurückgehen. Die älteren Erwachsenen erzielten signifikant geringere Werte in fluider Intelligenz und in 214

215 Kapitel 9: Diskussion Offenheit für Erfahrungen, ein Befund der sich mit dem üblicherweise in diesen Variablen gefundenen Entwicklungsverlauf deckt (McCrae et al., 1999, 2000; Schaie, 1996). Wenn für diese Variablen kontrolliert wurde, war der Unterschied in den Metakriterien nicht mehr signifikant. Dies unterstützt die Annahme, dass die geringere Offenheit und fluide Intelligenz älterer Erwachsener teilweise dazu beitragen, dass sie in ihren Selbstbeschreibungen weniger nach den Ursachen und Kontexten ihres Verhalten suchen (Zusammenhangswissen), sich selbst weniger stark relativieren und negative Aspekte betrachten (Selbstrelativierung) oder die Ungewissheiten des eigenen Lebens anerkennen (Ambiguitätstoleranz). In allen drei Variablen erzielten ältere Erwachsene signifikant geringere Werte. Nach Kontrolle für fluide Intelligenz und Offenheit waren die jüngeren Erwachsenen nur noch in der Selbstrelativierung signifikant besser. Es wurde bereits weiter oben diskutiert, dass ein mittleres Niveau fluider Intelligenz scheinbar eine wichtige Voraussetzung für den Erwerb und die Ausführung selbstbezogener Weisheit ist und dies insbesondere für die Metakriterien. Auch Offenheit für Erfahrungen kann sich positiv auf das Sammeln von selbstbezogenen Einsichten auswirken und ermöglicht vielleicht über die Facette Offenheit für Gefühle eher die Wahrnehmung negativer selbstbezogener Emotionen (Costa, Zonderman, & McCrae, 1991; McCrae & Costa, 1997), die für die Metakriterien zentral sind. Die geringere Ausprägung dieser Variablen bei älteren Erwachsenen könnte so zu ihren niedrigeren Werten in den Metakriterien beitragen. In Studien der allgemeinen Weisheit werden durchgängig keine Altersunterschiede ab dem Erwachsenenalter gefunden (z.b. Maercker, 1995; Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998; Staudinger & Pasupathi, 2003). Ältere Erwachsene zeigten sogar teilweise in dem Metakriterium Umgang mit Ungewissheit, an das das Metakriterium Ambiguitätstoleranz der selbstbezogenen Weisheit angelehnt ist, bessere Werte als jüngere Erwachsene (Staudinger, 1989). Dieser Vergleich mit der allgemeinen Weisheit macht bei genauerer Betrachtung deutlich, dass die geringeren Werte älterer Erwachsener in selbstbezogener Weisheit nicht allein durch ihre geringere fluide Intelligenz und Offenheit für Erfahrungen zu erklären sind: Bei der allgemeinen Weisheit sind diese Variablen in gleicher Weise wichtig, wie bei der selbstbezogenen dort scheinen sie jedoch nicht zu geringeren Leistungen älterer Erwachsener zu führen. Die geringeren Werte älterer Erwachsener, speziell bei der selbstbezogenen im Vergleich zur allgemeinen Weisheit, können daher nicht allein auf Offenheit und fluide Intelligenz zurückgehen, sondern scheinen spezifisch für selbstbezogene Einsichten zu sein. Eine Erklärungsmöglichkeit für die geringeren Einsichten älterer Erwachsener speziell in Bezug auf ihr eigenes Leben wäre die Annahme, dass bestimmte mit Entwicklungsaufgaben zusammenhängende motivationale Veränderungen dazu führen, dass es älteren Erwachsenen vielleicht schwieriger fällt, das in den Metakriterien benötigte relativistische und kontextualistische Denken sowie ein Bewusstsein der Ungewissheit auf das eigene Leben anzuwenden als auf das Leben einer anderen, fiktiven Person, wie 215

216 Kapitel 9: Diskussion es in der allgemeinen Weisheit gefragt ist. So ist es die Entwicklungsaufgabe des höheren Erwachsenenalters, Integrität zu entwickeln, d.h. auf das eigene Leben zurückzuschauen und eine Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem eigenen Lebensverlauf zu zeigen (Erikson, 1988). Dies widerspricht möglicherweise hohen Leistungen in den Metakriterien, die ja eine kritische Betrachtung der eigenen Person und ein Bewusstsein auch über negative Aspekte des eigenen Lebens erfordern. So erzielten ältere Erwachsene vor allem in dem Kriterium Selbstrelativierung geringere Werte als jüngere, auch nach Kontrolle für Offenheit und fluide Intelligenz gerade dieses Kriterium verlangt in besonderem Maße die Bereitschaft zur Selbstkritik. Zwar wird in der Definition des Kriteriums betont, dass trotz der Selbstkritik eine positive Grundhaltung der eigenen Person gegenüber bestehen muss, aber es wäre möglich, dass diese Balance für den überwiegenden Teil der älteren Personen schon zu sehr den eigenen Lebenslauf in Frage stellt. Im jüngeren Erwachsenenalter gilt es im Gegensatz dazu nach Erikson (1988), eine intime Beziehung mit einem anderen Menschen aufzubauen. Dies erfordert es, sich zu öffnen und möglicherweise auch, sich selbst anzupassen und zu verändern dies wäre eine alternative Interpretationsmöglichkeit für die höheren Werte in Offenheit für Erfahrungen im jüngeren Erwachsenenalter. Außerdem werden Personen in einer Situation, in der sie sich intensiv mit einem anderen Menschen auseinander setzen, fortlaufend mit den Perspektiven anderer auf die eigene Person konfrontiert. Durch solche Erfahrungen könnte die Selbstrelativierung gefördert werden. Im Einklang mit dieser Annahme stehen auch weitere Forschungsergebnisse. So urteilen jüngere Erwachsene über das eigene Leben schärfer, als ältere, und üben häufiger Selbstkritik, während ältere Erwachsene eine größere Selbstund Lebensakzeptanz demonstrieren (Dittmann-Kohli, 1995) und ihr Leben sogar als positiver erinnern, als es laut früherer Tagebuchaufzeichnungen war (Kennedy, Mather, & Carstensen, 2004). Dies sind Befunde, die sich mit der geringeren Selbstrelativierung älterer Erwachsener in Verbindung bringen lassen. Jüngere Erwachsene gebrauchen auch Konzepte über innere psychische Prozesse und den Umgang mit sich selbst häufiger als ältere (Dittmann-Kohli, 1995) ein Charakteristikum, welches sich positiv auf das Zusammenhangswissen jüngerer Erwachsener auswirken könnte, in dem es genau darum geht, innere Konflikte zu erkennen und über Ursachen für die eigenen psychischen Prozesse und Eigenschaften nachzudenken. Aus dieser Perspektive scheint es auch plausibel, dass ältere Erwachsene in einem anderen Persönlichkeitsreifemaß, der Ego-Entwicklung, keine geringeren Leistungen zeigen als jüngere (Browning, 1987; Cohn, 1998; Loevinger & Wessler, 1970; McCrae & Costa, 1980), auch nicht in der vorliegenden Studie (Mayer, 2003). Die Ego-Entwicklung verlangt weniger als die selbstbezogene Weisheit eine kritische Betrachtung des eigenen Lebens. Viele der Satzanfänge, die zur Messung der Ego-Entwicklung eingesetzt werden, beziehen sich nicht direkt auf die eigene Person, sondern allgemein auf männliche und weibliche Stereotype oder andere gesellschaftlich relevante Aspekte. Es kommt hier vorwiegend 216

