FRAGEN ZU KAPITEL 21
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- Claus Stein
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1 FRAGEN ZU KAPITEL 21 TEIL I I. Allgemeines: 1. Erläutern Sie den Begriff Verwaltungsverfahren. In welche beiden Abschnitte lässt sich das Verwaltungsverfahren grundsätzlich unterteilen? Verwaltungsverfahren = Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde, das auf den Erlass eines Bescheids gerichtet ist 1. Abschnitt: Ermittlungsverfahren: dient der Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts und darauf aufbauend der rechtlicher Beurteilung; endet mit Erlass des Bescheids 2. Abschnitt: Rechtsmittelverfahren = Überprüfung der Richtigkeit des erstinstanzlichen Bescheids; in der Regel bei übergeordneter Behörde 2. Nennen Sie vier Verwaltungsverfahrensgesetze! EGVG: Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 2008 AVG: allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 VStG: Verwaltungsstrafgesetz 1991 VVG: Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 [daneben weitere, zb BAO, FinStrG, Agrarverfahrensgesetz etc, sowie Sonderregelungen in Materiengesetzen des Bundes und der Länder, zb mündliche Bauverhandlung nach Oö BauO, Betriebsanlagenverfahren nach Gewerbeordnung] 3. Gesetzgebungskompetenzen a. Welchem Gesetzgeber steht grundsätzlich die Regelung des Verwaltungsverfahrens zu? b. Weshalb durfte der Bundesgesetzgeber in Artikel I Abs 2 Z 1 EGVG allgemein anordnen, dass die Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern das AVG bzw. das VStG anzuwenden haben? c. Weshalb durfte der oberösterreichische Landesgesetzgeber in der oö BauO abweichend vom AVG eine mündliche Bauverhandlung zwingend vorschreiben? a. Grundsatz: Verwaltungsverfahren = Annexkompetenz zur jeweiligen Sachmaterie darf Gesetzgeber die Sachmaterie regeln, dann darf er auch das Verwaltungsverfahren mitregeln b. Gemäß Art. 11 Abs. 2, 1. HS B-VG darf der Bundesgesetzgeber Verwaltungsverfahren, Allgemeine Bestimmungen des Strafrechts, Verwaltungsstrafverfahren und Verwaltungsvollstreckung auch in denjenigen Angelegenheiten regeln, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht. Auf diese Kompetenz stützt sich Erlass des AVG [sowie des VStG, des VVG ua].
2 c. Gemäß Art 11 Abs 2 2. HS dürfen Bund und Länder in den Materiengesetzen (nur) dann abweichende Regelungen erlassen, wenn sie zur Regelung des Gegenstandes erforderlich sind. Auf diese Kompetenz stützen sich Verfahrensregelungen der oö BauO [auf Bundesebene etwa auch Verfahren nach der Gewerbeordnung 1994]. II. Verwaltungsverfahren nach AVG Parteistellung: a. Wer ist Partei im Verwaltungsverfahren erster Instanz nach dem AVG 1991? b. Weshalb ist die Parteistellung vor allen Dingen im Mehr-Parteien-Verfahren so wichtig? a. 8 AVG: Personen sind Parteien, soweit sie an der Sache vermöge eines Rechtsanspruchs oder eines rechtlichen Interesses beteiligt sind. vermöge eines Rechtsanspruchs = Leistungssituation: Bürger begehrt staatliche Leistung, zb Subvention oder Bewilligung; vermöge eines rechtlichen Interesses = Eingriffssituation: Bürger hat ein rechtliches Interesse daran, dass in seine Rechtsstellung nicht nachteilig eingegriffen wird, zb Straferkenntnis. b. Parteistellung vor allem im Mehr-Parteien-Verfahren bedeutsam, da hierdurch Berufungslegitimation des Drittbetroffenen (idr Nachbar) festgelegt wird. Bsp. Betriebsanlagenverfahren: Bewilligung der Betriebsanlage in erster Instanz will sich ein Dritter (Nachbar) dagegen wehren, kann er ein Rechtsmittelverfahren (hier: Berufung) nur dann und nur insoweit erzwingen, als die Betriebsanlagengenehmigung in seine rechtlich geschützten Interessen eingreift; nur soweit Parteistellung reicht ( Nebenpartei ), reicht hier auch der Prüfungsumfang der Berufungsbehörde! (= Abweichung vom Grundsatz der vollen Berufung; ähnliches gilt auch für Nachbarberufung gegen Erteilung einer Baubewilligung) 2. Wie wird ein Verwaltungsverfahren erster Instanz eingeleitet? Möglichkeit 1: amtswegige Einleitung (Offzialmaxime), 39 Abs 2 AVG Möglichkeit 2: Einleitung auf Antrag 3. Nennen sie vier wichtige Verfahrensgrundsätze im behördlichen Verfahren erster Instanz nach dem AVG 1991! a. materielle Wahrheit: es soll der tatsächliche Sachverhalt ermittelt werden, Behörde darf sich nicht damit begnügen, von Parteien zugestandene Sachverhaltsdetails als wahr anzunehmen (anders im Zivilprozess, hier gilt der Grundsatz der formellen Wahrheit) b. Unbeschränktheit der Beweismittel: keine Beschränkungen auf einen abschließenden Katalog zulässiger Beweismittel (kein so genanntes Strengbeweisverfahren), sondern: Alles, was zur Sachverhaltsaufklärung beitragen kann, ist grundsätzlich geeignet, Beweis zu erbringen. Vor allen Dingen Sachverständigengutachten, Augenschein, Parteivernehmung, Urkunden, Zeugenaussagen, aber auch: Tonträger, Filme et cetera; grundsätzlich auch rechtswidrig erlangte Beweismittel (seltene Ausnahmen hiervon zum Beispiel rechtswidrige Blutabnahme zur Feststellung einer Alkoholisierung; hier folgt aus der rechtswidrigen Beweiserhebung ausnahmsweise ein Beweisverwertungsverbot) c. rechtliches Gehör: Partei im Verwaltungsverfahren muss Möglichkeit haben, an Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, und zum Ergebnis des Beweisverfahrens Stellung zu nehmen, 45 Abs. 3 AVG
3 d. Freie Beweiswürdigung: keine Bindung an Beweisregeln (also zb nicht Urkunde zählt immer mehr als Zeugenaussagen ); aber: Beweiswürdigung muss nachvollziehbar und plausibel begründet werden, Beweiswürdigung darf zb nicht den Regeln der Logik widersprechen) 4. Bescheidmerkmale: a. Nennen Sie die konstitutiven Merkmale eines Bescheids! Welche Folge hat es, wenn eines dieser Merkmale fehlt? b. Nennen Sie 5 deklarative Bescheidmerkmale nach dem AVG! a. konstitutive Merkmale: (1) Verwaltungsbehörde (samt Unterschrift), (2) individueller Adressat, (3) Spruch (= Rechtsfolgenausspruch) Fehlerfolge: absolute Nichtigkeit bzw. wenn Bescheid nicht von einer Verwaltungsbehörde stammt: Nicht-Akt b. deklarative Merkmale nach AVG: Bezeichnung als Bescheid ( 58 Abs 1 AVG); Begründung ( 60 AVG); Rechtsmittelbelehrung ( 60 AVG; Fehlerfolge: 61 Abs 2 bis 4 AVG) bzw. Hinweis auf Beschwerdemöglichkeit zu Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts ( 61a AVG); Angabe von Zeit und Ort der Erledigung 5. Welche Besonderheit besteht bei Erlassung eines mündlichen Bescheids? Über mündlichen Bescheid ist Niederschrift anzufertigen, ansonsten: absolute Nichtigkeit, 62 Abs 2 AVG
