Perspektive Fertilität Indikation und Durchführung fertilitätsprotektiver Massnahmen bei onkologischen und nicht-onkologischen

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1 Perspektive Fertilität Indikation und Durchführung fertilitätsprotektiver Massnahmen bei onkologischen und nicht-onkologischen Erkrankungen M. Balcerek, K. Behringer, A. Borgmann-Staudt, C. Bürkle, T. Fehm, M. Fey, A. Germeyer, M. Goeckenjan, J. Henes, M. Henes, S. Kliesch, M. Korell, J. Liebenthron, F. Nawroth, P. Sager, A. Schüring, M. von Wolff, P. Wimberger Herausgeber: M. von Wolff

2 Impressum Herausgeber: M. von Wolff Copyright: Herausgeber, alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: Schmidt & Klaunig, Druckerei und Verlag Ringstraße 19, Kiel 0431 / ISBN-Nr.: Auflage, Kiel 2016 Mit freundlicher Unterstützung von FERRING Arzneimittel GmbH. Auf die Inhalte und Gestaltung dieses Buches hat die FERRING Arzneimittel GmbH keinen Einfluss und trägt dafür keine Verantwortung. Wichtiger Hinweis: Die in diesem Buch aufgeführten Angaben zur Medikation wurden sorgfältig geprüft. Dennoch können Herausgeber, Autor und Verlag keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben übernehmen. In jedem Fall und insbesondere auch bei Abweichungen von den Empfehlungen erfolgen das therapeutische Vorgehen und auch die Verschreibung von Medikamenten in eigener Verantwortung des Arztes.

3 Inhaltsverzeichnis 1 Vorwort 6 1 Allgemeines Was ist der Verein FertiPROTEKT Netzwerk e.v.? Aufbau des Buches und praktisches Vorgehen Aufbau des Buches Praktische Vorgehensweise 11 2 Relevante Erkrankungen Mammakarzinom Stadium-abhängige Prognose Gonadentoxizität der Therapien Wahrscheinlichkeit der ovariellen Metastasierung Risiken einer Fertilitätsprotektion Praktische Vorgehensweise Hodgkin-Lymphom Stadium-abhängige Prognose Gonadentoxizität der Therapien Wahrscheinlichkeit der gonadalen Metastasierung Risiken einer Fertilitätsprotektion Praktische Vorgehensweise Ovarialkarzinom Besonderheiten der Ovarialtumoren in Bezug auf die Fertilität Stadium-abhängige Prognose Einfluss der Therapien auf die Fertilität 41 1

4 2.3.4 Risiken einer Fertilitätsprotektion bei malignen Ovartumoren Praktische Vorgehensweise Zervixkarzinom Besonderheiten des Zervixkarzinoms in Bezug auf die Fertilität und Stadium-abhängige Prognose Einfluss der Karzinomtherapien auf die Fertilität Wahrscheinlichkeit der ovariellen Metastasierung Risiken einer Fertilitätsprotektion Praktische Vorgehensweise Komplexe endometriale Hyperplasie mit Atypien und Endometriumkarzinom Stadiumabhängige Prognose Gonadentoxizität der Therapien Vorgehensweise und Risiken einer Fertilitätsprotektion Kinderonkologische Erkrankungen Stadiumabhängige Prognose Gonadentoxizität der Therapien Wahrscheinlichkeit der gonadalen Metastasierung Besonderheiten der Fertilitätsprotektion bei Kindern und Jugendlichen mit einer Krebserkrankung Praktische Vorgehensweise Rheumatische Erkrankungen schwere Autoimmunerkrankungen Indikationen und Prognose Gonadentoxizität der Therapien Wahrscheinlichkeit einer Exazerbation der Grunderkrankung Risiken einer Fertilitätsprotektion Praktische Vorgehensweise 84 2

5 2.8 Turner-Syndrom (45,X0 und Mosaike) Definition und Klinik des Turner-Syndroms Fertilität bei Turner-Syndrom Risiken einer Schwangerschaft bei Turner-Syndrom Materno-fetale geburtshilfliche Risiken Fetale Chromosomenanomalien und Aborte Maßnahmen der Fertilitätsprotektion Screening, Risikoberatung und multidisziplinäre Überwachung Einschätzung der ovariellen Reserve Maßnahmen der Fertilitätsprotektion Andere maligne Erkrankungen Allgemeines Effekte einer Radiatio Maligne Erkrankungen Fertilitätskonservierende Techniken Ovarielle Stimulation Rationale Effektivität Risiken Kosten Praktische Vorgehensweise Kryokonservierung von unfertilisierten und fertilisierten Oozyten Rationale Langsames Einfrieren Vitrifikation Eizellgewinnung 125 3

6 3.2.5 Kryokonservierung von fertilisierten Oozyten Kryokonservierung von unfertilisierten Oozyten Fazit für die Praxis Entnahme und Transplantation von Ovarialgewebe Rationale Effektivität Risiken Kosten Praktische Vorgehensweise Kryokonservierung von Ovarialgewebe Rationale Entnahme des Gewebes Aufbewahrung und Transport des entnommenen Gewebes bis zur Aufbereitung und Kryokonservierung Präparation des entnommenen Ovarialgewebes zur Kryokonservierung Kryokonservierung des präparierten Ovarialgewebes Maßnahmen zur Vorbereitung einer Transplantation von kryokonserviertem Ovarialgewebe Qualitätskontrollen GnRH-Agonisten und kombinierte hormonelle Kontrazeptiva Rationale Effektivität Risiken Kosten Praktische Vorgehensweise 154 4

7 3.6 Transposition der Ovarien Rationale Effektivität Risiken Kosten Praktische Vorgehensweise Kryokonservierung von Spermien und Hodengewebe Rationale Effektivität Risiken Kosten Praktische Vorgehensweise Weitere fertilitätsprotektive Techniken Weitere Informationsquellen Autorenliste (alphabetisch) 188 Abkürzungen 191 5