217 Kapitel 9: Diskussion darauf an, dass differenziert geantwortet und auf psychische Hintergründe Bezug genommen wird. Ein solches kritisches und differenziertes Verständnis gesellschaftlicher Zustände steht weniger in Konflikt mit einer positiven Evaluation des eigenen Lebens als das Bewusstsein über negative Aspekte der eigenen Person. Hingegen scheint es plausibel, dass Labouvie-Vief in den stärker selbstbezogenen Maßen der Affekt- und Selbstkonzeptkomplexität, wie in der vorliegenden Studie geringere Werte älterer Erwachsener findet (Labouvie-Vief, 2003; Labouvie-Vief, Chiodo, Goguen, Diehl & Orwoll, 1995; Labouvie-Vief, DeVoe, & Bulka, 1989). Die niedrigeren Werte älterer Erwachsener in den Metakriterien stehen weiterhin im Einklang mit der Annahme, dass im Alter Ressourcen abnehmen (siehe Freund & Riediger, 2003). Die abnehmenden Ressourcen könnten sich auf zwei Wegen schädlich auf die Leistung in den Metakriterien auswirken: Einerseits direkt, andererseits über eine Veränderung der Motivation. Eine direkte Auswirkung abnehmender kognitiver Ressourcen zeigt sich beispielsweise in dem Einfluss, den die geringere fluide Intelligenz älterer Erwachsener auf die Leistung in den Metakriterien hat. Bestimmte kognitiv komplexe Denkprozesse und auch das Verständnis der Aufgabe in der Untersuchungssituation fallen bei geringer fluider Intelligenz schwerer und können so die Leistung in den Metakriterien herabsetzen (siehe Punkt 9.1.4). Ein zweiter Grund, warum die geringere Leistung in den Metakriterien mit geringeren Ressourcen zusammenhängen, könnte die durch einen Mangel an Ressourcen veränderte Zielsetzung einer Person sein. So postuliert die Theorie der selektiven Optimierung mit Kompensation, dass wenn Ressourcen geringer werden, es sinnvoll ist, die Anzahl der Ziele zu reduzieren und an diesen wenigen intensiver zu arbeiten (Baltes & Baltes, 1986). Diese geringere Anzahl an Zielen kann sicher auch Persönlichkeitsreife enthalten. Da Funktionalität im täglichen Leben jedoch die Basis für jedes weitere Ziel darstellt ist es wahrscheinlich, dass dies von den meisten Personen als primäres Ziel gewählt wird. Diese Vermutung deckt sich mit Ergebnissen aus Studien zu Zielen im höheren Erwachsenenalter. Ältere Erwachsene fokussieren sich weniger auf Wachstum der eigenen Persönlichkeit (Ryff, 1995) und verfolgen weniger Ziele im Bereich Selbst (Nurmi, 1992), sondern versuchen Verluste zu vermeiden (Freund & Ebner, im Druck; Hundertmark & Heckhausen, 1994), und der Bereich Gesundheit ist für sie prädominant wichtig (Nurmi, 1992; Staudinger & Schindler, 2004). Im Bereich des Selbst scheinen ältere Erwachsene im Vergleich zu Erwachsenen mittleren Lebensalters eher zu versuchen, ihr Selbstkonzept konsistent zu halten und gegen Änderungen zu schützen, d.h. identitätsassimilative Strategien zu verwenden (Sneed & Whitbourne, 2003). Eine so fokussierte Motivation scheint auch aufgrund der geänderten Zeitperspektive plausibel: Warum sollten Personen nach relativ langwierigem weiteren Wachstum zur Reife streben, wenn sie aller Wahrscheinlichkeit nach noch eine begrenzte Zeit zu leben haben? Auch die Befunde im Rahmen der sozioemotionalen Selektivitätstheorie (z.b. Carstensen, Isaacowitz, & Charles, 1999; Lang & Cars- 217

218 Kapitel 9: Diskussion tensen, 2002) können in diese Richtung interpretiert werden. Die Tatsache, dass Personen mit verkürzter Zeitperspektive eher nach Zielen streben, die emotional bedeutsam für sie sind, könnte als durch das Streben nach Wohlbefinden motiviert interpretiert werden. Die Annahme, dass ältere Erwachsene ihre Ziele stärker auf Funktionalität ausrichten, wird dadurch unterstützt, dass Alter mit diversen adaptiven Veränderungen in der Persönlichkeit einhergeht, wie geringerer Neurotizismus, höhere Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit (für einen Überblick siehe Roberts, Robins, Caspi, & Trzesniewski, 2003) dies war auch in der vorliegenden Studie der Fall. Weiterhin besitzen ältere Erwachsene eine bessere Selbstakzeptanz (Atchley, 1982; Dittmann-Kohli, 1990; Nehrke, Hulicka, & Morganti, 1980) und höherer Lebenszufriedenheit, wenn für Verheiratetsein, Bildung und Einkommen kontrolliert wird (Inglehart, 1990). Weiterhin steigen einige für das tägliche Leben funktionale Aspekte des psychologischen Wohlbefindens, wie Umweltbewältigung, Selbstakzeptanz und Autonomie mit dem Alter an, während Reifeindikatoren wie Sinn im Leben und persönliches Wachstum sinken (Ryff, 1989b; Ryff, 1991; Ryff & Keyes, 1995). Auch Labouvie-Vief (2003) findet, dass ältere Erwachsene häufiger die Strategie der Affekt- Optimierung, eine adaptive Strategie als die reife Strategie der Affekt-Komplexität anwenden. Insgesamt könnten also ältere Erwachsene durch ihre Entwicklungsaufgabe der Integrität und durch geringere Ressourcen dazu motiviert zu sein, das eigene Leben als positiv zu evaluieren und die eigenen Ziele auf Adaptivität zu fokussieren. Eine so geänderte Motivation könnte zu Gedanken über die eigene Person führen, die weniger kritisch und selbstreflexiv sind und sich vorwiegend auf die Aufrechterhaltung von Funktionen richten. Für die Basiskriterien ist dies wahrscheinlich weniger wichtig, da diese als einmal abgespeichertes Wissen, das im Laufe des Lebens über sich gesammelt wird, vermutlich erhalten bleiben, auch wenn die Ziele einer Person sich nicht mehr so stark auf den Bereich Selbst und Wachstum zur Reife richten. Für die Metakriterien hingegen, die fortlaufend eine kritische und komplexe Selbstbetrachtung erfordern, wirkt sich eine zu positive Sicht auf die eigene Person und eine möglicherweise geringere Bereitschaft Ressourcen in die komplexe Betrachtung der eigenen Person zu investieren negativ aus. Hier zeigt sich in besonderem Maße, dass Reife reversibel ist (siehe Punkt 2.1 und Punkt 5.2.1). Bei den Basiskriterien ist diese Reversibilität eventuell weniger stark gegeben. Es scheint einen Trend zu geben, dass ältere Erwachsene in den Basiskriterien einen leichten Vorteil haben: Nach Kontrolle für fluide Intelligenz und Offenheit sind ältere Erwachsene in dem Basiskriterium Selbstwissen signifikant besser als jüngere Erwachsene. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass ältere Erwachsene aufgrund ihres längeren Lebens mehr Zeit hatten, Wissen über sich selbst zu sammeln. Die Ergebnisse scheinen insgesamt die implizite Assoziation von Reife mit höherem Alter zu falsifizieren (z.b. Clayton & Birren, 1980; Holliday & Chandler, 1986) und auch klassischen Wachstumstheorien zu widersprechen, die annehmen, dass Reife erst im höheren Lebensalter erreicht wird (Jung, 218