4 6. Das ordentliche Rechtmittel gegen einen Bescheid nach dem AVG ist die Berufung. 1 Sie hat grundsätzlich einen Devolutiveffekt und einen Suspensiveffekt. a. Was bedeutet Devolutiveffekt? b. Was bedeutet Suspensiveffekt? c. Welche Frist gilt zur Einlegung der Berufung? d. Wo ist die Berufung einzubringen? e. Welche inhaltlichen Mindestanforderung stellt das AVG an die Berufungsschrift? f. Wie ist der Ablauf eines Berufungsverfahrens? g. Was meint der Begriff volle Berufung? In welchen Fällen ist die Berufung ausnahmsweise keine volle sondern eine eingeschränkte Berufung? a. Devolutiveffekt: Zuständigkeit zur Entscheidung über die Berufung geht auf die im administrativen Instanzenzug übergeordnete Behörde über ( Aufsteigendes Rechtsmittel ). b. Suspensiveffekt: Berufung hat aufschiebende Wirkung, 64 Abs 1 AVG, wenn durch erstinstanzlichen Bescheid in bestehende Rechtsposition eingegriffen wird Bescheid darf während laufendem Berufungsverfahren nicht vollzogen werden, insbesondere: keine Vollstreckung! Keine aufschiebende Wirkung bei Berufung gegen Versagung einer Baubewilligung! c. Frist: 2 Wochen ab Zustellung/Verkündung, 63 Abs 5 AVG d. Geschäftsstelle der Behörde I. administrativer Instanz, 63 Abs 5 Satz 1 und 2 AVG; Einbringung bei Berufungsbehörde ist fristwahrend, 63 Abs 5 Satz 3 AVG e. lesen: 63 Abs 3 AVG f. Ablauf des Berufungsverfahrens: Nach Einbringung der Berufung hat Behörde I. administrativer Instanz die Möglichkeit zu einer Berufungsvorentscheidung = sie kann Bescheid grundsätzlich in jede Richtung abändern (auch verschlechtern! kein Verbot der reformatio in peius ), Frist: 2 Monate ab Einlangung ( 64 a AVG) und Berufungsvorentscheidung erlassen; ab Zustellung der Berufungsvorentscheidung kann Berufungswerber Vorlageantrag stellen (= Antrag, dass Berufungsbehörde entscheidet) Wirkung des Vorlageantrags: Berufungsvorentscheidung tritt außer Kraft ( 64 a Abs 3 AVG) [Wenn Behörde I. administrativer Instanz vollinhaltlich an Entscheidung festhält: keine Berufungsvorentscheidung, sondern direkt Abgabe an Berufungsbehörde] Verfahren bei Berufungsbehörde: lies 66 AVG! g. Volle Berufung = Entscheidungszuständigkeit geht im Ganzen auf Berufungsbehörde über Berufungsbehörde hat die gleichen Kompetenzen wie erstinstanzliche Behörde, trifft eigenständige Entscheidung, keine Bindung an Entscheidung erstinstanzlicher Behörde; 1 Zum Sonderfall des Mandatsbescheids siehe unten Frage 8.
5 insbesondere darf sie soweit Gesetz der Behörde I. administrativer Instanz ein Ermessen eingeräumt hat selbständig eine Ermessensentscheidung treffen 7. Was bedeutet der Begriff Bestandskraft eines Bescheids? Welchen Zweck hat sie? Inwieweit kann die Bestandskraft eines Bescheids durchbrochen werden? Bestandskraft = Unanfechtbarkeit im Verwaltungsrechtsweg; tritt ein mit (1) Ablauf der Berufungsfrist/Rechtsmittelfrist, (2) Rechtsmittelverzicht oder (3) Zustellung oder Verkündung eines Bescheids der letzten administrativen Instanz, 68 AVG Entschiedene Sache Folge: Berufung unzulässig! Zweck: Rechtssicherheit, Rechtsfrieden Durchbrechung der Bestandskraft: 68 Abs 2 bis 4 AVG; kein Rechtsanspruch, 68 Abs 2 AVG; [ggfls. Davon unabhängig Rücknahme in gesondertem Verwaltungsverfahren möglich] 8. Welche Besonderheiten geltend für den Mandatsbescheid? Mandatsbescheid = Bescheid ohne ordentliches Ermittlungsverfahren, 57 AVG Besonderes Rechtsmittel: Vorstellung; kein Devolutiveffekt, sondern Wirkung: Nachholung des Ermittlungsverfahrens; Mandatsbescheid bleibt bis zum Abschluss des Verfahrens aufrecht; Ermittlungsverfahren muss innerhalb von zwei Wochen ab Vorstellung eingeleitet werden, andernfalls tritt Mandatsbescheid außer Kraft. 9. Welche außerordentlichen Rechtsmittel kennt das AVG? Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, 71 AVG Wiederaufnahme des Verfahrens, 69 AVG Devolutionsantrag, 73 AVG (= Geltendmachung der Entscheidungspflicht)
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