8 Vorwort In den ersten 10 Jahren seit der Entstehung des Netzwerkes FertiPROTEKT im Jahr 2006 stand die flächendeckende Etablierung und Effektivitätserhöhung der fertilitätsprotektiven Techniken im Fokus. Das Register von FertiPROTEKT mit jährlich über Beratungen, einer zweisprachigen Website mit über Zugriffen pro Jahr und die Publikationen einiger der weltweit grössten Fallserien zeigen eindrücklich, dass dieses Ziel erfolgreich erreicht wurde wurde das Netzwerk zum FertiPROTEKT Netzwerk e.v., und 2016 feierte es sein 10-jähriges Bestehen. Dies war ein guter Zeitpunkt, die Ziele der nächste Dekade zu definieren. In den kommenden 10 Jahren müssen weiterhin die fertilitätsprotektiven Techniken, insbesondere die Kryokonservierung und Transplantation von Ovargewebe optimiert und die Zusammenarbeit mit den Onkologen und anderen assoziierten Fachbereichen intensiviert werden. Ein wesentliches Ziel wird aber auch die Steuerung einer sinnvollen Durchführung fertilitätsprotektiver Techniken sein. Hier gilt es, die Indikationsstellung für oder gegen eine fertilitätsprotektive Therapie zu schärfen und die optimale Durchführung der Techniken im gesamten deutschsprachigen Raum zu gewährleisten. Diese Ziele motivierten uns, zusammen mit einschlägigen Experten aller relevanten onkologischen und nicht-onkologischen Fachrichtungen, praktische Empfehlungen im Sinne einer praktischen Anleitung zur Fertilitätsprotektion zu erarbeiten, die ein einheitliches Vorgehen in der klinischen Praxis ermöglicht. Bei dieser Anleitung sollten die Vorteile eines Multi-Autorenwerks, d.h. der Vorteil einer maximal möglichen Expertise, genutzt werden, ohne dass die damit verbundenen Nachteile, d.h. die begrenzte inhaltliche Überprüfung der Kapitel durch Co-Autoren und die oft fehlende Abstimmung der Kapitel untereinander, zutage treten. Dies war dadurch möglich, dass alle Kapitel weitgehend einheitlich strukturiert und inhaltlich quervernetzt wurden. Auch wurden ausnahmslos alle Kapitel von mehreren Autoren geschrieben und/oder korrigiert und zusätzlich vom gesamten Vorstand des FertiPROTEKT Netzwerk e.v. korrekturgelesen, um einen maximal möglichen Konsens zu erzielen. Ein besonderer Dank geht an F. Nawroth, der das gesamte Buch mehrfach korrigiert hat. 6

9 Wichtig war uns auch, dass dieses Buch eine große Verbreitung findet. Wir danken FERRING Arzneimittel für die Unterstützung dieses Projektes. Wir sind sicher, dass es gelungen ist, praktische Empfehlungen im Sinne einer tragfähigen und praxisrelevanten Anleitung zu erstellen, die wesentlich zu einem der Ziele von FertiPROTEKT Netzwerk e.v. in den nächsten 10 Jahren beitragen wird: der Durchführung einer flächendeckenden, aber auch sinnvollen und effektiven Fertilitätsprotektion bei onkologischen und nicht-onkologischen Erkrankungen. Im Namen aller Autoren Michael von Wolff 7

10 1. Allgemeines 1.1 Was ist der Verein FertiPROTEKT Netzwerk e.v.? Michael von Wolff, Frank Nawroth Das Netzwerk FertiPROTEKT wurde am 29./30. Mai 2006 auf Initiative von Prof. Dr. med. Michael von Wolff und Prof. Dr. rer. nat. Markus Montag in Heidelberg gegründet. Das Ziel war, flächendeckend zunächst in Deutschland, dann auch in den angrenzenden deutschsprachigen Ländern die seinerzeit noch weitgehend experimentellen fertilitätsprotektiven Möglichkeiten zu etablieren. Des Weiteren sollten die Methoden wissenschaftlich evaluiert und optimiert sowie in die onkologischen Therapieprotokolle integriert werden. Dazu wurden zunächst alle universitären und dann auch private Kinderwunschzentren eingebunden, so dass das Netzwerk inzwischen über 100 Zentren umfasst. Jährlich findet ein 2-tägiges Arbeitstreffen mit Anwesenheitspflicht aller Zentren statt. Außerdem wurde ein öffentlich zugängliches Register aller durchgeführten Behandlungen, Komplikationen und Schwangerschaften eingerichtet, das auf der Homepage des Netzwerks öffentlich zugänglich ist. Eine standardisierte Aufarbeitung und Lagerung von kryokonserviertem Ovargewebe gewährleisten zentralisierte Gewebebanken. Als Informationsplattform steht eine 2-sprachige Homepage ( für Ärzte und Patienten zur Verfügung, die mit Zugriffen pro Jahr frequentiert wird. Die wissenschaftlichen Aktivitäten decken den gesamten Bereich der Fertilitätsprotektion ab und führen zu jährlich mehreren PubMed-gelisteten Publikationen. Die straffe und funktionierende Organisationsstruktur in Kombination mit der Netzwerkgrösse sowie das große Engagement der Mitglieder haben das Netzwerk international zu einem Vorbild werden lassen. Die vielfältigen Aufgaben erforderten die Überführung des Netzwerkes, das bis dahin nur eine Interessensgemeinschaft war, in eine Vereinsstruktur. Daher wurde FertiPROTEKT am 10. November 2015 zum FertiPROTEKT Netzwerk e.v.. Den ersten Vorstand bildete das zu diesem Zeitpunkt 7-köpfige Leitungsteam. Vereins-Gründungsmitglieder waren Prof. Dr. med. M. von Wolff (Vorsitzender), Prof. Dr. rer. nat. R. Dittrich (Stellvertreter), Prof. Dr. med. F. Nawroth (Schriftführer), Prof. Dr. med. A. Germeyer (Kassenführerin) und die Beisitzer Dr. rer. nat. J. Liebenthron, PD Dr. med. A. Schüring und M. Suerdieck. 8