219 Kapitel 9: Diskussion 1964; Maslow, 1994). Allerdings ist denkbar, dass Personen mittleren Erwachsenenalters, die in dieser Stichprobe nicht untersucht werden konnten, höhere selbstbezogene Weisheit zeigen als jüngere Erwachsene, so dass der Höhepunkt der Persönlichkeitsreife im mittleren Erwachsenenalter liegt. Dies legen die Ergebnisse von Labouvie-Vief und Kollegen nahe, die die höchste affektive Komplexität und Selbstkonzeptkomplexität bei Personen mittleren Lebensalters finden (z.b. Labouvie-Vief, 2003; Labouvie-Vief, DeVoe, & Bulka, 1989; Labouvie-Vief, Chiodo, Goguen, Diehl, & Orwoll, 1995). Die Alterseffekte müssen auch aus einer kontextualistischen Perspektive betrachtet werden: Es sind situative Bedingungen denkbar, unter denen ältere Erwachsene gleich gut abschneiden wie jüngere. So könnte es sein, dass analog zu einer Studie von Staudinger und Baltes (1996a), in der ein innerer Dialog mit einem kritischen anderen die Leistung der älteren Erwachsener in allgemeiner Weisheit erhöht hatte, eine solche Intervention sich positiv auf die Leistung in den Metakriterien auswirkt. Effekte der Aufgabenstellung und der Geburtskohorte könnten ebenfalls bedeutsam sein und werden unten diskutiert. Zunächst soll aber erörtert werden, ob nicht möglicherweise mit der Methode der Erhebung selbstbezogener Weisheit zusammenhängende Aspekte die Leistung älterer Erwachsener in verzerrender Weise herabgesetzt haben Beeinflussen andere Variablen den Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit? In einigen Variablen, die mit der Erhebungsmethode der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen, wie die Tendenz zur Selbstoffenbarung und die Länge der Antworten auf die selbstbezogene Weisheitsfrage, zeigen sich Altersunterschiede. Es stellt sich also die Frage, ob der Altersunterschied in der selbstbezogenen Weisheit ein Methodenartefakt ist und dadurch zu erklären ist, dass ältere Erwachsene durch die verwendete Methode benachteiligt wurden. In den folgenden Abschnitten soll daher der Einfluss von diesen Variablen auf den Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit diskutiert werden Die Tendenz zur Selbstoffenbarung als Reifeindikator Ältere Personen in dieser Studie tendierten signifikant weniger dazu, Persönliches über sich selbst preiszugeben als jüngere, d.h. sie zeigten eine geringere Selbstoffenbarungstendenz (Jourard & Lasakow, 1958). Selbstoffenbarung bzw. offenes Reden über sich selbst ist jedoch eine wichtige Grundlage für die Äußerung von Gedanken über die eigene Person und hängt dementsprechend signifikant mit der selbstbezogen Weisheit zusammen (r =,32). Könnte dies ein möglicher Grund für den Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit sein? Wenn ältere Erwachsene weniger von sich offenbaren, können sie ihre selbstbezogene Weisheit womöglich allein aufgrund der verwendeten Methode, die es verlangt offen über sich selbst zu sprechen, nicht richtig zeigen, auch wenn sie normalerweise eine hohe Selbst- 219

220 Kapitel 9: Diskussion einsicht besitzen. In diesem Fall würde die selbstbezogene Weisheit älterer Erwachsener durch die verwendete Methode unterschätzt. Da die Selbstoffenbarungstendenz jedoch auch mit den meisten anderen Reifevariablen dieser Studie signifikant zusammen hing, scheint es eher plausibel, Selbstoffenbarung als sinnvolles Korrelat selbstbezogener Weisheit zu begreifen. Da die anderen Reifevariablen unter Bedingungen erhoben wurden, die keine große Selbstoffenbarung erforderten (wie z.b. der Ryff-Fragebogen, der Items im Likert-Format enthielt), scheint es unwahrscheinlich, dass der Zusammenhang mit der Tendenz zur Selbstoffenbarung hier aufgrund eines Methodenartefaktes zu Stande kam. Die Ergebnisse scheinen vielmehr darauf hinzuweisen, dass die Tendenz zur Selbstoffenbarung mit Persönlichkeitsreife zusammenhängt. Personen, die eine gewisse Reife erlangt haben, scheuen sich möglicherweise weniger, auch Persönliches von sich preiszugeben als weniger reife Personen, denen es vielleicht wichtiger ist, vor anderen vorteilhaft zu erscheinen. Im Einklang mit dieser Interpretation vertreten verschiedene Wachstumstheoretiker die Auffassung, dass die authentische Darstellung der eigenen Person vor anderen ein wichtiges Merkmal einer reifen Persönlichkeit ist (Fromm, 1947; Horney, 1950; Rogers, 1961). Möglich wäre auch, dass Persönlichkeitsreife durch eine erhöhte Selbstoffenbarungstendenz gefördert wird: Wenn Personen anderen von sich erzählen, profitieren sie vielleicht davon, wie Forschung im psychotherapeutischen Bereich zeigt (Farber, 2003) und können leichter Reife und selbstbezogene Weisheit entwickeln als Personen, die sich nicht öffnen. Aus diesen Gründen wird Selbstoffenbarung hier nicht als verzerrende Variable gewertet, die den Altersunterschied in der selbstbezogenen Weisheit aufgrund der Erhebungsmethode artifiziell hervorgerufen hat Antwortlänge als bedeutsames Korrelat selbstbezogener Weisheit Ältere und jüngere Personen unterschieden sich in der Länge ihrer Antworten auf die selbstbezogene Weisheitsaufgabe: Ältere Erwachsene redeten signifikant kürzer. Da die Protokolle die Basis für die Bewertung der selbstbezogenen Weisheit sind und die Protokolllänge mit r =,55 substantiell mit selbstbezogener Weisheit korrelierte, liegt es nahe in den kürzeren Antworten der älteren Erwachsenen einen Grund für ihre geringeren Werte in selbstbezogener Weisheit zu vermuten. Es gibt jedoch zwei Interpretationsmöglichkeiten des Zusammenhangs von selbstbezogener Weisheit und der Protokolllänge. Entweder wird der Zusammenhang als beispielsweise durch einen Rating-Bias erzeugt konzipiert und wäre demnach eine verzerrende Variable oder es wird davon ausgegangen, dass eine längere Antwort auch mehr Möglichkeiten bietet, selbstbezogene Einsichten anzubringen, und eventuell Personen mit weiseren Einsichten längere Antworten gaben, da sie beispielsweise bereits mehr über sich selbst nachgedacht hatten und so mehr zu sagen hatten. Ebenso könnte auch der Altersunterschied in der Protokolllänge und damit zusammenhängend der Unterschied in der selbstbezogenen Weisheit, einerseits in 220

