Zukunftsfenster in eine disruptive Mobilität

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1 Zukunftsfenster in eine disruptive Mobilität Teil 1: Mobilität in einer vernetzten Welt

2 1. InnoZ-Zukunftsfenster: Disruptive Transformation der Mobilitätswelt

3 Seit zehn Jahren beforscht, begleitet und beschleunigt das InnoZ die Transformation der Mobilitätswelt. Als das InnoZ im Jahr 2006 gegründet wurde, gab es noch kein iphone und kein Free-floating Carsharing. Micro Smart Grids oder 3D-gedruckte Fahrzeuge waren noch Zukunftsmusik. Doch seitdem hat sich viel getan: Carsharing-Angebote sind in Städten alltäglich, die Bundesregierung wünscht sich 1 Million Elektrofahrzeuge auf den Straßen, Mobilitäts-Apps ersetzen Ticketautomaten und erste autonom fahrende Shuttle aus dem Drucker fahren bereits auf dem Berliner EUREF-Campus. Alles deutet darauf hin, dass sich in den nächsten Jahren in der Mobilitätswelt Vieles sehr grundlegend und tiefgreifend ändern wird. Immer mehr Länder und Kommunen liebäugeln damit, ab 2030 nur noch Elektrofahrzeuge zuzulassen. Wenn die Bundesrepublik tatsächlich, wie im Pariser Klimaabkommen versprochen, bis 2050 die CO2-Emissionen um 95 Prozent senken möchte, muss ohnehin ein Umdenken erfolgen. Mit den bisherigen Strukturen werden diese Ziele nicht erreicht. Auch den Autoherstellern ist nicht erst seit Dieselgate klar, dass sich das fossile Zeitalter auch in der Mobilität dem Ende zuneigt. Trotz aller Beharrungstendenzen ist also offensichtlich, dass die Richtung gewechselt werden muss, denn die Probleme, die durch den heutigen Verkehr für uns und für die folgenden Generationen entstanden sind, werden immer bedrohlicher: Der private Autoverkehr war über viele Jahrzehnte weltweit das Maß der Dinge für Freiheit und Wohlstand, ist aber in den letzten Jahrzehnten zur schweren Bürde unseres Ökosystems geworden. Er raubt vielen Menschen auf der Welt - Autofahrer eingeschlossen - ein großes Stück Lebensqualität, bedroht die Gesundheit und gefährdet unsere Ressourcengrundlagen. Steht die Verkehrswende also schon längst vor der Tür? In diesem Bericht möchten wir zeigen, dass bereits heute der Keim der Veränderung erkennbar ist. Dass ein Wandel bevorsteht, lässt sich keineswegs nur anhand von ökologischen Forderungen und Visionen einzelner engagierter Akteure erahnen. Vielmehr ist ein umfassender Wandel die Summe aus technologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tendenzen, die dazu führen werden, dass sich auch die politische Ordnung ändert. Die Menschen werden dann bereit sein, Korrekturen an der Vormachtstellung des Privatautos nicht nur zu akzeptieren, sondern aus Gründen der gesundheitlichen Integrität aktiv zu fordern. Konsequent weiter gedacht wird dies eine disruptive Transformation der Mobilitätswelt mit sich bringen. In dieser Studie werden zwar auch Hindernisse und Blockaden betrachtet, die der Verkehrswende im Weg stehen. Im Fokus steht jedoch die Ermittlung von Erkenntnissen, die zu einem Tipping Point führen, bei dem die Mobilitätswelt komplett neu und im besten Fall nachhaltiger - geordnet wird. 3

4 Für die Wirtschaft eröffnet die Energieund Verkehrswende enorme Potenziale, neue Geschäftsmodelle für digital vernetzte, elektrische Fahrzeuge zu erschließen. Der öffentliche Verkehr kann sich neu erfinden und die Neuorganisation der Mobilitätswelt bietet lokalen Stakeholdern die Chance, mit innovativen Konzepten an der Transformation der Mobilitätsangebote und Infrastrukturen teilzuhaben. Der Umbau zur Smart City im Sinne einer effizienten, aber auch nachhaltigen Organisation der städtischen Energie- und Verkehrsflüsse wird vor allem Megacities entlasten, die angesichts der Dominanz der Autokultur im wahrsten Sinne des Wortes zu ersticken drohen. Aber auch in wenig verdichteten Räumen können innovative Ridesharing- Modelle die Lebensqualität deutlich erhöhen und diese Räume wieder attraktiver für neue Zielgruppen machen. Bisher war die Situation im wahrsten Sinne des Wortes eingefahren. Es erschien aussichtslos, dem Wunsch der Massen nach Freiheit und individueller Mobilität etwas Anderes entgegensetzen zu wollen als das private Automobil. Die neuen Carsharing- und On-Demand-Angebote der letzten Jahre haben aber etwas Entscheidendes in Bewegung gesetzt und zwar die Idee: Öffentlicher und Individualverkehr müssen sich nicht zwangsläufig ausschließen. Intelligent kombiniert können Fahrrad, öffentlicher Verkehr und Shared Mobility im Hinblick auf Komfort, Kosten und Dauer in den Städten eine gleichwertige oder sogar überlegene Alternative zum privaten Auto sein. Dabei gibt es Anzeichen dafür, dass die neue Shared Mobility-Kultur bereits rund um die Welt auch das Mindset der nächsten Generationen verändert hat. Autofahren im Alltag ja - aber ein eigenes Auto? Muss nicht mehr sein. Wenn genügend Angebote zur Verfügung stehen, die eine nahtlose Nutzung aller vorhandenen Verkehrsmittel ermöglichen, wird Mobility as a Service für immer mehr Menschen so attraktiv, dass das eigene Auto in wenigen Jahrzehnten vermutlich ein Relikt aus der Vergangenheit sein wird. 4

5 Allerdings gilt auch hier: Nichts fällt vom Himmel. Die Keime des Wandels sind sichtbar, die Aussichten für eine Green Economy bedeutend, aber die Optionen für eine nachhaltige Zukunft brauchen auch die Transformation in der politischen Ordnung. Im Verkehr gilt wie in kaum einem anderen Politikfeld: Für alles und jeden gibt es Regeln. Ge- und Verbote strukturieren den öffentlichen Raum. Bislang waren hier Änderungen schwierig. Korrekturen, die die Dominanz des privaten Automobils einschränkten waren kaum denkbar. Was ist, wenn sich dies ändert? Die Hinweise verdichten sich, dass die bereits erwähnten Belastungen des massenhaften Automobilverkehrs die Einstellungen der Menschen zu ändern beginnen. Und was passiert, wenn tatsächlich in einer Stadt die Governance des Verkehrs umgestellt wird und die bereits erkennbaren Keime sprießen und wachsen? Dann ändert sich alles. Bildquelle: InnoZ GmbH Willy Brandt: Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten. 5

6 2. Methode und Anknüpfung an den Stand der Forschung

7 Die Zahl der Studien zur Zukunft der Mobilität ist in den letzten 10 Jahren exponentiell gewachsen. Sie lassen sich dabei grob in zwei Gruppen einteilen: Trendanalysen und Szenario-Studien. Bei Trendanalysen werden in der Regel Datenreihen zur Mobilität und zum Verkehrssektor ausgewertet, um über eine Exploration der Daten einschätzen zu können, wie der Trend wohl in Zukunft weiter verlaufen wird. Die Bewertung von Akteuren führt hierbei zu unterschiedlichen Ergebnissen. So können beispielsweise auf Basis demographischer Daten unterschiedliche Aussagen zu der Bevölkerungsentwicklung gemacht werden je nachdem, ob eher eine moderate oder eine starke Migration angenommen wird. In der Regel handelt es sich bei Trendanalysen aber primär um Verlängerungen bestehender Trends in die weitere Zukunft. Demgegenüber bauen Szenario-Studien mehr auf einer partizipativen Erarbeitung von Mobilitätszukünften unter Beteiligung verschiedener Stakeholder auf. Ein wichtiger Schritt bei der Szenario-Technik ist die Bestimmung von sogenannten Schlüsselfaktoren, die je nach Annahme der beteiligten Stakeholder verschiedene Ausprägungen haben. Die Annahmen können sich beispielsweise auf Probleme oder Hemmnisse ( Horror- oder Blockade-Szenario ), aber auch auf wünschbare Entwicklungen ( Best-Case-Szenario ) richten. In unserer Studie haben wir Elemente aus beiden Ansätzen genutzt: Über Daten- und Literaturanalysen sowie über Interviews und Workshops mit Experten wurden relevante Nischenentwicklungen identifiziert und solche ausgewählt, die wir zwar für relativ unsicher, aber zugleich potenziell besonders relevant für eine disruptive Transformation des Mobilitätssystems im Sinne einer Verkehrswende betrachten. Die erste zentrale Frage für die Auswahl der Trends lautete: Welche Nischenentwicklungen haben das Potential, die über Jahrzehnte relativ stabilen Strukturen des Mobilitätsmarkts aufzubrechen? Es ging darum, potenzielle Game Changer zu identifizieren, die den um das private Fahrzeug herum strukturierten Komplex aus automobilbasierten Konsum-, Wohn- und Lebensmustern, spezifischen Wirtschaftsinteressen (insbesondere Fahrzeug- und Zuliefererindustrie, fossile Treibstoffindustrie) und stützenden gesetzlichen Regelungen einerseits und dem ebenfalls (zumindest in Deutschland) stabilen System öffentlicher Verkehrsanbieter andererseits auflösen können. Im zweiten Schritt wurde der Fokus auf solche Trends gelegt, deren zukünftige Ausprägungen noch relativ unsicher sind und die in der Mehrzahl bisheriger Trendstudien nicht im Vordergrund stehen. Ziel war es, spezifische mögliche Ausprägungen dieser heute noch schwachen Signale einer grundlegenden Veränderung in ihren Konsequenzen weiterzudenken. Dazu wurden in weiteren 7

8 Workshops Zukunftsbilder und mögliche Entwicklungspfade erarbeitet. Die so entstandenen Entwicklungspfade sind demnach keine vollständigen Szenarien, die alle möglichen Randbedingungen wahrscheinlicher Zukünfte systematisch variieren. Es sind vielmehr gezielte Gedankenexperimente, die verdeutlichen, wo sich Keime einer grundlegenden Veränderung des Mobilitätsmarkts abzeichnen. In der Vielfalt der Zukunftsszenarien zur Mobilität von Morgen setzen wir Schlaglichter auf Entwicklungen, in denen disruptive Potenziale verborgen liegen. Dieser inhaltliche Fokus bringt besondere methodische Herausforderungen mit sich. Nischenentwicklungen sind nämlich noch weniger vorhersehbar als mittel- oder langfristige Trends, die zum Beispiel über lange Zeitreihen dokumentiert werden können. Nischenentwicklungen können sich potenziell gegenseitig ver- stärken, eigene Pfade ausbilden und schließlich eine disruptive Transformation auslösen oder sich aber auch wieder in Luft auflösen. Wie kann man also überhaupt belastbare Aussagen zu potenziellen Nischenentwicklungen treffen? Und welche Rolle spielen hier Wechselwirkungen mit anderen Nischentrends oder politische, marktwirtschaftliche und gesetzliche Rahmenbedingungen? Abbildung 1: Humankind-Nature-Technology Theme Park auf der Expo 2000, Quelle: Holtmann Messe+Event Hannover 8

9 Dazu sind zunächst drei Fragen zu klären: 1. Welche relevanten Prozesse finden auf Ebene der Nische statt? 2. Welche Nischenentwicklungen könnten zu Disruptionen führen? 3. Wie können disruptive Pfade bestimmt werden? Welche Prozesse finden auf Ebene der Nische statt? Das Mobilitätssystem hat bisher drei systemische Innovationen erlebt: Den Ausbau des Schienennetzes Mitte des 19. Jahrhunderts, die Umstellung auf den elektrischen Betrieb um die Jahrhundertwende und die Ausbreitung des Autos Anfang des 20. Jahrhunderts (Sperling/ Shaheen 1999, S. 2). Um die Jahrtausendwende zeichnete sich die nächste Innovationswelle ab, die dadurch gekennzeichnet ist, dass Informations- und Kommunikationstechnologien Lebenswelten und Verkehrsmittelwahl grundlegend verändern (ebd.). Schon die Expo 2000 in Hannover widmete sich der Frage, wie autonomes Fahren und vernetzte Verkehrssysteme in Zukunft die Mobilitätswelt prägen werden. Vernetzte Verkehrssysteme, neue Antriebsund Informationstechnologien, die den Verkehr weltweit flexibel und umweltverträglich gestalten können, das sind die Lösungsansätze, um dem wachsenden Mobilitätsbedarf im modernen Leben begegnen zu können. Text zum Themenpark Mobilität der Expo 2000, Quelle: site.expo.2000.de 9

10 Die Visionen, die vor mehr als 16 Jahren beschrieben wurden, sind heute keine Utopie mehr: Das autonom fahrende Google Car hat in vier US-Bundesstaaten eine eingeschränkte Fahrerlaubnis, die A9 ist zum Testfeld für autonomes und vernetztes Fahren erklärt worden und die Bundesregierung hat das Ziel ausgegeben, bis 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen zu realisieren. Da diese Transformation vor allem von neuen Fahrzeug- und IT-Technologien bestimmt wird, bietet das Technological Transition-Modell einen geeigneten Ansatz, um die Veränderungen in der Mobilitätswelt zu erklären. Dieses Modell wurde von Frank Geels 2001 entworfen und von weiteren holländischen Transformationsforschern wie Johan Schot, Derk Loorbach und Jan Rotmans mit weiterentwickelt. In seinem ersten Paper zum Technological Transition-Modell beobachtet Geels (2002), dass die technologisch getriebene Transformation von sozio-technischen Systemen in der Regel auf drei Ebenen stattfindet: Der sozio-technischen Landschaft, dem sozio-technischen Regime und der Nische (s. Abbildung 2). Abbildung 2: Technological Transition Model von Geels (2002), eigene Grafik Sozio-technische Landschaft (Gesetzgebung, Förderbedingungen, Infrastrukturen, Megatrends... ) nimmt Einfluss auf... WISSENSCHAFT KULTUR POLITIK MARKT WIRTSCHAFT TECHNOLOGIE Sozio-technisches Regime (... ordnet sich neu) Nischenentwicklung beeinflusst Sozio-technisches Regime Zeit Nische (z.b. Start-ups aus Digitalwirtschaft, Energiebranche oder dem Bereich Neue Mobilität) 10

11 In Situationen, in denen bestehende Strukturen neu verhandelt werden können, sind alle drei Ebenen von den Veränderungen betroffen: 1. Die technologisch induzierte Transformation (technological transition) zeigt sich im Aufbrechen und in der Neuordnung eines bestehenden sozio-technischen Regimes. 2. Die Transformation wird laufend durch Aktivitäten in gesellschaftlichen und technologischen Nischen (z.b. Förderprojekte, einzelne Bürgerinitiativen, Start-ups) getriggert. 3. Gleichzeitig kumulieren auf Ebene der sozio-technischen Landschaft Entwicklungen, die die Transformation unterstützen und neue Möglichkeitsräume eröffnen. Das neue sozio-technische Regime wird schließlich die sozio-technische Landschaft prägen und auch hier zu einer Transformation beitragen. Entwicklungen auf Ebene der Landschaft sind stets von festen Institutionen und Pfadabhängigkeiten geprägt. Die Mobilitätslandschaft wird dabei zum Beispiel von Verkehrsinfrastrukturen, mobilitätsbezogenen Gesetzgebungen, Fahrzeugtechnologien oder finanziellen Ressourcen für den öffentlichen wie privaten Verkehr bestimmt. Auch wenn die Entwicklungen auf Ebene der Mobilitätslandschaft schwerfälliger als auf der Ebene der Nische sind, ist auch die Mobilitätslandschaft in Bewegung. Der derzeitige Wandel auf Ebene der sozialen und technischen Landschaften und der Druck, der dadurch auf das derzeitige Mobilitätsregime ausgeübt wird, werden in Kapitel 3 betrachtet. Nischenentwicklungen werden hingegen eher von offenen, flexibleren Strukturen, einzelnen Institutionen und locker vernetzten Stakeholdern vorangetrieben. Diese werden oft erst durch ein Zusammenwirken mehrerer Akteure im Sinne einer kritischen Masse sichtbar. Nischenentwicklungen sind dabei grundsätzlich dynamischer und somit schwieriger zu belegen. Gerade wenn parallele Aktivitäten in der Nische gleiche Ziele verfolgen und sich mehrere Nischenakteure zum Beispiel zu Innovationsnetzwerken zusammenschließen, kann auch aus der Nische heraus ein starker Änderungsdruck für das bestehende sozio-technische Regime entstehen (u.a. Weyer et al. 1997, Kowol 1997, Kuschatzky et al. 2001, Borchert et al. 2004, Gloor 2005, Komninos 2008). 11

12 Das Zukunftsfenster-Datenmaterial: 96 internationale Szenario-Studien Internationale Konferenzbeiträge und -workshops (ITS 2016 in Glasgow, Disrupting Mobility am MIT in Cambridge/ USA) Studien und Medienberichte zu Mobilitätstrends Experten-Interviews und Workshops Lead User-Befragung zu Mobilitätstrends Empirische Daten zum Mobilitätsverhalten von Lead Usern Pitching-Workshop zu Mobilitätsinnovationen Experten-Workshops zur Diskussion von Entwicklungspfaden In einem zweiten Schritt wurden die Nischenentwicklungen in drei thematische Schwerpunkte geclustert: Für die vorliegende Studie wurde zunächst über Recherchen, Workshops und Interviews eine Vielzahl mobilitätsbezogener Entwicklungen gesammelt und dokumentiert (s. Kasten). Der erste Schritt zur Aufbereitung des vielfältigen und dichten Datenmaterials bestand darin, die Entwicklungen entweder der Ebene der Mobilitätslandschaft oder der Ebene der Nische zuzuordnen. 1. Mobilitätsangebote und Verkehrsinfrastruktur 2. Digitale Organisation von Mobilität und neue Wertschöpfungsketten 3. Umwelt und Lebensqualität. Aus der reinen Sammlung von Entwicklungen auf Ebene der Nische kann jedoch noch keine Aussage darüber getroffen werden, ob sie eine Transformation der Mobilitätswelt mit antreiben oder nicht. Um potenzielle Disruptionen erkennen zu können, müssen daher zunächst die Dynamiken von Nischenentwicklungen verstanden werden. 12

13 Wie können Nischenentwicklungen zu Disruptionen führen? Transformation findet statt, wenn die Ausbreitung von Innovationen aktiv vorangetrieben wird. Da viele Institutionen tendenziell eher resistent gegenüber Veränderungen reagieren, ist die Voraussetzung für einen Wandel ein Match von Innovation und der entsprechenden institutionellen Strukturen (Werle 2005, S. 311). Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Transformation: Die radikale und die inkrementelle Transformation, die jeweils mit radikalen bzw. inkrementellen Innovationen assoziiert ist (Freeman/ Perez 1988, S ). Nach Werle (2005, S. 320) bieten dabei koordinierte Marktwirtschaften bessere Voraussetzungen für eine inkrementelle, also schleichende Transformation, während radikale Innovationen eher aus liberalen Ökonomien kommen. Allerdings ist hierbei zu beachten, dass auch radikale Transformationen von inkrementellen Entwicklungen vorbereitet werden. Der Verkehrssektor ist nicht gerade für seine Dynamik und disruptives Innovationen bekannt. Seit vielen Jahren ist beispielsweise der öffentliche Verkehrsmarkt von gesetzlichen Rahmenbedingungen geprägt, die einerseits die vorhandenen Angebote und Anbieter schützen und andererseits Innovationen erschweren (Karl 2008). Den Individualverkehr prägt hingegen eine dominante Automobilindustrie, die, politisch unterstützt und gefördert, einerseits von einem hohen Wettbewerbsdruck geprägt ist und andererseits ihre Innovationen extrem pfadabhängig im Format der Rennreiselimousine organisiert (Canzler, Knie 1994, 2011). Zwischen beiden Welten der öffentlichen und privaten Verkehrsmittelindustrie herrschte bisher eine weitgehende friedliche Koexistenz. Mit dieser Stabilität ist es allerdings nun vorbei. Wie viele andere Lebensbereiche ist die alte Verkehrsordnung derzeit von allen Seiten einem Innovationsdruck ausgesetzt, der durchaus ein großes Potenzial besitzt, eine disruptive Transformation auszulösen. Derzeit deutet beispielsweise vieles darauf hin, dass das private Auto als verkehrs- und stadtplanerisches Maß aller Dinge zunehmend in Frage gestellt wird. Für Europas Großstädte liegen bereits seit Jahren stabile Umfragewerte vor, dass der individuelle Massenverkehr immer stärker als Belastung und Beeinträchtigung der Lebens- und Aufenthaltsqualität gezählt wird. Bürgermeister und Verkehrsverwaltungen sehen sich zunehmend veranlasst, althergebrachte Privilegien der Autofahrer zumindest in urbanen Räumen zu korrigieren. Die autogerechte Stadt hat als Leitbild ausgedient. 13

14 Ansoff (1975) beschreibt Anzeichen, die auf eine grundlegende Veränderung hinweisen, als Weak Signals. Er geht davon aus, dass auch diskontinuierliche Entwicklungen keineswegs zufällig und plötzlich entstehen, sondern auch von strategischen Interessen zentraler Stakeholder gelenkt werden, die auf Basis bereits langlaufender, aber wenig sichtbarer Verschiebungen entstehen. Trendbrüche oder Disruptionen sind demnach eine Folge von Wirkungsketten, die sich durch schwache Signale seitens dieser Stakeholder ankündigen. Unternehmen können sich also durchaus auf vermeintlich plötzliche strategische Überraschungen vorbereiten. Sie müssen lernen, auch schwache Signale zu interpretieren, die auf den Verlust bisheriger Geschäftsfelder oder auf verpasste wirtschaftliche Chancen hindeuten (Ansoff 1975, S. 22). Doch was sind schwache Signale für eine Disruption in der Mobilitätswelt und wie erkennt man sie? Grundsätzlich sind Weak Signals unstrukturierte Informationen mit einem begrenzten Aussagewert, sie beziehen sich auf ungewisse Annahmen zu schleichenden Veränderungen und sind oft intuitiver Natur (Hauff 2009). Man sucht nach etwas, ohne zu wissen, was es sein könnte und wo man es findet. Liebl 2005, S Strategische Unternehmensplanung verlangt aber in der Regel nach Strong Signals, also harte Fakten, die gemessen werden können und so spezifisch sind, dass sie eine solide Grundlage für unternehmerische Entscheidungen liefern. Die Innovationsforschung beschäftigt sich im Kontext der strategischen Früherkennung schon seit einigen Jahrzehnten mit der Frage, wie man sich auf einen möglichen Wandel vorbereiten kann - auch wenn Ausmaß und Richtung noch nicht klar bestimmt werden können. Nach Krystek und Müller-Stewens (1993) ist die strategische Früherkennung über Weak Signals eine Weiterentwicklung der Frühwarnsysteme, mit denen Unternehmen in den 1970er Jahren zunächst über Trendexplorationen und Kennzahlen und später über Indikatoren potenzielle Chancen und Risiken für ihre Märkte erkennen wollten. Seit den 1990ern haben Unternehmen vermehrt die strategische Früherkennung mit Weak Signals im Sinne einer strategischen Frühaufklärung um integrative und vernetzte Ansätze ergänzt (ebd.). Auch in der Zukunfts- und Risikoforschung ist in den letzten Jahrzehnten ein Trend hin zu einem Prozesswissen der Transformation zu erkennen. Während in den 1970ern und 1980ern noch Prognosen und Trendexplorationen im Fokus standen, hat sich auch hier das Erkenntnisinteresse hin zum Verständnis der Prozesse verlagert, die Transformationen antreiben. (vgl. Cuhls 2003, Holopainen/ Toivonen 2012). 14

15 Auf Ebene der Mobilitätslandschaft gibt es bereits eine Reihe von gleichermaßen Weak wie Strong Signals bevorstehender Veränderungen, wie beispielsweise die zunehmende Digitalisierung, der demographische Wandel oder das veränderte Kaufverhalten junger Menschen. Diese Signale versetzen die Mobilitätswelt bisher noch nicht in Aufruhr, da sie auf eine inkrementelle Transformation hindeuten, mit der Politik, Unternehmen und Gesellschaft im Grunde gut klar kommen. Doch was passiert, wenn ein Tipping Point überschritten wird, nach dem alles plötzlich ganz schnell geht und die althergebrachten Spielregeln nicht mehr gelten also eine Disruption stattfindet? Gladwell (2005) vergleicht Tipping Points mit Epidemien, bei denen wenige zentrale Superspreader bei günstigen Umständen schon durch kleine systemische Veränderungen eine radikale Wirkung erzeugen können. Ein solcher radikaler Wendepunkt wird erreicht, wenn es Vermittlern und Wissensträgern gelingt, eine Brücke zwischen Innovatoren und einer Early Majority, also der Frühen Mehrheit zu schlagen. Durch den Sprung von der Nische in den Mainstream können sich schädigende wie positive Epidemien in der Breite verankern und Kaskadeneffekte auslösen. Für die Ausbreitung von Epidemien ist demnach der soziale Funke ausschlaggebend, der von lockeren Innovationsnetzwerken auf die Early Majority überspringt. Die Regeln lockerer Netzwerkbeziehungen hat Granovetter (1973) schon vor fast einem halben Jahrhundert untersucht. Granovetter hat dabei erstmals die Strength of weak ties hervorgehoben, indem er empirisch nachgewiesen hat, dass schwache Beziehungen beispielsweise bei der Jobsuche weitaus hilfreicher sind als enge Beziehungen (Granovetter 1973). Die Prozesse, die auf Ebene der Nische stattfinden, folgen den Regeln schwach verbundener sozialer Netzwerke zwischen Visionären, also Innovatoren und Early Adopters. In der Mobilitätswelt sind diese Visionäre vorausschauende Unternehmen, Verbände und Politiker, aber auch Aktivisten, Startups und Lead User. Damit jedoch eine Breitenwirkung erreicht wird, reicht es nicht, dass nur Visionäre eine Innovation annehmen und unterstützen. Innovatoren und Mainstream haben jedoch ganz unterschiedliche Präferenzen und Eigenschaften, wie schon Rogers (1954) in seiner bekannten Theorie zur Diffusion von Innovationen erkannt hat. Auch der Hype Cycle der Beratungsfirma Gartner ( erkennt zwischen Innovationen in der Hype-Phase und der Konsolidierung in der produktiven Phase über den Mainstream eine Kluft (Trough of Dissillusionment/ Tal der Enttäuschungen), die Innovationen überwinden müssen. In ähnlicher Weise analysiert Christensen (1997) Innovator s Dilemma, dass Innovationsphasen aufwändig sind und zunächst wenig Profit bringen. 15

16 Diese Kluft zwischen Innovatoren und Mehrheit besteht in erster Linie, weil die Spielregeln auf Ebene der Nische nicht mit denen des bestehenden Regimes oder der sozio-technischen Landschaft übereinstimmen. Veränderungen im Mobilitäts- und Energiemarkt sind in hochregulierten Ländern wie Deutschland vor allem von gesetzlichen Rahmenbedingungen abhängig. Derzeit gibt es jedoch eine Vielzahl von Nischen, in denen der gesetzliche Rahmen gedehnt oder Sonderregelungen genutzt werden, zum Beispiel, um Innovationen für das Energie- oder Mobilitätssystem in Reallaboren zu testen. Auch vermeintlich kleine und unscheinbare Änderungen in den gesetzlichen Rahmenbedingungen haben zu Entwicklungen geführt, die in der Wirkung völlig unterschätzt wurden wie beispielsweise die Einführung des Erneuerbaren Energien Gesetzes im Jahre Im Ergebnis werden Ende des Jahre 2016 fast 40 Prozent der Stromproduktion in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen und davon sind mehr als 50 Prozent aus Bürgerhand ( Die Folgen sind bekannt: Konzerne wie RWE, EON und Vattenfall sind zu existenzbedrohenden Abschreibungen ihrer bestehenden Kraftwerkparks gezwungen und mussten ihre unternehmerische Strategie grundlegend verändern. Auch was die Stakeholder angeht, gibt es enorme Unterschiede zwischen Nische und Mainstream, da sich das Mindset der Innovatoren und der Early Adopters grundsätzlich von dem der Early Majority unterscheidet. Während Lead User und innovative Unternehmen von Neuerungen geradezu angezogen werden, steigt das Massenpublikum erst auf den Zug auf, wenn eine Innovation als Produkt oder Dienstleistung etabliert ist. Auch bei Unternehmen und Politik lässt sich dieser Effekt beobachten. Start-ups und einzelne Vordenker in größeren Unternehmen oder in der Politik lassen sich nicht von Risiken abschrecken, die mit einem frühen Entwicklungsstadium von Innovationen verbunden sind. Sobald jedoch das Gros der Akteure in Unternehmen, Politik oder Verwaltung erreicht werden soll, entstehen Blockaden und aktiver Widerstand durch Personen und Strukturen, die von dem Wandel überfordert sind oder Privilegien zu verlieren haben. Der Veränderungsprozess lässt sich dadurch nicht aufhalten, aber zumindest in den jeweiligen Einheiten verzögern. Ironischerweise werden oft gerade die Blockierer die Folgen dieser Blockade am stärksten zu spüren bekommen. Insgesamt wird ein bestimmter Innovationspfad erst in dem Moment einen Tipping Point erreichen, wenn es geeignete Übersetzer gibt, die zwischen den Welten der Innovatoren und der Early Majority vermitteln (Gladwell 2005, S. 234). Der Entwicklungspfad einer Nischeninnovation wird demnach von bestimmten Institutionen oder manchmal auch einzelnen Stakeholdern bis zum Tipping Point vorangetrieben, an dem sollte 16