11 1.2 Aufbau des Buches und praktisches Vorgehen Michael von Wolff, Frank Nawroth Aufbau des Buches Der Aufbau des Buches orientiert sich am Ablauf im klinischen Alltag. Konkret müssen im klinischen Alltag die zwei folgenden Fragen diskutiert werden: 1. Besteht eine Indikation für eine fertilitätsprotektive Massnahme? 2. Welche Massnahme kann wie durchgeführt werden? Zur Beantwortung der ersten Frage dienen die Angaben in den Kapiteln und zur Beantwortung der 2. Frage die Angaben in den Kapiteln Dabei gibt es folgendes zu beachten: Sollte sich die Frau noch im reproduktionsfähigen Alter befinden, stellt sich zunächst die Frage, ob eine fertilitätsprotektive Massnahme überhaupt angeboten werden sollte oder eher nicht. Grundsätzlich sollte jede Frau das Recht haben, sich über die Möglichkeiten solcher Massnahmen informieren zu können. So zeigte eine Studie des Netzwerks FertiPROTEKT, dass zum einen anhand des (selbst-evaluierten) physischen und psychischen Status sowie der individuellen Bedeutung der Fertilität nicht vorausgesehen werden kann, ob sich eine Frau für oder gegen eine fertilitätsprotektive Massnahme entscheiden wird (1). Zum anderen konstatierte die Studie, dass selbst jene Frauen, die sich gegen eine fertilitätsprotektive Massnahme entschieden, die Beratung als hilfreich empfanden. Dennoch ist es nicht sinnvoll, jede Patientin für eine fertilitätsprotektive Beratung zu einem Spezialisten zu schicken, da ansonsten ferilitätsprotektive Massnahmen auch dann ergriffen werden könnten, wenn diese aufgrund der geringen Gonadentoxizität der Behandlung gar nicht erforderlich wären. Oder es würden bei einer sehr schlechten Prognose der Patientin falsche Erwartungen erzeugt und möglichweise unnötige Risiken bei der Durchführung solcher Massnahmen eingegangen werden. 9

12 Deswegen sollten fertilitätsprotektive Massnahmen nur dann durchgeführt werden, wenn 1. die Prognose, d.h. die Heilungswahrscheinlichkeit, gut ist, 2. das Risiko für eine Sterilität durch die (meist) onkologische Therapie hoch ist, 3. die fertilitätsprotektiven Massnahmen risikoarm und effektiv sind. Bei der Indikationsstellung sind die sogenannten Edinburgh-Kriterien hilfreich (Tab. 1). So konnten Wallace et al. (2) zeigen, dass bei Einhaltung dieser Kriterien eine Kryokonservierung von Ovargewebe nur dann durchgeführt wurde, wenn diese für die Patientin auch nützlich war. Die Mädchen und Frauen, denen eine Kryokonservierung von Ovargewebe angeboten wurde, überlebten fast alle die Erkrankung und hatten eine 35%ige Wahrscheinlichkeit für eine prämature Ovarialinsuffizienz im Vergleich zu 1% derer, denen gemäss der Edinburgh-Kriterien eine solche Massnahme nicht angeboten worden war. Edinburgh-Selektions-Kriterien für die Kryokonservierung von Ovargewebe bei Mädchen und jungen Frauen (2) Alter < 35 Jahre Keine vorherige Chemotherapie, falls 15 Jahre bei der Erstdiagnose, aber leichte, nicht-gonadotoxische Chemotherapien sind akzeptabel, falls diese im Alter von < 15 Jahre durchgeführt wurden Eine realistische Chance, 5 Jahre zu überleben Ein hohes Risiko für eine prämature Ovarialinsuffizienz (> 50%) Nicht schwanger und keine eigenen Kinder Tab. 1 Da wir die Festlegung von Selektionskriterien mit Einschränkungen für sinnvoll halten, haben wir diese Kriterien z.t. übernommen und auf die individuellen Erkrankungen angepasst. Zu betonen ist, dass bei Männern aufgrund der Einfachheit der Kryokonservierung von Spermien die Indikation zur Durchführung einer fertilitätsprotektiven Massnahme weniger streng gestellt werden kann. Gleiches gilt bei Frauen mit einem ausgeprägtem Kinderwunsch. 10

13 Die Kapitel im Block 2 wurden so aufgebaut, dass zu den behandelten Erkrankungen Daten zur Prognose bei verschiedenen Tumorstadien, dann zur Gonadentoxizität und schliesslich zu den fertilitätsassoziierten Besonderheiten der Erkrankung beschrieben und die praktische Vorgehensweise im Hinblick auf die fertilitätsprotektiven Massnahmen dargestellt wurden. Ein Flowchart am Ende eines jeden Kapitels erleichtert dem Leser dabei die Orientierung. Wichtig ist hierbei, dass die Kriterien für die Durchführung fertilitätsprotektiver Massnahmen individuell angepasst werden müssen und somit die in den Flowcharts genannten Zahlenwerte nur eine grobe Orientierung darstellen. So ist beispielsweise bei einem sehr intensiven Kinderwunsch oder bei einer langjährigen Nachbehandlung, wie oft bei einem Mammakarzinom, eine Anpassung der Kriterien zur Durchführung fertilitätsprotektiver Massnahmen erforderlich. Im Kapitelblock 3 werden anschließend die Massnahmen dargestellt, die nach der Indikationsstellung für die Durchführung einer fertilitätsprotektiven Massnahme sinnvoll sind. Hier werden insbesondere deren Effektivität, Risiken, Kosten und die praktische Durchführung beschrieben Praktische Vorgehensweise Aus den im Kapitel dargestellten Ausführungen ergeben sich folgende Fragen, die für die Indikationsstellung und Durchführung einer fertilitätsprotektiven Massnahme nacheinander gestellt werden müssen (Abb. 1). Die genannten Kriterien müssen selbstverständlich an die individuelle Situation angepasst werden. 1. Erlaubt das Alter der Patientin noch die Durchführung fertilitätsprotektiver Massnahmen? Falls Ja, d.h. falls die Patientin ca. 40 Jahre alt ist (bei Männern gibt es keine Altersbegrenzung), s. Punkt Ist die Prognose der Erkrankung hinreichend gut für die Durchführung fertilitätsprotektiver Massnahmen (meist Unterkapitel 1 der Kapitel )? Falls Ja, d.h. falls die 5-Jahres-Überlebensrate ca. 50% ist, s. Punkt 3. 11