221 Kapitel 9: Diskussion verfälschender Weise durch Aspekte der Untersuchungssituation oder der Erhebungsmethode verursacht sein, andererseits jedoch auch durch bedeutsame Variablen, wie Intelligenz und Offenheit für Erfahrungen erklärbar sein. Die Ergebnisse scheinen eher die zweite Interpretationsmöglichkeit nahe zu legen. Die gefundene unterschiedlich hohe Korrelation der Protokolllänge (r =,34 -,46) mit den einzelnen Weisheitskriterien könnte als Hinweis darauf interpretiert werden, dass kein genereller Rating-Bias vorlag. Wenn Rater längere Protokolle generell positiver beurteilt hätten, sollte sich das in ähnlich hohen Korrelationen über alle Kriterien zeigen. Verschiedene Kontrollvariablen, die sich mit dem Erleben der Untersuchungssituation, wie beispielsweise Schwierigkeiten mit dem lauten Denken befassten, zeigten weder für ältere noch für jüngere Erwachsene signifikante Zusammenhänge mit der Protokolllänge oder selbstbezogener Weisheit. Da jüngere Erwachsene zudem signifikant mehr Probleme mit der Untersuchungssituation und dem lauten Denken berichteten, scheint es unwahrscheinlich, dass diese Variablen zur geringeren Protokolllänge älterer Erwachsener beigetragen haben. Eine weitere Vermutung könnte sein, dass eine geringere Relevanz des Themas der Aufgabe (Freundschaft) bei den älteren Erwachsenen zu kürzeren Antworten und darüber zu geringerer selbstbezogener Weisheit beigetragen haben könnte. Dies schien jedoch nicht der Fall zu sein, denn es gab keinen signifikanten Altersunterschied in der Wichtigkeit von Freundschaften und Anzahl der Freunde, und diese Variablen zeigten auch keine signifikanten Zusammenhänge mit der selbstbezogenen Weisheit. Allerdings empfanden ältere Erwachsene signifikant weniger positive und negative Emotionen im Bereich Freundschaft, als jüngere. Dies scheint jedoch weniger spezifisch für den Bereich Freundschaft zu sein, sondern vielmehr die generelle Tendenz älterer Erwachsener widerzuspiegeln, weniger positive und negative Emotionen zu empfinden, ein Ergebnis, das sowohl in dieser Studie in den Unterschieden in Neurotizismus (negative Emotionen) und Extraversion (positive Emotionen), als auch in anderen Untersuchungen gefunden wurde (weniger negative Emotionen finden z.b.: Gross et al., 1997; eine Abnahme von Neurotizismus und Extraversion finden z.b.: Roberts, Robins, Caspi, & Trzesniewski, 2003). Auch wenn demnach die geringeren negativen Emotionen älterer Erwachsener hier nicht auf die Aufgabe zurückgeführt werden, spielen sie doch für die Länge der Antworten auf die selbstbezogene Weisheitsaufgabe eine Rolle: Sie korrelierten signifikant positiv mit der Protokolllänge. Der positive Zusammenhang bedeutet, dass Personen, je mehr negative Emotionen in Freundschaften sie erlebt hatten, umso länger auf die Frage antworteten, wie sie selbst als Freund/in seien. Möglicherweise stellen negative Emotionen teilweise den Stoff bereit, über den erzählt wird, im Sinn eines therapeutischen Sprechens über die eigenen Probleme (siehe z.b. Glover, 2001; Vivona, 2003). Ein Grund für die kürzeren Protokolle älter Erwachsener scheint nach diesen Ergebnissen zu sein, dass sie weniger negative Emotionen im Bereich Freundschaft empfinden. Da negative Emotionen im Bereich Freundschaft jedoch 221

222 Kapitel 9: Diskussion nicht mit der Höhe der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen, scheinen sie ein Grund für die Varianz in der Protokolllänge zu sein, der die nicht durch selbstbezogene Weisheit erklärte Variation betrifft: Negative Emotionen im Bereich Freundschaft klärten über selbstbezogene Weisheit hinaus signifikant Varianz der Protokolllänge auf. Die Interpretation von Protokolllänge als sinnvoller Indikator selbstbezogener Weisheit wird weiter unterstützt von den signifikanten Zusammenhängen mit Variablen, die auch mit selbstbezogener Weisheit zusammenhängen und die den Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit erklären. So korrelierte die Protokolllänge signifikant mit Offenheit für Erfahrungen (r =,27) und fluider Intelligenz (r =,30), und diese beiden Variablen trugen signifikant zur Aufklärung des Altersunterschiedes in der Protokolllänge bei. Dass Intelligenz und Offenheit sowohl die Signifikanz des Altersunterschiedes in der selbstbezogenen Weisheit und die des Unterschiedes in der Protokolllänge aufheben, bedeutet, dass der Unterschied in der Protokolllänge teilweise aus denselben Gründen entsteht, wie der Unterschied in selbstbezogener Weisheit. Dies wiederum lässt sich als Hinweis auf einen sinnvollen Zusammenhang zwischen Protokolllänge und selbstbezogener Weisheit interpretieren. Offenheit und fluide Intelligenz tragen allerdings auch über die selbstbezogene Weisheit hinaus zur Erklärung des Altersunterschieds in der Protokolllänge bei. Unter den mit der Protokolllänge zusammenhängenden Variablen Alter, Offenheit, fluide Intelligenz und negative Emotionen im Bereich Freundschaft klärt die selbstbezogene Weisheit mit 21,3% den größten Anteil spezifischer Varianz auf. Alter hat mit 1,1% nur noch einen verschwindend geringen Anteil. 28 Studien zur Ego-Entwicklung und zur allgemeinen Weisheit zeigen ebenfalls Zusammenhänge mit der Wortanzahl der verwendeten Maße. So fanden Cohn und Westenberg (2004) in einer Metanalyse, dass der Ego-Level in 10 Studien signifikant mit der Anzahl der Wörter in den Satzergänzungen im Mittel mit r =,52 zusammenhing. Auch in Studien zur allgemeinen Weisheit gibt es Hinweise, dass die Wortanzahl mit der Weisheitsleistung zusammenhängt, allerdings nur auf Gruppenebene. So fand Böhmig-Krumhaar (1998), dass Teilnehmer einer Gruppe, die einer experimentellen Intervention unterzogen wurde, höhere weisheitsbezogene Leistungen erbrachten und auch längerer sprachen. In einer anderen Studie erzielten klinische Psychologen höhere weisheitsbezogene Werte und hatten im Mittel doppelt so lange Protokolle, wie die Vergleichsgruppe (Smith, Staudinger, & Baltes, 1994). Es wurden jedoch keine Altersunterschiede in der Protokolllänge gefunden (Baltes, Staudinger, Maercker, & Smith, 1995; Smith, Staudinger, & Baltes, 1994; Staudinger, Smith, & Baltes, 1992). Allerdings wird auch in 28 Allerdings lässt sich nie mit vollständiger Sicherheit entscheiden, ob doch Bewertung der selbstbezogenen Weisheit durch die Protokolllänge im Sinne einer zu positiven Beurteilung längerer Protokolle beeinflusst wurde. Es existiert keine Bewertung selbstbezogener Weisheit, die unabhängig von den Protokollen wäre, daher lässt sich die Bewertung der selbstbezogenen Weisheit nicht von der Protokolllänge trennen. Aufgrund der substantiellen Korrelation zwischen beiden Variablen sind Aussagen wie der Prozentsatz der Varianz, der Protokolllänge, der durch die selbstbezogene Weisheit vorhergesagt wird, streng genommen rekursiv. 222