17 der soziale Funke überspringen - Kaskadeneffekte einsetzen und die Innovation zum Selbstläufer wird. Die Wahrscheinlichkeit des Tipping Points hängt also vor allem von den Stakeholdernetzwerken ab, die auf Ebene der Nische als Innovatoren eine Entwicklung vorantreiben. Erst wenn diese den Grundstock für eine Transformation vorbereitet haben, können die Übersetzer Gehör finden und einen Tipping Point auslösen. Doch für welche Entwicklungen ist gerade das Fundament soweit gelegt worden, dass ein Tipping Point wahrscheinlich wird? Wie können disruptive Pfade bestimmt werden? Um potenzielle zukünftige Disruptionen im Mobilitätssystem erkennen zu können, haben wir über Literaturstudien, Experten-Interviews und Workshops zunächst Nischeninnovationen bestimmt, die von bestimmten Treibern besonders gepusht werden. Anschließend haben wir diese Nischeninnovationen der Richtung zugeordnet, aus denen die jeweiligen Treiber kommen (top-down oder bottom-up). Für jedes der drei Themencluster ergaben sich so Sets an Nischenentwicklungen, die entweder top-down von Großunternehmen und der Politik oder bottom-up von Bürgern und Start-ups vorangetrieben werden. Zu den Nischenentwicklungen wurden dann Daten zusammengestellt, die die jeweilige Entwicklung dokumentieren. 17

18 Kaskadeneffekte können dabei insbesondere dann entstehen, wenn Entwicklungspfade verschiedener Stakeholder zusammenlaufen und sich gegenseitig verstärken. In Interviews und Workshops wurde daher diskutiert, an welchen Punkten Synergien zwischen den einzelnen Stakeholdern bestehen, so dass potenziell bestimmte Pfade gemeinsam weiterverfolgt werden. Mit Fokus auf die Nischenaktivitäten der Treiber in den drei Themenbereichen ergaben sich so die folgenden drei Disruptionsarenen : Energy & Transport Flow Management: ÖPNV (z.b. ebusse, autonome Shuttles, Intermodality Hubs), Verkehrsplanung (z.b. ITS, Induktionsparkplätze), OEMs (z.b. Automatisierung des Pkw, Connected Cars), Nutzer (z.b. Mikro-eMobilität, Intermodalität), Energie-Startups (z.b. Ladeoptionen, V2H) Mobility as a Service-Ökosysteme: ÖV-Unternehmen (z.b. Mobile Ticketing, Intermodales Routing), Verkehrsmanagement (z.b. Smart Traffic Management), Hardware-Hersteller (z.b. Wearable Devices, Holoportation); IT Startups (z.b. Crowdsourcing, Crowdcompanies) Lebenswerte Räume: Umweltpolitik (z.b. autofreie Tage, Umweltzone), Stadtplanung (z.b. Smart Parking, Smarte Mikro-Logistik), Lohas (Lifestyle of Health and Sustainability, z.b. multioptionale Mobilitätskultur, Urban Gardening), Aktivisten (z.b. Fahrrad-Initiativen, Lastenräder). 18

19 Sowohl auf Ebene der herrschenden technischen Landschaft als auch auf Ebene der Nische gibt es dabei Entwicklungen, die sich relativ gut belegen lassen, etwa weil hierzu eine breite Datenbasis vorhanden ist oder weil über deren Stoßrichtung in Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft weitgehend Konsens besteht. Diese Entwicklungen nehmen wir hier als gegeben, also als Givens an. Givens bestimmen die groben Leitplanken, in denen sich die Mobilitätswelt bewegen wird. Derzeit kann beispielsweise als gegeben angenommen werden, dass Pkw zunehmend automatisiert werden, bis hin zum fahrerlosen Fahren. Doch innerhalb dieser Leitplanken besteht immer noch ein großer Gestaltungsraum, was die konkrete Ausprägung der Trends angeht. Werden autonome Fahrzeuge wie die heutigen Pkw weiterhin als mobile Individualkapsel genutzt? Oder wird es eine Armada aus privaten und öffentlichen autonomen Flotten geben, die wie die heutigen Taxen gerufen werden, wenn man spontan ein Fahrzeug braucht? Und welche dieser möglichen Entwicklungen sind wünschenswert oder weniger wünschenswert? In diesem Bereich der eher unsicheren Entwicklungen liegen entscheidende Faktoren für schwer vorhersehbare, disruptive Zukünfte. Anteil daran haben, in welche Richtung und mit welcher Wucht sich ein System ändern wird. In Experten-Workshops zu den drei Disruptionsarenen wurden vor allem disruptive Ausprägungen der Schlüsselfaktoren sowie potenzielle Weak Signals für diese Ausprägungen diskutiert und festgehalten. sehr relevant weniger relevant Givens sicher Schlüsselfaktoren unsicher Abbildung 3: Givens und Schlüsselfaktoren, eigene Grafik disruptiv? Solche unsicheren, aber dennoch hoch relevanten Entwicklungen werden in der Szenariotechnik als Schlüsselfaktoren bezeichnet. Sie können je nach Ausprägung durchaus einen maßgeblichen 19

20 Das Ergebnis sind insgesamt Entwürfe zu potenziellen Entwicklungspfaden hin zu einer disruptiven Transformation der Mobilitätswelt. Diese Pfade werden auf Ebene der Nische von zentralen Treibern top-down und bottom-up hin zum Tipping Point vorangetrieben. Dabei werden die Treiber durch günstige Umstände auf Ebene der Mobilitätslandschaft unterstützt (Accelerator), durch ungünstige Umständen aber auch verlangsamt oder gar gestoppt (Showstopper). Die Entwicklungspfade werden je Disruptionsarena für die jeweiligen Stakeholder in den Kapiteln 4 bis 6 näher beschrieben. In den Experten-Workshops wurden schließlich die Zukunftsfenster diskutiert, auf die die Entwicklungspfade nach dem Tipping Point zulaufen. Wenn der jeweilige Pfad den Tipping Point überwunden hat und im Mainstream angekommen ist, ergibt sich eine komplett neue Situation und alle Säulen des derzeitigen Regimes werden neu verhandelt: Die verkehrspolitische Ausrichtung, die Mobilitätskultur, die technische Infrastruktur des Verkehrssystems und auch die Mobilitätsmärkte. Im Mainstream laufen außerdem die vorher noch weitgehend abgrenzbaren Entwicklungspfade ineinander und bringen neue Stakeholder-Konstellationen und Pfade hervor, die aus der heutigen Perspektive jedoch nur grob abschätzbar sind. So könnten beispielsweise Oligopole und dominante Marktstrukturen des Verkehrsmarkts durchaus durch neue Konkurrenten aus den Nischen abgelöst werden, sobald der gesetzliche Schutz unter öffentlichem Druck aufgeweicht wird. Außerdem könnte ein dichtes Flottennetz aus autonomen Sharing-Autos eine Mobilität von bisher stationären Tätigkeiten wie Büroarbeiten oder Entertainment in autonomen Fahrzeugen anregen. In Kapitel 7 wird schließlich beschrieben, wie eine solche neue Mobilitätswelt nach einer disruptiven Transformation aussehen könnte. Die Studie stellt insgesamt eine Momentaufnahme dar, mit der der historische Wendepunkt beschrieben wird, an dem sich das Mobilitätssystem derzeit befindet. Die Zukunftsfenster sind schließlich verdichtete Bilder einer zukünftigen Mobilitätswelt nach einer disruptiven Transformation von der am Ende alle Stakeholder profitieren werden, die die Chancen ergreifen, die jedem Wandel innewohnen. Am Schluss der Studie werden wir hierzu noch Überlegungen ergänzen, wie die beschriebenen Weak Signals tatsächlich zu einem Tipping Point führen und disruptive Verschiebungen der gesamten Branche erzeugen. 20

21 Lesetipps: Ansoff, H.I. (1975): Managing Strategic Surprise by Response to Weak Signals, California management review, Vol XVIII, No.2, S Ansoff, H.I. (1981): Die Bewältigung von Überraschungen und Diskontinuitäten Strategische Reaktionen auf schwache Signale, in: Steinmann, H.: Planung und Kontrolle: Probleme der strategischen Unternehmensführung, München, S Cevolini, A. (2016): The strongness of weak signals: self-reference and paradox in anticipatory systems, European Journal of Futures Research (2016) 4: 4. Geels, F.W. (2002): Technological transitions as evolutionary reconfiguration processes: a multi-level perspective and a case study, Research Policy 31, S Gladwell, M. (2016): Tipping Point, Wie kleine Dinge Großes bewirken können, München. Kosow, H., Gaßner, R. (2008): Methoden der Zukunfts- und Szenarioanalyse. Überblick, Bewertung und Auswahlkriterien, Berlin, 21

22 3. Wandel der Mobilitätslandschaft: Alte Strukturen brechen auf neue deuten sich an

23 Das Gros der aktuellen Zukunftsstudien zur Mobilität konzentriert sich auf Megatrends zukünftiger Mobilitätswelten. Viele dieser Entwicklungen werden nicht in gleichem Maße für jeden Raum gelten, da es zwischen Stadt und Land und mehr noch zwischen verschiedenen Ländern beträchtliche Unterschiede gibt. Mobilität ist immer abhängig von wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen, sozialen, politischen und klimatischen Verhältnissen und nicht zuletzt auch von der vorhandenen Infrastruktur und den finanziellen Ressourcen, die für die Beweglichkeit zur Verfügung stehen. Außerdem können lokale Stakeholder wie kommunale Akteure, ÖV-Unternehmen, aber auch Nutzer von Mobilitätsangeboten bis zu einem gewissen Grad die Verkehrslandschaft mitbestimmen. Bei unserer Studie der Mobilitätslandschaft lag der Fokus dabei auf Trends, die grundsätzlich alle Raumtypen (ländlich, suburban und urban) sowie viele Regionen dieser Erde betreffen wenn auch gleichwohl nicht überall im gleichen Ausmaß und im gleichen Tempo. Weltweit ist in der Mobilität der letzten 100 Jahre ein Thema prägend: Das Auto. Lange Zeit teilten sich wissenschaftliche wie politische Gruppen in solche, die sich ganz dem Autoverkehr widmeten und solche, die auf das Auto abgrenzend Bezug nahmen und dabei den öffentlichen Verkehr als Alternative zum Autoverkehr unterstützten. Fahrrad- oder Fußverkehr und gar die Kombination von Verkehrsmitteln kam in beiden Welten nur am Rande vor. Die Situation war demnach lange Zeit von einem Lock-in geprägt, bei dem das Automobil den Fixpunkt für jegliche Art der Diskussion zwischen Herstellern, Nutzern, Ingenieuren und Politikern darstellte. In den letzten Jahren häufen sich jedoch die Hinweise auf Trends, die die Dominanz des Automobils relativieren und die Dichotomie zwischen motorisiertem Individualverkehr (MIV) und öffentlichem Verkehr (ÖV) auflösen könnten: Sharing statt Besitz: Das Privatauto verliert dort zunehmend an Bedeutung, wo es bereits seit vielen Jahren Massenverkehre gibt und wo ein gutes Nahverkehrsnetz sowie ein komfortables und vielfältiges Bike- und Carsharing-Angebot existiert. In westlichen Ländern eröffnet Shared Mobility neue Märkte, die einen Teil jener Mobilitätsausgaben adressieren, die derzeit für den privaten motorisierten Individualverkehr aufgebracht werden. In Ländern des Südens sowie in Megacities stellen Shared-Mobility-Angebote eher eine günstige Alternative zum Taxi und Privatauto dar (u.a. Shaheen et al. 2016, Shaheen/ Cohen 2013, Martin/ Shaheen 2016, Canzler/ Knie 2015, PwC 2015, Leisman et al. 2012, Botsman/ Rogers 2011). 23

24 Digitale Mobilitätsdienste: Die Kombination von Verkehrsmitteln erhöht den Informationsbedarf nach optimalen Routen und Tickets quer über alle Verkehrsmittel hinweg sowie nach einfachen Zugangssystemen. Eine Vielzahl an Smartphone-Apps ist heute schon eine große Hilfe für Sharing- und ÖV-Angebote, indem sie Routen berechnen, als Buchungstool dienen, zur nächsten Station navigieren oder ÖV-Tickets bereitstellen. (u.a. Canzler/ Knie 2016, Becher et al. 2015, Schelewsky/ Jonuschat/ Bock/ Stephan 2014, Schelewsky 2013). Elektromobilität: Wenn der Luftverschmutzung in Megacities und dem Klimawandel Einhalt geboten werden soll, gibt es zur Elektrifizierung aller motorisierten Verkehrsmittel keine Alternative. Derzeit nimmt weltweit vor allem in China und in den USA die Zahl der Elektrofahrzeuge und der entsprechenden Ladeinfrastrukturen zu. Insbesondere in Verbindung mit dem Ausbau Erneuerbarer Energien wird Elektromobilität auch global zu einer Alternative (u.a. Scherf/ Wolter 2016, Wolter/ Scherf 2016, BMVI 2016, McKinsey 2016, UBA 2016a, UBA 2016b, UBA 2014, Canzler/ Knie 2013, Ritthoff/ Schallböck 2012, Canzler/ Knie 2011). änderten Einstellungen: Angesichts von Stau und Parkplatzmangel ist Autofahren einfach nicht mehr attraktiv. Parallel treiben technische Innovationen den Wandel der Mobilitätslandschaft voran, aber auch soziale und politische Rahmenbedingungen verschieben sich. Nicht zuletzt lässt sich der Anteil des Massenverkehrs an der Klimaerwärmung nicht leugnen. Der IPCC-Report zu Verkehr und Verkehrsinfrastrukturen hebt hervor, dass der Verkehrssektor mit einem Anteil von 26 Prozent des globalen Energieverbrauchs und einem Anteil von 23 Prozent an den globalen Treibhausgasemissionen einen maßgeblichen und zudem wachsenden Beitrag zum Klimawandel leistet (Kahn Ribeiro et al 2007). Dabei hat der Straßenverkehr einen überproportional großen Anteil und ist seit 1990 zudem noch stark gestiegen (s. Abbildung 4). Die Folgen dieser Entwicklungen sind zu erkennen: Alte Planungsparadigmen werden in Frage gestellt, neue Player wie Google, Uber oder Apple drängen auf den Mobilitätsmarkt, Dominanzverhältnisse zwischen den Verkehrsträgern verschieben sich und auch die Nutzer verändern ihre Mobilitätsroutinen. Vor allen Dingen führt die Zahl von Autos in den Metropolen der Industriestaaten zu ver- 24

25 Global OECD Gesamt Nicht-OECD Gesamt Verkehr 1990 gesamt Verkehr 2014 davon: Straße 2014 Abbildung 4: CO2-Emissionen im Verkehrssektor inkl. Anteil des Straßenverkehrs Quelle: IEA 2016, OECD 2002, S. 22, eigene Darstellung Das Problem ist hierbei, dass ein Großteil der Welt noch immer nicht motorisiert ist, weil schlicht die Mittel für ein eigenes Auto fehlen. So besitzen in China immer noch ein Drittel und in Äthiopien drei Viertel der Bevölkerung keinen Pkw. Einige Länder wie China, Brasilien oder Indien holen jedoch seit den 1980er Jahren rasant auf (s. Abbildung 5) Abbildung 5: Anzahl der Pkws in Tausend nach ausgewählten Ländern (Quelle: DOT 2016, eigene Grafik) Kanada Tschechien Frankreich Großbritannien Russland Spanien Mexiko Brasilien Indien Südkorea USA Deutschland Japan China 25

26 Weltwirtschaftskrise Zukunftsfenster in eine disruptive Mobilität Parallel bleiben auch die Gefahren des Massenverkehrs für Leib und Leben weiter groß. Gemessen am Anteil der registrierten Fahrzeuge in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen ist der Anteil der Verkehrstoten besonders hoch (WHO 2015). Dabei ist der Ausstoß von Treibhausgasen eng mit wirtschaftlichem Wachstum gekoppelt (Pearce 2016, s. Abbildung 6). Abbildung 6: Anstieg der CO2-Emissionen , in Gt, Quelle: Pearce 2016, eigene Darstellung Zweite Ölkrise 1979 Zusammenbruch der Sowjetunion

27 Global betrachtet gibt es nicht nur eine Schieflage zwischen armen und reichen Ländern, was die Verursacher von Treibhausgasen durch Straßenverkehr, sondern auch was die gesundheitlichen Folgen des Straßenverkehrs angeht. Weltweit ist währenddessen davon auszugehen, dass die Urbanisierung weiter anhält und daher auch die städtische Verkehrsleistung deutlich zunehmen wird (s. Abbildung 7). Abbildung 7: Anhaltende Urbanisierung Quelle: Arthur D. Little 2014, S. 9, eigene Darstellung Die Welt wird zunehmend urban Urbane Mobilitätsnachfrage explodiert Städte stehen vor neuen Herausforderungen Städtische und ländliche Bevölkerung (Mio. Menschen; %) PLANET Co2-Emissionen Luftverschmutzung Lärm Steigender ökologischer Fußabdruck % 52% 60% CAGR ,4% p.a x MENSCHEN Verkehrschaos Verkehrssicherheit Stau Abnehmende Lebensqualität und Komfort 48% 40% 33% CAGR ,2% p.a % % PROFIT Überlastete Infrastrukturen Unzureichende Kapazitäten an öffentlichen Verkehrsmitteln Zunehmende Motorisierung Begrenzte Parkplätze städtisch ländlich 27

28 Die enormen sozialen und ökologischen Kosten des Massenverkehrs haben also zur Folge, dass der motorisierte individuelle Verkehr erstmals in seiner bisherigen Form in Frage gestellt wird. Doch was kann die Lösung sein? Das InnoZ hat hierzu insgesamt 79 internationale Szenario-Studien ausgewählt, die als Primärquellen identifiziert werden konnten und insofern den internationalen Wissensstand repräsentieren. Die untersuchten Szenario-Studien aus den Jahren 2002 bis 2015 lassen sich in drei Gruppen unterteilen: wähnt werden. Anhand des so ermittelten Durchschnittswerts je Cluster wird insgesamt deutlich, dass die Mobilitätsszenarien der letzten Dekade vor allem technische, politische und marktliche Fragen zu Energiebereitstellung, Fahrzeugtechnologien und intelligenten Verkehrsinfrastrukturen diskutieren (s. Abbildung 8). 1. Energie und Klimaeffekte des Verkehrs 2. Soziale Trends und Mobilitätswirtschaft 3. Smart Mobility und technologischer Wandel Rund 60 Studien wurden zusätzlich noch einmal im Detail nach Themensets bewertet. Hierzu wurden zunächst Cluster aus 5-7 Subtrends (z.b. C2X/C2C, Platooning etc. für Connected Infrastructures and Connected Travel) gebildet und dann ein Mittelwert an Nennungen für das jeweilige Cluster ermittelt. Wenn also einem Cluster 1,5 Nennungen zugeordnet sind, heißt dies, dass die Subtrends des Clusters im Durchschnitt 1,5 Mal in den Szenario-Studien thematisiert wurden. Dabei kann also z.b. ein Subtrend in nur einer Studie und ein anderer Subtrend des gleichen Clusters in fünf Studien er- 28

29 Abbildung 8: Trends im Kontext der Szenario-Studien, eigene Grafik Wirtschaft und Soziales Cultural aspects of travel Work environment Transport demand Population and demographics Mobility costs Attitudes, values and lifestyles Disruptive innovations and events Sharing Economic development Production sector technologies Engery supply 2,0 0,0 Services (based on real time information) Political framework Connected infrastructures and connected travel Spatial inequalities and regional development Vehicle supply (Transport) infrastructures Energie und Klima Fossil ressources and emissions Consumption Climate change Vehicle technologies Intelligent Transportation Systems (ITS) Technologie und Infrastruktur 29

30 Aus der Gesamtschau auf die Szenario-Studien können zentrale Trends herausgearbeitet werden, die einen starken Druck auf das bestehende Mobilitätssystem ausüben. Die folgenden drei zentralen Entwicklungsstränge werden demnach die Mobilität der Zukunft prägen: Vernetzte Mobilität: Die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur und die Automatisierung der Fahrzeuge werden vorangetrieben. ITS (Intelligent Transport Systems) werden zunehmend vernetzter und intermodaler. Vehicle-to-Infrastructure-(V2I) und Vehicle-to- Every thing- (V2X) Systeme werden sich weiter verbreiten und zunehmend standardisiert. Ladestationen werden weiter ausgebaut. Fahrerlose Fahrten werden auf speziellen Spuren und bei geringen Geschwindigkeiten erlaubt sein. Künstliche Intelligenz und Machine Learning-Systeme verbessern die Performance von Mobilitätsdiensten und -plattformen als Zugang zu Mobilitätsangeboten, aber auch als Steuerungselement für vernetzte Angebote. Dekarbonisierung der Mobilität: Die Verbrennungsmotortechnik hat ihre Effizienzgrenzen erreicht. Elektromobilität wird für den motorisierten Individualverkehr alternativlos auch wenn private Autokäufer bisher noch keine Treiber für die Elektromobilität sind. Die Konvergenz von Energie- und Mobilitätssystem wird weiter vorangetrieben. Shared und Electric Mobility sowie langsame Verkehre (Fußwege, Fahrrad) gewinnen an Bedeutung für die kommunale Umweltpolitik. Zugang zur Mobilität für verschiedene Bevölkerungsgruppen: Es gibt mehr Ältere und mehr Menschen mit Mobilitätseinschränkungen. Mobilitätskosten für den öffentlichen Verkehr steigen. Das Privatauto verliert bei jüngeren Bevölkerungsgruppen auch aufgrund der hohen Fixkosten an Bedeutung. Die Ungleichheit zwischen Geringverdienern und höheren Einkommensklassen wächst und damit nehmen auch die Unterschiede im Zugang zu Mobilität zu. In weniger verdichteten Räumen gewinnen flexiblere Bedienformen an Bedeutung und ergänzen den spurgeführten bzw. vertakteten Linienverkehr. 30

31 Diese drei Entwicklungslinien auf Ebene der Mobilitätslandschaft überlagern und verstärken sich in vielen Punkten. So werden beispielsweise Mobility as a Service -Systeme aus digitalen und physischen Mobilitätsdiensten in peripheren Räumen sowie für bewegungseingeschränkte Menschen dort den Zugang zu Mobilität sicherstellen, wo Linienangebote betriebswirtschaftlich nicht tragbar sind. Zusätzlich kann die Förderung von Shared Mobility und Fuß- oder Radverkehr die Dekarbonisierung des Verkehrs unterstützen und dabei gleichzeitig für Personen mit geringeren finanziellen Ressourcen neue Zugänge zu Mobilität bieten. Wenn Verkehrsflüsse über Smart Grids intelligent organisiert werden, kann dies den Energieverbrauch von Fahrzeugen optimieren. Gerade diese Synergien auf Ebene der sozio-technischen Landschaften werden zukünftige Mobilitätssysteme prägen und ihnen eine neue Richtung geben. Bereits heute sind dabei die ehemals getrennten Systeme schon in vielen Teilen so weit überlagert, dass man von einer neuen Phase der Systemkonvergenz sprechen kann (s. Abbildung 9). Abbildung 9: Von der Dreifachvernetzung zur Systemkonvergenz, eigene Grafik MOBILITÄTSSYSTEME TAXI ENERGIESYSTEME IT-SYSTEME 31

32 Doch was passiert nun in Phase 2 der Systemkonvergenz in den Nischen? Welche neuen Angebote können auf Basis der zunehmenden Systemkonvergenz in den nächsten zehn bis 20 Jahren in welchen Räumen bereitgestellt werden? Welche neuen Stakeholder werden das Mobilitätssystem mitbestimmen? Und wie sieht dann schließlich das Mobilitätsregime nach einem vollständigen Regimewechsel aus? In den folgenden Kapiteln wird der Blick auf die Treiber in der Nische gerichtet, die im Bereich des integrierten Energieund Mobilitätsmanagements, partizipativer Plattformen sowie der Gestaltung neuer Lebensräume eine disruptive Transformation auslösen können. Lesetipps: Shladover, S. (2016). The Truth about Self-Driving Cars: They are coming, but not the way you may have been led to think. Scientific American, 314, ICF International, Ecologic (2011): Impacts of Electric Vehicles Deliverable 5, Impact analysis for market uptake scenarios and policy implications, Final Report Delft, April 2011, Martin, E., Shaheen, S. (2016): The Impacts of Car2go on Vehicle Ownership, Modal Shift, Vehicle Miles Traveled, and Greenhouse Gas Emissions: An Analysis of Five North American Cities, IMR & TRSC, Berkeley, Blog Zukunft Mobilität: Zmud, J., Ecola, L., Phleps, P., Feige, I. (2013): The Future of Mobility, Scenarios for the United States in 2030, RAND Corporation. Phleps, P., Feige, I., Zapp, K. (2015): Die Zukunft der Mobilität, Szenarien für Deutschland in 2035, München. 32

33 4. Energy & Transport Flow Management

34 Was lässt sich aus den Trends auf Ebene der technischen Landschaft für zukünftige Mobilitätsinfrastrukturen ableiten? Der Blick auf die Megatrends macht klar: Strom ist das neue Öl. Angesichts der Herausforderungen des Klimawandels bleiben nur noch wenige Jahre, bis der Umbau der kompletten Infrastruktur in vollem Gange ist und Strom aus Erneuerbaren Energien zur universellen Energiequelle wird. In den letzten Jahren stagniert der EE-Einsatz im Verkehrssektor allerdings, während im Strombereich erhebliche Steigerungen zu verzeichnen sind (s. Abbildung 10). Strom Wärme Verkehr Anteil erneuerbarer Energien in % Abbildung 10: Anteil erneuerbarer Energien an den Verbrauchssektoren , Quelle: BMWi/AGEE-Stat 2016 Auch wenn es für bestimmte Fahrzeugarten wie Nutzfahrzeuge und Busse übergangsweise andere Antriebsmöglichkeiten wie zum Beispiel Gas geben wird und einige verbleibende Oldtimer weiterhin Benzin benötigen, wird die Masse der motorisierten Verkehrsmittel batterieelektrisch oder mit Brennstoffzelle auf Basis betrieben. Die Produktion von Elektroautos im Sinne eines Electric Shifts lässt in der Folge einen enormen Bedarf an Ladeinfrastrukturen für alle Arten von Elektrofahrzeugen wie e-bikes, Pedelecs, e-scooter oder autonome Shuttles für mehrere Personen entstehen. 34

35 Diese Fahrzeuge werden mit Strom versorgt. Wenn das Klimaziel der Bundesregierung eingehalten werden soll, müssen Treibhausgase bis 2050 weitgehend vermieden und der Anteil erneuerbarer Ressourcen am gesamten Strommix auf mindestens 80 Prozent erhöht werden (Agora Energiewende 2016). Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien möglich ist, wenn alle Potenziale zur Energieeffizienz und einsparung genutzt werden (UBA 2014, S. 81). Da der Verkehrssektor für etwa ein Fünftel des gesamten Endenergiebedarfs und der Treibhausgasemissionen verantwortlich ist, müsste dafür aber der Verkehrssektor im Grunde ab 2050 fast keine Emissionen mehr produzieren (s. Abbildung 11). Abbildung 11: Treibhausgasemissionen nach Sektor inkl. Klimaschutzziele für 2020, 2030, 2040 und 2050, Quelle: Agora Energiewende 2016, S. 34, eigene Darstellung Ziel % Ziel % Ziel % Ziel % Ziel % bis 95 % Energiewirtschaft Diffuse Emissionen aus Brennstoffen Verarbeitendes Gewerbe Industrieprozesse Verkehr Landwirtschaft Übrige Feuerungsanlagen Sonstige 35