14 3. Ist eine spätere Schwangerschaft mit der Grunderkrankung und der Therapie vereinbar? Falls Ja, s. Punkt Geht die erwartete (meist) onkologische Therapie mit einem relevanten Risiko für eine langfristige Sterilität einher (meist im Unterkapitel 2 der Kapitel beschrieben)? Falls Ja, d.h. falls die Chance auf eine spontane Schwangerschaft nach Abschluss der Therapie > ca % ist, s. Punkt Ist die Durchführung einer fertilitätsprotektiven Massnahme bei der gegebenen Grunderkrankung risikoarm möglich (meist im Unterkapitel 4 der Kapitel beschrieben)? Falls ja, d.h. falls die Gesundheit und die Effektivität der onkologischen Therapie durch die Massnahmen nicht gefährdet werden, s. Punkt Ist das Zeitfenster für die Durchführung einer fertilitätsprotektiven Massnahme gross genug? Falls ja, d.h. falls ½ - ca. 2 Wochen je nach fertilitätsprotektiver Massnahme bis zur Einleitung der (meist) onkologischen Therapie gegeben sind, s. Punkt Welche Massnahme (n) ist/sind im gegebenen Fall am sinnvollsten anzubieten/durchzuführen (s. Kap )? Die Fragen 1-6 werden oft bereits durch den behandelnden Onkologen bearbeitet, müssen im Einzelfall aber auch vom Reproduktionsmediziner vor der Vorstellung der Patientin beantwortet werden. Sollten die Fragen tendenziell mit Ja beantwortet werden, so obliegt es dem Reproduktionsmediziner, die Frage 7 mit der Patientin zu diskutieren und geeignete Massnahmen einzuleiten. Das Flowchart (Abb. 1) stellt die Vorgehensweise graphisch da. Referenzen 1. von Wolff M, Giesecke D, Germeyer A, Lawrenz B, Henes M, Nawroth F, Friebel S, Rohde A, Giesecke P, Denschlag D. Characteristics and attitudes of women in relation to chosen fertility preservation techniques - a prospective, multicenter questionnaire-based study. Eur J Obstet Gynecol, in press. 2. Wallace WH, Smith AG, Kelsey TW, Edgar AE, Anderson RA. Fertility preservation for girls and young women with cancer: population-based validation of criteria for ovarian tissue cryopreservation. Lancet Oncol 2014;15:

15 Vorstellung zur Fer.litätsprotek.on Alter ca. 40 Jahre? 5- Jahrens- Überlebensrate ca. 50%? Spätere SchwangerschaV mit der Grunderkrankung und der Therapie vereinbar? Risiko einer therapieinduzierten Sterilität ca %? FerDlitätsprotekDve Therapie ohne relevantes Risiko für die PaDenDn durchführbar? ZeiSenster 1/2-1 Woche ZeiSenster 1 Woche ZeiSenster 2 Wochen ZeiSenster 2,5 Wochen GnRH- Agonisten Kap. 3.5 Kryo Ovargewebe Kap. 3.3, 3.4 Ovarielle SDmulaDon Kap. 3.1, 3.2 Kryo Ovar + SDmulaDon Kap Falls nein: Eher keine FerDlitäts- protekdon ZeiSenster 4 Wochen Doppel- SDmulaDon Kap Diagnose Entscheidungs- kriterium Therapie Bestrahlung des Beckens TransposiDon der Ovarien Kap. 3.6 Abb. 1 Grob orientierende Vorgehensweise bei der Vorstellung einer Patientin zur Fertilitätsprotektion. Zu beachten ist, dass die genannten Zahlenwerte sich nicht auf Männer beziehen und auch bei Frauen ggf. individuell angepasst werden müssen. 13

16 2 Relevante Erkrankungen 2.1 Mammakarzinom Patrizia Sager, Michael von Wolff, Tanja Fehm Stadium-abhängige Prognose Das Mammakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung der Frauen weltweit. In der westlichen Welt liegt der Anteil der erkrankten Frauen unter 40 Jahren bei ca. 4-5%. Dies entspricht ca Frauen pro Jahr in Deutschland und ca. 280 pro Jahr in der Schweiz und Österreich. Ca. 40% aller bei FertiPROTEKT beratenen Patientinnen sind an einem Mammakarzinom erkrankt (1). Die 10 Jahres-Überlebensrate aller Frauen und Stadien beträgt 86%. Frauen unter 35 Jahre haben sowohl bezüglich des Gesamtüberlebens als auch der Entwicklung eines Rezidivs eine deutlich schlechtere Prognose (Tab. 1). Niedrigeres Höheres Outcome- Einfluss des niedrigeren Alter in Alter in Kriterium Alters auf das Outcome Jahren (n) Jahren (n) (Multivariate Analyse); Hazard Ratio (li.) und 95% Konfidenzintervall (re.) Gnerlich < Überleben, 1,39 1,34-1,45 et al. (15,548) (227,464) Mammakarzinom 2009 (3) -spezifisch Fredholm < Überleben, 1,76 1,36-2,28 et al. (378) (13,486) Mammakarzinom 2009 (4) -spezifisch Han et al. < Überleben, J.: 1,43 1,18-1, (5) (1,443) (6,335) Overall J.: 1,97 1,48-2,62 Azim et al. 40 > 40 Überleben, 1,34 1,10-1, (6) (339) (2,562) Rezidiv-frei Tab. 1 Outcome in Abhängigkeit vom Alter (modif. n. Azim & Partridge (2)) 14