223 Kapitel 9: Diskussion diesen Studien kein Altersunterschied in der allgemeinen Weisheitsleistung gefunden. Diese Ergebnisse falsifizieren zumindest nicht die Interpretation, dass die Protokolllänge sinnvollerweise mit der gemessenen Weisheitsleistung zusammenhängt, sie verweisen im Grunde nur auf die auch bei der allgemeinen Weisheit bestehende und nicht von der Weisheitsleistung zu trennende Kovariation zwischen Protokolllänge und Weisheit: Die älteren Erwachsenen redeten im Paradigma der allgemeinen Weisheit genauso lange wie die jüngeren und erzielten gleich gute Weisheitsleistungen, in der selbstbezogenen Weisheit redeten sie kürzer und erzielten geringere Werte in der selbstbezogenen Weisheit. Zusammenfassend lässt sich über die Analyse der Möglichkeiten einer Beeinflussung der Protokolllänge durch verfälschende Variablen sagen, dass ein Rater-Bias, sowie Einflüsse der Untersuchungssituation weitgehend ausgeschlossen werden können. Auch die Relevanz des Themas der Aufgabe scheint nicht unbedingt zu der kürzeren Protokolllänge von älteren Erwachsenen beigetragen zu haben, wohl aber die geringeren negativen Emotionen, die ältere Erwachsene in diesem Bereich erleben. Da diese jedoch wiederum nicht signifikant mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängen, kann dies nicht, etwa mediiert über die Protokolllänge, zum Altersunterschied in der selbstbezogenen Weisheit beigetragen haben. Es scheint dagegen so, dass Intelligenz und Offenheit für Erfahrungen, die Variablen die auch den Altersunterschied in der selbstbezogenen Weisheit erklären, auch den Altersunterschied in der Protokolllänge aufklären. Dies legt die Interpretation nahe, dass die Protokolllänge sinnvollerweise mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängt. Dafür spricht auch, dass die selbstbezogene Weisheit auch nach Kontrolle diverser Variablen noch einen substantiellen und den größten Anteil der Varianz der Protokolllänge aufklärt. 9.3 Begrenzungen und Relativierungen der Studie In diesem Teil sollen einige wichtige Relativierungen der Ergebnisse und alternative Interpretationsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Dazu gehören die Beschaffenheit der Stichprobe und die Frage, ob die Altersunterschiede nicht auf Kohorteneffekte zurückgehen. Weiterhin soll diskutiert werden, welchen Einfluss die Art der Aufgabe auf einige Zusammenhänge gehabt haben könnte Beschaffenheit der Stichprobe Einige erste Begrenzungen dieser Studie, die bei der Interpretation der Ergebnisse beachtet werden sollten, betreffen die Beschaffenheit der Stichprobe. Für den ersten Teil der Fragestellungen, die Validierung des Instruments, ist vor allem die nicht kontinuierliche Altersverteilung bzw. das fehlende mittlere Lebensalter in der Stichprobe beachtenswert. Durch die Kontrolle des Alters für die Berechnung aller Zusammenhänge zwischen selbstbezogener Weisheit und anderen Prädiktoren wurde versucht sicher- 223

224 Kapitel 9: Diskussion zustellen, dass einzelne signifikante Zusammenhänge zwischen selbstbezogener Weisheit nicht nur aufgrund signifikanter Altersunterschiede in diesen Variablen zustande kommen. Die für Alter kontrollierten Werte erschweren jedoch den Vergleich mit anderen Studien zur Persönlichkeitsreife und allgemeiner Weisheit, in denen üblicherweise, da eine gleichmäßige Altersverteilung vorherrscht, nicht für Alter kontrolliert wird (z.b. Loevinger & Wessler, 1970; McCrae & Costa, 1980; Staudinger, Lopez, & Baltes, 1997; Staudinger, Maciel, Smith, & Baltes, 1998; Staudinger & Pasupathi, 2003, für eine Ausnahme siehe Kunzmann & Baltes, 2003). Für einen besseren Vergleich müsste daher eine Untersuchung mit kontinuierlicher Altersverteilung durchgeführt werden. Weiter ist anzumerken, dass es sich um eine Stichprobe mit einem größeren Prozentsatz von Personen höheren Bildungsniveaus handelt, auch wenn versucht wurde, einen Teil von Probanden mit niedrigerem Bildungsniveau zu rekrutieren. Es wäre möglich, dass bei einer Stichprobe mit einem größeren Prozentsatz von Teilnehmern mit niedrigerem Bildungsniveau bestimmte Zusammenhänge anders ausfallen würden. So könnte man erwarten, dass kristalline Intelligenz bei Personen niedrigeren Bildungsniveaus eine größere Rolle in der Vorhersage selbstbezogener Weisheit spielt. Darauf verweisen auch Ergebnisse in dieser Stichprobe, die zeigen, dass kristalline Intelligenz bei Personen ohne Abitur deutlich höher mit selbstbezogener Weisheit korreliert (r =,48) als bei Personen mit Abitur (r =,21). Abgesehen vom Bildungsniveau muss von einer Selbstselektion der Stichprobe ausgegangen werden, in dem Sinne, dass nur Personen, die sich für das Thema Persönlichkeitsentwicklung über die Lebensspanne interessieren, teilgenommen haben (vgl. Rosenthal & Rosnow, 1975). Es ist allerdings in jeder psychologischen Studie schwer, Personen zu erreichen, die nicht gerne an Studien teilnehmen (Bortz & Döring, 1995). Eine weitere Spezifität der Stichprobe betrifft die Erhebung in Ostdeutschland. Es ist möglich, dass die unterschiedliche Prägung durch verschiedene politische Systeme und die damit einhergehende Kultur (Schwartz, 2004) sich auf die Psyche auswirkt (siehe z.b. Inkeles, 1997; Shweder, 2001). So wäre es generell möglich, dass andere Verhaltens- und Denkweisen, wie Bescheidenheit, Hilfsbereitschaft, Freiheit und Hedonismus in verschiedenen gesellschaftlichen Systemen unterschiedlich bewertet werden und sich auch dementsprechend auf die Prävalenz eines solchen Verhaltens (Triandis, McCusker, & Hui, 1990) und darüber hinaus möglicherweise auch auf Mittelwertsunterschiede in der selbstbezogenen Weisheit auswirken. Möglicherweise könnte die politische Kultur der DDR als stärker kollektivistisch und autoritär bezeichnet werden (Strohschneider, 1996). Eine kollektivistische Kultur tendiert zu kontextuellen Selbstbeschreibungen (Cousins, 1989), eine autoritäre zu geringerer Offenheit (Hofstede, 1980). Damit im Einklang fanden Angleitner und Ostendorf (2000; zitiert in Hofstede & McCrae, 2004), dass in Ostdeutschland im Vergleich zu Westdeutschland geringere Offenheit für Erfahrungen besteht. Mögliche Auswirkungen auf die selbstbezogene Weisheit sind jedoch schwer vorherzu- 224