36 Der Anteil des Pkw an der Verkehrsleistung, gemessen in Personen- oder Tonnenkilometern (Pkm, tkm), liegt seit 25 Jahren bei etwa 84 Prozent (UBA 2014, S. 102). Diese Werte sind je nach Weltregion unterschiedlich. In den USA beträgt der Anteil beispielsweise 87 Prozent, in Japan 65 Prozent und in China 54 Prozent (Zahlen für 2009 und 2010, Zmud/ Ecola/ Phelps/ Feige 2013, S. 84, IEA/ UIC 2012, S. 68 ff.). Um Endenergieverbrauch und Emissionen durch Verkehr auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, können drei Strategien verfolgt werden (UBA, S. 104): 1. Verkehrsvermeidung: Indem Ursachen der Entstehung von Verkehr z.b. durch eine Substitution von Fahrten, etwa durch Videokommunikation oder Ridesharing verringert werden, kann die Verkehrsleistung von emissionsstarken Fahrzeugen minimiert werden. 2. Verkehrsverlagerung: Verkehr sollte von Verkehrsmitteln mit einem hohen Anteil an Treibhausgasemissionen (Flugzeug 228 g/pkm, Pkw 124 g/km, Lkw 98 g/tkm) auf weniger emittierende Verkehrsmittel (Fernbahn 45 g/pkm, Fernbus 30 g/pkm, ÖPNV 76 g/pkm) oder durch fußgängergerechte Planung ( Walkability ) auf gänzlich emissionsfreie Verkehrsmittel (Fußwege und Fahrrad) verlagert werden. Auch wenn ab 2030 grundsätzlich mit einem leichten Rückgang des MIV zu rechnen ist, kann von einem Anstieg der Verkehrsleistung im Personenverkehr auf etwa Mrd. Pkm im Jahr 2050 ausgegangen werden (UBA 2016a, S. 27). Die Elektromobilität wird in den meisten Studien als zentraler Schlüsselfaktor zur Treibhausgasminderung erachtet (u.a. UBA 2016a, UBA 2016b, Repenning et al. 2015, Schlesinger et al. 2014). Hierbei ist jedoch einschränkend hinzuzufügen, dass Flüssigkraftstoffe bis 2050 dennoch wegen der langen Lebensdauer der Verkehrsträger (z.b. von Schiffen) oder wegen fehlender Alternativen (z.b. im Flugverkehr) weiterhin relevant sein werden (UBA 2016a, S. 86). Die Vorteile der Elektromobilität liegen dabei in der Nutzungsphase (hohe Energieeffizienz) und die Nachteile in der Fahrzeugherstellung (Rohstoffaufwand, Wasserbedarf etc.). Insgesamt ist davon auszugehen, dass sich die Vorteile durch den Ausbau der erneuerbaren Energien erhöhen und die Nachteile (z.b. durch Recycling) verringern werden (UBA 2016b). 3. Emissionsminderung: Durch individuelles Fahrverhalten und vor allem durch den Einsatz regenerativ erzeugten Stroms für e-autos können die Emissionen von Fahrzeugen noch weiter gesenkt werden. 36

37 Wieviel Strom für die Abwicklung des gesamten Personen- und Güterverkehrs dennoch gebraucht wird, hängt auch von Suffizienz- und Effizienzgewinnen durch Sektorkopplung ab. Eine Option liegt in einer neu organisierten Versorgungsstruktur der Energiewirtschaft beispielsweise darin, dezentral erzeugte Energie direkt zum Laden von Elektrofahrzeugen zu nutzen. Generell gilt es, die wachsende Volatilität in der Erzeugung durch dezentrale, intelligente Speicher aufzufangen, bei denen auch Fahrzeugflotten als Puffer zur Stabilisierung der Stromnetze eine wachsende Rolle spielen werden (Bundesregierung 2016, Agora Energiewende 2016, S. 19). Parallel wird aber auch das Mobilitätsnetz zunehmend intelligenter. Verkehrsinfrastrukturen und Autobahnen sind heute schon im Sinne von Intelligent Transport Systems (ITS, Verkehrstelematik) mit einer Vielzahl an Sensoren, Radars und Kameras ausgestattet, die Verkehrsmanagementzentralen mit Straßenverkehrsdaten beliefern. Auch die Fahrzeuge selbst leiten über ihre Navigationssysteme Daten zu Verkehrsflüssen und Engpässen weiter. ITS beschränken sich aber nicht nur auf den Straßenverkehr, sondern werden auch im Schienen-, Wasser und Luftverkehr eingesetzt. Das Internet of Things (IoT) hat also durchaus schon in die Mobilitätsnetze Einzug erhalten (s. Abbildung 12). Abbildung 12: Intelligent Transport Systems, Quelle: ETSI 2016, eigene Darstellung Visualisiert mit der Innovationslandkarte 37 innovationslandkarte.innoz.de

38 Bisher sind dabei Autos allerdings noch relativ passive Akteure, die allenfalls Standort- und Geschwindigkeitsdaten übermitteln. In Zukunft werden aber die Fahrzeuge selbst immer aktiver am Verkehrsgeschehen teilhaben, da sie im Zuge der zunehmenden Automatisierung vermehrt Steuerungs- und Kontrollaufgaben vom Fahrzeugführer übernehmen (s. Abbildung 13). Stufen der Automatisierung nach SAE mit Überwachung ohne Überwachung Fahrer hat laufend die komplette Kontrolle über das Fahrzeug, lenkt, gibt Gas, bremst etc. Assistenzsysteme unterstützen Fahrer (z.b. per Abstandsregeltempomat) Längs- oder Querführung wird unterstützt Fahrer hat die volle Kontrolle über alle Fahrfunktionen, kann temporär aber Kontrolle abgeben (Autopilot) Mit Vorwarnzeit wird der Fahrer zur Kontrolle aufgefordert, ansonsten übernimmt das System Teilautomatisierung: Spurhalten, Längsführung etc. erfolgt automatisiert Hochautomatisierung (ca. 2020): Spurwechsel, Blinken, Spurhalten z.b. auf der Autobahn ist automatisiert Fahrer springt im Notfall ein Vollautomatisierung (ca. 2035): Alle Funktionen werden im Normalfall vom System übernommen Autonomes Fahren (ca. 2050): Außer Zieleingabe und Starten ist kein weiterer Eingriff nötig Level 0 Level 1 Level 2 Level 3 Level 4 Level 5 Abbildung 13: Stufen der Automatisierung, nach SAE Quelle: Society of Automotive Engineers (2013), eigene Darstellung 38

39 Hoch und vollautomatisiertes Fahren ist dabei technisch schon heute möglich, wird aber bisher nur in speziellen Infrastrukturen und bei geringen Geschwindigkeiten erprobt. Auch die Verkehrsleistung teilautomatisierter Pkw ist insgesamt noch eher gering (s. Abbildung 14) Verkehrsleistung MIV (ohne Pkw teilautomatisiert) Verkehrsleistung Pkw teilautomatisiert Abbildung 14: Vergleich der Verkehrsleistung von (teilautomatisierten) Pkw mit der Verkehrsleistung 2015, Quelle: InnoZ Mobilitätsmarkt-Monitor Digitalisierung, IHS Automotive nimmt an, dass es weltweit im Jahr 2035 etwa 54 Millionen selbstfahrende Autos (Level 5) geben wird, die allerdings vornehmlich im Taxibetrieb eingesetzt werden (Sessa et al. 2015, S. 30). Showstopper in Bezug auf das autonome Fahren können dabei Hackerangriffe und vor allem Unfälle mit autonomen Autos sein, sollten diese sich im Rahmen eines Roll-outs häufen und sich im öffentlichen Meinungsbild verankern. Ungelöst sind ebenfalls Haftungs- und Verantwortungsfragen in der Phase des gemischten Verkehrs, in der selbstfahrende Autos und noch fahrergesteuerte Fahrzeuge gleichzeitig auf den Straßen unterwegs sind. Für die weitere Automatisierung ist eine Standardisierung von Intelligent Transport Systems dringend nötig. Derzeit ist die Qualifikation von Verwaltungsmitarbeitern in der Stadt- und Verkehrsplanung noch nicht auf die Herausforderung ausgelegt, die eine zunehmende Digitalisierung von Infrastrukturen und Fahrzeugen gerade für die kommunale Planung mit sich bringt. Wenn die heutigen technischen und verwaltungsseitigen Hemmnisse allerdings beseitigt sind, kann eine vorbehaltlose Zulassung autonomer Fahrzeuge die Entwicklungen drastisch beschleunigen. 39

40 Neben der energietechnischen und der informatorischen Vernetzung von Mobilitätsinfrastrukturen und Fahrzeugen gibt es eine weitere Ebene der vernetzten Mobilität: Die intermodale Vernetzung. Heute gibt es an einigen Orten schon ein so dichtes Netz an Sharing- und ÖV-Angeboten, dass auf den privaten Pkw, urbanen Räumen zunehmend verzichtet werden kann. Gleichzeitig scheint sich die emotionale Bindung an das Automobil bei einem wachsenden Teil der Bevölkerung aufzulösen. Insbesondere jüngere Erwachsene setzen Mobilität offenbar nicht mehr unreflektiert mit dem privaten Pkw gleich (vgl. Schönduwe et. al. 2012, Kuhnimhof et al. 2012). Die bisher mit jeder Alterskohorte zunehmende Pkw-Orientierung stagniert oder geht sogar zurück. Dieser Trend ist seit längerer Zeit beobachtbar (s. Abbildung 15, MiD 2008). Bedeutung Jähriger beim Neuwagenkauf Modal Split-Anteil MIV Jährige (Wege in %) Modal Split-Anteil ÖPNV Jährige(Wege in %) 65% -12% 57% 17% -59% 7% 12% +25% 15% Autobesitz Jähriger 41% -43% 24% Tägliche Pkw-Nutzung Jährige 64% -14% 55% Mittlere Tagesstrecke in km Jährige 48km +2% 49km Abbildung 15: Auto verliert bei Jüngeren in Deutschland an Bedeutung, ÖPNV-Anteil steigt, Quelle: MiD 2008, eigene Darstellung 40

41 Zwar ist noch weitgehend offen, inwieweit hinter diesem Trend vor allem ökonomische Zwänge oder Einstellungsänderungen stehen mit hoher Wahrscheinlichkeit dürften aber beide Faktoren eine Rolle spielen (vgl. Nobis 2015). Sicher ist, dass sich das Mobilitätsverhalten, insbesondere in den Städten, verändert hat (vgl. auch Abbildung 29). Der Anteil des Pkw-Verkehrs in den Städten sinkt leicht, während der öffentliche Verkehr und der Fahrradverkehr leicht zunehmen. Nach Jahrzehnten steigenden Autoverkehrs ist das eine bemerkenswerte Trendumkehr. Prinzipiell kann vor allem der öffentliche Verkehr in verdichteten Stadtlandschaften davon profitieren, dass die emotionale Bindung zum Pkw sinkt und stattdessen die Verkehrsmittelwahl von pragmatischen Motiven geprägt wird. Aber auch für den Fernverkehr und weniger verdichtete Regionen lässt sich eine sinkende Bedeutung des Privateigentums an Verkehrsmitteln vorhersagen. Fernbusse und Fernbahnen dienen dann als Rückgrat für die Entstehung von Hubs, die über Spokes auch ländliche Verkehre erschließen, indem auf lokaler Ebene, z.b. als Bedarfsverkehre mit autonomen Fahrzeugen die Anschlussmobilität bis nach Hause übernommen wird. Gerade auf dem Land werden außerdem parallel eine Reihe neuer Angebote entstehen, die mit digitalen Plattformen neue Formen von Peer-to-Peer Diensten vermitteln. Es ist also generell zu erwarten, dass die Konvergenz von Energie- und Mobilitätssystemen mit Hilfe intelligenter Infrastrukturen und autonomer Fahrzeuge vorangetrieben wird. Schließlich wird auch der Besitz des Pkw weniger bedeutsam, weil der Zugang zu Fahrzeugangeboten mehr und mehr über digitale Plattformen geleistet wird und die unmittelbare Verfügung auch ohne Eigentum zu gewährleisten ist. Wie genau diese Angebote aussehen werden, hängt jedoch stark davon ab, wie die einzelnen Akteure die jeweiligen Entwicklungen auf Ebene der Nische vorantreiben werden. 41

42 Welche Entwicklungspfade sind bestenfalls im Bereich Energy & Transport Flow Management zu erwarten? Energy & Transport Flow Management TOP-DOWN MAINSTREAM Verkehrsplanung ÖPNV OEMs ITS - Intelligent Transport System Automated Guideway Transit Automatisierung Pkw Standardisierung ITS Autonome Test-Autos ebusse Unfälle mit autonomen Pkw Qualifikation Verwaltung Peer2Peer CS autonom Induktionsparkplätze Connected Car Intermodality Hubs Recharging lanes Autonome eshuttles Zulassung autonomes Fahren Neuer Massentransport Shared busses Park&Charge privat Sharing autonom Nutzer emobility Mikro emobilität Transmodale Lead User Elektromobile Lead User Micro Smart Grids BOTTOM-UP EEG-Umlage Energie-Start-ups Vehicle2Home Dezentrale Energieerzeugung Diversifizierung Ladeoptionen Innovatoren Early Majority 42

43 SwarmCar-Flotten Flow Management Operators emobilitätsnetze V-2-Mehrfamilienhaus- / Quartierskonzepte M2G-Genossenschaften Gemeinschaftliche M2G-Angebote ds Tipping Point Late Majority (Mainstream) 43

44 OEMs Automatisierung Pkw Autonome Test-Autos Unfälle mit autonomen Pkw Connected Car Zulassung autonomes Fahren Top-down: OEMs als Treiber des autonomen Fahrens Die Automatisierung des motorisierten Individualverkehrs wird weltweit neben den Automobilherstellern auch maßgeblich von branchenfremden Softwarefirmen wie Google vorangetrieben. Schon heute besitzen fast alle Neuwagen Assistenzsysteme und auch das freihändige Fahren in einem teilautomatisierten Auto ist im derzeitigen Rechtsrahmen erlaubt (ADAC 2016). Das Institute of Electrical and Electronics Engineers geht davon aus, dass 75 Prozent aller Pkw im Jahr 2040 autonom fahren werden (IEEE 2012). Das Beratungsunternehmen IHS Markit erwartet 21 Mio. autonome Fahrzeuge im Jahr 2035 und schließt dabei explizit ein Marktwachstum durch Ride sharing und Carsharing mit ein (IHS Markit 2016). Das Unternehmen sieht dabei die USA als Vorreiter, gefolgt von China, West-Europa, Japan und Südkorea. Die Schlüsselfaktoren für eine weitere Verbreitung des autonomen Fahrens sind zum einen das regulative Umfeld und zum anderen die Weiterentwicklung der Software zur Fahrsicherheit sowie die Cybersecurity (ebd.). Innerhalb der nächsten 20 Jahre plant fast jeder größere Automobilhersteller, ein vollautomatisiertes Modell anzubieten (Muoio 2016, Read 2012, Thompson 2015, s. Kasten). Entgegen aller Vorankündigungen, dass die Technik schon heute zur Verfügung steht (Smith 2014), ist allerdings die höchste bisher kommerzialisierte Automatisierungsstufe immer die der Teilautomatisierung (Level 2, vgl. Abbildung 13). Shladover (2016) geht sogar davon aus, dass ein sicheres vollautomatisiertes Fahren in jeder Fahrsituation nicht vor 2075 zu erwarten ist. Abgesehen davon bleibt ein vollautomatisiertes Fahrzeug, das sich in kritischen Situationen immer noch auf den Fahrer verlässt, insgesamt problematisch, da die Passagiere nach dem Abschalten nicht plötzlich wieder die Kontrolle übernehmen können (Bainbridge 1983, Merat/ Jamson 2009, Nees 2016, Shladover 2016). Solche Fahrzeuge sind auch bis auf weiteres nicht für Personen ohne Führerschein nutzbar. Google geht mit seinem Test-Auto ( daher nicht den Weg der OEMs, den Grad der Automatisierung langsam zu steigern, sondern setzt von Anfang an auf komplett autonome Fahrzeuge (Shaheen et al 2016, S. 5). Tatsächlich wird auch davon ausgegangen, dass bestimmte Fahrzeuge schon in der nächsten Dekade vollautomatisiert (Level 4) fahren werden aber nur auf 44

45 speziellen Strecken, auf denen schnell fahrende Autos ausgeschlossen werden können (Shladover 2016). Kooperationen zwischen Autoherstellern, IT-Unternehmen und Carsharing-Anbietern deuten außerdem darauf hin, dass die Automobilwirtschaft das autonome Fahren im Flottenbetrieb als Markt erkennt. So hat General Motors 500 Mio. Dollar für das Ridesharing- Unternehmen Lyft bezahlt und das auf autonomes Fahren spezialisierte Unternehmen Cruise Automation übernommen (car-it 2016). Seit diesem Herbst testet das Start-up nutonomy in Singapur eine erste autonome Taxi-Flotte. Und auch Uber arbeitet derzeit in Kooperation mit Volvo in Pittsburgh an einer Test-Flotte und bestätigt damit, dass der derzeitige Betrieb mit menschlichen Fahrern für Uber nur ein Zwischenschritt hin zum autonomen Taxi-Betrieb ist (Handelsblatt 2016). Offen bleibt in diesen noch sehr unterschiedlichen Ansätzen, ob und wieweit auch Veränderungen in der technischen Infrastruktur notwendig sind, um autonome Fahrzeuge massentauglich im Stadtverkehr zu koordinieren. Unfälle wie der erste tödliche Zwischenfall mit dem Tesla-Autopiloten im Sommer 2016 können hierbei als kurzfristige Showstopper wirksam werden, wenn es um das Fahren mit hohen Geschwindigkeiten geht. Für fahrerlose Fahrten im Stadtverkehr, bei eher niedrigen Geschwindigkeiten und auf Sonderspuren wird daher die Akzeptanz deutlich höher sein. Grundsätzlich gibt es im Kontext des autonomen Fahrens aber noch weitere potenzielle Showstopper. Der Regulierungsrahmen wird sich schneller anpassen und diesen Betriebsformen mehr Raum geben, wenn am Ende Effizienzgewinne nachgewiesen werden können und weniger Personenkilometer entstehen. Parallel ist damit zu rechnen, dass auch die Forschungs- und Entwicklungsarbeiten im Bereich Connected Car weiter getrieben werden. Die Kommunikation von Pkw mit Infrastrukturen (V2I - Vehicle-to-Infrastructure) und anderen Fahrzeugen (V2V - Vehicle-to-Vehicle) erhöht zusätzlich die Sicherheit automatisierter Fahrzeuge und sorgt dafür, dass Staus vermieden und Kraftstoff eingespart werden kann (VDA 2015, S. 6). So können beispielsweise auf der Autobahn Autos in Reihe geschaltet auch bei hohen Geschwindigkeiten autonom fahren (Platoons). Wenn Fahrzeuge außerdem noch mit Fußgängern (V2P - Vehicle-to-Pedestrian), Geräten (V2D - Vehicle-to-device) und dem Energienetz (V2G - Vehicle-to-grid) kommunizieren, ist ein Grad der Vernetzung (V2X - Vehicle-to-Everything) erreicht, der auch die Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer erhöht. Zum Bereich Connected Car gehören dabei neben den Sicherheitsfunktionen auch Anwendungen im Bereich Mobilitätsmanagement (z.b. Parkplatzassistent), Fahrzeugmanagement (z.b. Remote-Bedienung), Home-Integration (z.b. für Elektrofahrzeuge) oder Entertainment- und Well-Being-Funktionen (PwC 2014, S. 4). 45

46 Mit dieser Entwicklung hin zum sorglosen Autofahren könnten aber auch Entwicklungen verbunden sein, dass Fahren in einer Einzelfahrzelle dadurch so angenehm wird, dass ein immenser Mehrverkehr erzeugt wird. Das Diskussionspapier des Bundesverbands Digitale Wirtschaft zu Geschäftsmodellen für Connected Cars benennt in diesem Zusammenhang verschiedene Aspekte, die dazu führen können, dass das Autofahren als Individualverkehrsform enorm an Attraktivität gewinnen kann (BVDW 2016). So versprechen neue sprach- und gestengesteuerte Entertainment-Dienste und selbstlernende Navigationssysteme Freude beim Fahren statt Freude am Fahren (BVDW 2016, S. 12). Eine solche neue digitale Fahrkultur kann dann am Ende zu Rebound-Effekten führen und die Verkehrsbelastung erhöhen. 20 USA EU Asien Gatwick Morgantown Tampa Miami Kuala Lumpur Taipeh Schiphol Abbildung 16: Automated Guided Transit weltweit, Quellen: Irving et al. 1978, Wikipedia. Masdar Shuttle Loop Transit Group RapidTransit Personal Rapid Transit 46

47 Top-down: Öffentlicher Verkehr als Treiber ÖPNV Automated Guideway Transit ebusse Intermodality Hubs Recharging lanes Autonome eshuttles Neuer Massentransport Zulassung autonomes Fahren Bisher dreht sich die politische und öffentliche Diskussion über Chancen und Risiken automatischer Fahrzeugentwicklungen und des autonomen Fahrens fast ausschließlich um den motorisierten Individualverkehr. Im öffentlichen Verkehr wird autonomes Fahren aber insbesondere im Schienenverkehr in Form von Automated Guided Transit (AGT) schon längst eingesetzt. So gibt es schon seit 1970 einen autonom fahrenden Shuttle am Airport Tampa und seit 1986 den kostenlosen und fahrerlos betriebenen Metromover in Downtown Miami. Zusätzlich werden schon verschiedene U-Bahn-Systeme wie z.b. verschiedene Metro-Linien in Paris fahrerlos betrieben (Siemens 2016, s. Abbildung 17). ÖSPV fahrerlos 2015 ca PKM U-Bahn fahrerlos 2015 ca PKM U - B a h n d t PKM ÖSPV dt PKM Abbildung 17: Anteile der Verkehrsleistung des fahrerlosen ÖSPV 2015, Quelle: InnoZ Mobilitätsmarktmonitor Digitalisierung 47

48 Es ist davon auszugehen, dass diese Betriebsform weiter ausgebaut wird. Der ÖV ist auch in punkto Vernetzung voran geschritten. So kommunizieren Busse, Trams, U- und S-Bahnen in den meisten Gebieten schon mit Signalanlagen und auch Flottensysteme gehören zum Standard. Auch im Bereich der Elektromobilität ist der ÖV in verschiedenen Projekten zu ebussen sehr aktiv. So wurde beispielsweise im Rahmen des Internationalen Schaufensters Elektromobilität Berlin-Brandenburg das Projekt E-Bus Berlin gefördert, bei dem vier Elektrobusse im Regelbetrieb eingesetzt wurden und auch nach Ende der Förderung im Einsatz bleiben ( Die Batterien der Busse werden induktiv über eine Zwischenladung an den Endhaltestellen für die jeweils nächste Strecke geladen. So können kleinere und leichtere Batterien eingesetzt werden als beim Laden auf dem Betriebshof über Nacht (ebd.). Zum Einsatz kommt hier das induktive Ladesystem Primove von Bombardier ( Die Stadtstaaten Hamburg und Berlin haben zudem bereits gemeinsam die Beschaffung von 200 ebussen beschlossen, andere europäische Städte ziehen ebenfalls nach. In China wird erwartet, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre alle neu angeschafften Busse des städtischen Nahverkehrs vollelektrisch fahren. In den Städten wird zusätzlich an der baulichen und technischen Verknüpfung von ÖV, MIV und Shared Mobility (Car-, Bike- und Ridesharing) durch Mobility- Hubs gearbeitet. Erste Beispiele solcher Hubs finden sich bisher in Deutschland in Hamburg (Switchh-Stationen) oder auch in Bremen ( Mobilpunkte ) und Leipzig ( Mobilstationen). In Kombination mit Park and Ride-Optionen, On-Demand-Angeboten und Bedarfsverkehren kann über solche Hubs auch die letzte Meile vom Bahnhof nach Hause überbrückt werden. Hierbei sind unterschiedliche autonome Formen des individuellen öffentlichen Verkehrs (IÖV) denkbar (Sessa et al 2015, S. 26 f.): 48

49 Pods oder Shuttles sind kleine Fahrzeuge für den On Demand-Transport von Personen und Gütern (1-4 Personen, maximal 20 Personen), die in Shared Spaces oder auf extra Spuren fahrerlos fahren oder per V2I bzw. seitens der Verkehrsleitzentrale gelenkt werden. Personal Rapid Transit-Systeme (PRT) bieten ähnlich wie ein fahrerloser Taxi-Dienst eine exklusive Fahrt für bis zu 6 Personen für eine direkte On Demand-Tour zu jedem Zeitpunkt und auf der direkten Strecke zum Ziel an. Advanced City Cars (ACC) sind speziell für Carsharing-Flotten konzipiert (Access Control, hochautomatisiert), aber immer noch zum Selbstfahren gedacht. Dual-mode Vehicles werden überwiegend selbst gefahren, können einige Strecken z.b. zur Disposition, zum Laden, zum Parkplatz o.ä. auch autonom fahren. High-Tech-Busse für den Massentransport (mehr als 20 Personen) fahren meist auf speziellen Spuren und haben immer einen Fahrer, können aber in vielen Situationen auch autonom fahren. 49

50 Derzeit gibt es eine Vielzahl an Pilotprojekten zu Pods und Shuttles. So wurde 2016 der WEpod im niederländischen Wageningen auf regulären Straßen getestet ( und auf dem EUREF-Campus in Berlin fährt der Shuttle von Local Motors ( und der DB. Im Kontext der Smart City Challenge des US Departments of Transportation erhielten San Francisco, Austin, Columbus, Denver, Kansas City, Pittsburgh und Portland eine Förderung, um ein Konzept zur Integration von autonome Flotten in das ÖV-Netz zu erarbeiten (USDT 2016). Verschiedene Ride- und Carsharing- Unternehmen bereiten zudem über Angebote wie CleverShuttle, UberPool und LyftLine das Sharing von Ridehailing-Angeboten vor. ( ( ( Das prominenteste und etablierteste Beispiel für Personal Rapid Transit Systeme ist der solarstrombetriebene autonome Pod in Masdar City (Vereinigte Arabische Emirate), der bereits 2010 in Betrieb genommen wurde ( In Milton Keynes in der Nähe von London betreibt zudem das Innovationsnetzwerk Catapult ein Testfeld mit dem Zweisitzer Lutz Pathfinder, von dem ab 2017 erst 50 Fahrzeuge und ab Fahrzeuge als Zubringer zum ÖV eingesetzt werden sollen. Parallel testen die Singapore Autonomous Vehicle Initiative mit dem MIT Massachusetts Institute of Technology die Erweiterung des ÖV-Netzes mit autonomen Flotten in Singapur. Das chinesische Google Baidu plant den Einsatz von Zweisitzern auf festen Routen und die Massenproduktion in

51 Bisher gibt es für Advanced City Cars, Dual-mode Vehicles und High-Tech-Busse zwar durchaus einen Bedarf und Konzeptstudien, aber noch keine Beispiele für existierende Testfelder. Der chinesische Transit Elevated Bus (TEB) ist als eine Mischung aus Schienenfahrzeug und Bus zwar schon auf einer Teststrecke in Qinhuangdao getestet worden (s. Abbildung 18). Erfahrungen aus dem Regelbetrieb fehlen jedoch. Dabei ist die Frage, wie der Massentransport zukünftig organisiert wird, von entscheidender Bedeutung. Denn auch für den zukünftigen Verkehr in den Metropolen gilt, dass Effizienzgewinne nur durch attraktive und leistungsfähige Großgeräte organisierbar sind. Diese Systeme erreichen aber nur dann ihre Leistungsfähigkeit, wenn sie in alle Richtungen vernetzt werden und den Zu- und Abgang mit Individualverkehrsangeboten verbinden, die dann auch die Agglomerationsräume erschließen. Abbildung 18: Inneres und Äußeres des TEB, Quelle: Luo Xiaoguang / Xinhau News Agency