17 Auch Han et al. (5) untersuchten das Outcome in Abhängigkeit vom Alter der Frau. Sie zeigten in einer Analyse von Frauen 50 Jahre mit einem Mammakarzinom, dass im Alter von < 35 Jahren das Gesamtüberleben deutlich abnimmt. Die Überlebensrate sank bei Frauen unter 35 Jahren rechnerisch um 5% pro niedriges Lebensjahr (berechnet bis zum Alter von ca. 25 Jahren). Das Outcome hängt auch wesentlich vom Tumorstadium ab. In einer Studie wurde anhand eines amerikanischen Registers die Mortalität in Abhängigkeit vom Tumorstadium bei Frauen unter 40 Jahren analysiert, die 1998 bis 2003 erkrankten (Tab. 2). Stadium Anzahl Noch In Folge des In Folge Definition der Tumorsta- lebend Mammakarz- anderer Ur- dien (gemäss der Inter- (%) inoms ver- sachen ver- nationalen Vereinigung storben (%) storben (%) gegen Krebs, UICC) in situ ,2 0,6 1,2 Tis, N0, M0 I ,1 6,8 1,1 T1, N0, M0 II ,4 20,3 2,3 T0, T1, N1, M0 T2, N0,M0 T2, N1, M0 T3, N0,M0 III ,1 43,7 3,3 T0-T2, N2, M0 T3, N1,N2, M0 T4, N0-N2, M0 Jedes T, N3, Mo IV ,4 66,4 6,2 Jedes T, Jedes N, M1 Ohne Stadium ,7 23,3 4,0 Total ,6 18,3 2,2 Tab. 2 Überlebensrate in Abhängigkeit vom Tumorstadium und Definition der Tumorstadien (mod. nach Gnerlich et al. (3)) 15

18 Die Prognose der Patientin hängt aber auch vom intrinsischen Subtyp ab. So erkranken junge Frauen häufiger an einem Triple-negativem Mammakarzinom B Rezidivfreies Überleben Gesamtüberleben Alle molekularen Subtypen Luminal A Luminal B HR=1.65 ( ) 60 HR=1.78 ( ) Log-Rank P Log-Rank P Years < Jahre HR=0.61 ( ) Log-Rank P HR=1.62 ( ) Log-Rank P < < Jahre HR=n/a Log-Rank P HR=2.09 ( ) Log-Rank P <35 Years < Jahre <35 Jahre HER2 3-Fach Negativ Jahre HR=2.37 ( ) Log-Rank P HR=2.04 ( ) Log-Rank P < Jahre HR=1.41 ( ) Log-Rank P HR=2.20 ( ) Log-Rank P <35 Jahre <35 Jahre Abb. 1 Rezidivfreies und Gesamtüberleben bei prämenopausalen Frauen < 35 Jahre mit einem operablen Mammakarzinom der Tumorstadien pt1-3, pn0-3 und M0 (Cancello et al. (7)) 16

19 (= keine therapierelevante Expression des Östrogen- und Progesteron-Rezeptors sowie des Wachstumfaktor-Rezeptors 2 = HER2), das einen aggressiveren Verlauf als bei einer nachgewiesenen Expression der genannten Faktoren zeigt. Außerdem ist die Prognose des sogenannten Luminal B-Typs (Klassifikation anhand des Genexpressionsprofils) und des HER2-Typs bei jüngeren Patientinnen schlechter als bei älteren (Abb. 1) Gonadentoxizität der Therapien Die zytotoxisch induzierte Amenorrhoe bei Patientinnen nach adjuvanter systemischer Therapie ist wesentlich abhängig vom Alter der Patientin und dem Chemotherapie-Regime. Die Dauer der Amenorrhoe variiert stark zwischen den einzelnen Studien. Goldhirsch et al. (8) zeigten, dass 33% der Patientinnen < 40 Jahre und 81% der Patientinnen > 40 Jahre nach dem klassischen, 6 Monate dauernden CMF-Schema postmenopausal waren. Zu dem Effekt der aktuell verwendeten Chemotherapie-Regime auf die Amenorrhoerate in Abhängigkeit vom Alter der Frau wurden bis 2010 fast keine prospektiven Studien publiziert. Sukumvanich et al. (9), veröffentlichten die erste große prospektive Studie, bei der 466 Frauen im Alter von Jahren von 1998 bis 2002 untersucht wurden (Tab. 3). 111 Frauen erhielten das Regime AC (Doxorubicin und Cyclophosphamid), 143 Frauen ACT (Doxorubicin, Cyclophosphamid und Paclitaxel) und 76 Frauen CMF (Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluoruracil). Andere Chemotherapien (n=136) waren das ACR-, FAC-, FACT- und andere nicht näher definierte Regime. Negative Prädiktoren für eine Amenorrhoe waren neben dem zunehmenden Alter ein erhöhter BMI sowie eine längere Chemotherapiedauer. Frauen zwischen 20 und 34 Jahren wiesen nur in 11% der Fälle eine Amenorrhoe 6 Monate nach Beendigung der Chemotherapie auf. Dies variierte nicht wesentlich zwischen den einzelnen Chemotherapie-Regimen. Insgesamt war das Outcome bezüglich dem Wiedereintritt der Regel bei einer Amenorrhoe beim CMF-Schema schlechter als bei den AC-, ACT- und den anderen, nicht näher definierten Regimen. 17