225 Kapitel 9: Diskussion sagen, da sowohl die durch kollektivistische als auch die durch individualistische Kulturen geförderten Eigenschaften für die selbstbezogene Weisheit negative und positive Aspekte beinhalten beispielsweise Hilfsbereitschaft vs. Konformität in kollektivistischen, und Freiheit vs. Hedonismus in individualistischen Kulturen Alters- vs. Kohorteneffekte Die Interpretation des zweiten Teils der Fragestellungen ist von einer anderen Begrenzung der Studie betroffen. Durch das querschnittliche Design sind keine gesicherten Schlüsse darüber möglich, dass die Alterseffekte tatsächlich auf das chronologische Alter zurückgehen. Es wäre auch denkbar, dass die Ergebnisse Kohorteneffekte widerspiegeln. Das würde bedeuten, dass die Unterschiede zwischen den Altersgruppen darauf zurückzuführen wären, dass die Personen unterschiedlichen Generationen entstammen und unterschiedliche historische Zeiten erlebt oder eine andere Erziehung erhalten haben (vgl. Baltes, Reese, Lipsitt, 1980; Baltes, Reese, & Nesselroade, 1988). So ist bei der vorliegenden Stichprobe zu bedenken, dass die Teilstichprobe der älteren Erwachsenen teilweise als Kinder den Krieg miterlebte. Dies könnte ein einschneidendes Erlebnis sein, das die Generation von nachfolgenden unterscheidet (vgl. Elder, 1999). Eine mögliche Wirkung eines solchen Ereignisses auf die selbstbezogene Weisheit könnte in verschiedene Richtungen gehen. Es wäre möglich dass die Konfrontation mit dieser Extremsituation dazu führt, dass Personen stärker über bestimmte Aspekte der eigenen Personen reflektieren und dadurch Wachstum erleben (siehe z.b. Filipp, 1999; Park, 1999; Tedeschi & Calhoun, 1995). Andererseits wäre auch denkbar, dass ein solches Trauma wie beim posttraumatischen Stresssyndrom eher zu einer Verdrängung führt (Karon & Widener, 1997) und Personen sich dadurch eher weniger mit der eigenen Person beschäftigen. Auch kann dies zu Schwierigkeiten mit zwischenmenschlicher Intimität führen (Cook, Riggs, Thompson, Coyne, & Sheikh, 2004), die eine zentrale Komponente selbstbezogener Weisheit ist. Es bleibt also offen, ob und wie sich dieses Lebensereignis auf die selbstbezogene Weisheit auswirkt. Ein weiterer Aspekt der historischen Situation, der die beiden untersuchten Generationen, aber auch die Teilnehmer innerhalb der Generationen voneinander unterscheidet, ist das Leben im politischen System der DDR. Von den älteren Erwachsenen sind die jüngeren (die 60jährigen) fast vollständig in der DDR aufgewachsen, die älteren (die 80jährigen) haben vorher, das totalitäre System des nationalsozialistischen Deutschland erlebt. Die jüngeren unter den älteren Erwachsenen traf die Wende in einer anderen Lebensphase als die älteren. So ist es wahrscheinlich, dass unter den heute 60jährigen einige ihre Arbeit aufgrund der Wende verloren haben (siehe Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, 2004), während die heute 80jährigen damals bereits kurz vor dem Renteneintritt standen. Dies könnte zu erhöhter Bitterkeit und negativem Selbstkonzept bei den 60jährigen geführt 225

226 Kapitel 9: Diskussion haben (Paul & Moser, 2001; Wacker & Kolobkova, 2000), allerdings auch zu Anstößen und Zeit für Selbstreflexion. Auch unter den jüngeren Erwachsenen gibt es in dieser Hinsicht Unterschiede. Die jüngeren unter ihnen (die 20jährigen) haben die Wende als Kinder erlebt und wurden von dem System wahrscheinlich nicht in dem Maße geprägt wie die älteren (40jährigen), die teilweise eventuell ihre Berufsausbildung schon abgeschlossen hatten (vgl. Heckhausen, 1999). Diese Generationenunterschiede könnten sich also sehr differentiell für jüngere und ältere der jüngeren und älteren Erwachsenen auswirken und es ist schwer zu sagen, in welche Richtung mögliche Effekte auf die selbstbezogene Weisheit gehen würden. Ein weiterer Unterschied, der zu Differenzen in der selbstbezogenen Weisheit in beiden untersuchten Generationen geführt haben könnte, betrifft die sich über die Zeit ändernden Erziehungsgewohnheiten und die gesellschaftlichen Einstellungen zu Themen wie Selbstreflexion. Die Erziehung der älteren Generation war möglicherweise strenger und mehr auf Konformismus und Anpassung an die bestehenden Umstände ausgerichtet (Truluck & Courtenay, 2002). Dies wurde vielleicht durch die damals in Deutschland vorherrschenden totalitären Systeme noch verstärkt. Eine solche Erziehung und ein entsprechendes gesellschaftliches Umfeld wirken einer Selbstreflexion und Betonung der Individualität entgegen (Truluck & Courtenay, 2002) und führen eher zu Autoritarismus, der negativ mit Persönlichkeitsreife zusammenhängt (Browning, 1983; 1987). Über sich selbst mit anderen zu sprechen und über das eigene Leben nachzudenken ist heutzutage deutlich mehr akzeptabel oder erwünscht als es früher war (Ryff, 1984). Diese Tendenz könnte auch Grund für die geringere Bereitschaft älterer Erwachsener sein, sich selbst zu offenbaren und Persönliches über sich zu erzählen. Dieser Generationenunterschied wirkt sich wahrscheinlich auf die selbstbezogene Weisheit deutlich stärker aus als auf die allgemeine Weisheit. Gute Ratschläge geben zu können und weise zu sein ist ein Ideal, dass schon seit dem Altertum besteht (siehe Assmann, 1991). Diese Differenz könnte neben den oben angesprochenen unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben jüngerer und älterer Erwachsener eine alternative Erklärung für den Altersunterschied in selbstbezogener Weisheit und den nicht vorhandenen Altersunterschied in der allgemeinen Weisheit sein. Insgesamt lässt sich zu der Möglichkeit von Kohorteneffekten festhalten, dass es vielfältige historische und gesellschaftliche Einflüsse gibt, die die untersuchten Generationen in ihrer Entwicklung von selbstbezogener Weisheit beeinflusst haben könnten. Die Richtung dieser Unterschiede lässt sich aber schwer vorhersagen und wäre empirisch nur durch Längsschnittstudien zu klären Die Bedeutung der Aufgabe zur Messung selbstbezogener Weisheit Eine Einschränkung der Studie betrifft die verwendete Aufgabe zur Erhebung der selbstbezogenen Weisheit. Diese erfasst selbstbezogenes Wissen, wie es sich in einem Teilbereich des Selbst, dem 226