52 Top-down: Verkehrs- und Infrastrukturplanung als Treiber Verkehrsplanung ITS - Intelligent Transport System Standardisierung ITS Qualifikation Verwlatung Induktionsparkplätze Intermodality Hubs Recharging lanes Autonome eshuttles Neuer Massentransport Zulassung autonomes Fahren Straßenräume sind über Intelligent Transport Systems heute schon mit einer Vielzahl an Sensoren ausgestattet, die laufend Daten an Verkehrsleitzentralen senden. Diese Daten werden mit weiteren Datenquellen wie Floating Car Data angereichert und über verschiedene Medien (digitale Anzeigen, Radio, Internet) wieder an die Verkehrsteilnehmer zurückgespielt. Allerdings ist es noch keineswegs so, dass diese Infrastrukturdaten heute schon in einer hohen Qualität für weitere Dienste rund um neue Mobilitätsangebote oder autonomes Fahren bereitgestellt werden können. Wenn beispielsweise ein autonomer Shuttle an einer Ampelanlage Vorrang erhalten oder bei Rot gewarnt werden soll, müssten Infrastrukturdienstleister und Shuttle-Betreiber Daten austauschen. Bisher haben solche sogenannten kooperativen Systeme technisch noch keinen Reifegrad, mit dem ein solcher Austausch problemlos möglich ist. In verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsprojekten wird allerdings gerade an Standards für Kooperative Intelligent Transport Systems (C-ITS) gearbeitet. So verfolgen beispielsweise das niederländische, das deutsche und das österreichische Verkehrsministerium in Kooperation mit fünf großen Automobilherstellern in dem Projekt C-ITS Corridor das Ziel, die Verkehrs sicherheit und die Verkehrsflüsse zu verbessern, indem sie einen europäischen Standard für V2X-Kommunikation entwickeln ( Die EU-Kommission hat außerdem eine Plattform zur Implementierung Kooperativer ITS in der Europäischen Union (C-ITS Platform) ins Leben gerufen (EC 2016). Im dazugehörigen Report hat die Europäische Kommission festgestellt, dass europäische Unternehmen dabei ihren traditionellen Wettbewerbsvorteil aktiv erhalten müssen, weil neue Geschäftsmodelle und internationale Player Europas Vorrangstellung im Bereich ITS bedrohen (EC 2016). 52

53 Niederlande Rotterdam Frankfurt/M. Wien Österreich Abbildung 19: C-ITS Corridor, Quelle: Letztlich muss allerdings auch die Ausbildung und Qualifikation der öffentlichen Verwaltung an die neuen Herausforderungen der digitalen Infrastrukturen angepasst werden. Wenn beispielsweise die Parkplatzsuche durch neue Smart Parking -Ansätze vermieden werden soll, müssten ganze Viertel mit Sensoren oder andere Erfassungssysteme wie z.b. Radars oder Videokameras ausgerüstet werden. Um in der öffentlichen Planung effiziente Entscheidungsprozesse und Abnahmestrukturen etablieren zu können, muss schon jetzt der Grundstein in der Ausbildung gelegt werden, damit in näherer Zukunft genügend qualifiziertes Personal für die Planung intelligenter Infrastrukturen zur Verfügung steht. Hierbei muss auch die Rolle der öffentlichen Planung in Bezug auf den benötigten Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge bedacht werden. Insbesondere Induktionsparkplätze können dabei die Nutzung und das Laden von Elektroautos deutlich erleichtern und so die Akzeptanz der Elektromobilität erhöhen. Über induktives Laden können auch bei kurzen Standzeiten Elektroautos wie Sharing-Fahrzeuge oder Taxen mit der nötigen Energie versorgt werden. Induktive Ladeparkplätze können demnach auch ein wesentliches Element von intermodalen emobility Hubs, also ecar-, eshuttle- und ebikesharing-stationen an Fern-, Regional- und Nahverkehrsbahnhöfen sowie anderen kommunalen Liegenschaften sein. 53

54 Schließlich werden schon einige Pilottests mit Re-Charging Lanes gemacht, beispielsweise in Utah oder in England, über die e-autos auch während der Fahrt geladen werden können (UK Government 2015). Hier bleibt noch abzuwarten, ob der Mehrwert der Reichweitenerhöhung die hohen Infrastrukturkosten für Lade-Highways rechtfertigt. Zumindest für elektrisch betriebene Busse und Nutzfahrzeuge könnten jedoch Induktions-Fahrspuren im urbanen Bereich durchaus zu einem wesentlichen Element werden, das die Elektrifizierung auch hier vorantreibt. Visualisiert mit der Innovationslandkarte innovationslandkarte.innoz.de Abbildung 20: Dynamic Wireless Power Transfer System, Quelle: UK Goverment 2015, eigene Grafik Eine erweiterte Zulassung des autonomen Fahrens kann schließlich für autonome Elektroflotten ein starker Push-Faktor sein, der zu einem Tipping Point in Richtung intelligenter, vernetzter Mobilitätssysteme führt. Bisher regelte das sogenannte Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr noch, dass jeder Fahrzeugführer ( ) unter allen Umständen sein Fahrzeug beherrschen muss. Das Fraunhofer IAO (2015) kommt, wie auch andere Experten, in seiner umfassenden Studie zum Schluss, dass technisch nichts gegen eine Einführung des hochautomatisierten Fahrens bis zum Jahr 2020 spricht, (IAO 2015, S. 104, S. 107). 54

55 Bottom-up: Start-ups aus dem Energiebereich als Treiber Energie-Start-ups Dezentrale Energieerzeugung Diversifizierung Ladeoptionen Vehicle2Home EEG-Umlage Micro Smart Grids Die Stromnetze stehen ebenfalls vor einem radikalen Umbau, wenn die Ziele der Energiewende umgesetzt werden sollen. Deutschland hat hier noch eine Vorreiterrolle und wird weltweit als Energielabor beobachtet. Die tageszeitlich und wetterabhängig fluktuierende Stromproduktion von Wind- und Solaranlagen erfordert zusätzliche Netze und Speicher sowie völlig neue Anreize, die Nachfrage an das Angebot anzunähern. Das Stromnetz von morgen wird komplexer und dezentraler als jemals zuvor sein und bedarf damit zusätzlicher Steuerungs- und Ausgleichsleistungen. Neue Speicher sind v.a. deshalb erforderlich, um die wachsenden Kapazitäten der volatilen regenerativen Energieträger verarbeiten zu können und grundlastfähig verfügbar zu halten. Zur Entwicklung eines derart komplexen Lastmanagements müssen neue Pufferkapazitäten generiert und die verschiedenen Erzeuger, Verbraucher und Speicher intelligent miteinander verzahnt werden. Verschiedene Studien gehen davon aus, dass ab einem Anteil der erneuerbaren Energien am Bruttostromverbrauch von 60 Pro- zent Speicher notwendig werden (Agora Energiewende 2013). Dieser Anteil wird für 2035 erwartet (ebd.). In einigen Regionen ist der EE-Anteil schon viel früher so hoch, dass sich der Speichereinsatz lohnt. Außerdem können bereits kleine Speicherkapazitäten zur Stabilisierung der Verteilnetze beitragen. Angesichts der sinkenden Speicherkosten ist mit einer dynamischen Marktentwicklung zu rechnen. Batterieelektrische Fahrzeuge haben in diesem Kontext eine bislang noch geringe Bedeutung, da die Berechnungen in den meisten derzeitigen Studien in der Regel vom herkömmlichen, fragmentierten Nutzungskonzept des privaten Individualverkehrs ausgehen (Agora Energiewende 2013). Elektrofahrzeuge können aber dann eine wesentliche Rolle spielen, wenn sie örtlich verdichtet in Flottenkonzepten eingebunden sind. Bei diesen elektrischen Flotten kann es sich um Pkw von Firmen- bzw. Fuhrparks oder Lieferwagen zur örtlichen Nahversorgung, aber auch um Schienenfahrzeuge (z.b. Energietender ) handeln. 55

56 Bei relevanten Mengen werden sie für einen Verteilnetzbetreiber verlässliche, also planbare Pufferkapazitäten bereitstellen können. Um seitens der Energiewirtschaft auf diese Entwicklung vorbereitet zu sein, werden die regionalen Energieversorger ihre Produktions- und Verteilungsinfrastrukturen dezentraler ausrichten und das Lastmanagement auch für kleinteilige Speicherkapazitäten sensibel machen müssen. Disruptives Potenzial kann die Blockchain-Technologie gerade für die Vernetzung auch kleiner Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten haben (vgl. DENA/ EMST 2016). Sie könnte die Transaktionskosten für Prosumenten drastisch verringern. Für eine integrierte Energie- und Verkehrswende muss allerdings zunächst das große Henne-Ei -Problem der Elektromobilität gelöst werden: Gibt es keine Lademöglichkeiten, wird sich die Elektromobilität nicht weiter verbreiten, so dass wieder kein Bedarf an Ladestationen besteht. Um diese Patt-Situation aufzulösen, arbeiten verschiedene Startups an Lösungen, um das Angebot an Ladeoptionen zu diversifizieren. In diesem Kontext sind insbesondere günstige Plug-in-Lösungen, die sinnvoll bestehende Infrastrukturen nutzen, wie beispielsweise das von ebee ( und ubitricity ( angebotene Laternenladen für das Roll-out von großer Bedeutung. Parallel werden verschiedene Ladeoptionen für e-bikes, e-scooter oder Fluggeräte wie dem Volocopter (e-volo.com) benötigt. Eine weitere Stromquelle für Ladestrom können dabei Häuser sein. Für Gebiete mit Einfamilienhausbestand sind prinzipiell heute schon Vehicle-to-Home-Konzepte möglich, bei denen selbst erzeugte Solar- oder Windenergie für das Laden des privaten Pkw genutzt wird. Für Gebiete, in denen das Stromnetz nicht sehr dicht ist (z.b. in peripheren Gegenden der USA oder in Australien) oder bei Stromausfällen etwa durch Naturkatastrophen (z.b. in Japan) kann es ebenfalls sinnvoll sein, das Fahrzeug als Energiespeicher zu nutzen. Die meisten OEMs sind hinsichtlich der Rückspeisefähigkeit von Elektroautos derzeit noch zurückhaltend. Das chinesische Unternehmen BYD hat allerdings schon mit dem e6 ein Serienmodell auf den Markt gebracht, das für bidirektionales Laden geeignet ist ( Das Auto oder den e-scooter als Speicher zu nutzen, könnte sich damit durchaus für bestimmte, weniger verdichtete Gebiete oder bestimmte Haustypen wie Ferienhäuser oder komplett autarke Einheiten (s. Abbildung 21) etablieren. Auch hier können Startups durch smarte Lösungen wie die Öko-Kapsel ökologische Innovationen antreiben (s. Abbildung 21). 56

57 Abbildung 21: Photograph by Tomas Manina, Ecocapsule Holding Vehicle-to-Home-Konzepte können von einer Reform der EEG-Umlage profitieren, wenn beispielsweise der Handel mit selbst erzeugtem Ladestrom gefördert werden würde. Über sogenannte Micro Smart Grids (MSG) werden auf Block- oder Siedlungsebene unterschiedliche Energiequellen, Verbraucher sowie Speicher intelligent miteinander verknüpft. Bei MSGs können einerseits wie beschrieben Flottenfahrzeuge für die Lastensteuerung genutzt und bei Hochlastzeiten mit überschüssiger Energie geladen werden. Andererseits wird über Micro Smart Grids wie dem MSG auf dem EUREF-Campus in Berlin garantiert, dass der Ladestrom zumindest zu bestimmten Zeiten zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen stammt. Fahrten mit Elektrofahrzeugen, die über ein solches MSG geladen werden, können damit potenziell als komplett emissionsfrei gelten. Allerdings bedarf es hier noch einer Anpassung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die derzeit noch eine garantierte Stromabnahme beim örtlichen Versorger vorsehen. 57

58 Bottom-up: Nutzer als Treiber Nutzer emobility Mikro emobilität Transmodale Lead User Elektromobile Lead User Sharing autonom Peer2Peer CS autonom Park&Charge privat Shared busses Derzeit entstehen vor allem in der sogenannten Maker-Szene vielfältige neue elektromobile Arten der individuellen Fortbewegung. So wurde beispielsweise im April 2016 der strombetriebene Volocopter ( vorgestellt, der zumindest für Kurzstrecken oder in Megacities eine Option für batteriebetriebenen Flugverkehr bieten könnte (s. Abbildung 22). Abbildung 22: Elektro-Volocopter und die Gogoro Familie, Quellen: e-volo GmbH, by Nikolay Kazakov, e-volo, by Nikolay Kazakov 58

59 Außerdem gibt es eine rege Entwicklerszene rund um Mikro-Elektrofahrzeuge wie z.b. Hoverboards oder Mini-Segways, die insbesondere in Kombination mit dem öffentlichen Verkehr zumindest für einige Personengruppen als Verkehrsmittel für die erste oder letzte Meile interessant sein können. Auch e-mikromobile wie der dreirädrige i-road von Toyota oder der Microlino können speziell im urbanen Verkehr dem Pkw Konkurrenz machen (Toyota 2016). Das ungarische Unternehmen Antro hat außerdem ein günstiges Elektroauto entworfen, bei dem die Fahrer per Pedalkraft den Antrieb unterstützen ( Das taiwanesische Start-up Gogoro plant außerdem einen Smartscooter, dessen Batterie an den sogenannten GoStations gegen eine frisch geladene Batterie getauscht werden kann ( Stern 2015). Mikro-Elektromobilität ist allerdings nicht als Hauptverkehrsmittel geeignet. Nutzer werden vielmehr verschiedene Verkehrsmittel kombinieren sei es über einen Zeitraum von z.b. einer Woche (multimodale Mobilität) oder sei es auf einer Strecke (intermodale Mobilität). Ein solches transmodales Mobilitätsverhalten, bei dem alle verfügbaren Mobilitätsangebote flexibel und je nach Bedarf genutzt werden, kündigt sich schon heute an. So zeigt sich, dass Lead User von neuen Mobilitätsdiensten tatsächlich auch intermodaler unterwegs sind als andere ÖV-Nutzer (s. Abbildung 23). Anteil der intermodalen Wege/Auto/ Fahrrad/ÖV) bei ÖV Nutzern 32% Nutzer mit ÖV-Abo 13% 13% n=182 Abbildung 23: Lead User und Intermodalität (Quelle: eigene Grafik 21% 21% Nutzer intermodaler Mobilitätsdienste mit ÖV-Abo 16% 43% n=55 Keine intermodalen Wege 5-10% 23% 16% 10-25% >25% Anteil weniger als 5% 59

60 Einen weiteren Hinweis auf eine nutzerinduzierte Verkehrswende liefern die Einstellungen von Lead Usern. Hierzu wurden Lead User befragt, die schon heute neue Mobilitätsangebote nutzen. Das InnoZ hat hierzu ein internationales Sample aufgebaut, das in dieser Form weltweit noch nicht existiert. Grundidee ist es, Menschen zu identifizieren, die sich bereits heute so bewegen, wie dies für die Mehrzahl der Nutzer nach Durchsicht der internationalen Studien auch für morgen unterstellt wird. Mit Hilfe der Aussagen dieser Probanden lassen sich dann vor allen Dingen die Reaktionen auf veränderte politische Rahmenbedingungen abfragen (s. Kasten). Die Befragungsergebnisse legen insgesamt nahe, dass Lead User elektrische Antriebe für Fahrzeuge und eine regenerative Energieerzeugung für diese Fahrzeuge bevorzugen. So finden fast 90 Prozent der Befragten gut, dass Elektroautos Pkw mit Verbrennungsmotor komplett ersetzen (n= 546). Fast 80 Prozent der Befragten finden es außerdem gut, wenn selbstfahrende Fahrzeuge vorwiegend als geteilte Fahrzeuge genutzt würden etwa die Hälfte aber gleichzeitig auch, wenn sie überwiegend im Privatbesitz wären. Autonome Fahrzeuge als geteilte Shuttles werden von den Top Scorern mit einer besonders hohen Affinität zu Innovationen allerdings noch eher befürwortet und private autonome Autos noch eher abgelehnt als beim restlichen Sample. Bei der Frage nach der eigenen Nutzungsbereitschaft von autonomen Autos sind etwa ein Drittel der befragten Lead User heute noch skeptisch. Allerdings würden Lead User tendenziell eher autonomes Car- oder Ridesharing nutzen als ein privates autonomes Auto kaufen (s. Abbildung 24). Abbildung 24: Präferenzen für privates und geteiltes autonomes Fahren (n=555), eigene Grafik Ich möchte selbstfahrende Fahrzeuge als Teil eines Car-Sharing-Systems verwenden 16,5 % 8,7 % 13,2 % 21,0 % 16,8 % 23,7 % Ich möchte selbstfahrende Fahrzeuge zusammen mit anderen Fahrgästen als Teil des öffentlichen Verkehrs nutzen 14,2 % 10,1 % 13,0 % 23,2 % 19,5 % 20,0 % Ich möchte ein selbstfahrendes Fahrzeug kaufen (wenn es zu einem Preis erhältlich ist, vergleichbar zu einem "normalen" Fahrzeug heute ) 20,9 % 11,2 % 12,8 % 17,5 % 13,7 % 24,0 % Trifft überhaupt nicht zu Trifft eher nicht zu Trifft überwiegend zu Trifft überwiegend nicht zu Trifft eher zu Trifft voll und ganz zu 60

61 Daten zu Lead Usern neuer Mobilitätsdienste Über Webmining wurden insgesamt weltweit etwa 600 Lead User bestimmt und befragt, die sich in sozialen Netzwerken (Facebook und Twitter) mit hohem Engagement in Diskurse zu bestimmten Themen einbringen, viele Follower haben und deren Beiträge von anderen Teilnehmern positiv bewertet werden. Insgesamt kann man in jedem Fall davon ausgehen, dass auch im autonomen Zeitalter Pkw genutzt werden, da sie insbesondere in weniger verdichteten Räumen weiterhin gebraucht werden. Wenn diese Pkw allerdings hochautomatisiert sind und so beispielsweise der Parkvorgang auch fahrerlos erfolgen kann, lässt sich auch in suburbanen oder ländlichen Räumen Peer-to-Peer-Carsharing unterstützen. Parallel kann sich auch ein privates Park & Charge-Netz entwickeln, wenn die selbst erzeugte Energie für einen geringen Preis z.b. Durchreisenden oder Nachbarn angeboten wird. Gerade in ländlichen Räumen kann so eine Mobilitäts-Subsistenzwirtschaft entstehen, über die Mobilität zu minimalen Preisen und mit minimalen Emissionen bereitgestellt wird. Für Räume, in denen heute schon alternative Formen der Shared Mobility in Form von Shared Busses wie Minibusse, Community Busses, Bürgerbusse, Dolmuse oder Mathrushas den mangelnden öffentlichen Nahverkehr ergänzen, werden sich dann auch elektrische und smarte Formen des gemeinschaftlichen Verkehrs entwickeln. Dies wird insbesondere für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen ähnlich wie heutige Paratransit-Systeme den Zugang zu Mobilität erhalten. Zusätzlich können über Crowdfunding ebenfalls Mikro-Projekte ermöglicht werden, für die es keinen Markt, aber eine Nachfrage gibt. So können auch in entlegenen Regionen oder für eher ärmere Bevölkerungsgruppen Mobilitätsangebote wie z.b. Bürgerbusse organisiert werden, die den Zugang zur Gesundheits-, Bildungs- oder Versorgungsangeboten verbessern. 61

62 Nach dem Tipping Point: Elektromobilitätsnetze und gemeinschaftliche Mobility2Grid-Angebote Wenn man die digitale Vernetzung des öffentlichen Verkehrs und der Mobilitätsinfrastrukturen sowie die Aktivitäten der OEMs im Bereich der Automatisierung weiterdenkt, werden ganz neue integrierte Elektromobilitätsnetze denkbar. So können beispielsweise autonome Swarm- Car-Flotten in sogenannten Feeder-Systemen aus dichten, multidirektionalen und reziproken Netzwerken eine geeignete Brücke sein, um die Vernetzung von Mobilitätsangeboten voranzutreiben. Heutige Probleme von kollaborativen Mobilitätssystemen wie beispielsweise ein unzureichendes zeitliches oder räumliches Matching können von autonomen Systemen verringert werden. Fixe Zeit- und Routenpläne würden entfallen und durch eine bedarfsangepasste On-Demand-Bedienung ersetzt werden. Der Flottenbetrieb basiert dann auf zeitlich optimierten Routenverläufen, die entsprechend den Anforderungen und Anfragen der Kunden auf Basis von Big Mobility Data so auch im Voraus berechnet werden und Leerfahrten vermieden werden. OLLI ON DEMAND Seit einer der beiden Gemeinde- Ollis die kleinen Hochwalddörfer der saarländischen Gemeinde Losheim on demand bedient, kann Erna P. aus Waldhölzbach wieder problemlos an den Landfrauen-Treffen im Gemeindezentrum teilnehmen. Mit dem Linienbus war das immer umständlich und ich war immer viel zu früh da, weil der ja nur ein paar Mal am Tag fuhr. Aber der Olli holt mich immer zu Hause ab und bringt mich auch wieder sicher zurück. Per App muss man sich nur zum Treffen anmelden und der autonome Shuttle fährt dann die ideale Route ab, um alle Landfrauen in den Dörfern einzusammeln. Mein Handy hupt dann immer, wenn der Olli gleich kommt obwohl der Olli ja gar nicht hupen kann kichert Erna P. von Frank Hunsicker 62

63 Integrierte Mobilitätsnetze werden vor allem dort sinnvoll sein, wo es grundsätzlich einen guten Nahverkehr als Rückgrat sowie vernetzte, engagierte Stakeholder auf Seiten der Kommune, der Verkehrsbetriebe und der Anbieter der autonomen SwarmCar-Flotten gibt. Ein intelligentes Flottenmanagement der SwarmCars kann den Betrieb auch in weniger dichten Räumen so optimieren, dass er deutlich tragfähiger ist als heutige Sharing-Systeme. So können beispielsweise bestimmte Zeiten oder Orte berechnet werden, an denen die Fahrzeuge angeboten werden sollten. In weniger verdichteten Gebieten verbessern autonome Flotten und Shuttles dann die Accessibility im Sinne eines Zugangs zur Mobilität. Der ÖV kann dabei von den neuen On-Demand-Angeboten für die letzte Meile profitieren. Digitalisierung und Automatisierung eröffnen somit die Möglichkeit, einen integrierten öffentlichen, aber flexiblen Verkehr anzubieten, der am Ende attraktiver, günstiger und flexibler als der private Pkw-Besitz ist. Der Tipping Point wird dann erreicht, wenn das eigene Auto und das Selbstfahren keine objektiven Vorteile mehr bieten und ein Modal Shift hin zu einem neuen transmodalen Mobilitätsverhalten auch auf die Early Majority überspringt. Ist das private Auto erst einmal den vernetzten Mobilitätsangeboten gewichen, entstehen ganz neue multimodale Mobilitätsangebote. So ist beispielsweise vorstellbar, dass kostenlose Werbefahrten in autonomen Shuttles angeboten oder Fahrten über Spenden finanziert werden. GEKOPPELT DURCH DIE STADT Der Betriebsleiter der CASS GmbH (Connected Autnomous Shuttle Service GmbH) in Friedrichshafen hat alle Testläufe für die Implementierung der neuen Schnittstelle für die Car2-Car-Kommunikation auf Kurzstrecken abgeschlossen. Dadurch werden auch ganz neue Komfortfunktionen umsetzbar wie die Warnung vor Rettungs- und Einsatzfahrzeugen. Ein besonderes Augenmerk gilt jedoch dem Shuttle-Platooning, bei dem bis zu vier Kleinbusse gekoppelt werden können. So lassen sich in den nachfrageschwachen ländlichen Regionen des Landkreises Fahrtwünsche mit einzelnen autonomen Fahrzeugen bedienen, die auf nachfrage starken Strecken gekoppelt werden. Der Vorteil ist ganz klar: Sicherer Betrieb, geringerer Energieverbrauch und besserer Service für die Fahrgäste, denn im Konvoi erhalten die gekoppelten Fahrzeuge durch die Kommunikation mit der Infrastruktur (C2X) eine grüne Welle durch die Stadt. An relevanten Abzweigungen, z.b. zu den verschiedenen Universitätsstandorten, trennen sich die Fahrzeuge wieder und fahren einzeln weiter. Damit verschwindet der Unterschied zwischen Individualverkehr, Sharing-Angeboten und klassischem ÖV. Wir liefern ab jetzt Mobilität erklärt der Betriebsleiter mit etwas Stolz in der Stimme. von Marc Schelewsky 63

64 Integrierte lokale Energienetze, die im Sinne von Mobility2Grid auch auf Quartiersebene Elektrofahrzeuge versorgen, werden heute schon erprobt, zum Beispiel in der von dem Unternehmer Karabag initiierten Smart Grid-Siedlung in Norderstedt oder dem von JWD, Toyota, Panasonic Electric Works und Hitachi initiierten Smart Grid-Demonstrationsprojekt in Rokkasho Village in Japan. Gerade in Ländern, in denen das Stromnetz durch Naturkatastrophen sowie ungeplanter oder veralteter Infrastruktur anfällig für Ausfälle ist, können solche Konzepte zur energieautarken Elektromobilitätssiedlungen in Zukunft an Bedeutung gewinnen. In Kombination mit Vehicle-to-Mehrfamilienhaus -Konzepten in größerem Maßstab können Micro Smart Grids auch in urbanen Räumen eine interessante Lösung für Eigentümergemeinschaften oder Genossenschaften sein, um neben der Energieversorgung für das Wohnen auch den für die Elektromobilität benötigten Strom aus erneuerbaren Quellen selbst zu erzeugen und perspektivisch ggf. sogar selbst zu vertreiben. Diese Konzepte können sowohl in urbanen Räumen als auch in suburbanen und ländlichen Räumen umgesetzt werden. Heute gibt es schon unterschiedliche Projekte zu gemeinschaftlichen Stromund Wärmenetzen, die letztlich auf eine Energieautarkie hinwirken. So besitzt das Dorf Büsingen ein eigenes Stromund Wärmenetz, das auf Holz und Solarthermie setzt. Allerdings ist dies nur möglich, weil das Dorf eine Enklave auf Schweizer Gebiet ist und daher hier besondere gesetzliche Regelungen gelten. Auch andere Orte wie das Allgäuer Wildpoldsried oder Dardesheim im Harz erproben Selbstversorgungskonzepte. Zusätzlich gibt es Großprojekte wie Masdar in Abu Dhabi, die mit umfassenden Energie- und Wärme- bzw. im Falle von Masdar Kühlkonzepten auf Siedlungsebene experimentieren ( Es ist heute schon erkennbar, dass in Zukunft eine Vielzahl unterschiedlicher Strom-, Ladestations- und Mobilitätsanbieter sowohl auf Ebene des Energie- als auch auf Ebene des Mobilitätssystems effizient organisiert werden muss. Die Frage ist jedoch, wer die physischen Flotten und deren Stromversorgung am Ende betreiben wird. Grundsätzlich sind hierbei Stadtwerke, bei denen Energieversorgung und öffentlicher Verkehr schon heute aus einer Hand kommen besonders gut geeignete Kandidaten, um als Energy and Transport Flow Management Operators den integrierten Energie- und Verkehrsbetrieb zu übernehmen. In Gebieten, in denen private Unternehmen die lokalen Mobilitäts- und Energiesysteme betreiben, werden unter Umständen auch neue Stakeholder als Transport Network Operator oder Energy Network Operator das lokale Flow Management über intelligente Infrastrukturen übernehmen. In diesem Fall sind verschiedene Formen denkbar, die von einem rein privatwirtschaftlichen Betrieb über Public Private Partnerships bis hin 64

65 zu genossenschaftlichen Ansätzen reichen. Auch im Bereich des Verkehrsmanagements wird es dabei viele kleine Start-ups und Unternehmen geben, die die Innovationen vorantreiben und als Partner für Verkehrstechnik, Stadtwerke und Verkehrsbetriebe bereit stehen (Canzler, Knie 2013). Welche Modelle sich in Bezug auf die Energieversorgung der vielen neuen Elektrofahrzeuge im Einzelnen langfristig als praktikabel erweisen werden, ist derzeit noch nicht abzusehen. Die derzeitigen Ansätze im Bereich Micro Smart Grids sowie Vehicle2Home-Konzepte sowie die Tendenzen im Bereich des autonomen Fahrens deuten aber darauf hin, dass hinsichtlich der Mobilitätsinfrastrukturen und -angebote zukünftig mit einer großen Vielfalt und weiteren Diversifizierungstendenzen zu rechnen ist: Der öffentliche Verkehr wird durch teilautonome elektrische Carsharing- und On-Demand-Flotten auf der ersten und letzten Meile ergänzt. Zunehmende Dezentralisierungstendenzen in Bezug auf die Energieversorgung führen auch in urbanen Räumen zu neuen Konzepten in Bezug auf die Vernetzung von Wohnen und Mobilität. 65