20 Chemotherapie Jahre, n= Jahre, n= Jahre, n=212 Amenorrhoe- Rate (%) Erneute Menses nach Amenorrhoe (%) Amenorrhoe- Rate (%) Erneute Menses nach Amenorrhoe (%) Amenorrhoe- Rate (%) AC, 6 Mo Erneute Menses nach Amenorrhoe (%) AC, 12 Mo AC, 24 Mo ACT, 6 Mo ACT, 12 Mo ACT, 24 Mo CMF, 6 Mo ? CMF, 12 Mo 0 0 9? CMF, 24 Mo Andere Chemos, 6 Mo Andere Chemos, 12 Mo Andere Chemos, 24 Mo Tab. 3 Amenorrhoerate bei verschiedenen Chemotherapie-Schemata 6, 12 und 24 Monate (Mo) nach Abschluss der Chemotherapie in Relation zum Alter der Frauen (mod. n. Sukumvanich et al. (9)) 18

21 Bei der Entscheidung zur Durchführung einer fertilitätsprotektiven Massnahme ist zu beachten, dass das Risiko für ein POI bei einem Mammakarzinom mitunter nicht sehr hoch ist, dass aber, insbesondere beim östrogensensitiven Mammakarzinom, oft eine längere endokrine Therapie angeschlossen wird. Währenddessen kann sich die Ovarreserve der Patientin weiter reduzieren und das Alter soweit ansteigen, dass dann eine Spontan-Schwangerschaft nicht mehr möglich ist. Deswegen sollte auch bei einem geringeren POI-Risiko ggf. eine fertilitätsprotektive Massnahme erwogen werden Wahrscheinlichkeit der ovariellen Metastasierung Die Datenlage bezüglich der Wahrscheinlichkeit einer ovariellen Metastasierung beim sporadisch aufgetretenen Mammakarzinoms ist nicht sehr umfangreich. Bei 5 von 20 Frauen (25%), bei denen eine bilaterale Ovarektomie als Therapie eines metastasierten Mammakarzimoms erfolgte, fanden sich ovarielle Metastasen (10). Besonders hoch ist das Risiko beim infiltrierenden lobulären Karzinom, bei dem in 5 von 14 an einem Mammakarzinom verstorbenen und autopsierten Frauen ovarielle Metastasen gefunden wurden im Vergleich zu 2 von 75 (2.6%) Frauen mit einem infiltrierenden duktalen Karzinom (11). Diese Daten zeigen, dass bei einem höhergradigen Mammakarzinom-Stadium ein relevantes Risiko für ovarielle Metastasen besteht. Aufgrund dessen wurden Mammakarzinome im Stadium IV, d.h. beim Vorliegen von Metastasen, auch als Erkrankungen mit einem erhöhten Risiko für eine ovarielle Metastasierung eingestuft (Kap. 3.3, Tab. 3). Deswegen sollte im Mammakarzinom-Stadium IV eine Kryokonservierung von Ovargewebe nicht erfolgen. In mehreren Studien wurde versucht, in kryokonserviertem Ovargewebe mikroskopisch und immunhistochemisch Mammakarzinommetastasen nachzuweisen. Überwiegend analysierten diese Studien nur ein kleines Stück des konservierten Gewebes. 19

22 Studie Anzahl an Patientinnen (n) Stadium der Erkrankung Metastasen gefunden Sanchez-Serrano et al (12) 63 I: n=16 II: n=41 IIIa: n=6 Nein Rosendahl et al (13) 51 II/III: n=44 Nein Hoekmann et al (14) 23 I: n=6 II A/B: n=15 IIIA: n=2 Nein Tab. 4 Studien zur Untersuchung einer ovariellen Metastasierung von kryokonservierten Ovargewebeproben mit Mammakarzinomzellen In keiner der Studien konnten Mammakarzinommetastasen festgestellt werden. Zusammenfassend bedeutet dies, dass in einem N0-Stadium das Risiko für ovarielle Metastasen gering ist. Bei einem positiven Lymphknotenbefall ohne eine nachgewiesene periphere Metastasierung (Stadium II und III) ist eine ovarielle Metastasierung auch unwahrscheinlich, allerdings ist die Datenlage hier begrenzt. Grundsätzlich sollte vor einer Transplantation des Gewebes die histologische Untersuchung einer Gewebeprobe durchgeführt werden. Bei einer peripheren Metastasierung, d.h. im Stadium IV, sollte eine Kryokonservierung von Ovargewebe eher nicht erfolgen, zumal dann die Prognose der Patientin oft zu schlecht ist, um das Risiko einer Laparoskopie zu vertreten. Hinsichtlich des Risikos, dass sich aus dem transplantierten Ovargewebe später ein Ovarialkarzinom entwickeln könnte, ist folgendes festzuhalten: Frauen mit einer Mutation im BRCA1- oder BRCA2-Gen haben ein Lebenszeitrisiko zur Entwicklung eines Ovarialkarzinoms von 15-56% (15). Bei der Durchführung einer prophylaktischen Adnexektomie wurde bei 6% der BRCA1- und 2% der BRCA2-Trägerinnen ein okkultes Ovarialkarzinom gefunden (16). Diese Daten bedeuten, dass zwar die Kryokonservierung und Transplantation von Ovargewebe nach einer entsprechenden Risikoaufklärung bei einer BR- CA-Mutation erwogen werden kann, dass aber das Gewebe später wieder entfernt werden sollte. 20