227 Kapitel 9: Diskussion Bereich Freundschaft, abbilden kann. Durch die Ergebnisse der Kreuzvalidierung mit einer anderen Aufgabe wird jedoch nahe gelegt, dass sich die selbstbezogenen Einsichten einer Person auch in anderen Themenbereichen wieder finden. Die Kreuzvalidierung zeigt, dass die Kriterien über die Aufgabe hinaus Varianz aufklären, d.h. die Ausprägung der fünf Kriterien bei einer Person bildet sich also auch in einem anderen Selbstbereich ab. Wichtig ist dabei aber anzumerken, dass auch die zur Kreuzvalidierung verwendete Aufgabe mit dem Thema Umgang mit Fremden einen sozialen Bereich betraf. Das bedeutet, dass keine Aussagen darüber getroffen werden können, ob die Kriterien auch in einem nichtsozialen Bereich konsistent bleiben. Selbstbezogene Weisheit ist andererseits ein essentiell soziales Konstrukt. Die meisten der Kriterien enthalten soziale Aspekte, wie die Rücksichtnahme auf andere, die Beachtung der Perspektive anderer. Viele dieser Aspekte könnten mit einer nicht-sozialen Aufgabe möglicherweise schwer angesprochen werden. Dennoch sollte es ein weiterer Schritt der Validierung des Instruments sein, in zukünftigen Studien die Konsistenz der Kriterien an anderen Aufgaben zu ü- berprüfen. Auf den sozialen Aspekt der Aufgabe bezieht sich eine weitere Relativierung, die im Hinblick auf verschiedene gefundene Prädiktionsmuster getroffen werden muss. Verschiedene Ergebnisse wurden als auf den sozialen Aspekt der selbstbezogenen Weisheit zurückgehend interpretiert, so zum Beispiel der Zusammenhang mit Verträglichkeit, mit den sozialen Lebensereignissen und mit sozialen Werten. Die Relevanz dieser Prädiktoren könnte allerdings auch durch die soziale Art der Aufgabe erklärbar sein. Andererseits deuten die differentiellen Ergebnisse zu Basis- und Metakriterien darauf hin, dass die Zusammenhänge doch mit dem Inhalt der Definition der Kriterien zu tun haben. So ist der soziale Aspekt der selbstbezogenen Weisheit besonders stark in den Basiskriterien vertreten (die Sorge für andere, der Aufbau tiefer sozialer Beziehungen), und Verträglichkeit und soziale Werte hängen stärker mit den Basiskriterien zusammen als mit den Metakriterien - wäre die Aufgabe der alleinige Grund für den Zusammenhang mit den sozialen Werten, sollten alle Kriterien gleich stark mit ihnen zusammenhängen. Dies spricht dafür, den Zusammenhang zwischen selbstbezogener Weisheit und sozialen Aspekten inhaltlich zu interpretieren und nicht über den sozialen Aspekt der Aufgabe. Die Art der Aufgabe ist auch in Hinblick auf die gefundenen Altersunterschiede zu evaluieren. In Studien zur allgemeinen Weisheit hatte sich gezeigt, dass Personen bessere weisheitsbezogene Leistungen bringen, wenn die verwendeten Aufgaben an ihre Altersgruppe angepasst waren oder die in der Aufgabe beschriebene Person gleichen Alters war (z.b. Smith & Baltes, 1990; Staudinger, Smith, & Baltes, 1992). Es wäre möglich, dass die hier verwendete Aufgabe zum Thema Freundschaft den jüngeren Probanden näher lag als den älteren. Dagegen sprechen die Befunde, dass ältere und jüngere Erwachsene den Lebensbereich Freundschaft als gleich wichtig beurteilten und eine nicht signifikant unterschiedliche Anzahl enger Freunde berichteten. Allerdings könnte argumentiert werden, dass älte- 227

228 Kapitel 9: Diskussion ren Erwachsenen möglicherweise Freunde ebenso wichtig sind wie jüngeren, dass sie jedoch nicht mehr so stark über sich selbst in diesem Bereich nachdenken. Diese Interpretation stände im Einklang mit Befunden von Nurmi (1992), dass unter älteren Erwachsenen (55-64) 0% Befürchtungen im Bereich Freundschaft äußerten, während es unter den 19-24jährigen 18% und unter den 25-34jährigen immerhin noch 5,7% waren. Hinzu kommt, dass üblicherweise die Dauer der Freundschaften mit dem Alter zusammenhängt (Lang & Carstensen, 1994). So bestanden auch in der vorliegenden Arbeit in der Gruppe der älteren Erwachsenen die Freundschaften bereits sehr lange (im Mittel zwischen 21 und 44 Jahren). Da angenommen wird, dass eher neue und überraschende Aspekte des Lebens Anlass zu Selbstreflexion geben (z.b. Loevinger, 1976; Schütz & Luckmann, 1979; Staudinger, 2001a; Wollheim, 1984), wäre es möglich, dass ältere Erwachsene weniger über sich selbst im Bereich Freundschaft reflektierten. Der Befund, dass nur bei älteren Erwachsenen die Wichtigkeit im Bereich Freundschaft mit der selbstbezogenen Weisheit zusammenhängt, könnte weiterhin darauf hindeuten, dass die Relevanz des Themenbereichs der Aufgabe für ältere Erwachsene einen größeren Effekt auf ihre selbstbezogene Weisheitsleistung ausübt als für jüngere. Es wäre daher interessant, Effekte unterschiedlicher Aufgaben für verschiedene Altersgruppen zu untersuchen. 9.4 Zusammenfassung und abschließende Gedanken Die gefundenen Korrelationsmuster entsprechen weitgehend den Hypothesen und deuten auf die Konstruktvalidität des Instruments selbstbezogener Weisheit hin. So entsprechen die Zusammenhänge mit Persönlichkeitsreifekonzepten und die geringen Korrelationen mit Konstrukten der Adaptivität den Vorhersagen zur konvergenten und diskriminanten Validität und damit dem hier vertretenen Reifekonzept. Insgesamt zeigte sich, dass Persönlichkeitsreife die wichtigste Prädiktorgruppe war was dahingehend interpretiert werden kann, dass selbstbezogene Weisheit tatsächlich Persönlichkeitsreife erfasst. Fluide Intelligenz ist in einem gewissen mittleren Maße nötig, um Leistungen in selbstbezogener Weisheit zu erbringen, kristalline Intelligenz scheint jedoch tendenziell etwas wichtiger zu sein. Wichtig scheint es zu sein, eine gewisse Menge an Lebenserfahrung aufweisen zu können und über diese auch reflektiert und Einsichten über sich gewonnen zu haben, wobei zu viele Lebensereignisse möglicherweise die Coping-Kapazitäten von Personen überfordern und dann sogar einen negativen Effekt auf selbstbezogene Weisheit haben können. Schließlich tendieren Personen mit höherer selbstbezogener Weisheit dazu, soziale Werte zu schätzen, aber nicht unbedingt Macht, Leistung und Hedonismus. Insgesamt kann jedoch ein großer Prozentsatz der Varianz (64%) durch die hier verwendeten Prädiktoren nicht aufgeklärt werden. Dies deutet darauf hin, dass selbstbezogene Weisheit nicht allein durch Persönlichkeitsreife, Intelligenz und Lebensereignisse erschöpfend beschrieben ist, sondern dass es darüber hinaus etwas Eigenständiges erfasst. Werden die Altersgruppen getrennt betrachtet, findet sich bei älteren 228