66 Lesetipps: Maurer, M., Gerdes, J.C., Lenz, B., Winner, H. (Hrsg., 2015): Autonomes Fahren, Technische, rechtliche und gesellschaftliche Aspekte, Wiesbaden. Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, (2014): Neue Mobilitätsformen, Mobilitätsstationen und Stadtgestalt, ExWoSt-Informationen 45/1, Canzler, W., Knie, A. (2016): Mobility in the Age of Digital Modernity. Why The Private Car is Losing Its Significance, Intermodal Transport is Winning and why Digitalisation is the Key, in: Applied Mobilities, Vol. 1, No. 1, S Shladover, S. (2016): The Truth about Self-Driving Cars: They are coming, but not the way you may have been led to think. Scientific American, 314, S InnoZ Mobilitätsmonitor Nr. 3 November 2016, acatech (2016): Studie Neue automobilität, Berlin. 66

67 5. Mobility as a Service- Ökosysteme

68 Was lässt sich aus den Trends auf Ebene der technischen Landschaft für die zukünftige digitale Organisation von Mobilität und Mobilitätsressourcen ableiten? Wenn es zunehmend vernetzte oder autonome Flotten als Ergänzung zum öffentlichen Verkehr gibt, wird sich auch die Organisation von Mobilitätsressourcen ändern: Feste Fahrpläne und Routen werden durch On-Demand-Systeme ergänzt oder ersetzt, so dass neben dem klassischen ÖV auf nachfragestarken Achsen ein individueller ÖPNV bzw. ein öffentlicher MIV ermöglicht wird. Dafür werden eine Vielzahl neuer digitaler Dienste und Anwendungen benötigt. Das Spektrum reicht von nachfragebasierten Dispositionssystemen über V2I- und V2X-Kommunikation bis hin zu Technologien im Bereich Sensorfusion für autonome Fahrzeuge. Die Beratungsfirma Berg Insight geht davon aus, dass der Bedarf für Flottenmanagementsysteme sowohl für Personenals auch Lieferverkehr in den nächsten Jahren in allen Weltregionen steigen wird (Berg Insight 2015, s. Abbildung 25). 40 Abbildung 25: Durchdringungsraten für Flottenmanagement- Systeme in kommerziellen Fahrzeugen (inkl. LKW und Busse). Quelle: Berg Insight 2015, eigene Darstellung Lateinamerika China Australien/Neuseeland Russland/Osteuropa Südafrika Europa Nordamerika Bildquelle S.67: 68

69 Privater Pkw Mietwagen Mitfahrgelegenheit Zug Privates Carsharing Flexibles Carsharing Fernbus Stationäres Carsharing Flugzeug Taxi ÖPNV (außer Taxi) Anzahl der Kombinationen Fußweg Bikesharing/Leihrad >30 >5 >2 1 Privatrad n=74 (Anzahl der Apps) Abbildung 26: Kombinationen angezeigter Modi in Routing-Apps, Quelle: InnoZ Mobilitätsmarkt-Monitor Digitalisierung 69

70 Die Diversifizierung des Mobilitätsangebots an der Schnittstelle zwischen öffentlichem und privatem Verkehr bringt neue Informationsbedarfe zu Routen und Fahrtkosten mit sich, die ebenfalls über digitale Dienste abgebildet werden können. Musste man sich früher lediglich zwischen Auto, Taxi, Fahrrad und ÖPNV entscheiden, stehen heute zusätzlich Angebote im Bereich Carsharing, Dynamic Ridesharing, Bikesharing oder Ride-hailing zur Verfügung. Um quer über alle Verkehrsmittel hinweg die für den jeweiligen Wegezweck effizienteste, schnellste oder günstigste Route zu finden, muss man jedoch immer noch wie bei einer Suchmaschine zwischen einer Vielzahl von speziell auf eine Verkehrsinformation ausgerichteten Apps hin- und herspringen. In den letzten Jahren gab es daher rege Entwicklungsaktivitäten zu Mobilitätsplattformen, die das Ziel haben, lokale und regionale Mobilitätsangebote integriert und aufeinander abgestimmt anzu bieten. Dabei lassen sich zwei Dimen sionen der Integration unterscheiden: Die horizontale Integration, auf der die Angebote unterschiedlicher Mobilitätsanbieter wie ÖV, Shared Mobility oder Taxi zu finden sind, und die vertikale Integration, die sich auf die Hauptfunktionen Information, Zugang und Abrechnung für jedes Verkehrsmittel bezieht (s. Abbildung 27). Abbildung 27: Horizontale und vertikale Integration bei Mobilitätsplattformen, eigene Grafik Flug Fernbahn MIV (Parken/Laden) Taxi (Freefloating) Carsharing Bus, U-/S-Bahn Regionalbahn Ridesharing Bikesharing Horizontale Integration der Mobilitätsangebote Horizontale Integration der Mobilitätsangebote Intermodales Routing Buchung & Reservierung Zugang & Ticketing Reiseassistenz & Navigation Billing 70

71 Ein vollständig integriertes Mobility as a Service-System sollte auf beiden Dimensionen möglichst umfassend die Angebote bzw. die Funktionen abbilden, also für jedes Verkehrsangebot alle Funktionen von der Information bis zur Abrechnung bereitstellen. Zudem müssen die Angebote sinnvoll miteinander kombinierbar sein, also auch Intermodalität ermöglicht werden. Derzeit existieren vor allem zwei Modelle für Mobilitätsplattformen, die eine vollständige horizontale und vertikale Integration anstreben: Das integrierte Modell mit eigener Marke und Kundenschnittstelle sowie das Roaming -Modell, das durch Mandantenfähigkeit gekennzeichnet ist (s. Abbildung 28). Abbildung 28: Modelle für Mobilitätsplattformen, eigene Grafik Integriertes Modell Roaming-Modell XY ÖPNV 1 Carsharing 1 ÖV1 ÖV2 ÖPNV 1 1 Carsharing Taxi Taxi Carsharing 2 ÖPNV 2 CS1 Carsharing 2 ÖPNV 2 Kundenvertragspartner (KVP) Verkehrsmittelbereitsteller (VMB) Kundenvertragspartner (KVP) Verkehrsmittelbereitsteller (VMB) 71

72 Vom Funktionsumfang unterscheiden sich beide Modelle nicht wesentlich voneinander: Beide integrieren auf horizontaler Ebene möglichst umfassend alle Mobilitätsangebote und bilden auf vertikaler Ebene alle Funktionen ab. Unterschiede treten beim Frontend, also der Nutzerschnittstelle auf. Beim integrierten Plattformmodell wird der Kundenkontakt über einen neuen Dienst mit eigener Marke hergestellt. Auf lokaler Ebene sind Beispiele für integrierte Angebote die WienMobil Lab-App der Wiener Linien oder der emma-routenplaner für die Bodensee-Region. Beispiele für integrierte intermodale Dienste auf nationaler Ebene sind die Qixxit-App der DB und die moovel-app von Daimler. Beim zweiten Modell der Mobilitätsdienst-Integration wird ähnlich wie beim Mobilfunk-Roaming die Nutzung von Partner-Diensten über die gewohnte App ermöglicht. Für den Kunden ändert sich somit wenig, da zum Beispiel der Ticketkauf in anderen Regionen oder die Nutzung eines Ridesharing-Bikes im Hintergrund zwischen den Unternehmen verrechnet wird. Ein Beispiel für das Roaming-Modell ist die (((e Ticket Deutschland-Initiative des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Rund um beide Plattform-Modelle gibt es zusätzlich viele verschiedene Business-to-Business-Dienste, die sich beispielsweise um das Billing beim e-ticketing oder die Visualisierung bei Navigationslösungen kümmern. So entstehen rund um die Mobilitäts dienste digitale Ökosysteme, die eine nahtlose Nutzung aller verfügbaren Verkehrsmittel im Sinne einer Mobilität als Dienstleistung, also einer Mobility as a Service ermöglicht. Die weitere Digitalisierung des Mobilitätssektors verspricht dabei ein enormes Marktpotenzial. So schätzt das Unternehmen Markets and Markets den Wert des Smart Transportation Markets auf 138,76 Mrd. USD im Jahr 2020 (Markets and Markets 2015). Zu den wesentlichen Marktsegmenten zählen hierbei Ticketing Management, Parkraummanagement, Traffic Management, Smart Signalling, Multimodale Informationssysteme, Cloud-Dienste und Business-to-Business Services. Auch der Wert des Smart City-Markts, zu dem vor allem Energiedienstleistungen zählen, soll mit einer Wachstumsrate von rund 10 Prozent von 36 Mrd. USD in 2016 auf fast 90 Mrd. USD in 2025 steigen (Navigant 2016, S. 3). Die größten Erträge sind hier im asiatischen, europäischen und nordamerikanischen Markt zu erwarten (s. Abbildung 29). 72

73 Nordamerika Europa Asien-Pazifik Lateinamerika Mittlerer Osten & Afrika Abbildung 29: Erwartete Einnahmen aus dem Smart City Markt, Quelle: Navigant 2016, eigene Darstellung Angesichts dieser Wachstumsraten sind auch international agierende IT-Unternehmen auf den Mobilitätsmarkt aufmerksam geworden. Amazon hat dabei vor allem Logistik und Lieferverkehr im Blick (Focus 2016), während Google mit Google Transit einen weltweiten Routenplaner für verschiedene Verkehrsmodi anbietet. Die großen Unternehmen aus dem Silicon Valley besitzen dabei im Vergleich zu lokalen ÖV-Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, weil sie weltweit Massen an Daten speichern und unter zunehmendem Einsatz künstlicher Intelligenz zukünftig auch schnell verarbeiten können. Tatsächlich haben sich fünf der großen IT-Unternehmen aus dem Silicon Valley (Google, Facebook, Amazon, IBM und Microsoft) zur AI-Partnership on Artificial Intelligence to Benefit People and Society zusammengeschlossen, während Apple und OpenAI von Elon Musk eigene Strategien zu Forschung und Entwicklung im Bereich der künstlichen Intelligenz verfolgen (The Guardian 2016). Zur Erwei terung ihres globalen Ökosystems kaufen die Technologie- Giganten auch Start-ups auf, die innovative Mobilitätsdienste entwickelt haben. Dies regt zwar zum einen die Entwicklungstätigkeiten rund um Mobilitätsdienste an. Zum anderen sind jedoch die aufgekauften Start-ups nicht mehr als Partner für lokale Verkehrsunternehmen verfügbar, die ihre Dienste erweitern und optimieren möchten. 73

74 Den großen IT-Unternehmen aus dem Silicon Valley sind jedoch auch Grenzen gesetzt. Wenn sie beispielsweise eine zu große Marktmacht erhalten, weil sie in einigen Räumen quasi das Monopol auf die Schnittstelle zum Mobilitätskunden haben, kann auch das Kartellrecht greifen und Aufkäufe unterbinden, um wieder für mehr Wettbewerb zu sorgen. Zudem können neue offene und partizipative Technologien wie Blockchain, die eine netzwerkartige Kommunikationsstruktur unterstützen, dazu beitragen, dass eine Vielfalt an Angeboten bestehen bleibt, da vernetzte Strukturen tendenziell weniger leicht übernommen werden können. Auch Open Data Policies verschiedener Verkehrsunternehmen unterstützen die Ausbildung eines diversifizierten Ökosystems, weil der Zugang zu (Echtzeit-)Informationen auch für kleinere Unternehmen erleichtert und insbesondere kostengünstiger wird. Strikte Standards auf nationaler Ebene sowie ein vorbildlicher Datenschutz können dabei insgesamt die Akzeptanz lokaler Dienste deutlich erhöhen. Dies ist insbesondere für die Mobilitäts dienste ausschlaggebend, die Ortungsdaten und Gesundheitsdaten nutzen, die über das vernetzte Fahrzeug oder Wearable Devices übermittelt werden. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) benennt dementsprechend auch den Datenschutz als ein wesentliches Risiko bei Geschäftsmodellen rund um Connected Cars (BDVW 2016, S. 7). 74

75 Lokale Mobilitätsanbieter besitzen dabei im Vergleich zu US-amerikanischen Konzernen den entscheidenden Vorteil, im wahrsten Sinne des Wortes nah am Kunden sowie an anderen lokalen und nationalen IT-Unternehmen und Mobilitätsanbietern zu sein. Somit ist anzunehmen, dass neben den Angeboten der globalen Player verschiedene starke lokale und nationale Ökosysteme bestehen bleiben, die in Kombination mit einem integrierten Energy & Transport Flow Management die Vision einer Mobility as a Service Realität werden lassen. Wie diese Mobility as a Service-Ökosysteme aussehen werden, hängt dabei zu einem hohen Grad von den Aktivitäten der jeweiligen Stakeholder auf Ebene der Nische ab. 75

76 Welche Entwicklungspfade sind bestenfalls im Bereich Mobility as a Service-Ökosysteme zu erwarten? Mobility as a Service-Ökosysteme TOP-DOWN MAINSTREAM IT-Unternehmen ÖV-Unternehmen Hardware Hersteller Routing und Ticketing ÖV-Routenplaner Mobiltelefone Smartcards Intermodales Routing Smart Traffic Management Mobile Ticketing Data Mining, KI und Machine Learning Assistenz & Navigation Smartphones Open Data Policies Wearable Devices Mobility as a Service Mobility Entertainment Datenschutz Körperdaten Transhumanismus Transport Network Operators Kartellrecht BOTTOM-UP Crowdcompanies Partizipative Technologien Start-ups (Software & Hardware) Mobility Data Services Neue Mobilitätsdienste Fab Labs Wearable Devices Aufkauf durch IT-Unternehmen Innovatoren Early Majority 76

77 Mobility Service Ecosystems PPP als Ecosystem Manager Augmented Mobility Spaces ITS-Ecosystems Collaborative Mobility Service Economy emobility Ecosystems anies Tipping Point Late Majority (Mainstream) 77

78 Top-down: ÖV-Unternehmen als Treiber ÖV-Unternehmen ÖV-Routenplaner Intermodales Routing Mobile Ticketing Assistenz & Navigation Open Data Policies Mobility as a Service Transport Network Operators ÖV-Unternehmen haben schon früh die Potenziale des Internets als Vertriebskanal erkannt. Seit 1989 setzen die Deutsche Bahn (DB) und die schweizerische Bundesbahn (SBB) die Fahrplanauskunft HAFAS der Firma HaCon ein. Seit 1995 bietet die DB mit der Seite als erstes ÖV-Unternehmen eine Reiseauskunft im Internet an und führte 1999 das Online-Ticket im Rahmen des Angebots Surf & Rail ein, ab 2007 ergänzt durch das Check-In/Check-Out Angebot Touch & Travel. Seit 2008 ist die DB erneut Vorreiter mit der App DB Navigator, über die Tickets auch per MMS angezeigt werden können. Bereits vorher hat die DB mit dem DB Railnavigator als JAVA-App für dumme Handys ein digitales Informationsmedium angeboten. Heute können Nutzer auf eine Vielzahl an ÖV-Routenplanern verschiedener lokaler und überregionaler Verkehrsunternehmen zurückgreifen oder Tickets kaufen. Neben HAFAS gibt es in Deutschland noch weitere Fahrplanauskunftssysteme wie EFA der Firma Mentz AG, GEOFOX, MoFahr und Öffi. Auch beim Car- oder Bikesharing sind Buchungen über Smartphone-Apps mittlerweile Standard. Einige Dienste konzentrieren sich dabei explizit auf spezifische Mobilitätsangebote, wie z.b. der mobilfalt Dienst für ländliche Räume. Vor allem im Bereich Routing und Ticketing kooperieren heute schon verschiedene Verkehrsverbünde, um über eine gemeinsame Plattform Ressourcen zu teilen. So werden beispielsweise Mobilitätsinformationen über die Mobilitätsplattform Österreich (MPO) organisiert, an der die Wiener Linien, die Linz AG, die Salzburg AG, die Stadtwerke Klagenfurt und die Holding Graz Linien beteiligt sind. Über die MPO werden lokale Dien ste wie zum Beispiel zum Routing oder Störungsinformationen über den Dienst qando angeboten. Das Management erfolgt dabei über eine zentrale Plattform, über die die einzelnen Dienste miteinander verbunden sind (s. Abbildung 30). 78

79 ÖPNV-Dienstleister Interaktionspatterns Backend- und Managementsystem Störungen Echtzeit News Reporting Registry Software + Design Pool Setup Mobile Fahrgastinfo Setup Radroutenplaner Setup Mobile Fahrgastinfo Setup Bestandssystem Bestandssystem Software Dienstleister Partner A Partner B Abbildung 30: Architektur der MPO, Quelle: Mobilitätsplattform.at Seit einigen Jahren gibt es zudem verschiedene Dienste, um intermodale Routen zu berechnen. Rome2Rio stellt dabei schon seit 2008 Routen aus verschiedenen Verkehrsmittel-Datenbanken zusammen und seit 2012 können mit TripGo in australischen Städten Routen mit ÖV, Taxen und IV (Fahrrad, Fußweg, Auto) berechnet werden. Im Projekt DIMIS hat auch das InnoZ mit weiteren Forschungspartnern einen Reiseassistenten entwickelt, der den Nutzer entlang der gesamten Reisekette verkehrsmittelübergreifend begleitet und zur Erweiterung des Funktionsumfangs des DB Navigators beitra- gen sollte. Die technische Ausstattung von Smartphones mit zahlreichen Sensoren (GPS, Kompass) und durchgängiger Internetfähigkeit trugen ab 2008 dazu bei, dass eine Vielzahl neuer Dienste umgesetzt werden konnten, wie die Integration von Echtzeitinformationen, Rerouting, Ansätze zur Integration intermodaler Angebote, kontextsensitive Dienste zur Bestimmung der eigenen Position bzw. des Zuges (MatchMe) und Alarm-Funktionen. 79

80 Im Jahr 2014 kamen dann eine ganze Reihe weiterer intermodaler Angeboten auf den Markt: Daimler bringt die moovel-app heraus, die ÖV-Verbindungen berechnet sowie kartenbasierte Buchungen für Car2go und Mytaxi anbietet, die Hamburger Hochbahn (HVV) startet die Pilotphase von Switchh, einer integrierten App für ÖV und Carsharing und die DB launcht die App Qixxit, die ein intermodales Routing für DB, ÖV-Verbünde, Car- und Bikesharing, Mitfahrzentralen, Fernbusse und Ridesharing anbietet. Das Unternehmen Waymate startet ebenfalls in 2014 mit Allryder heute Ally - einen weiteren Routing-Dienst. Einige dieser Mobilitätsdienste nutzen dabei auch Smartcards und integrieren zusätzlich Ladedienste für Elektrofahrzeuge, wie z.b. die WienMobil Card oder die über das niedersächsische Schaufenster Elektromobilität geförderte HANNOVERmobil-Karte haben zudem INRIX und BMW das erste In-Car-Navigationssystem für den i3 und den i8 vorgestellt, das zusätzlich ÖV-Informationen enthält. Damit wurde auch aus Richtung des Automobils ein weiterer Schritt gemacht, um auch auf digitaler Ebene MIV und ÖV stärker zu vernetzen. den Zugang zu verschiedenen ÖV-Verbünden über eine einzige App zu erleichtern. Infobox: Schon 1999 wurden in Skandinavien und auf den Philippinen erste Zahlungssysteme für Handies erprobt und 2003 startet die (((e-ticket Deutschland-Initiative des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) mit ersten Pilotprojekten zu einem einheitlichen, handybasierten ÖV-Ticketsystem für Deutschland. Auch die DB führt 2006 das Handyticket ein, bei dem die Fahrkarte als Aztec-Code per MMS gesendet wird und startet 2007 den Pilotbetrieb von Touch&Travel, mit dem man sich auf Basis von NFC (Near Field Communication) im ÖPNV in Berlin, Frankfurt, Köln und Hannover sowie auf einigen Strecken der DB per Handy ein- und ausloggen kann (Checkin/Check-out). Neben den Routeninformationen sind auch im Bereich des Mobile Ticketings Modelle entwickelt worden, um Nutzern 80

81 Bei easy.go werden beispielsweise in drei Verbünden (MDV in Leipzig und Halle/ Saale, VRS in Bonn, Köln und Leverkusen sowie marego in Magdeburg) Routeninformationen mit dem Ticketkauf verbunden. Auch beim Fahrkartensystem (((eticket Deutschland des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) nutzen 16 Verkehrsverbünde ein zentrales Abrechnungssystem für Mobile Ticketing bzw. E-Ticketing per Smartcard und App. Das ermöglicht jeweils den Nutzern ihrer lokalen ÖV-App auch an anderen Orten Routeninformationen zu erhalten oder Tickets zu kaufen Abbildung 31: Markthochlauf von mobilen Ticketing-Systemen in Deutschland nach Anzahl der Großkunden / Partner pro Jahr, Quelle: InnoZ Mobilitätsmarkt-Monitor Digitalisierung Handyticket dt. TICKeos easy.go Touch&Travel (nur ÖPNV) Cubic DB HandyTicket (nur ÖPNV) 81

82 Zusätzlich zu einem intermodalen Routing und Ticketing sind weitere Dienste im Angebot wie beispielsweise eine Reiseassistenz, die auf Verspätungen oder Störungen aufmerksam macht oder an Umstiegen zum nächsten Verkehrsmittel navigiert. Ähnlich wie bei den Navigationsgeräten für Pkw werden dabei Fußgänger und Radfahrer bei den meisten ÖV-Apps zur nächsten Station geleitet. Die Navigation zu Carsharing-Stationen oder Indoor-Navigation zum richtigen Gleis wird innerhalb von Gebäuden jedoch bisher nur in Pilotprojekten getestet. Im InnoZ-Projekt DIMIS sollen beispielsweise ein mobiler Wagenstandanzeiger oder Indoor-Navigation die informatorische Begleitung der Reisekette vervollständigen. Ein Problem bei der Indoor-Navigation ist dabei allerdings noch die Lokalisierungsgenauigkeit innerhalb von Gebäuden, für die es noch keine breite flächendeckende Lösung gibt. Auch wenn es viele Aktivitäten in Bezug auf die vertikale und horizontale Integration von Mobilitätsdiensten gibt, sind dies noch immer noch weitgehend Nischenaktivitäten. So sind selbst intermodale Routenplaner noch längst nicht technisch ausgereift. Open Data Policies von Mobilitätsanbietern könnten hier ein zusätzlicher Treiber sein, der die Nischenaktivitäten stark voranbringen könnte. So hat beispielsweise der Verkehrsverbund Berlin- Brandenburg schon 2013 Fahrpläne sowie die Bus- und Bahnrouten unter der Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht. Auch die DB stellt auf ihrem Open Data Portal (data.deutschebahn.com) Datensätze und APIs (Programmierschnittstellen) bereit und unterstützt über das Accelerator-Programm DB mindbox ( über Hackathons und Challenges die Entwicklung innovativer Mobilitätsdienste. Insgesamt versprechen die vielfältigen Nischenaktivitäten von ÖV-Unternehmen, dass sie auch zukünftig ein Treiber von sogenannten Mobility as a Service -Konzepten möchten werden. Der Begriff Mobility as a Service oder kurz MaaS beschreibt die Möglichkeit, über die digitale Bündelung mehrerer Mobilitätsdienste den Wechsel zwischen unterschiedlichen Mobilitätsoptionen so nahtlos zu gestalten, dass der Wechsel zwischen den Systemen für den Kunden kaum mehr spürbar ist. Mobilität wird so zu einer Dienstleistung, die den Transfer von A nach B so effizient und komfortabel wie möglich gestaltet. Hietanen (2014) definiert Mobility as a Service als a mobility distribution model in which a customer s major transportation needs are met over one interface and are offered by a service provider (Hietanen 2014, p. 3). Zur Verbreitung des Begriffs haben die europäischen ITS Intelligent Transport System-Konferenzen beigetragen, auf denen seit 2014 verschiedene Sessions zum Thema Mobility as a Service veranstaltet wurden. Außerdem sind ebenfalls im Rahmen der ITS 2014 die MaaS-Alliance ( als Public Private Partnership gegründet worden. 82

83 Die Aktivitäten in Bezug auf MaaS stellen im Wesentlichen eine Fortsetzung der vielfältigen Aktivitäten rund um intermodale Routenplaner und integrierte Zugangssysteme für den öffentlichen Verkehr sowie Shared Mobility-Angeboten dar. In diesem Kontext wurden in den letzten Jahren im Rahmen verschiedener Förderprogramme der EU z.b. wie das ERA-Net-Transport III Programm Traveller of the Future ) sowie der Bundesministerien (wie die Förderinitiative des BMWi Von Tür zu Tür Dienste entwickelt, mit denen eine Routenplanung, Buchung und Zahlung über verschiedene Verkehrsmittel hinweg ermöglicht werden soll. Die öffentliche Förderpolitik hat demnach schon ein breites Fundament an Wissen und technischen Nischeninnovationen für Mobility as a Service-Ökosysteme gelegt. Abbildung 32: Mobility as a Service Konzept, Quelle: 83

84 Politik und Verwaltung spielen dabei auch bei der Weiterentwicklung der einzelnen Aktivitäten von ÖV-Unternehmen zu einem Mobility as a Service-Ökosystem eine wesentliche Rolle (s. Abbildung 33). First commercial operators Building the Ecosystem Shaping the Society New digital transportation services enable new modes of transport and new service models. Public and private transport will converge. The market driven approach ensures that the new state of the art consumer services evolve. An ecosystem is needed to cover all aspects of MaaS development. The ecosystem includes the integration of both public and private transportation systems. The government will no longer organise the transportation services, but rather procures the service level (SLA) and enables new ecosystemic business models. Embrace, co-finance, support key players, international visibility Involve, enhance, promote, activate the SME s, export, activities De-regulation, market driven, public procurement Government role Abbildung 33: Von ersten Anbietern zu einem MaaS-Ökosystem, Quelle: Hietanen 2014, eigene Darstellung Insgesamt besteht also ein enormes Potenzial, dass ÖV-Unternehmen in Kooperation mit kommunalen Akteuren eine zentrale Stellung in MaaS-Ökosystemen einnehmen können. Wenn ÖV-Unternehmen weiterhin aktiv die Gestaltung des lokalen oder nationalen MaaS-Systems vorantreiben, werden am Ende sowohl die Nutzer als auch lokale Mobilitätsdienstleister von der zunehmenden Diversität im privat-öffentlichen Mobilitätsmarkt profitieren. 84

85 Top-down: IT-Unternehmen als Treiber IT-Unternehmen Routing und Ticketing Smart Traffic Management Data Mining, KI und Machine Learning Transport Network Operators Kartellrecht Größere IT-Unternehmen sind auch auf Ebene der Nische insofern Treiber, als sie Rahmenbedingungen für Entwicklungsarbeiten mitbestimmen und zum Teil auch als Förderer oder Investoren von kleineren Unternehmen auftreten. Google Transit hat beispielsweise zu einer Standardisierung der Datenformate für Routing-Dienste beitragen, indem sie Dienstanbieter dazu bringen, Daten im General Transit Feed Specification Format (GTFS, ehemals Google Transit Feed Specification Format) bereitzustellen. So wird auch der Austausch von Daten zwischen lokalen Anbietern vereinfacht, die zuvor unterschiedliche Datenformate nutzten. Zudem können von etablierten IT-Unternehmen komplexere Leistungen im Bereich des E-Ticketings wie zum Beispiel Billing- oder Clearing-Dienste in einer hohen Qualität angeboten werden, auf die Stakeholder im MaaS-Ökosystem zurückgreifen können. Das Payment System von Apple Apple Pay kann beispielsweise in London auch schon per Apple Watch als Ersatz für die Oyster Card genutzt werden (TfL 2016). In einer zunehmend vernetzten Welt ist eine Vielzahl an Diensten nötig, die aufeinander aufbauen und miteinander vernetzt sind. Die Grundlage für den Austausch von Leistungen und Daten sind Service Level Agreements (SLA) zwischen den unterschiedlichen Parteien, in denen die Dienstgüte für wiederkehrende Leistungen festgelegt wird. Im Bereich Smart Traffic Management müssen beispielsweise eine Vielzahl an Kommunikations-, Erkennungs- und Verarbeitungsdiensten aufeinander abgestimmt sein, um den reibungslosen Datenaustausch zwischen Fahrzeugen (V2V), Fahrzeugen und Infrastruktur (V2I) unterschiedlichen Datenverarbeitungszentren und den Verkehrsteilnehmern zu gewährleisten (s. Abbildung 34). 85

86 Travellers Centres Remote Traveller Support Traffic Mgmt Emergency Mgmt. Toll Administration Commercial Vehicle Administration Maintenance & Construction Mgmt. Personal Information Access Information Service Provider Emissions Management Public Transport Management Fleet & Freight Management Archived Data Management Wide Area Wireless (Mobile) Fixed Point to Fixed Point Communications Vehicle to Vehicle Communications Maintenance & Construction Vehicle Commercial Vehicle Public Transport Emergency Vehicle Vehicle Vehicle to Infrastructure Communications Roadway Security Monitoring Toll Collection Parking Mgmt. Commercial Vehicle Check Vehicles Field Abbildung 34: High level Intelligent Transport Systems architecture, Quelle: ITS Australia 2012, S. 5, eigene Darstellung 86

