Topologie metrischer Räume
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- Helge Kästner
- vor 6 Jahren
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1 Technische Universität München Christoph Niehoff Ferienkurs Analysis für Physiker Vorlesung Montag SS 11 In diesem Teil des Ferienkurses beschäftigen wir uns mit drei Themengebieten. Zuerst wird die Topologie und insbesondere der Konvergenzbegri metrischer Räume besprochen. Anschlieÿend werden Kurven im R n und deren Eigenschaften betrachtet. Zuletzt werden Wegintegrale über diese Kurven eingeführt. Ÿ1 Topologie metrischer Räume Metrische Räume sind allgemeine Mengen, die mit dem Begri eines Abstandes versehen sind. Dieses ist wichtig, da man nur über den Limes einer Punktfolge sprechen kann, wenn der Abstand zwischen Folgeglied und Grenzwert quantizierbar ist. Die Limesbildung ist notwendig, um später den Begri einer Ableitung (den Grenzwert von Dierenzenquotienten) einführen zu können. [1.1] Denition (Metrischer Raum). Ein metrischer Raum ist eine Menge X versehen mit einer Abbildung d : X X R, welche für x, y, z X die folgenden Eigenschaften erfüllt: (M1) d(x, y) x y (Positive Denitheit) (M) d(x, y) d(y, x) (M3) d(x, y) + d(y, z) d(x, z) (Symmetrie) (Dreiecksungleichung) Die Abbildung d wird Metrik genannt. Man beachte, dass eine sehr wichtige Eigenschaft einer Metrik schon implizit durch die Denition gegeben ist: Der Abstand zweier Punkte ist immer positiv. [1.] Beispiele. Im Folgenden sind einige Beispiele für metrische Räume gegeben. (i) Sei (V, ) ein normierter Vektorraum, dann ist eine Metrik gegeben durch d(x, y) x y. Somit ist jeder normierte Vektorraum ein metrischer Raum. (ii) Für den R n kann eine Metrik durch folgende Vorschrift deniert werden: d(a, b) n a i b i. Diese Metrik heiÿt Manhattan-Metrik. (iii) Sei Ω eine endliche Menge. Nun kann eine Metrik für den Raum Ω n aller n-gliedrigen Folgen deniert werden. Für x (x 1,..., x n ), y (y 1,..., y n ) Ω n kann ein Abstand durch die Anzahl der sich unterscheidenden Folgeglieder angegeben werden: d(x, y) n i i1 (1 δ xi,y i ). Diese Metrik wird als Hamming-Abstand bezeichnet und unter anderem für die Fehlererkennung in der Datenverarbeitung wichtig. Unser Ziel ist es, einen Konvergenzbegri für metrische Räume einzuführen. Dazu ist der Begri einer Umgebung eines Punktes wichtig. Diesen baut man am einfachsten auf einfachen geometrischen Objekten auf. [1.3] Denition (Oene Kugel). Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine oene Kugel um den Mittelpunkt a X mit Radius ɛ wird deniert als B ɛ (a) : {x X d(x, a) < ɛ}. 1
2 Abbildung 1: Zur Veranschaulichung der topologischen Grundbegrie. Mit dieser Denition ist es nun möglich, einige topologische Grundbegrie einzuführen (siehe auch Abb. 1). [1.4] Denition (Topologische Grundbegrie). Sei im Folgenden (X, d) ein metrischer Raum. (i) Eine Teilmenge U X heiÿt oen, wenn für jeden Punkt x U auch eine Umgebung von x ganz in U liegt, d.h. x U ɛ > : B ɛ (x) U. (ii) Eine Teilmenge A X heiÿt abgeschlossen, wenn sie das Komplement einer oenen Menge ist, d.h. U X oen : A X\U. (iii) Sei M X. Ein Punkt x X heiÿt Randpunkt, wenn in jeder Umgebung von x sowohl Punkte innerhalb als auch auÿerhalb von M sind, d.h. ɛ > y, ỹ B ɛ (x) : y M ỹ X\M. Die Menge aller Randpunkte bezeichnet man als Rand M von M. (iv) Eine Teilmenge M X heiÿt beschränkt, wenn der Abstand zweier Punkte in M beschränkt ist, d.h. R > : M B R (). Dies bedeutet nichts anderes, als dass für alle x, y M gilt: d(x, y) < R <. (v) Eine Teilmenge K R n heiÿt kompakt, wenn die abgeschlossen und beschränkt ist. Der Begri der Kompaktheit lässt sich auch für allgemeine topologische Räume einführen. Dort ist die Denition allerdings wesentlich abstrakter. Jetzt wollen wir den Grenzwertbegri in metrische Räume einführen. Dies geschieht auf oensichtliche Weise. Die Darstellung der Denition kann jedoch verschieden auf abstrakte Formen geschehen. Wir werden hier zwei Denitionen angeben. Denken Sie darüber nach, warum beide Denitionen das gleiche bedeuten!