229 Kapitel 9: Diskussion Erwachsenen ein mit der Gesamtgruppe vergleichbares Ergebnis, für jüngere Erwachsene sind jedoch kristalline Intelligenz und Lebensereignisse ebenso wichtige Prädiktoren wie Persönlichkeitsreife. In Bezug auf Altersunterschiede konnte weiter festgestellt werden, dass ältere Erwachsene geringere Werte in den Metakriterien selbstbezogener Weisheit erreichen. Dies kann teilweise, aber nicht ausschließlich, auf die geringeren Niveaus älterer Erwachsener in fluider Intelligenz und Offenheit zurückgeführt werden, und ergibt sich vermutlich aus einem komplexen Zusammenspiel von Entwicklungsaufgaben, altersbedingten Defiziten, die eine Verschiebung der Ziele bedingen, sowie Generationseffekten im Sinne unterschiedlicher Erziehung und gesellschaftlicher Entwicklungen. In den Basiskriterien besitzen sie tendenziell einen Vorteil gegenüber jüngeren Erwachsenen, möglicherweise aufgrund ihrer längeren Lebenserfahrung. Insgesamt lässt sich festhalten, dass das Instrument der selbstbezogenen Weisheit, trotz der diskutierten Einschränkungen, eine reliable und valide Messung von Persönlichkeitsreife darzustellen scheint. Es bietet die Möglichkeit, Weisheit zu erfassen, die sich nicht auf das Leben im Allgemeinen, sondern auf das eigene Leben bezieht, und eröffnet neue Möglichkeiten, Unterschiede in diesen beiden Kompetenzen zu erforschen. Die wichtigsten Hypothesen dieser Studie konnten bestätigt werden, so dass bis auf weiteres von der Validität des Instruments ausgegangen werden kann. Das hier entwickelte Instrument zur Erfassung selbstbezogener Weisheit mittels Protokollen lauten Denkens stellt eine deutlich bessere Möglichkeit dar, tatsächliche Leistung zu erfassen als die bisher eingesetzten Fragebogenmethoden (z.b. Ardelt, 2003; Webster, 2003). Es wäre sicher gut, Messungen selbstbezogener Weisheit durch konkrete Beobachtungen und Befragungen von Vertrauten einer Person zu ergänzen, um zu untersuchen, ob sich die selbstbezogenen Einsichten auch im Verhalten äußern (vgl. Staudinger, im Druck; Oser, Schenker & Spychiger, 1999). Andererseits ist die selbstbezogene Weisheit gerade kein Maß, das das eigentliche Verhalten einer Person erfassen soll, sondern ein Instrument, das Einsichten und Urteile über die eigene Person misst und diese sind schwer beobachtbar. Daher würde eine solche Messung eher ein Korrelat selbstbezogener Weisheit darstellen und keine alternative Messmethode. Ein Thema, das sich durch diese Studie zieht, ist das Verhältnis von Persönlichkeitsreife und A- daptivität. Die Ergebnisse dieser Studie scheinen die relative Unabhängigkeit der beiden Konstrukte nahe zu legen. Reife und Adaptivität könnten als unterschiedliche Entwicklungsrichtungen konzipiert werden, denen Personen in unterschiedlich starkem Maß folgen. Aufgrund der Multidimensionalität und direktionalität von Entwicklung können beide Richtungen, Adaptivität und Reife, parallel verfolgt werden. Allerdings legt das Modell der selektiven Optimierung mit Kompensation (Baltes & Baltes, 1986) nahe, dass Personen Schwerpunkte in ihren Zielen legen. Mit zunehmendem Alter könnte dies der Schwerpunkt auf Adaptivität sein. Entwicklungsverläufe in Persönlichkeitseigenschaften zeigen mit zu- 229

230 Kapitel 9: Diskussion nehmendem Alter Muster von stärker werdenden adaptiven Eigenschaften, wie zunehmende Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit sowie abnehmenden Neurotizismus. Es scheint auch plausibel, dass das Wissen über die eigene Person, das im Laufe des Lebens angesammelt wird, primär den adaptiven Umgang mit dem eigenen Leben betrifft und weniger stark Reifeaspekte. Adaptives Verhalten wird jahrelang verstärkt und ein Leben lang an Erfahrung in dem was funktioniert macht ältere Erwachsene möglicherweise eher zu Experten in Adaptivität als in selbstbezogener Weisheit. Auch in dieser Studie zeigten ältere Erwachsene auf allen eingesetzten Adaptivitätsmaßen, mit Ausnahme der Extraversion signifikant höhere Werte. Selbstbezogene Weisheit hingegen wird nicht so unmittelbar verstärkt und beruht daher wahrscheinlich in höherem Maße auf der Entscheidung der Personen dafür, sich selbst verbessern zu wollen. Es gibt sicher auch Kontexte, in denen Persönlichkeitsreife besonders verstärkt wird, beispielsweise in Gesellschaften, in denen dieses Ideal sehr hoch geschätzt wird, allerdings bleibt die unmittelbare Verstärkung adaptiven Verhaltens wahrscheinlich dennoch stärker. Auch wenn diese Studie einige Fragen bezüglich des Konstrukts selbstbezogener Weisheit beantworten konnte, bleiben viele Punkte offen. Interessant wäre es, Zusammenhänge mit allgemeiner Weisheit zu untersuchen oder die Bedingungen der Entstehung selbstbezogener Weisheit genauer zu erforschen, möglicherweise mittels der Verwendung von Längsschnittsstudien oder quasi-experimentellen Designs, in denen Personen untersucht werden, bei denen zu erwarten ist, dass sie in nächster Zeit kritischen Lebensereignissen (z.b. Umzug) ausgesetzt werden. Auch experimentelle Designs, in denen gezielt bestimmte Variablen, wie beispielsweise die Selbstreflexion gefördert werden, sind denkbar. So wären Kontexte denkbar, in denen die motivationalen Charakteristika älterer Erwachsener, die ein möglicher Grund für ihre geringere selbstbezogene Weisheit sein könnten, teilweise kompensiert würden. Auf dieser Grundlage wären auch Interventionen denkbar, in denen selbstbezogene Weisheit bei Personen, im Sinne der Entwicklung eigener Ressourcen, wie sie in der positiven Psychologie vorgeschlagen wird (z.b. Aspinwall & Staudinger, 2003), gefördert wird. Durch die Verwendung von Längsschnittstudien könnten die gefundenen Altersunterschiede genauer erforscht, und möglicherweise weitere Rückschlüsse über die Ursachen gezogen werden. Das hier entwickelte Instrument der selbstbezogenen Weisheit könnte die Basis für weitere Untersuchungen darstellen. 230

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