87 Auch wenn einzelne Dienste von Startups bereitgestellt werden können, sind die Anforderungen an das Service Level vor allem bei sicherheitsrelevanten Diensten so hoch, dass eher etablierte Unternehmen in der Lage sind, relevante Daten zum Beispiel von Signalanlagen dauerhaft in einer hohen Qualität bereitzustellen. Diese Daten können jedoch auch für weitere Dienste an andere Unternehmen weitergegeben werden. So werden vermehrt Daten wie z.b. Floating Car Data aus Navigationsgeräten oder anderen Ortungsgeräten ausgewertet, um Informationen zu den Verkehrs flüssen zu erhalten. Kommunikationsflüsse zwischen Fahrzeugen und Infrastrukturen (V2I) sowie zwischen verschiedenen Fahrzeugen (V2V) werden weitere Daten liefern. Um diese Riesen-Datenmengen gezielt auswerten zu können, werden zunehmend Data Mining, Künstliche Intelligenz und Machine Learning zum Einsatz kommen und die Verfügbarkeit und -qualität von Mobilitätsdaten insgesamt erhöhen. Vorfeld durch die Anwendung des Kartellrechts unterbunden werden sollte. Insgesamt bleibt also gerade angesichts der vielfältigen Regulierungsoptionen noch abzuwarten, welche Rolle IT-Unternehmen im Kontext von MaaS-Ökosystemen spielen werden. Aufgrund der hohen Anforderungen an Daten- und Servicequalität werden daher auch etablierte IT-Unternehmen als Transport Network Operators in Frage kommen, da sie in der Lage sind, die hohen Datenmengen, die in vernetzten Mobilitätssystemen anfallen können, zu verarbeiten. Wenn allerdings zu viele Funktionen einer Smart City wie der Betrieb der Energie- und Mobilitätsnetze in der Hand eines Unternehmens sind, könnte ein Monopol entstehen, das im 87

88 Bottom-up: Hardware-Hersteller als Treiber Mobiltelefone Smartcards Smartphones Wearable Devices Mobility Entertainment Datenschutz Körperdaten Transhumanismus Hardware Hersteller Schon mit den Mobiltelefonen der ersten Generation konnten einige Mobilitätsdienste zum Beispiel über Kurzwahl-Systeme oder WAP (Wireless Application Protocol) genutzt werden. Schon 1949 wurde das erste Mobiltelefon von AT&T vorgestellt. Hier mussten die Gesprächsteilnehmer jedoch noch wie beim Walkie-Talkie abwechselnd sprechen. Erst mit dem Aufbau des GSM-Netzwerks (2G) Anfang der 1990er und vor allem mit der Einführung des leistungsfähigeren 3G-Netzes in 2003 hat sich die Mobiltelefonie verbreitet (Burkart 2007). Parallel dazu werden seit den 1980ern Smartcards, also Chipkarten im Zahlungsverkehr eingesetzt, beispiels weise seit 1996 der Upass in Seoul und seit 2003 die Oyster Card in London. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland eine Vielzahl an Smartcard-Systemen (s. Abbildung 35). 88

89 Abbildung 35: Smartcards in Deutschland, InnoZ-Mobilitätsmarkt-Monitor 2015, S

90 Mit der Einführung des iphones (3G) von Apple im Jahr 2007 ist der Mobiltelefonmarkt radikal verändert worden, weil über das Touchdisplay Mobiltelefone nun auch so vielfältig wie Laptops genutzt werden konnten. Damit setzte endgültig der Siegeszug des mobilen Internets ein, das über die mobilen Anwendungen (Apps) völlig neue Geschäftsfelder entstehen ließ. In Zukunft werden sich aber die digitalen Zugangsmedien weiter diversifizieren. Smartphones werden als Endgeräte heute durch eine Vielzahl sogenannter Wearable Devices wie Smartwatches, Smart Glasses oder Fitnesstracker ergänzt. Der zukünftige Markt für Wearable Devices wird von verschiedenen Beratungsinstitutionen mit 25 Mio. USD für 2019 (marketsandmarkets) oder 34 Mrd. USD in 2020 (CCS Insight) als sehr lukrativ bewertet. Somit besteht auch ein großes Potenzial, neue Anwendungen für diese neuen tragbaren Ge räte zu entwickeln. Im Projekt Guide2Wear ( wurde beispielsweise ein ÖV-Reiseassistent für eine Smartwatch entwickelt und auch Apps wie der DB Navigator, Ally, DriveNow, Uber und MyTaxi sind schon für die Apple Watch erhältlich. Die Ideen für Anwendungen im Mobilitätsbereich für Wearable Devices sind vielfältig. So können Fahrradfahrer über Sensoren im Lenker oder Kinder über die Schutzranzen-App und einem GPS-Sensor bestückten Ranzen ( com) in gefährlichen Straßensituationen gewarnt werden. Gleichzeitig werden Reisende Wearable Devices nutzen, um über Augmented oder Virtual Reality (AR oder VR) Mobility Entertainment Services zu konsumieren. Augmented Reality-Anwendungen, d.h. die Ergänzung von Bildern und Videos mit grafischen und schriftlichen Informationen, wird dabei eher als ergänzende Funktionen von Mobilitätsdiensten, z.b. für Orientierungs- und Navigationsaufgaben im Nahverkehr Anwendung finden. Insbesondere für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen können AR-Dienste über Aufnahmen und virtuellen Rundgängen an unübersichtlichen Bahnhöfen die Reiseplanung maßgeblich erleichtern. Die Kamerafunktion von Smart Glasses bietet sich auch für Navigationsdienste für blinde Menschen an. Auch Gaming-Ansätze sind denkbar, um Fahrten mit dem ÖV attraktiver zu machen. In Mexico City konnten beispielsweise Fahrgäste an sogenannten Health Stations ein Ticket erwerben, wenn sie zehn Kniebeugen vor dem Monitor machten (ABC net 2015). Fitnesstracker können hier ebenso genutzt werden, um beispielsweise zu dokumentieren, dass man zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Bahnstation gekommen ist. Virtual Reality, also die Darstellung einer in Echtzeit computergenerierten, interaktiven virtuellen Umgebung, wird vermutlich eher für Entertainment-Systeme bei Fernreisen mit Bahn oder auf Flügen eingesetzt. Zusätzlich werden Holoportation -Konzepte, wie sie etwa über 90

91 die 3D-Videofunktion für die Microsoft Hololens ( v=7d59o6cfam0) bereitgestellt werden, Videokonferenzen noch einmal deutlich lebensnaher gestalten. Derzeit werden die erhältlichen Geräte zunehmend für Produktentwicklungen genutzt. Zum Beispiel bei dem Entwurf neuer Automobile oder Züge können so lebensnahe Entwürfe gezeigt, begangen und in Echtzeit verändert werden ( Ob AR- oder VR-Anwendungen insgesamt Reisen induzieren oder ersetzen, ist derzeit noch nicht abzusehen. Intelligente Technologien liefern neben interessanten Informationen für die Nutzer auch den Entwicklern der Produkte wertvolle Einblicke in das Nutzerverhalten (vgl. PwC 2015). Dabei handelt es sich in der Regel um sensible, personenbezogene Daten, wie Herzfrequenz oder Aufenthaltsstandorte. Nach EU-Datenschutzrecht ist hier die Einwilligung des Betroffenen einzuholen. Dies führt oftmals zur Nutzung rechtlicher Grauzonen, die bei Missbrauch oder Produktunzulänglichkeiten zu Vertrauensbrüchen bei Nutzern und Konsumenten führen können (vgl. ebd.). Umgekehrt kann aber auch der proaktive und frühzeitige Einbezug aller datenschutzrechtlichen Belange einen Wettbewerbsvorteil für die jeweiligen Unternehmen bieten. Insbesondere wenn es darum geht, körperliche Probleme über neue intelligente Hilfsmittel auszugleichen oder sich Chips oder Geräte implantieren zu lassen, werden Datenschutzfragen sehr dringlich. Der Weg zu den Ideen der Transhumanisten, die eine Erweiterung körperlicher Grenzen durch Technologien wie z.b. High-Tech-Prothesen befürworten, ist dabei schon weit fortgeschritten. In Barcelona und in Glasgow ist schon vor Jahren mit implantierten RFID Chips als Zahlungsmittel experimentiert worden (Heise 2009). Prinzipiell könnte man mit einem solchen Implantat auch ÖV-Tickets bezahlen. Neben gesundheitlichen Risiken von RFID-Implantaten sind allerdings zunächst Datenschutzfragen zu klären. Weniger kritisch sind aus gesundheitlicher Sicht nicht-invasive Geräte wie z.b. Smart Glasses, deren Kamera bei Blinden die Sehfunktion ersetzen könnte. Blinde könnten so über Sprachmitteilungen erkennen, welche Buslinie gerade anfährt und auch Navigationsdienste könnten mit Smart Glasses angeboten werden. Grundsätzlich stellt sich aber auch bei diesen Geräten die Frage, ob personenbezogene Daten über diese Geräte übermittelt werden und wie diese zu schützen sind. 91

92 Bottom-up: Start-ups als Treiber Start-ups (Software & Hardware) Neue Mobilitätsdienste Mobility Data Services Aufkauf durch IT-Unternehmen Wearable Devices Fab Labs Partizipative Technologien Crowdcompanies Seit einigen Jahren wird der Mobilitätsdienstmarkt von einer Vielzahl an neuen Startups belebt, die eine neue Generation an Mobilitätsdiensten anbieten. Vor allem im US-amerikanischen Raum gibt es seit einigen Jahren eine Vielzahl an sogenannten Transport Network Companies (TNC) wie Lyft, Uber oder Sidecar, die Ridehailing, also einen Peer-to-Peer-Chauffeurdienst anbieten. Im Gegensatz zum Ridesharing sind beim Ridehailing die Fahrten On-Demand, das heißt der Fahrer fährt die Strecke nach den Wünschen des Mitfahrers (Rayle et al. 2014). Darüber hinaus gibt es jedoch seitens kleinerer Start-ups eine breite Vielfalt an innovativen Mobilitätsangeboten. So bietet das Unternehmen flinc schon seit 2010 dynamisches Ridesharing an ( das Start-up emio hat in Berlin ein free-floating escooter-sharing etabliert ( und CleverShuttle betreibt einen Chauffeurdienst an, der auf Ridesharing und Elektromobilität setzt ( 92

93 Abbildung 36: Beispiel für eine Smart Glass-Navigation, Quelle: InnoZ Auch im Bereich Mobility Data Services gibt es eine rege Start-up-Szene, die über digitale Dienste die Idee von Mobility as a Service weiter vorantreiben. So stellt beispielsweise das Start-up MotionTag ein smartphonebasiertes Tool zur Verkehrsmittelerkennung bereit, das für die Berechnung des ökologischen Mobilitätsfußabdrucks eingesetzt werden kann ( Auch das finnische Unternehmen Maas global vertreibt mit der Whim App einen Dienst der das Ticketing über mehrere Verkehrsmittel hinweg erleichtert ( whimapp.com). Das mittlerweile nicht mehr existierende Start-up Dekko plante 2013, ein sogenanntes real-world OS System aufzubauen, bei dem AR u.a. mit 3D-Mapping-Methoden verbunden wird, so dass die Informationen für die Nutzer in die Umgebung integriert erscheinen. Der digitale Mobilitätsdienst-Markt ist auch nicht zuletzt äußerst dynamisch, weil Investoren und große IT-Unternehmen Start-ups aufkaufen und somit einen Anreiz setzen, interessante Technologien und Geschäftsmodelle zu entwickeln. Konzerne wie Google, Samsung, Apple oder Tesla versprechen sich damit eine Erweiterung ihres Ökosystems um innovative Dienste. Beispielsweise wurde das Start-Up Waze, das Navigationslösungen entwickelt hat, von Google aufgekauft. Diese Praxis kann jedoch auch zum Showstopper werden, 93

94 wenn ÖV-Unternehmen oder kommunale Akteure Partnerschaften mit den Startups eingehen, diese dann aber nach der Übernahme durch große Anbieter nicht mehr als Partner zur Verfügung stehen. Eine aktive Start-up-Szene kann über andere Strategien gefördert werden, die den Aufbau und die Weiterentwicklung hin zu stabilen Unternehmen unterstützt. Eine gezielte Start-up-Förderung als europäischer Weg zum Aufbau von MaaS-Ökosystemen bietet hier das Potenzial, langfristig eine größere Angebotsvielfalt im Bereich der Mobilität zu erhalten und die lokale Wirtschaft zu stärken.zusätzlich zu den digitalen Innovationen gibt es eine rege sogenannte Makers -Szene, die über Webseiten wie Pinterest oder Veranstaltungen wie den Makers Fair neue Ideen zu Industrieprodukten verbreitet. In diesem Kontext werden auch unterschiedliche Ideen zu Wearable Devices entwickelt. Hierfür entsteht gerade, oft durch Crowdfunding finanziert, ein Vielzahl an neuen Devices wie z.b. der digitale Motorrad- helm A1 des ehemaligen Start-ups Skully oder das Cicret-Projektionsarmband ( s. Abbildung 37) Zusätzlich werden mit Sensoren ausgerüstete High-Tech-Fahrräder wie das Valour-Modell von Vanhawks (www. vanhawks.com) oder das ST2 von Stromer ( das Fahrradfahren sicherer und komfortabler machen. Diese Nischenmärkte experimentieren mit Hard- und Software-Innovationen, die früher für Privatpersonen oder einzelne De signer zu hohe Start-Investitionen bedeutet hätten. Einen neuen Zugang zur Produktion bieten auch sogenannte Fab Labs, in denen Infrastrukturen für die Produktion per 3D-Druck bereitgestellt werden. So gibt es beispielsweise in Berlin ein Fab Lab, das durch ein Netzwerk von Universitäten, Unternehmen und Institutionen der Maker Szene betrieben wird ( fablab.berlin). Begleitet werden diese Werkstätten von verschiedenen Veranstaltungen wie das Maker-Meetup oder der Maker Faire ( de). Hier werden auch neue Produkte präsentiert, die als Interface für Mobilitätsdienste dienen können, zum Beispiel Smart Rings als Ticketersatz. Als Accelerator können ebenfalls partizipative Technologien dienen, die über verteilte Systeme eine Dezentralisierung von digitalen Transaktionen fördern. Als verteilte Systeme versteht man dabei Abbildung 37: Cicret Projektionsarmband, 94

95 Netzwerke, die geografisch verteilt und über sogenannte DDP Distributed Data Processing- Knotenrechner miteinander verbunden sind. Ein verteiltes System ist dabei ein systemweites Betriebssystem, das nicht wie bei einem Netzwerkbetriebssystem auf den jeweiligen Betriebssystemen der Knoten aufsetzt. Meist teilen sich die Knotenrechner dabei gemeinsame Ressourcen wie Fileserver, Printserver, Host-Anwendungen oder Datenbanken. Der Nachteil von verteilten Systemen ist, dass sie komplexer als andere Computernetzwerke sind und dadurch auch der Aufwand zur Erstellung und Betrieb des Netzwerks höher ist. Der Vorteil ist, dass Nachrichten und Informationen besser verteilt werden können, Daten an verschiedenen Stellen gespeichert und Lasten gleichmäßiger auf verschiedene Rechner verteilt werden können. Bekannte verteilte Anwendungen sind das Online-Spiel World of Warcraft oder auch Amazon. Verteilte Systeme können zukünftig insbesondere bei Mobilitätsdiensten mit einem hohen Datenaufkommen nützlich sein. Zusätzlich sollen zu der verteilten Datenverarbeitung in verteilten Systemen durch neue Systeme wie Blockchain neue verteilte Transaktionsmöglichkeiten geschaffen werden. Eine Blockchain besteht dabei aus einer Reihe von Datenblöcken, die eine oder mehrere mit einer Prüfsumme versehenen Transaktionen enthalten. Hiermit können ohne eine zentrale, vertrauenswürdige Instanz wie eine Bank oder ein Energieversorgungsunternehmen geschäftliche Transaktionen sicher durchgeführt werden. Die Bandbreite von Transaktionen ist dabei sehr breit und kann von der Freigabe einer Ladestation über das Öffnen einer Schranke bis zum e-ticketing reichen. Die Unternehmen Slock.it und innogy SE haben beispielsweise die Plattform Dēmos Demokratisches Mobilitätssystem speziell für Mobilitätsdienste entwickelt, über die Nutzer auch selbst zu Mobilitätsanbietern werden können (Deutscher Mobilitätspreis 2016). Solche partizipativen Plattformen öffnen den Zugang zum Mobilitätsmarkt für eine breite Gruppe an Privatpersonen und lokalen Unternehmen und tragen damit zu einer Diversifizierung des MaaS-Ökosystems bei. Die nächste Stufe wird mit dem Direct Digital Manufacturing beschritten, bei dem über verschiedene Kontinente hinweg nicht nur eine web-basierte Zusammenarbeit, sondern über 3D-Druck auch eine Kooperation in der Produktion ermöglicht wird. Ein Beispiel ist das Unternehmen Local Motors ( bei dem über einen Creative Commons-Ansatz ein Schwarm an Entwicklern und Designern miteinander vernetzt sind, um neue Fahrzeuge für das digitale Zeitalter zu entwickeln und zu produzieren. Solche Crowd Companies können gerade im Bereich des Direct Digital Manufacturings, nicht nur für (IT-)Dienstleistungs-, sondern auch für Produkt-Innovationen im Mobilitätssektor eine innovative Unternehmensform darstellen. 95

96 Nach dem Tipping Point: Augmented Mobility Spaces und Collaborative Mobility Service Economy Lokale Mobilitätsanbieter werden auch weiterhin immer noch die eigentliche Leistung, den Personentransport erbringen. Allerdings werden zunehmend externe Transport Network Operators (TNO) den Vertrieb der Fahrten und Energy Network Operators die Versorgung der E-Fahrzeuge über IT-Plattformen managen - sofern die lokalen ÖV- bzw. Energieunternehmen nicht selbst diese Rolle übernehmen. Wenn im Bereich des Energy & Flow Managements der Tipping Point überschritten wird und ein Teil der derzeit für den MIV aufgebrachten Kosten auf vernetzte Mobilitätsangebote aus unterschiedlichen öffentlichen und privaten Angeboten verlagert werden kann, wird die Vermittlung von Mobiliäts- und Energiediensten durchaus zu einem sehr lukrativen Geschäft. Zumindest dort, wo der ÖV schon in privater Hand ist oder es keine lokalen Ökosysteme mit einem starken ÖV als Rückgrat gibt, können größere IT-Unternehmen durchaus die Rolle des TNO oder ENO einnehmen. Vermutlich werden aber an vielen Orten vielmehr Public Private Partnerships (PPP) aufgebaut, bei denen private und öffentliche Unternehmen sowie kommunale Akteure das lokale MaaS-Ökosystem aktiv mitgestalten. Für integrierte MaaS-Angebote müssen Kundendaten ausgetauscht werden und so stellt sich beim Aufbau von Mobilitätsplattformen stets die Frage, wer als Kundenhalter Zugriff auf die Nutzerdaten hat. Stark zentralisierte Systeme liegen in der Hand eines Anbieters und sind daher technisch leichter zu managen. Lokale Verbünde aus mehreren Anbietern können hingegen flexibler darüber entscheiden, was mit ihren Datenbe- MIT DEM LUFTLINIEN-TARIF UNTERWEGS SCHLAGLICHTER CICO- und BIBO-Systeme ermöglichen völlig neue Tarifmodelle, die Öffentlichen Verkehr und Shared Mobility verbinden. So wird heute bereits mit entfernungsbasierten Tarifen experimentiert, wie z.b. dem Luftlinientarif in Heidelberg. Zukünftig kann die Entfernung zum verbindenden Abrechnungsmaßstab werden. Ob Bus-, Bahn-, Carsharing- oder Taxi-km: Per Smartphone oder Wearable erfasst, gibt es immer einen transparenten Preis, der schon in der Auskunftsansicht angezeigt wird. Bei intermodalen Routen wird natürlich verkehrsmittelund anbieterübergreifend abgerechnet. Anmelde- und Tarifdschungel gehören dann der Vergangenheit an. von Christian Scherf 96

97 ständen geschieht. Zudem können sie zusätzliche Informationen z.b. zu Abfahrtszeiten in Echtzeit oder zu barrierefreien Routen bereitstellen. Die öffentlichen Verkehrsunternehmen bestimmen somit mit, inwieweit das MaaS-Angebot ausgebaut wird und inwiefern damit die lokale Wirtschaft und der ÖV unterstützt werden. Die Aktivitäten auf Ebene der Nische zeigen dabei, dass es heute zumindest in Europa schon Ansätze von diversifizierten Mobility Service Ecosystems gibt, auf denen aufgebaut werden kann. Zukünftig sind zusätzlich Systeme denkbar, die beispielsweise über Blockchain Transaktionen ohne einen zentralen Vermittler ermöglichen. Verteilte Systeme und verteilte Transaktionen bringen neue Geschäftsbeziehungen im Bereich der Mobilitätsdienste hervor, an denen auch private Personen und kleinere lokale Unternehmen partizipieren können. Die Vielfalt an Mobilitätsangeboten und Ladeoptionen wird dann zentral von diesen Ecosystem Managern über deren Plattformen koordiniert. Hierbei werden alternative Finanzierungsmodelle über Werbung, Provisionen und Spenden den Zugang zu Mobilität auch in Zukunft bezahlbar machen. Neue ITS-Ecosystems werden zudem die Nutzung physischer Infrastrukturen deutlich komfortabler gestalten. So ist eine flexible Verkehrsmittelnutzung per Check-in/Check-out (CI/CO) an Lesegeräten im Fahrzeug und perspektivisch auch per Be-in/Be-out (BI/BO) per Funkübertragung im Fahrzeug möglich. In Zukunft werden hier weitere Kommunikationsmöglichkeiten über RFID (Radio Frequency Identification) oder NFC UNTERWEGS MIT OFFENEN AUGEN UND OHREN SCHLAGLICHTER David L. ist ohne Gehör und nur geringem Sehvermögen geboren worden. David hatte Glück als einer der ersten Personen in Deutschland bekam er schon in jungen Jahren ein Colchea-Implantat eingesetzt, mit dem er ausreichend gut hören kann um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. Sein Implantat verfügt über einen NFC Chip, mit dessen Hilfe sein es mit verschiedenen technischen Geräten, aber vor allem seinem Smartphone kommunizieren kann. David nutzt diese Funktion besonders häufig wenn er unterwegs ist, denn so hat er die Hände frei und kann per Sprachsteuerung alles nebenher erledigen. Alle verschiedenen Verkehrsmittel und Mobilitätsservices, die er nutzt kann er so ansteuern, sich über Verspätungen, Störungen oder günstigere Verbindungen in Echtzeit informieren lassen oder aber Buchungen mittels den von David hinterlegten persönlichen Daten durchführen. Durch sein Handicap kann David das Cross- Voice -Programm nutzen. Sobald er das Programm auf seinem Smartphone aktiviert, erhält er von allen Verkehrszeichen, inklusive Ampel, Zebrastreifen und öffentlichen Gebäuden aktive Benachrichtigungen zu Entfernungen und ggf. Status der Anlage. Reicht ihm das nicht, kann er sich Aufschriften der Verkehrszeichen/ Gebäude vorlesen lassen. Kaum jemand auf der Straße erkennt auf den ersten Blick, dass David mit einer Beeinträchtigung geboren wurde. Und seiner Mutter, die seit kurzem auf ein Hörgerät angewiesen ist, ist er bei der Nutzung von Mobilitätsservices um Längen voraus. von Inga Deibel 97

98 (Near Field Communication) zum Einsatz kommen, um die Idee eines kontaktlosen Ein- und Auscheckens (BI/BO) zu verwirklichen. Auch können beispielsweise Sensoren an ecarsharing-parkplätzen die Abgabe des Fahrzeugs automatisch registrieren und den Nutzer per Push-Nachricht um die Bestätigung der Abmeldung bitten. Zudem kann auf einem intelligenten Induktions-Parkplatz direkt der Ladevorgang gestartet werden. Im besten Fall werden auch hier lokale Anbieter z.b. von Wartungsarbeiten davon profitieren, dass ITS-Anwendungen eng mit lokalen Infrastrukturen verbunden sind. Angesichts der regen Aktivitäten im Bereich 3D-Druck und Mobility Crowd Companies werden sich parallel auch neue emobility- und ITS-Ecosystems ausbilden, in denen Start-ups auch als Zulieferer für Infrastrukturen der Smart City auftreten werden. Das dafür benötigte Netzwerk aus mechanischen und elektronischen Elementen (z.b. Smartcards und Lesegeräte) einerseits sowie IT-Komponenten (z.b. für die Verarbeitung der Informationen aus dem Lesegerät) andererseits, die über eine drahtgebundene oder drahtlose Kommunikationsinfrastruktur miteinander kommunizieren, wird auch als cyber-physisches System bezeichnet. Der Begriff des cyber-physischen Systems ist eng mit dem Begriff des Internet of Things verknüpft und oft werden die beiden Begriffe auch synonym verwendet. Während der Begriff des cyberphysischen Systems die Perspektive der Anbieter und Entwickler wiedergibt, beschreibt der Begriff des Internet of Things (IoT) eher die Nutzerperspektive, aus der miniaturisierte Computer in Gegenstände eingebettet werden, um Nutzer so in seinen alltäglichen und arbeitsbezogenen Tätigkeiten quasi unmerklich zu unterstützen. Der Begriff Internet of Things wurde 1991 von Mark Weiser geprägt, der in seinem Artikel Ubiquitous Computing den Computer des 21. Jahrhunderts wie folgt beschrieb: The most profound technologies are those that disappear. They weave themselves into the fabric of everyday life until they are indistinguishable from it (Weiser 1991). Dinge werden also intelligenter, agieren aber unsichtbar im Hintergrund. So ist es heute schon mit einem Keyless Go Schlüssel möglich, eine Autotür zu öffnen - nur weil der Schlüssel sich in der Nähe des Autos befindet. Heute befinden wir uns nach dem Gartner Hype Cycle mitten in der Phase der Implementierung, aber auch in der Phase des größten Hypes um das Internet of Things (Gartner 2015, s. Abbildung 38). 98

99 In Zukunft wird aber der Mensch als Fahrradfahrer, Fußgänger, ÖV- oder SwarmCar-Nutzer viel stärker über neue Devices in cyber-physische Systeme eingebunden sein. Die Ortungs- und Gewohnheitsdaten, die für diese Dienste nötig sind, sind jedoch in der Regel personengebunden z.b. in Form von Bewegungsprofilen. Datenschutzrechtliche Bedenken der Nutzer kann dabei begegnet werden, indem generell strengere Datenschutzregelungen erlassen werden, etwa für die Nutzung von Gesundheitsdaten aus Fitnesstrackern. Zusätzlich können Unternehmen sich aber auch proaktiv für datensparsame Dienste anbieten, die nur die Daten erheben, die sie auch wirklich für die Performance des Dienstes brauchen. Insgesamt deuten die derzeitigen Nischenentwicklungen in Bezug auf die digitale Organisation von Mobilität und von Mobilitätsressourcen darauf hin, dass es nach dem Tipping Point neue cyberphysische Ökosysteme rund um die Idee einer Mobility as a Service geben wird: WIEDER KOMPLETT MOBIL Fahrstuhl kaputt? Ist mir egal denkt sich Julia und nimmt die Treppe zum U-Bahn-Ausgang. Vor einem Jahr hätte sie noch eine Station weiterfahren müssen, aber seitdem sie das Exoskelett HAL von Cyberdyne hat, ist sie trotz ihrer Multiplen Sklerose auch ohne Rollstuhl mobil. Und das Beste ist, dass mir HAL Bescheid gibt, wenn ich einen Schritt zulegen soll - z.b. wenn sich die Ampelphase dem Ende zuneigt oder meine Bahn gleich abfährt. von Josephine Steiner 99

100 Das physische Energy and Transport Flow Management wird über intelligente, im besten Fall partizipative Plattformen ergänzt, die vor allem den Zugang zu Mobilität ermöglichen. Hierdurch wird eine lokale Vielfalt an Mobilitätsdiensten unterstützt. Neue Interaktionsmöglichkeiten werden durch intelligente Mobilitätsinfrastrukturen einerseits und Wearable Devices als persönliche Assistenten andererseits die Nutzung verschiedener Mobilitätsoptionen komfortabler gestalten. So entstehen neue Augmented Mobility Spaces für ein nahtloses Reisen über alle Verkehrsmittel hinweg. Insgesamt entsteht vor allem auch durch neue Geschäftsmodelle und Kooperativen zur Produktion von physischen Elementen des MaaS-Ökosystems eine vielfältige und kollaborative Mobility Service Economy. Lesetipps: Heikkilä, S (2014): Mobility as a Service - A Proposal for Action for the Public Administration, Case Helsinki, Master Thesis at Aalto University School of Engineering. Fritz, C (2014): Mobility-as-a-Service: Turning transportation into a software industry, VB News. Online unter: (abgerufen am ) Hietanen, Sampo (2014): Mobility-as-a-service the new transport model? In: Eurotransport, Vol. 12, Issue 2. Holmberg, P.-E.; Collado, M.; Sarasini, S.; Williander, M. (2016): MOBILITY AS A SERVICE- MAAS. Describing the framework. Victoria Swedish ICT Ab. InnoZ Mobilitätsmonitor Nr. 2 April 2016, in: Internationales Verkehrswesen 2 / 2016, 100