3 [1.5] Denition (Grenzwert). Sei (X, d) ein metrischer Raum und (x n ) n N eine Punktfolge darin. Diese Folge heiÿt konvergent gegen ein a X, falls die Folge sich dem Grenzwert innitesimal nahe annähert, d.h. lim d(x n, a). n Hierbei ndet die eigentlich Limesbildung in den Reellen Zahlen statt (die Metrik ist ja eine Abbildung in die Reellen Zahlen hinein). Die Denition eines Grenzwert in metrischen Räumes kann auch ganz in Analogie zur Denition in R geschehen. Das bedeutet, man nennt eine Folge konvergent, wenn ab einem bestimmten N N alle weiteren Folgeglieder einen beliebig kleinen Abstand zum Grenzwert haben, d.h. ɛ > N N n > N : x n B ɛ (a). Der hintere Teil, x n B ɛ (a), ist nur eine abstraktere Formulierung für d(x n, a) < ɛ. Man sieht also, dass diese Denition genau in Analogie zur Grenzwertdenition in R aus Analysis 1 geschieht. [1.6] Beispiel. Wir wollen nun diese Denition an einem etwas abstrakteren Beispiel veranschaulichen. Dazu betrachten wir den Raum C [, 1] der stetigen Funktionen auf dem Intervall [, 1]. Diesen Raum können wir mit einer Metrik d : C [, 1] C [, 1] R versehen. Dazu verwenden wir die folgende Metrik d(f, g) f(x) g(x) dx, welche Betragsmetrik genannt ( wird. Weiterhin betrachten wir eine Folge (f n ) n N in diesem Raum, welche gegeben ist durch f n x ( ) ) x + 1 n. Wir wollen nun zeigen, dass diese Funktionenfolge den Grenzwert f ( x x ) besitzt. Dazu berechnen wir einfach den Abstand zwischen Funktion f und dem n-ten Folgeglied f n. d(f, f n ) f(x) f n (x) dx (f n (x) f(x)) dx ( ( x + 1 ) ) x dx n 1 n + 1 n n Damit bekommen wir also insgesamt lim n d(f, f n). Wir haben also gezeigt, dass die Funktionenfolge (f n ) n N bzgl. der Metrik d konvergiert. Eine weitere wichtige Eigenschaft metrischer Räume ist die Vollständigkeit. [1.7] Denition (Cauchy-Folgen und Vollständigkeit). Sei (X, d) ein metrischer Raum. Eine Folge (x n ) n N in X heiÿt Cauchy-Folge, wenn sich die Folgeglieder beliebig nahe kommen, d.h. ɛ > N N n, m > N : d(x n, x m ) < ɛ. Der Raum X heiÿt vollständig, wenn in ihm jede Cauchy-Folge konvergiert. Als Letztes betrachten wir stetige Abbildungen zwischen metrischen Räumen. 3
4 Abbildung : Schraubenkurve im dreidimensionalen Raum. [1.8] Denition (Stetigkeit). Seien (X, d X ) und (Y, d Y ) zwei metrische Räume und sei weiterhin x X. Eine Abbildung f : X Y heiÿt stetig im Punkt x, falls für jede Folge (x n ) n N in X, die gegen x konvergiert, auch die Bildfolge (f(x n )) n N in Y gegen f(x) konvergiert. D.h. für eine jede solche Folge gilt: lim d X(x, x n ) lim d Y (f(x), f(x n )). n n Die Abbildung f heiÿt stetig, wenn sie stetig in jedem Punkt x X ist. Diese Denition der Stetigkeit sieht genauso aus wie die Steitigkeitsdenition für Funktionen in R. Man sollte jedoch beachten, dass die hier vorkommenden Grenzwertprozesse in den entsprechenden metrischen Räumen stattnden. Das ist genau der Unterschied zur Denition aus Analysis 1. Ÿ Kurven Kurven sind für die Physik von sehr wichtiger Bedeutung, da sie die Bewegung eines Masspunktes im Raum darstellen. So sind die Lösungen der Bewegungsgleichungen der klassischen Mechanik Kurven (s. Abb. ). [.1] Denition (Kurve). Sei I R ein Intervall in R. Eine Kurve ist eine stetige Abbildung : I R n. Eine Kurve im R n kann somit durch n Komponentenfunktionen i : R R dargestellt werden: (t) ( 1 (t), (t),..., n (t)) T R n. Dieses ermöglicht eine einfache Denition des Tangentialvektors an eine Kurve. [.] Denition (Tangentialvektor). Sei I R ein Intervall in R und sei ( 1,..., n ) T : I R n eine stetig dierenzierbare Kurve. Dann ist der Tangentialvektor zu an der Stelle t I deniert als (t) : ( 1 (t),..., n (t)) T, also durch komponentenweise Dierentiation. Mit dem Begri des Tangentialvektors ist es nun möglich, weitere geometrische Eigenschaften von Kurven zu denieren. 4
5 [.3] Denition (Bogenlänge und Krümmung). Sei I R ein Intervall in R und sei ( 1,..., n ) T : I R n eine stetig dierenzierbare Kurve. Dann ist die Bogenlänge L() von deniert als L() : (t) dt I I 1 (t) + + n(t) dt. Zur Denition der Krümmung betrachten wir zwei Spezialfälle. Für den Fall n, d.h. für eine Kurve (t) (x(t), y(t)) T, ist die Krümmung gegeben durch ( ) ẋÿ ẍẏ κ(t) (t). (ẋ + ẏ ) 3 Für den Fall n 3, d.h. für eine Kurve (t) (x(t), y(t), z(t)) T, kann die Krümmung berechnet werden durch ( κ(t) ) 3 (t). Eine Kurve mit L() < heiÿt rektizierbar. Alle geometrischen Eigenschaften einer Kurve werden nur durch bild () (I) bestimmt und sind somit unabhängig von der Parametrisierung der Kurve sein. Das bedeutet, dass Gröÿen wie der normierte Tangentialvektor, die Krümmung oder die Torsion invariant unter Parameterwechseln sein sollten. [.4] Satz (Paramaterwechsel). Seien I, J R Intervalle in R und sei ( 1,..., n ) T : I R n eine stetig dierenzierbare Kurve. Weiterhin betrachten wir eine bijektive, k-mal stetig dierenzierbare Funktion σ : I J C k. Wir nennen σ eine k-parametertransformation und denieren die Umparametrisierung von durch : σ 1 : J R n. Geometrische Eigenschaften einer Kurve wie normierter Tangentialvektor, Krümmung und Torsion sind invariant unter einer Umparametrisierung der Kurve. Die Parametertransformation σ : I J kann in zwei Klassen eingeteilt werden. Man nennt σ (i) orientierungstreu, wenn σ streng monoton wachsend ist, oder (ii) orientierungsumkehrend, wenn σ streng monoton fallend ist. Man kann sich orientierungsumkehrende Parametertransformationen ganz einfach so vorstellen, dass die Kurve andersherum durchlaufen wird. Eine wichtige Umparametrisierung ist durch die Bogenlänge gegeben. Dazu betrachten wir ein Intervall I [t, t 1 ] R und eine stetig dierenzierbare Kurve : I R n. Wir sollen nun die Kurve durch ihre Bogenlänge parametrisieren. Dazu führen wir folgende Parametertransformation ein: ( ) t s(t) : L [t,t] t (τ) dτ. Aus den Eigenschaften des Integrals und der Norm folgt sofort, dass s : I [, L()] eine orientierungstreue Parametertransformation ist. Damit können wir nun die auf Bogenlänge parametrisierte Kurve denieren: : s 1 : [, L()] R n. 5
6 [.5] Beispiel. Als Beispiel betrachten wir eine Schraubenkurve, wie sie in Abb. dargestellt ist. Diese Kurve sei parametrisiert durch : [, 8π] R 3, (t) (cos(t), sin(t), t) T. Zuerst berechnen wir den Tangentialvektor (t) ( sin(t), cos(t), 1) T. Damit ergibt sich dann die Bogenlänge zu s(t) t t ( sin(τ)) + cos (τ) + 1 dτ dτ t s einsetzen und erhalten die auf Bogenlänge para- Jetzt können wir die Umkehrfunktion t(s) metrisierte Schraubekurve ( (s) ( t) (s) cos Ÿ3 Wegintegrale ( ) ( ) s s, sin, s ) T. Schon aus der Schule kennt man das Gesetz Arbeit ist Kraft mal Weg. Im Fall inhomogener Kraftfelder F ( x) muss die Multiplikation durch eine Wegintegration über den Weg des Massepunktes ersetzt werden: W F ( s) d s. Deshalb wollen wir nun das Wegintegral allgemein denieren. [3.1] Denition (Wegintegral). (i) Sei : [a, b] R n eine stetig dierenzierbare Kurve und sei f : R n R eine stetige Abbildung. Dann denieren wir das Wegintegral über eine skalare Funktion durch b f(s) ds : f ((t)) (t) dt. a (ii) Sei : [a, b] R n eine stetig dierenzierbare Kurve und sei F : R n R n ein stetiges Vektorfeld. Dann denieren wir das Wegintegral über ein Vektorfeld durch b F (s), ds : F ((t)), (t) dt. a Das so denierte Wegintegral ist unabhängig von der Parametrisierung der Kurve (solange die Umparametrisierung orientierungstreu ist). Zum Schluÿ wollen wir nun ein Beispiel berechnen. 6
7 Abbildung 3: Anordnung von Kraftfeld und Teilchenbahn aus Beispiel [3.]. [3.] Beispiel. Wir betrachten ein Kraftfeld F ( r) (y 1) f ê y. Weiterhin werde eine Punktmasse auf einer festen Bahn (t) t (1, 1, ) T mit t [, 1] gehalten (s. Abb. 3). Wir berechnen nun die am Teilchen geleistete Arbeit. W F ( s) d s f F ( (t)), (t) dt (t 1) f 1, (t 1) dt f dt 7
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