101 6. Lebenswerte Räume

102 Der Klimawandel gehört zu den größten und unberechenbarsten Gefahren für die zukünftige Entwicklung der Menschheit. Wenn es nicht gelingt, den Klimawandel zu stoppen, sind Kaskadeneffekte etwa durch das Schmelzen der Polkappen zu erwarten. Die potenziellen Folgen sind so disruptiv für unsere Lebenswelt, dass man sich kaum darauf vorbereiten kann. Der wesentliche Treiber für den anthropogenen Beitrag zum Klimawandel sind Treibhausgase, allen voran CO 2 -Emissionen, die zu etwa einem Viertel durch den Straßenverkehr erzeugt werden. Es besteht jedoch aktuell Grund zur Hoffnung, dass nun endlich, fast ein Viertel-Jahrhundert nach der Rio-Konferenz zur Agenda 21, den bisherigen politischen Versprechen tatsächlich Taten folgen. Die Begrenzung der globalen Erwärmung auf möglichst 1,5 C im Vergleich zur vorindustriellen Level ist auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 (United Nations Framework Convention on Climate Change, 21st Conference of the Parties COP 21) beschlossen worden. Anfang November 2016 ist das Pariser Klimaabkommen als Nachfolger des 2020 auslaufenden Kyoto-Protokolls in Kraft getreten. Einen Monat zuvor hatten 55 Länder, die für mehr als 55 Prozent des CO 2 -Ausstosses verantwortlich sind, das Klimaabkommen ratifiziert (BMUB 2016). CO2-Emissionen 1990 und 2012 Gesamtemissionen, GT Emissionen pro Kopf, T/p VR China USA EU (28) Indien Russland Japan Deutschland Südkorea 2012 Schiffsverkehr (int.) Kanada 1990 UK Brasilien Mexiko Saudi-Arabien Indonesien Flugverkehr (int.) Italien Australien Iran Frankreich Türkei Südafrika Polen Ukraine Spanien Taiwan Thailand Kasachstan Malaysia Ägypten VAE Argentinen Irak Venezuela Niederlande Vietnam Pakistan Algerien Tschechien Usbekistan Abbildung 39: Die 40 Haupt-CO 2 -Emittenten der Welt in den Jahren 1990 und 2012 mit Pro-Kopf-Emissionen. Datenquelle: EU EDGAR database, European Union, , eigene Darstellung 102

103 Das ist eine echte Weichenstellung der Welt in Richtung Energiewende, eine Weichenstellung der Welt in Richtung Vernunft im Blick auf die Veränderungen des Klimas. Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Pariser Klimaabkommen (BR 2016) In den letzten 25 Jahren sind die CO 2 -Emissionen pro Kopf weltweit enorm gestiegen (siehe Abbildung 39). Um das 1,5 C-Ziel, ohne CO 2 -Abscheidungs- und Speicherungsverfahren zu erreichen, dürfen daher ab etwa 2040 keine fossilen Energieträger mehr verbrannt werden. Außerdem muss die Energieversorgung für Strom, Wärme und Verkehr komplett auf erneuerbare Energien umgestellt werden (BMUB 2016). Die Bundesregierung hat sich als siebtgrößter Erzeuger von CO 2 -Emissionen in diesem Kontext dazu verpflichtet, zu 2050 die Emissionen um 95 Prozent gegenüber dem Wert von 1990 zu senken. Der Verkehr muss somit fast vollständig dekarbonisiert werden. Dies geht nur mithilfe von integrierten Strategien, mit denen Verkehr vermieden, der motorisierte Verkehr auf energiesparende Mobilitätsoptionen verlagert und zugleich auf alternative Antriebe umgestellt wird (vgl. GIZ 2014). Indem finanzielle und soziale Kosten durch den Klimawandel vermieden werden, könnte die strikte Einhaltung der Klimaziele gerade im Verkehrsbereich eine Vielzahl an positiven Nebeneffekten mit sich bringen. So hat Hohmeyer (2016) berechnet, dass die zu erwartenden Klimaschutzkosten von circa 5 Billionen Euro einem Nutzen von ca. 16 Billionen Euro gegenüber stehen, der sich sonst aus einer Reduktion des Bruttosozialprodukts durch Klimaschäden und Luftverschmutzung ergeben würde (Hohmeyer 2016, S. 8). Gleichzeitig könnten sich aus der Reduktion der Luftschadstoffe im post-fossilen Zeitalter enorme Potenziale für die Gesundheit ergeben. Die Lancet Kommission nannte in ihrem Report von 2015 daher auch den Kampf gegen den Klimawandel the greatest global health opportunity of the 21st century (Lancet Commission 2016, S. 1). Aus dem Klimawandel droht ein Anstieg unterschiedlicher Gesundheitsrisiken wie hitzebedingte Todesfälle oder die Ausbreitung von Infektionskrankheiten. Die WHO (2016) hat festgestellt, dass etwa ein Viertel aller Todesfälle im Jahr 2012 umweltbedingte Ursachen hatten, die zu einem großen Teil dem Klimawandel zuzuordnen sind (WHO 2016a). Vor allem Bewohner von asiatischen Megacities haben unter einer hohen Konzentration an Luftschadstoffen zu leiden. Insgesamt leben 80 Prozent der Stadtbewohner weltweit an Orten, an denen regelmäßig die Luft- 103

104 qualitätsgrenzen der WHO von jährlich durchschnittlich 20 µg/m3 bzw. 10 µg/m3 für Partikel mit einer Größe von weniger als 10 µm bzw. 2,5 µm überschritten werden (WHO 2016b). Zu den traurigen Spitzenreitern mit mehr als 100 µg/m3 zählen vor allem asiatische Städte wie Delhi, Riyad, Dhaka, Ulan Bator und Peking, aber auch europäische Städte wie Rom, Berlin, London und Madrid überschreiten regelmäßig die Grenzwerte. Die Luftverschmutzung ist dabei allerdings nur ein Indikator für Lebensqualität. Der Lebensqualitätsindex der OECD berücksichtigt neben der Umwelt (Luft- und Wasserqualität) noch zehn weitere Indikatoren: Wohnen, Einkommen, Arbeit, Gemeinschaft, Bildung, bürgerliches Engagement, Gesundheit, Zufriedenheit, Sicherheit und Work-Life-Balance (OECD 2016). Alltagsmobilität kann dabei durchaus die Lebensqualität mindern, wenn beispielsweise die private Zeit durch lange Pendelwege beeinträchtigt oder das Haushaltseinkommen durch Mobilitätskosten geschmälert wird. Zugleich kann die wahrgenommene Qualität des Wohn- und Arbeitsumfelds auch das Mobilitätsverhalten beeinflussen: Sowohl öffentliche Verkehrsmittel als auch das Fahrrad sind in jenen Städten attraktiver, in denen die öffentlichen Räume und städtebaulichen Strukturen als einladend und vor allem als sicher wahrgenommen werden. Insbesondere das Fahrradfahren kann da attraktiv sein, wo es nicht als gesundheitsschädigend, sondern gesundheitsfördernd wahrgenommen wird: Wo also die Luftverschmutzung nicht zu hoch und die öffentlichen Räume nicht ausschließlich auf den Autoverkehr ausgerichtet sind. Die autogerechte Stadt war das zentrale städtebauliche Leitbild, das seit der Moderne zunächst in westlichen Städten Wiederaufbau und Stadtentwicklung geprägt hat und auch immer noch Vorbild für die Megacities von heute ist. Vor 60 Jahren begannen europäische und US-amerikanische Planer damit, in großem Stil die funktionell getrennte Stadt zu verwirklichen, was vor allem bedeutete, den städtischen Raum dem rasant wachsenden Autoverkehr und den Pendlerströmen in die Vororte anzupassen (Haefeli 2008). Dieser Prozess war jedoch seit den 1970er Jahren zunehmend von Protesten begleitet. Im Laufe der 1980er Jahre setzte sich dann auch in planerischen Kreisen zunehmend die Erkenntnis durch, dass die autogerechte Stadt in ihrer Reinform eine menschenfeindliche Umgebung ist, in der Smog und Verkehrsunfälle akut das Menschleben gefährden. Außerdem reifte die Erkenntnis, dass der Bau weiterer Straßen nur noch mehr Verkehr nach sich zieht (vgl. Goodwin 2012). Seitdem versuchen die urbane Verkehrs- und Stadtentwicklungspolitik insbesondere in Europa mehr und mehr den Charakter der Städte als Lebensräume gezielt zu schonen. Typische Maßnahmen sind und waren die Einführung verkehrsberuhigter Zonen in Wohnvierteln, Tempolimits für 104

105 Lärmschutz und Sicherheit sowie die Förderung von Alternativen zum privaten Pkw-Verkehr (Haefeli 2008). Wirklich radikale Konzepte zur Umgestaltung öffentlicher Räume als Lebensräume wurden bisher aber nur sehr vereinzelt umgesetzt. Vorreiter sind unter anderem europäische Metropolen wie Paris, Wien, Barcelona, Kopenhagen, Stockholm oder Zürich (u.a. Buehler/ Pucher/ Gerike / Götschi 2016). In diesen Städten wurde nicht nur der Umweltverbund in den vergangenen zehn Jahren massiv gefördert, sondern es wurden auch Maßnahmen umgesetzt um die Privilegien des privaten Autoverkehrs einzuschränken: Sei es mit Beschränkungen beim Zubau von Parkplätzen (z.b. Zürich) oder Straßennutzungsgebühren (z.b. Stockholm) oder mit der Neuaufteilung öffentlicher Straßenräume zugunsten des Umweltverbunds (z.b. in Paris oder Kopenhagen). Mit dieser Mischung aus Push- und Pull-Maßnahmen konnten die Städte erhebliche Erfolge erzielen. Die Frage ist nun allerdings, inwieweit diese Strategien, die bisher auf die hochverdichteten inneren Bereiche großer Metropolen und Vorreiterstädte beschränkt sind, in Zukunft zu einem allgemeinen Leitbild urbaner Verkehrs politik werden. Werden sie wie bisher nur punktuell dort eingesetzt, wo wie in den inneren Zentren der Metropolen die räumlichen Gegebenheiten Beschränkungen des Autoverkehrs praktisch erzwingen? Oder werden unter dem Leitmotiv der lebenswerten und klimaneutralen Stadt flächendeckend in den Städten öffentliche Räume neu priorisiert? Wohin sich Metropolen, aber auch ländliche Räume entwickeln werden, hängt dabei nicht zuletzt davon ab, inwieweit heutige Nischenentwicklungen zum Mainstream werden. 105

106 Welche Entwicklungspfade sind bestenfalls im Bereich Lebenswerte Räume zu erwarten? Lebenswerte Räume TOP-DOWN MAINSTREAM Umwelt- und Verkehrspolitik Stadtplanung Autofreie Tage Smart Parking Mikro-Logistik Qualifikation Klimaneutrale Kommunen Neue Finanzierungsoptionen Zunahme von Stau und Emissionen Förderung neuer Mobilitätsangebote Umweltzone für Elektroautos eflotten-ladeparks Widerstand gegen Maßnahmen Lifestyle of Health and Sustainability (e)fahrrad-kultur Urban Gardening Work-Life-Balance Walkability Multioptionale Mobilität BOTTOM-UP Wiederaneignung von Parkraum Aktivisten Erste autofreie Quartiere Fahrrad-Initiativen Initiativen für Flächengerechtigkeit Innovatoren Early Majority 106

107 Ausbau von Busspuren und Fahrradstraßen Privatautofreie Quartiere Rückbau der Autostadt Neue Suffizienz Neue Raum- und Mobilitätskultur Digitale Partizipation Tipping Point Late Majority (Mainstream) 107

108 Top Down-Pfad: Umwelt- und Verkehrspolitik als Treiber Umwelt und Verkehrspolitik Autofreie Tage Klimaneutrale Kommunen Zunahme von Stau und Emissionen Umweltzone für Elektroautos Widerstand gegen Maßnahmen Schon seit Jahrzehnten gibt es vereinzelte Anzeichen für radikale Maßnahmen, um die Lebensqualität in Städten wieder zurückzugewinnen. Die ersten Maßnahmen, den Autoverkehr stark einzuschränken, fanden nicht aus umweltpolitischen Gründen statt, sondern als Antwort auf die Ressourcenknappheit. So wurden 1956 wegen der Suez-Krise in den Niederlanden und in Belgien die ersten autofreien Sonntage eingeführt, Anfang der 1970er wurde wegen der Ölkrise in Deutschland und der Schweiz autofreie Sonntage angeordnet und 1981 gab es auch in der DDR den ersten autofreien Tag. Ab der Jahrtausendwende stand eher das Problem der Schadstoffemissionen im Fokus. In Italien werden seit 2007 an vier Sonntagen im Jahr die Stadtzentren von 150 Städten und in Mexico City eine Hauptverkehrsstraße jeden Sonntag für den motorisierten Verkehr gesperrt. Seit 2000 wird auch der World Carfree Day am 22. September in über tausend Städten in 40 Ländern begangen. Diese Initiativen leisten dabei einen wichtigen Beitrag zum lokalen Klimaschutz und zu Nachhaltigkeitsstrategien. Auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro wurde 1992 die Agenda 21 beschlossen. Nach dem Motto Global denken lokal handeln sollten dabei Kommunen ein eigenes Handlungsprogramm, die Lokale Agenda 21, entwickeln, mit der sie ihren eigenen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele festlegen sollten. Zehn Jahre später wurden auf dem Weltgipfel in Johannesburg die ersten Phasen des Agendaprozesses ausgewertet und die nächste Phase geplant. In der aktuellen Agenda Transforming our world: The 2030 Agenda for Sustainable Development sind 169 Nachhaltigkeitsziele festgelegt. Verkehr und Mobilität ist dabei dem Ziel zugeordnet, Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, re si li ent und nachhaltig zu gestalten (Target 11.2, UN 2015). Parallel zu den Agenda-Prozessen sind insbesondere durch Bundes- oder Landesinitiativen weitere kommunale Aktivitäten zum Klimaschutz im Verkehr angestoßen worden. In diesem Kontext haben Kommunen Klimaschutz-Programme entwickelt, die sich jedoch bis- 108

109 her größtenteils auf Sanierung sowie Strom- und Wärmeversorgung konzentrieren. Wenn Kommunen jedoch klimaneutral werden möchten, müssen sie den Ausstoß von Treibhausgasen auf einen Wert reduzieren, mit dem potenziell die Erderwärmung auf unter 2 C gehalten werden kann. In Berlin müssten beispielsweise die Emissionen bis zum Jahr 2050 um 85 Prozent gegenüber 1990 gesenkt werden (SenStadtUm 2014). New York möchte die Emissionen bis 2030 um 30 Prozent senken, Amsterdam bis 2025 um 40 Prozent und Kopenhagen im gleichen Zeitraum sogar um 100 Prozent gegenüber dem Wert von Beispiele wie Dongtan in China und Masdar City in den Vereinigten Arabischen Emiraten konnten dabei von Anfang an eine konsequente klimaneutrale Planung umsetzen. Trotz dieser hehren Ziele und vielfältigen umwelt- und verkehrsplanerischen Aktivitäten gibt es jedoch immer noch eine Zunahme von Emissionen und weitgehend gleichbleibende Stauzeiten (s. Abbildung 40 und Abbildung 4). Das Ziel der klimaneutralen Kommune kann dabei nicht ohne den Verkehrssektor erreicht werden, der in Berlin wie auch in vielen anderen Städten für etwa ein Viertel aller CO2 Emissionen verantwortlich ist (SenStadtUm 2015, S. 8). Im Bestand sind Klimaschutzmaßnahmen dabei immer schwieriger umzusetzen als auf der grünen Wiese. Prominente Abbildung 40: Durchschnittlich im Stau verbrachte Stunden pro Autofahrer und Jahr, Quelle: INRIX 2016, eigene Darstellung Belgien Niederlande Deutschland Luxemburg Schweiz UK Frankreich Österreich Irland Italien Spanien Portugal Ungarn 109

110 Die Kommunalpolitik kann dabei heute schon mit bereits bestehenden Instrumenten und Maßnahmenkatalogen (z.b. Stadt- und Verkehrsentwicklungspläne) einen entscheidenden Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele leisten, sofern diese Instrumente und Maßnahmen konsequent umgesetzt werden. Die Umweltzone ist hierbei ein besonders machtvolles Instrument, das seit 2007 deutschen Städten und Kommunen erlaubt, Fahrverbote für zuvor festgelegte Umweltzonen zu verhängen. Gerade angesichts der hohen Schadstoffbelastungen in Städten wie London, Paris oder Berlin können schon bestehende Zonen im Sinne einer radikalen Umweltzone etwa zu einer Zero-Emission-Zone oder auch einer Privatautofreien Zone erweitert werden. Sowohl im Personen- als auch im Wirtschaftsverkehr werden derartige Maßnahmen den entscheidenden politischen Rahmen und Antrieb zum Erfolg alternativer Antriebe setzen. Auch ist eine entsprechende Bepreisung des CO2-Ausstoßes für verbleibende Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor denkbar. Im Interesse des Klimaschutzes, aber insbesondere auch der lokalen Lebensqualität werden in vielen Metropolen das Zufußgehen und das Fahrradfahren nach Kräften gefördert. Ob Kopenhagen, Mailand, München, London oder New York die großen Metropolen machen es vor: Das Fahrradfahren soll eine neue Renaissance erleben und zu einem (wieder) wichtigen urbanen Verkehrsmittel werden. Dafür wird in Fahrradwege, Abstellplätze und Vermietsysteme investiert (vgl. Gehl 2010). 110

111 Die Förderung von Carsharing kann dazu beitragen die Zahl der Fahrzeuge insgesamt zu verringern. Je nach Region ist das Potenzial von Carsharing zur Vermeidung von privatem Autoverkehr unterschiedlich. So wird in einer Studie zu den Umweltwirkungen des Freefloating Carsharing (Car2go) für fünf nordamerikanische Städte davon ausgegangen, dass 7 bis 10 Prozent der Nutzer wegen des Carsharing-Angebots auf den Kauf eines Autos verzichten und 2 bis 5 Prozent sogar ihren Pkw abschaffen würden (Martin/ Shaheen 2016). Darüber hinaus kann die Entwicklung von Maas-Systemen auf Basis der neuen technischen Möglichkeiten der Digitalisierung in Zukunft Chancen bieten, den privaten Pkw-Verkehr stark zu reduzieren- aber nur wenn die Kommunen zugleich die Privilegien des privaten Pkw einschränken. Zudem können die Kommunen die Rolle des Autos in öffentlichen Räumen mit gestalten. Bisher wird der private Autoverkehr jedoch meistens immer noch privilegiert, indem Stellplätze vorgehalten, Straßen im autogerechten Maßstab geplant und auf automobile Geschwindigkeiten hin dimensioniert werden. Im Entwicklungspfad einer lebenswerten Stadt nutzen die Kommunen ihre Möglichkeiten, um diese Privilegien systematisch abzubauen und für die anderen Verkehrsträger und andere Nutzungszwecke buchstäblich Platz zu schaffen. Folgende Maßnahmen kommen als Beispiele für eine solche Strategie in Betracht: Rückbau von Parkplätzen zugunsten von anderen Nutzungen Abschaffung oder Umwidmung von Stellplatzverordnungen für den Zubau von Parkflächen Dynamisches und integriertes Park- und Straßenraum-Management, d.h. gestaffelte Bepreisung des öffentlichen Straßenraumes (z.b. City-Maut) bis hin zur Zero-Emission-Zone oder generelle Zufahrtsbeschränkungen für private Pkw Restriktionen für den Wirtschaftsverkehr, Förderung eines klimaneutralen und stadtverträglichen Wirtschaftsverkehrs bspw. durch City-Logistik-Konzepte; Etaterhöhung für Rad- und Fußverkehr, z.b. Umsetzung von Radschnellwegen, Ausweisung von Fahrspuren für den Radverkehr, spezielle Ampelschaltungen, Ausweisung von wesentlich mehr Flächen als Abstellmöglichkeit; Ausbau und Attraktivierung des öffentlichen Personennahverkehrs (Taktverdichtung und -ausweitung, günstige Tarife) mit konsequentem Übergang zur Elektromobilität (auch Busse) sowie Umbau von Umsteigepunkten zu intermodalen Mobilitäts-Hubs; Schaffung umfassender Anreize für das Carsharing durch Ausweisen entsprechender Flächen für exklusives Parken (nach rechtlich einwandfreier Regelung) bzw. Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge; Stadtweite öffentliche (E-)Fahrradverleihsysteme mit einem Schwerpunkt auf intermodaler Vernetzung an Umsteigepunkten zum öffentlichen Nahverkehrssystem; Höherer Stellenwert von Klimaschutz und Vernetzung im Kriterienkatalog für Verkehrsverträge des öffentlichen Bus- und Schienenverkehrs. Für Carsharing reservierte Stellplätze 111

112 Top-Down-Pfad: Stadtplanung als Treiber Stadtplanung Smart Parking Mikro-Logistik Neue Finanzierungsoptionen eflotten-ladeparks Durch den Wandel der Autokultur wird sich auch die Wahrnehmung vom Wert innerstädtischer Flächen weiter schärfen. Dies kann zur Folge haben, dass der motorisierte Individualverkehr auf Basis fossiler Antriebe zumindest im urbanen Raum aufgrund der Verknappung der Räume mittelfristig massiv zurückgedrängt wird. Der BCS Bundesverband Carsharing geht in einer aktuellen Studie davon aus, dass potenziell durch Carsharing bis zu 20 private Pkw ersetzt werden und dadurch 99 Meter zugeparkte Straßenkante frei werden könnten. Auch wenn dieser Wert als Maximalpotenzial zu betrachten ist, birgt die Parkflächenreduktion durch Carsharing sicher viel Potenzial, um Städte lebenswerter zu gestalten (BCS 2016). Neben der Verkehrsplanung und der Umweltpolitik wird sich in Zukunft daher auch die Stadt- und Raumplanung im Sinne einer Neuordnung von Straßenräumen und Freiflächen mit Mobilitätsthemen befassen. Für öffentliche Parkräume kann auch ein dynamisches Parkraummanagement für weniger Parkraumsuchverkehr sorgen. Hierfür ist eine Ausstattung der Parkplätze mit Sensoren zur Identifizierung des Fahrzeugs erforderlich - sowohl für die Abrechnung sowie zur Bestimmung, ob der Parkplatz frei oder belegt ist. Die technischen Grundlagen für solche Systeme wurden in verschiedenen Projekten zum Smart Parking wie z.b. beim Projekt SFpark in San Francisco ( erarbeitet. Darüber hinaus ist u.a. offen, welche Bedeutung das Thema Ladeparkplätze in Zukunft für die Stadtplanung haben wird. So können beispielsweise Hausgemeinschaften oder auch einzelne Personen auf ihren Privatparkplätzen in Tiefgaragen oder in Außenräumen Ladeoptionen anbieten. Autos werden allerdings nicht nur im Privatverkehr genutzt. Quartiere haben zunehmend auch unter dem stark ansteigenden Lieferverkehr durch den boomenden Online-Handel zu leiden. Auch der Bus+Fahrradverkehr wird auf 112

113 einigen Strecken stark durch Lieferwagen auf Busspuren behindert. Seitens der Stadtplanung können hier Mikro-Logistik-Zentren in Städten, aber auch in Voror ten oder in ländlichen Räumen geschaffen werden. Dabei stehen nicht nur die eigentlichen Transportleistungen im Fokus, sondern die gesamte Lieferkette. Auf kurzen Strecken, beispielsweise von Quartiersverteilzentren zum Empfänger, können dabei auch alternative, emissionsfreie Liefermöglichkeiten z.b. per Lastenrad oder Lieferroboter zum Tragen kommen. Derzeit ist die Verwaltung allerdings im Hinblick auf innovative Raumkonzepte nicht immer die treibende Kraft, da bisher in der Ausbildung von Planern und Verwaltungsangestellten die Qualifikation zum Umgang mit innovativen und flexibleren Planungsprozessen noch keine große Rolle spielt. Eine mangelnde Offenheit und Flexibilität der Verwaltung kann hierbei Planungsprozesse zeitlich verzögern - und unter Umständen sogar ein Showstopper für innovative Konzepte sein. Wenn allerdings die Potenziale erkannt werden, die durch die Verkehrswende und einen Modal Shift hin zu vernetzten, öffentlichen Mobilitätsangeboten eröffnet werden, können sich auch neue Finanzierungsoptionen für Kommunen erschließen, z.b. durch den Betrieb von Mikro-Logistik-Zentren oder potenziell auch von kommunalen eflotten-ladeparks. So können beispielsweise auf Brachen großflächige Induktionsladeflächen für teil oder hochautomatisierte Flottenfahrzeuge angelegt werden, über die diese geladen werden können. Wenn diese Ladeparks noch über regenerative Energien gespeist werden, können Kommunen in zweifacher Hinsicht profitieren: Zum einen durch die Einnahmen für die Flottenenergieversorgung und zum anderen durch die enormen Einsparungen an CO2-Emissionen, zu denen Deutschland sich politisch bekannt hat. 113

114 Bottom-Up-Pfad: LOHAS und Multioptionale als Treiber Lifestyle of Health and Sustainability (e)fahrrad-kultur Urban Gardening Work-Life-Balance Walkability Multioptionale Mobilität Förderung neuer Mobilitätsangebote Unter dem aus der Marktforschung stammenden Akronym LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability) werden Lebensstilmuster bezeichnet, in denen Werte wie Nachhaltigkeit und Gesundheitsbewusstsein zumindest auf symbolischer Ebene einen hohen Stellenwert einnehmen. Wenn auch die tatsächlichen Umwelteffekte dieser Lebensstile fragwürdig sind, stehen sie doch stellvertretend für Trends, die die lokale Lebensqualität zunehmend ins Bewusstsein breiter Bevölkerungsgruppen rücken. Somit tragen auch LOHAS dazu bei, dass Nachhaltigkeitsstrategien Teil des kulturellen Mainstreams werden. Seit Jahren zeichnen sich dementsprechend in den großen Metropolen Trends hin zu Lebensstilorientierungen ab, die sich sowohl auf das Mobilitätsverhalten als auch auf die Wertschätzung öffentlicher Räume auswirken. In vielen Städten in Europa, aber auch in amerikanischen Metropolen wie New York, San Francisco oder Portland wächst seit längerem eine Fahrradkultur heran, die von einer immer breiteren Bewohnerschaft getragen wird. (vgl. Pucher, Dill Handy 2010, Henderson 2013). Selbst in bisher stark vom Autoverkehr dominierten Städten wie Paris oder Los Angeles zeigen sich Anzeichen, dass sich eine Fahrradkultur auch in Räumen entwickeln kann, die bisher als fahrradfeindlich galten. Pedelecs und ebikes können zudem neue Gruppen wie Senioren erreichen oder in bergigen Gegenden wie z.b. Lissabon Fahrradfahren und Bikesharing attraktiver machen ( Gesundheits- und Fitnessbewusstsein spielen dabei ebenso eine Rolle wie alternative Vorstellungen von Jugendlichkeit und Hippness. Der ADFC - Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e. V. ( veröffentlicht regelmäßig ein Städteranking zur Fahrradfreundlichkeit deutscher Städte mit mehr als Einwohnern. Beim ADFC-Fahrradklimatest 2014 haben dabei Städte wie Münster, Karlsruhe und Freiburg die ersten Plätze belegt, während Großstädte wie Berlin, Köln oder Hamburg auf den hinteren Plätzen landeten. Insgesamt lässt sich aber auch in weniger fahrradfreundlichen Städten wie Berlin (Platz 30) ein ständiger Anstieg des Fahrradverkehrs beobachten (s. Abbildung 41). 114

115 41 % 23 % 61 % Zukunftsfenster in eine disruptive Mobilität 220 % 200 % 180 % 196 % 198 % 203 % 202 % 182 % Basis 2001 = 100% (Daten mit Wetterausgleich) bis 1990: nur Berlin (West) 1990: Berlin (Gesamt) 160 % 144 % 151% 140 % 132 % 138 % 120 % 111 % 117 % 126% 130 % 100 % 103 % 100 % 100 % 113 % 81 % 75% 96 % 98 % 80 % 72 % 59 % 59 % 56 % 56 % 76 % 60 % 53 % 40 % 33 % 20 % 16 % 33 % Abbildung 41: Entwicklung des Fahrradverkehrs in Berlin zwischen 1951 und 2014, Quelle: Statplan 2014, S.3. Als Fahrradfahrer oder Fußgänger nimmt man Städte komplett anders als Autofahrer wahr. Die Wiederbelebung urbaner Räume zeigt sich aber auch in weiteren Entwicklungen. So ist z.b. der Trend zum Urban Gardening ein weiterer Hinweis darauf, dass öffentliche Räume gerade von Menschen mit urbanen nachhaltigkeitsorientierten Lebensstilen neu wertgeschätzt und definiert werden. Viele dieser Gartenpro- jekte entstehen aus bürgerschaftlichem Engagement (z.b. die interkulturellen Gärten in Berlin). Auch weniger engagierte urbane Lohas sehen das Gärtnern als Mittel zum Stressabbau. Sofern sich Lifestyes of Health and Sustainability weiter verbreiten, können Themen wie Work-Life-Balance noch stärker in den Mainstream-Diskurs drängen. Auch dies kann einen bewussteren Umgang mit öffentlichen Räumen und verstärkte 115

116 Forderungen nach lebenswerten städtischen Räumen beflügeln: Denn dahinter steht letztlich ein erhöhtes Bewusstsein für Zeitverwendung. Nur wenn ein lebenswertes Nahumfeld im Sinne einer Walkability auch in den Städten vorhanden ist, kann Erholung und Genuss ohne lange Wege möglich werden. Schließlich ist mit den LOHAS auch eine Wertschätzung für Kreativität und Impro visation verknüpft. Dies könnte dazu beitragen, dass diese urbanen Milieus Interesse an der kreativen selbstgestalteten Aufwertung von Straßenräumen entwickeln, z.b. an der Umwandlung von Parkplätzen in attraktive Pocket-Parks. Außerdem hat die globale, vernetzte Design(-Thinking)-Kultur neue Formen der lokalen, zum Teil auch digitalen Partizipation hervorgebracht. Der temporäre Charakter und der überschaubare Gestaltungsraum z.b. von Parklets oder Baumscheiben können die Ausbildung einer neuen, ästhetik- und design-orientierten Partizipationskultur unterstützen. Das Mobilitätsverhalten wird vielfältiger. In den Städten nutzen immer mehr Menschen den ÖV oder das Fahrrad. In den aktuellen Daten bestätigt sich dieser leichte, aber beständige Trend (vgl. Abbildung 42). 100 % SrV-Städtespiegel (13 Städte) 100 % SrV-Wiederholerstädte West (9 Städte) Große SrV-Vergleichsstädte (25 Städte) Y-Achsenbeschriftung in % 80 % 60 % 40 % 20 % 0 % * 2008* 2013 Abbildung 42: Modal Split in Deutschland 1972 bis 2013, Quelle: Ließke/ Wittwer 2015, Folie 18 Y-Achsenbeschriftung in % 80 % 60 % 40 % 20 % 0 % * * 2013 zu Fuß Fahrrad MIV ÖPV 116

117 Unabhängig davon, ob diese Trends auf veränderte Lebenslagen wie verlängerte Ausbildungszeiten, ökonomische Restriktionen oder bewusste Lebensstilentscheidungen zurückzuführen sind (Nobis 2015): Sie tragen dazu bei, dass die Dominanz des Autos in den großen Städten abnimmt. An der Ausbreitung einer multioptionalen Mobilitätskultur haben auch die neuen Sharing-Angebote, die in einigen Städten bereits bis zu 10 Prozent der Bevölkerung zu ihren Nutzern zählen, einen Anteil (Ahrens 2014). Diese Angebote stützen Lebensstile, die ohne eigenes Auto auskommen oder das private Auto situativ mit anderen Verkehrsmitteln kombinieren. Carsharing-Nutzer sind multimodal und werden durch attraktive Angebote zusätzlich in ihren multimodalen Mustern unterstützt. In den großen Städten in Deutschland sind monomodale Autonutzer bereits heute in der Minderheit (s. Abbildung 43). 100 % 80 % 60 % 40 % 20 % 0 % < 2k Verkehrsmittelnutzung nach Raumtyp (Einwohnerzahl) k bis 5k k bis < 20k k bis < 50k k bis < 100k k bis < 500k >= 500k k = Tausend Sonstige ÖV Mono MIV Mono Multimodale Rad Mono Abbildung 43: Verkehrsmittelnutzung nach Raumtyp, Quelle: Nobis 2015, Basis Deutsches Mobilitätspanel , eigene Darstellung 117

118 Diese Entwicklungen legen den Schluss nahe, dass die zunehmend multioptionale Bevölkerung auch eine multimodale Verkehrspolitik fordern wird. Die Akzeptanz auch für radikale Maßnahmen zur Neuverteilung öffentlicher Räume zulasten des privaten Pkw-Verkehrs könnte so schnell ansteigen. Insbesondere der große Erfolg des Berliner Volksentscheid Fahrrad kann als ein erstes Weak Signal dieser latenten Akzeptanz für eine Neuausrichtung der Verkehrspolitik unter den urbanen Lead Usern innovativer Mobilitätsangebote gewertet werden (s. a. Abbildung 44 und 45). So haben in 2016 etwa Personen in wenigen Wochen mit ihrer Unterschrift den Berliner Volksentscheid Fahrrad ( unterstützt. Die neugewählte Regierung in Berlin hat die Forderung dieser Initiativen jetzt aufgegriffen und in weiten Teilen in ihren Koalitionsvertrag aufgenommen. Entscheidend wird sein, inwieweit Graswurzel-Aktivisten die Möglichkeiten zunehmender Akzeptanz bei der größeren Gruppe der Multimodalen erfolgreich aktivieren und politisch nutzen können. Die Gruppe der Multioptionalen kann dabei durch eine Förderung neuer Mobilitätsangebote deutlich erweitert werden. Die Kommunen verfügen über bedeutende Möglichkeiten, um lebenswerte Räume zu schaffen. Dazu gehört einerseits die aktive Förderung umweltfreundlicher und stadtverträglicher Mobilitätsangebote (Pull-Maßnahmen). Die Mehrheit der befragten Lead User befürwortet andererseits aber auch (Push-Maßnahmen) zur Einschränkung des Pkw-Verkehrs in den Städten so etwa die Sperrung der Innenstädte für den privaten Autoverkehr. Obwohl durchaus auch Autonutzer in der Stichprobe vorhanden sind, werden Maßnahmen zur Beschränkung des privaten Pkw-Verkehrs mehrheitlich positiv bewertet: ein Großteil der befragten Lead User würde es beispielsweise befürworten, wenn auf Hauptstraßen eine Pkw-Fahrspur für den Radverkehr umgewidmet würde. Gesamtprobe Top 1/3 auf Lead User Skala Die Stadtmitte wird für den privaten Autoverkehr geschlossen. 8,1 % 12,5 % 17,8 % 19,7 % 15,7 % 21,9 % 58,4 % 45,9 % überhaupt nicht gut eher nicht gut eher gut sehr gut Abbildung 44: Akzeptanz reduzierte Zufahrt zu Innenstädten (n=512/ Top Scorer n=182), eigene Grafik 118

119 Hauptstraßen werden mit breiten Radwegen neu gestaltet, die eine Fahrspur ersetzen. Gesamtprobe Top 1/3 auf Lead User Skala 7,5 % 12,3 % 8,6 % 12,9 % 17,1 % 20,4 % 66,8 % 54,4 % überhaupt nicht gut eher nicht gut eher gut sehr gut Abbildung 45 : Umwidmung von Fahrspuren (n=511/top Scorer n=187), eigene Grafik Integrierte Push- und Pull-Strategien zur Reduktion des Pkw-Verkehrs und zur Rückgewinnung öffentlicher Räume seitens der kommunalen Planung können hierbei dafür sorgen, dass hinsichtlich der Verkehrswende der Sprung von den Innovatoren zur Early Majority erfolgt. 119

120 Bottom-Up-Pfad: Lokale Aktivisten als Treiber Aktivisten Erste autofreie Quartiere Fahrrad-Initiativen Initiativen für Flächengerechtigkeit Wiederaneignung von Parkraum Wenngleich die Umgestaltung der Städte zugunsten des Autoverkehrs in Deutschland in der Nachkriegszeit relativ konfliktfrei akzeptiert wurde (vgl. Haefeli 2008) haben auch Bottom-Up-Protestbewegungen zum Thema Flächengerechtigkeit und lebenswerten Räume eine lange Tradition. Diese reicht von den Protesten gegen Stadtautobahnen in den 1970er und 80er Jahren bis hin zu Graswurzelinitiativen, die autofreie Quartiere durch- und umsetzten (vgl. ebd.). Das prominenteste Beispiel bildet Freiburg-Vauban, wo auf einem ehemaligen Kasernengelände ein Quartier ohne Autostellplätze geschaffen wurde. Grundsätzlich kann man drei Formen autofreier Projekte unterscheiden (s. Abbildung 46): Betreibermodell Selbstverwaltetes Modell Stellplatzfreies Modell bindend = ausschließlich Haushalte ohne eigenes Auto bindend = ausschließlich Haushalte ohne eigenes Auto Wahlfrei = Autofreie Haushalte sind von der Stellplatzkaufpflicht befreit, keine Stellplätze in den Straßen und Wohnwegen z.b. München-Kolumbusplatz, Kassel-Unterneustadt, Münster-Gartensiedlung, Weißenburg, Amsterdam-GWL-Terrein, Edinburgh-Slateford Green, Wien-Floridsdorf z.b. Bremen-Grünenstraße, München-Riem Hamburg-Saarlandstraße, Hamburg Kornweg z.b. Freiburg-Vauban, Tübingen-Französisches Viertel/Loretto Areal, Köln-Stellwerk 60 Abbildung 46: Modelle autofreier Quartiere, Quelle: Reutter 2011, S

121 Das Szenario der autofreien Nachbarschaft ist auch ist für einen großen Teil der Lead User sehr attraktiv. Es wird viele "Autofreie Nachbarschaften"geben. Gesamtprobe Top 1/3 auf Lead User Skala 11,2 % 15,6 % 10,2 % 18,9 % 18,8 % 21,1 % 59,9 % 44,4 % überhaupt nicht gut eher nicht gut eher gut sehr gut Abbildung 47: Präferenz autofreier Wohnviertel (n=551, Top Scorer n=197), eigene Grafik In Zukunft wird fast niemand in den Städten ein privates Auto besitzen. Die Mehrheit der befragten Lead User befürwortet ebenfalls das Ende des privaten Automobils in den Städten. Das Befragungsergebnis unterstützt insgesamt die Hypothese, dass innovationsorientierte Nutzer die Zukunft der Mobilität nicht im privaten Pkw sehen. Gesamtprobe Top 1/3 auf Lead User Skala 7,8 % 12,0 % 11,9 % 17,6 % 23,8 % 26,6 % 56,5 % 43,6 % überhaupt nicht gut eher nicht gut eher gut sehr gut Abbildung 48: Präferenz autofreier Wohnviertel (n=534, Top Scorer n=193), eigene Grafik 121

122 Die Chancen für Graswurzel-Bewegungen für lebenswerte Städte verbessern sich also langsam, aber stetig. Carsharing, Elektromobilität und eine neue Fahrradkultur lassen immer mehr Zweifel aufkommen, dass die Stadt heute noch für den privaten Pkw gebaut sein muss. Immer mehr Stadtbewohner besitzen kein eigenes Auto mehr und fahren stattdessen Fahrrad oder mit dem öffentlichen Verkehr. In Berlin werden beispielsweise für fahrende Autos 39 Prozent und für stehende Pkw 19 Prozent der Stadtfläche reserviert (Agentur für clevere Städte 2014, S.2). Fahrradwege belegen hingegen nur drei Prozent der Fläche, obwohl 15 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Dies könnte von immer mehr Menschen als ungerecht empfinden zumal das Dauerparken von Autos in den meisten Städten bisher nur wenig kostet. Das Thema Flächengerechtigkeit wird dabei nicht nur zunehmend in Fahrradverbänden und Studien diskutiert, sondern auch von einer weltweiten Reclaim the Streets -Bewegung über öffentlichkeitswirksame Aktionen in die Aufmerksamkeit gerückt. Der Druck, der durch den steigenden Anteil an Fahrradfahrern auf die kommunalen Verkehrsplaner ausgeübt wird, wird dazu beitragen, dass zunehmend Maßnahmen akzeptiert werden, die den Fahrradverkehr sicherer und für alle Verkehrsteilnehmer angenehmer gestalten. Auch die Critical Mass -Radfahrer-Demonstration, die der zum ersten Mal 1992 in San Francisco stattfand, ist zu einem globalen Phänomen geworden. Weak Signals für eine bevorstehende Protestbewegung in Hinblick auf Flächengerechtigkeit stellen auch Reclaim the City -Aktionen zur Wiederaneignung von Parkräumen dar. So ist der jährlich im September stattfindende Park(ing) Day, bei dem Parkplätze für einen Tag zu Freiräumen mit anderen Nutzungen umgestaltet werden, zu einer weltweiten Bewegung geworden, an der mittlerweile fast über 160 Städte teilnehmen. Die Umgestaltung von Parkraum in sogenannte Parklets ist ebenfalls Teil der Reclaim the Streets -Bewegung (mehr). Außerdem können Shared Space-Konzepte und Begegnungszonen wie in der Berliner Maaßenstraße dazu führen, dass Stadtbewohner sich stärker mit der alternativen Nutzung von Straßenräumen auseinandersetzen werden. Auch hier bevorzugt ein relevanter Anteil der Lead User eine Verringerung der Parkplätze zugunsten anderer Zwecke (s. Abbildung 49). 122

123 Bitte denken Sie an Ihr eigenes Wohnviertel. Wie sollte der öffentliche Raum dort in Zukunft aufgeteilt werden? Gesamtprobe 60 48,4 % 62,1 % 40 36,2 % 26,3 % Top 1/3 auf Lead User Skala ,4 % 11,6 % Auch in der Stadt muss man mit dem Auto seine Ziele erreichen können, deshalb müssten dringend mehr Parkplätze geschaffen werden. Die Anzahl der Parkplätze sollte bleiben wie sie ist. Die Anzahl der Parkplätze sollte verringert werden, damit der gewonnene Platz für andere Zwecke genutzt werden kann. Abbildung 49: Präferenz Parkraum vs. alternative Nutzung (n=564, Top Scorer = ), eigene Grafik Das Paradigma der Autostadt scheint also nicht mehr allgemeiner Konsens zu sein, und Parkraum gilt nicht mehr als unantastbar. Die Rückeroberung des öffentlichen Raums hat jedoch nicht nur positive Effekte, denn attraktive Wohnund Straßenräume ziehen auch ein neues Publikum an. Prozesse der Grundfinanzierung können auch zu neuen Konflikten über die Gestaltung und Nutzung öffentlicher Räume führen. In der Masse können Touristen und zahlungskräftige Neubewohner dann auch die bestehende Bewohnerschaft verdrängen. 123

124 Nach dem Tipping Point: Rückbau der Autostadt und neue Raum- und Mobilitätskultur- auch auf dem Land Wenn der Verkehr smart organisiert wird und das Privatauto als weniger attraktiv gilt, werden in Städten enorme Flächen im Straßen- und Parkraum für neue Nutzungsoptionen frei. Zusammen mit einem intelligenten Energy & Transport Flow Management und MaaS-Ökosystemen kann die Utopie privatautofreier Räume zumindest in den verdichteten Zentren der Ballungsräume umgesetzt werden, ohne dass dabei auf individuelle Mobilität verzichtet werden muss. Gerade Megacities können von diesen Freiräumen profitieren, wenn Parkplätze aktiv zu Lebensräumen, Pocket-Parks und gemeinschaftlichen Freiflächen umgewidmet werden. In ländlichen Räumen können neue Mobilitätsangebote wie beispielsweise autonome Shuttles zu Regionalbahnhöfen hingegen die Anbindung an Zentren stärken und so das Leben auf dem Land wieder attraktiver machen. Begleitet werden kann der Rückbau der Autostadt aber auch die Entwicklung von Versorgungs- und Mobilitätsangeboten auf dem Land durch neue Partizipationskonzepte. Insbesondere das Instrument des Bürgerhaushalts bietet hier die Möglichkeit, Bürgerinnen und Bürger mit darüber entscheiden zu lassen, wieviel Geld in die Förderung der jeweiligen Verkehrsarten fließt. Beispiele für eine neue Partizipationskultur sind heute schon erkennbar. So wurden in Nordrhein-Westfalen schon seit 15 Jahren Bürgerhaushalte erprobt (Bertelsmann-Stiftung 2004). Zukünftig können zunehmend Medien genutzt werden, um zu veranschaulichen, wie Räume aussehen könnten. Augmented Reality-Anwendungen können in diesem NEUE LANDLUST Seit etwa 2022 ist eine Trendwende zu erkennen: Die Menschen haben die Lust am Landleben wiederentdeckt. Was als Keim des Wandels bereits in den 2010er Jahren erkennbar war, kann nun real gelebt werden. Junge Menschen ziehen in ländliche Regionen, um dort (energie-)autark und umweltschonend zu leben. Dank flächendeckender Breitbandangebote und intelligenter SwarmCar Systeme sind sie weiterhin flexibel und so vernetzt, wie sie es aus den Metropolen kennen. Daseinsvorsorgeangebote sind online verfügbar und der Besuch beim Arzt durch einen Anruf via Skype ersetzbar. Kleine Dorfläden dienen noch immer als Treffpunkte und bleiben unersetzlich, aber für den täglichen Warenbedarf kommt der autonome Tante Emma Laden einmal täglich auch im entlegensten Dorf vorbei. von Daniela Sachwitz 124

125 Kontext eine neue Qualität in digitale Partizipationsverfahren bringen und die Raumwahrnehmung so verändern, dass sich eine breitere Zielgruppe angesprochen fühlt (z.b. Gaming- Partizipation ). Schließlich werden neue Technologien dazu beitragen, dass auch bewegungseingeschränkte Personen sich wieder frei bewegen können. Zusammen mit einer lokalen kollaborativen Mobility Service Economy und gemeinschaftlichen Mobility2Grid-Angeboten können die neuen mobilitätsbewussten Bürger, egal ob LOHAS, Multioptionale oder Aktivisten, dazu beitragen, dass eine neue lokale Suffizienzwirtschaft in Städten wie auch in weniger verdichteten Räumen entsteht. Schließlich kann so insgesamt eine neue Raumund Mobilitätskultur entstehen, die aktiv den Rückbau der Autostadt vorantreibt und dazu führt, dass die Flüsse von Menschen und Gütern umweltfreundlicher gestaltet werden. Diese neue Kultur für Raum- und Lebensqualität äußert sich in verschiedenen Trends: Kommunen erkennen den Wert von Umweltzonen und integrierten Push- und Pull-Strategien als Steuerungselement zur Einhaltung von Umweltschutzzielen. Über Strategien einer grünen Logistik wird der Güterverkehr in Innenstädten sowie in Stadt-Umland-Verflechtungen umweltfreundlicher organisiert. Die Potenziale des Radverkehrs werden genutzt, um den öffentlichen Personennahverkehr, den MIV sowie den Güterverkehr zu entlasten. Menschen werden zunehmend Flächengerechtigkeit im Sinne einer Verschiebung der dem Autoverkehr zugeordneten Straßen- und Parkflächen hin zu Flächen für langsame Verkehre einfordern. Im besten Fall wird ein Tipping Point erreicht, bei dem die Dominanz des privaten Autoverkehrs in Stadt- und Verkehrsplanung in den urbanen Räumen durch eine konsequente Strategie zur Stärkung umweltfreundlicher Mobilität ersetzt wird. 125

126 Lesetipps: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt (Hrsg., 2015): Umweltbewusstsein in Deutschland 2014, Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage, Dessau-Rosslau. Pierce, G., Shoup (2013): SF park : Pricing Parking by Demand, in: Access, Fall 2013, InnoZ Mobilitätsmonitor Nr. 1, 2015, in: Internationales Verkehrswesen 3 / 2015, 126

127 7. Wie kommt die Transformation zustande?

128 Wie die Zukunft des Verkehrs aussieht, hängt maßgeblich von der Gestaltung der politischen Rahmenbedingungen ab. Verkehr ist eine öffentliche Angelegenheit. Ob und wie sich Geschäftsmodelle entwickeln lassen, wird daher auch von der Governance des öffentlichen Raumes bestimmt. Technische Optionen wie die Digitalisierung oder der Betrieb von autonomen Fahrzeugen im Rahmen von Mobility on Demand -Angeboten oder auch die bereits erkennbaren Verschiebungen in den Wertepräferenzen können nur dann dauerhaft wirksam werden, wenn sich die Regeln im und für den Verkehr ändern. Diese sind zwar von Land zu Land im Detail höchst unterschiedlich, letztlich aber in einer Tendenz klar und eindeutig: Die Leitlinie der Weltverkehrspolitik war die Förderung des privaten Verbrennerfahrzeuges nach dem mit vollem Ernst formulierten Motto Freie Fahrt für freie Bürger. Ausgehend von der Erkenntnis Anfang des 20. Jahrhunderts, dass wenn man nur genügend Stückzahlen schafft auch Automobile von einem exklusiven Luxusgut zu einer Massenware werden können und damit praktisch für alle verfügbar sind, hattte sich seit den 1920er Jahren die Idee vom Auto für jeden in allen relevanten Planungskreisen etabliert. In der Charta von Athen ist diese Dominanzwerdung besonders eindrucksvoll festgeschrieben. Die Charta gilt bis heute als das folgenreichste Planungsdokument. Es reicht in alle gesellschaftliche Systeme hinein und hat die planerischen Grundlagen für eine funktionale Differenzierung im Städtebau gelegt. Dem Verkehr wurde erstmals eine herausragende Rolle zugewiesen und dem Auto ein Versprechen auf Individualisierung und Pluralisierung eingeschrieben: Mit dem massenhaften Besitz von Automobilen sollte sich auch gesellschaftlicher Wohlstand entwickeln. Wenn wir heute über Alternativen zum privaten Pkw nachdenken und neue Räume für eine Disruptive Mobilität ausloten, ist diese tiefe Verankerung in die kulturelle und rechtliche Disposition moderner Gesellschaften zu beachten. Besonders eindrucksvoll hat diesen Wandel zum Automobil Deutschland vollzogen. Während sich in England, Frankreich, Italien und den USA das Auto schon in den 1920er Jahren großer Beliebtheit erfreute, war die Nachfrage nach dem Automobil in Deutschland zunächst noch sehr verhalten. Deutschland war ein Land der Zweiräder NSU war bis 1957 Weltmarktführer in der Produktion von Fahrrädern und Mopeds und ein Eisenbahnland. Im Jahre 1938 war die Reichsbahn mit mehr als einer Million Beschäftigten das größte Unternehmen der Welt und erbrachte 90 Prozent der Tonnenkilometer und mehr als 65 Prozent aller Personenkilometer in Deutschland. Das Auto war also nicht einfach als Massenverkehrsmittel da, sondern es wurde mit viel Aufwand und mit einem für heutige Verhältnisse unbändigen politischen Willen durchgesetzt. Deutschland leistete sich den Bau 128

129 eines Autobahn netzes von beinahe 3800 Kilometern Länge, ohne dass es zur damaligen Zeit überhaupt eine signifikante Zahl von Autos gegeben hätte. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg tat man einfach alles, um den privaten Besitz von Verbrennerfahrzeugen voranzubringen. Es wurden Stadtautobahnen als Schneisen mitten durch Städte geschlagen, eine Straßenordnung erlassen, die dem Automobil das alleinige Recht des Stärkeren einräumte, eine aus der Reichsgaragenordnung abgeleitete Stellplatzpflicht erlassen, die allen privaten und öffentlichen Bauherren die Bevorratung von Stellflächen für Autos auferlegte. In West-Berlin schaffte man ab 1953 die Straßenbahn ab und halbierte die Zahl der Zebrastreifen. Einen privaten Autoverkehr gab es zu dieser Zeit nur in homöopathischen Größenordnungen. Ab 1957 konnte in West-Deutschland mehr als das Doppelte der Kosten eines Automobils von der Steuer abgesetzt werden. Anfang 1953 wurden sogar sämtliche Geschwindigkeitsbegrenzungen auf Ortsund Fernstraßen aufgehoben. gesponnenes, ausdifferenziertes Unterstützungsnetz ist bis heute gültig und ver- oder behindert soziale und technische Innovationen. Unter diesen Rahmenbedingungen ist weder der Wechsel des Antriebsstranges von Verbrenner auf Elektromotor noch eine nennenswerte Verbreitung des Carsharing, geschweige denn autonomer Fahrzeuge oder gar neue Ansätze im Ridesharing möglich. Wirkliche Veränderungen sind daher nur durch massive Korrekturen möglich. Bislang wurden spektakuläre Pläne wie die Einführung der Zero Emission Vehicles -Verordnung in Kalifornien oder auch die Maut in London nur deutlich entschärft eingeführt. Die mentalen Spuren dieser Politik sind bis heute wirksam. Das Auto im Kopf bestimmt die Wohnort- und Berufsplanung. Der Raum spielt keine Rolle mehr, er wird wie schon Heinrich Heine zu berichten wusste im wahrsten Sinne des Wortes getötet. Wir vernichten heute noch jeden Tag allein in Deutschland eine Fläche von 50 bis 60 Fußballfeldern für den Bau von Verkehrsinfrastrukturen. Diese Governance, als fein 129

130 Eine Theorie des Wandels ist zwar noch nicht geschrieben, aber Elemente liegen, insbesondere mit Blick auf die Geschichte, bereits vor. Drei Dinge scheinen notwendig: Ein globales Verständnis von einer Idee, die kommen wird, weil es an der Zeit ist : Als Kandidat kommt die Elektromobilität in Frage, weil diese Idee an das Automobil anschlussfähig und auch technisch höchst vielseitig interpretierbar ist, ob batterieelektrisch oder als Brennstoffzelle, autonom fahrend, digital vernetzt. Alle Umfragen zeigen, dass die überwiegende Mehrzahl der Menschen sagen: Die Elektromobilität kommt. Labore der Ermöglichung: In einem lokalen oder regionalen Kontext muss unter kontrollierbaren Bedingungen die Chance zur Einlassung auf diese Idee gegeben werden. D.h. es braucht einen Experimentierraum, der weit mehr ist als das, was wir in den Schaufensterprojekten der Nationalen Plattform Elektromobilität erlebt haben. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse: Dies kann natürlich nur gelingen, wenn wirkliche Ausstrahlungseffekte erzielt werden und Gebietskörperschaften praktisch in einen Wettbewerb treten, analoge Bedingungen zu schaffen. Die Menschen müssen mit den neuen Verhältnissen nicht nur gut klar kommen, diese müssen als neue Realität einfach festgeschrieben werden und alles andere als antiquiert und archaisch gelten. Von entscheidender Bedeutung bei der Transformation sind Ermöglichungslabore. Diese dürfen nicht zu klein und in abseitigen Ecken der Welt gelegen sein und sie müssen mutig ausfallen. Möglicherweise übernehmen Städte wie Oslo, Kopenhagen oder Helsinki diese Funktion. Allerdings fehlt skandinavischen Reformansätzen in aller Regel die Strahlkraft, weil sie zu vernunftgeleitet sind und wenig Esprit und Emotionalität damit verbunden werden. Optimal währen daher Labore in Mitteleuropa oder in Nordamerika, von denen eine höhere Wirkung ausgehen könnte. Vieles ist in Bewegung. Die Dekarbonisierung des Verkehrs hat begonnen, auch die Nutzungsmuster wandeln sich unter dem Eindruck einer doppelten Digitalisierung. Nicht allein die verschiedenen Verkehrsträger werden vernetzt, auch der digitale Zugang jedes einzelnen Nutzers zu Mobilitätsdienstleistungen ist inzwischen so einfach und zuverlässig möglich, dass eine echte Alternative zum privaten Auto entsteht. Dazu kommen spektakuläre Lernkurven in den Speichertechniken und neue Spieler auf dem Mobilitätsmarkt. Die Bedingungen für eine Transformation des Verkehrssystems sind also gegeben, ehemalige Nischentechniken und Nutzungsmuster von Minderheiten erreichen die Early Majority. Ein attraktives Leitbild einer vernetzten E-Mobilität nimmt Konturen an. Verlässliche Rahmenbedingungen sind nötig, um Investitionssicherheit zu schaffen. Ohne Mut wird es nicht gehen. 130

131 8. Quellen

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