23 2.1.4 Risiken einer Fertilitätsprotektion Risiko durch eine Verschiebung der zytotoxischen Therapie: Dieses Risiko besteht beim Mammakarzinom nicht, da das Zeitfenster von der Diagnose bis zum Beginn der zytotoxischen Therapie in der Regel für die Durchführung einer fertilitätsprotektiven Massnahme ausreichend groß ist. Somit können aus zeitlicher Sicht meistens alle im Kapitel genannten Massnahmen durchgeführt werden. Auch sind Doppelstimulationen (Kap ) möglich, wenn die Patientin direkt bei der Diagnosestellung in einem reproduktionsmedizinischen Zentrum vorgestellt wird. Risiko durch die ovarielle Stimulation: Theoretisch besteht das Risiko, dass durch eine hochdosierte Gonadotropinstimulation zur Gewinnung von Oozyten (Kap. 3.1) hormonrezeptorpositive Tumorzellen proliferieren könnten. Weder für noch gegen einen solchen Effekt gibt es bisher Beweise. Allerdings ist es aus folgenden Gründen sehr unwahrscheinlich, dass eine Gonadotropinstimulation einen Effekt auf die Prognose der Patientin hat: 1. Bei einer Gonadotropinstimulation können zusätzlich Aromatasehemmer verabreicht werden (Kap ), die die Östrogenkonzentration im Serum circa halbieren. 2. Die Östrogenkonzentrationen steigen nur über eine Woche auf supraphysiologische Konzentrationen an. 3. Nach der Diagnosestellung dürfen seitens der Onkologen mehrere Wochen bis zum Beginn der Chemotherapie bei einem weiterhin intakten Menstruationszyklus mit einer Östrogenproduktion vergehen. Wenngleich das Risiko für eine Prognoseverschlechterung durch eine Stimulation gering sein dürfte, sollten bei einem hormonrezeptorpositiven Karzinom auch immer alternative fertilitätsprotektive Massnahmen wie die Kryokonservierung von Ovargewebe erwogen werden. 21

24 Risiko durch die Anwendung von GnRH-Agonisten: Lange Zeit wurde die Gabe von GnRH-Agonisten als kritisch angesehen. Zum einen ist der definitive protektive Effekt noch unklar (s. Kap ), zum anderen wurde hinterfragt, ob die Senkung der Östrogenkonzentrationen durch die GnRH-Agonisten nicht auch zu einer Reduktion der Tumorzellproliferation führt, wodurch sich möglicherweise der therapeutische Effekt der Chemotherapeutika reduzieren könne. Wenngleich ein Beweis noch nicht definitiv erbracht wurde, zeigen erste Studien, dass ein negativer Effekt der GnRH-Agonisten auf die Effektivität der Chemotherapien unwahrscheinlich ist (17). Aufgrund dessen wurde die Gabe von GnRH-Agonisten während der Chemotherapie inzwischen von der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO) der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) als Option zur Fertilitätsprotektion aufgeführt. Somit können GnRH-Agonisten auch bei einem hormonrezeptorpositiven Mammkarzinom als fertilitätsprotektive Massnahme erwogen werden, wenn über die begrenzte Datenlage aufgeklärt wird Praktische Vorgehensweise Grundsätzlich sollten die Patienten möglichst früh in einem reproduktionsmedizinischen Zentrum vorgestellt werden, um ein möglichst großes Zeitfenster für die Durchführung der fertilitätsprotektiven Massnahmen zu haben. Eine Vorstellung kann auch bereits vor dem Abschluss des Stagings erfolgen. In Abbildung 2 wird grob orientierend die Vorgehensweise zur Durchführung fertilitätsprotektiver Massnahmen bei einem Mammakarzinom dargestellt. 22

25 Diagnose Entscheidungs- kriterium Therapie Mammakarzinom 40 J., Fer3litätsprotek3on gewünscht 5- Jahres- Überleben ca. 50% 5- Jahres- Überleben < ca. 50%, Stadium IV POI- Risiko ca % und/ oder Alter ca. 40 J. zum erwarteten Zeitpunkt der angestrebten Schwangerscha\ POI- Risiko < ca % und Alter < ca. 40 J. zum erwarteten Zeitpunkt der angestrebten Schwangerscha\ Östrogen- sensi3v Nicht Östrogen- sensi3v Info: begrenzte Risikodaten Zeit 1 Wo Zeit 2 Wo Zeit 1 Wo Zeit 2 Wo ggf. GnRHa Ov. S3mula3on plus Aromataseh. ± GnRHa Kryo Ovarge- webe ± GnRHa Ovarielle S3mu- la3on ± GnRHa Fer3litäts- protek3on eher nein Zeit 1 Wo GnRHa Abb. 2 Grob orientierende Vorgehensweise der Fertilitätsprotektion bei einem Mammakarzinom (POI = prämature Ovarialinsuffizienz) 23

26 Referenzen 1. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over 5000 women. Reprod Biomed Online 2015;31: Azim HA Jr, Partridge AH. Biology of breast cancer in young women. Breast Cancer Res 2014;4: Gnerlich JL, Deshpande AD, Jeffe DB, Sweet A, White N, Margenthaler JA. Elevated breast cancer mortality in women younger than age 40 years compared with older women is attributed to poorer survival in early-stage disease. J Am Coll Surg 2009; 208: Fredholm H1, Eaker S, Frisell J, Holmberg L, Fredriksson I, Lindman H. Breast cancer in young women: poor survival despite intensive treatment. PLoS One 2009; 4:e Han W, Kang SY. Korean Breast Cancer Society. Relationship between age at diagnosis and outcome of premenopausal breast cancer: age less than 35 years is a reasonable cut-off for defining young age-onset breast cancer. Clin Breast Cancer Res Treat 2010;119: Azim HA Jr, Michiels S, Bedard PL, Singhal SK, Criscitiello C, Ignatiadis M, Haibe-Kains B, Piccart MJ, Sotiriou C, Loi S. Elucidating prognosis and biology of breast cancer arising in young women using gene expression profiling. Clin Cancer Res. 2012;18: Cancello G, Maisonneuve P, Rotmensz N, Viale G, Mastropasqua MG, Pruneri G, Veronesi P, Torrisi R, Montagna E, Luini A, Intra M, Gentilini O, Ghisini R, Goldhirsch A, Colleoni M. Prognosis and adjuvant treatment effects in selected breast cancer subtypes of very young women (< 35 years) with operable breast cancer. Ann Oncol 2010;21: Goldhirsch A, Gelber RD, Castiglione M. The magnitude of endocrine effects of adjuvant chemotherapy for premeno- pausal breast cancer patients: the International Breast Cancer Study Group. AnnOncol 1990;1: Sukumvanich P1, Case LD, Van Zee K, Singletary SE, Paskett ED, Petrek JA, Naftalis E, Naughton MJ. Incidence and time course of bleeding after longterm amenorrhea after breast cancer treatment: a prospective study. Cancer 2010;116: Curtin JP, Barakat RR, Hoskins WJ. Ovarian disease in women with breast cancer. Obstet Gynecol 1094;84: Harris M, Howell A, Chrissohou M, Swindell RI, Hudson M, Sellwood RA. A comparison of the metastatic pattern of infiltrating lobular carcinoma and infiltrating duct carcinoma of the breast. Br J Cancer 1984;50:

27 12. Sánchez-Serrano M, Novella-Maestre E, Roselló-Sastre E, Camarasa N, Teruel J, Pellicer A. Malignant cells are not found in ovarian cortex from breast cancer patients undergoing ovarian cortex cryopreservation. Hum Reprod 2009;24: Rosendahl M, Timmermans Wielenga V, Nedergaard L, Kristensen SG, Ernst E, Rasmussen PE, Anderson M, Schmidt KT, Andersen CY. Cryopreservation of ovarian tissue for fertility preservation: no evidence of malignant cell contamination in ovarian tissue from patients with breast cancer. Fertil Steril 2011;95: Hoekman EJ, Smit VT, Fleming TP, Louwe LA, Fleuren GJ, Hilders CG. Searching for metastases in ovarian tissue before autotransplantation: a tailor-made approach. Fertil Steril 2015;103: Bougie O, Weberpals JI. Clinical considerations of BRCA1- and BRCA2- mutation carriers: a review. Int J Surg Oncol 2011;2011: Finch A, Shaw P, Rosen B, Murphy J, Narod SA, Colgan TJ. Clinical and pathologic findings of prophylactic salpingo-oophorectomies in 159 BRCA1 and BRCA2 carriers. Gyneco Oncol 2006;100: Bernhard J, Luo W, Ribi K, Colleoni M, Burstein HJ, Tondini C, Pinotti G, Spazzapan S, Ruhstaller T, Puglisi F, Pavesi L, Parmar V, Regan MM, Pagani O, Fleming GF, Francis PA, Price KN, Coates AS, Gelber RD, Goldhirsch A, Walley BA. Patient-reported outcomes with adjuvant exemestane versus tamoxifen in premenopausal women with early breast cancer undergoing ovarian suppression (TEXT and SOFT): a combined analysis of two phase 3 randomised trials. Lancet Oncol 2015;16:

28 2.2 Hodgkin-Lymphom Carolin Bürkle, Michael von Wolff, Karolin Behringer Stadium-abhängige Prognose Das Hodgkin-Lymphom tritt mit einer jährlichen Inzidenz von 2-3/ weltweit auf, wobei etwas häufiger Männer im Verhältnis 3:2 betroffen sind (1). In Deutschland wurden im Jahr 2010 insgesamt 2200 Neuerkrankungen erfasst. Häufig erkranken junge Menschen. Bis zu ¾ der Patienten sind bei Diagnosestellung jünger als 60 Jahre alt (2). Für die jungen Patienten ist bei der Erstdiagnose die Familienplanung häufig noch nicht abgeschlossen oder wurde bisher noch gar nicht thematisiert. Im Netzwerk FertiPROTEKT sind ca. 30% der beratenen Frauen an einem Lymphom, überwiegend einem Hodgkin-Lymphom, erkrankt (3). In den letzten Jahrzehnten hat sich das Hodgkin-Lymphom von einer unheilbaren Erkrankung zu einer der am besten behandelbaren onkologischen Erkrankungen im Erwachsenenalter mit überragenden 5-Jahres-Überlebensraten (s. Tab. 1 und 2) entwickelt. Alter bei der Erstdiagnose (Jahre) 5-Jahres-(Relative) Überlebensrate (95%-Konfidenzintervall) 15-Jahres-(Relative) Überlebensrate (95%-Konfidenzintervall) Glimelius et al., 2015 (4) % (95% 98%) 94% (91% 95%) % (93% 97%) 91% (87% 94%) % (90% 96%) 87% (81% 91%) Pulte et al., 2014 (5) ,9% ,8% ,3% Tab. 1 Überlebensraten von Frauen und Männern in Abhängigkeit vom Alter 26

29 In einer großen retrospektiven Studie von Glimelius et al. (4) wurde das Outcome von insgesamt schwedischen Hodgkin-Lymphom-Patienten, die im Zeitraum von diagnostiziert wurden und bei Diagnosestellung zwischen 15 und 59 Jahren alt waren, erfasst. Die Altersverteilung im Patientenkollektiv zeigte mit einem Anteil von 36,4% in der jüngsten Altersgruppe mit Jahre, 21,2% bei den jährigen und 14,2% bei den jährigen, die zu erwartende Altersverteilung mit einem großen Anteil junger Patienten. Das Outcome in Bezug auf das Alter wird u.a. mit der 5-Jahres- und 15-Jahres-(Relative) Überlebensrate dargestellt und zeigt ein deutliches altersabhängiges Outcome der Patienten. In der jüngsten betrachteten Altersgruppe von Jahren beträgt die 15-Jahre-Überlebensrate 94%, in der Altersgruppe der jährigen 87%. Zu diesem Ergebnis kommt auch eine Auswertung von Pulte et al. (5), in der das 5-Jahres-(Relative) Überleben von insgesamt Patienten, die von 1997 bis 2006 in Deutschland an einem Hodgkin-Lymphom erkrankten, aufgearbeitet wird (5). Auch hier zeigte sich eine Abnahme der 5-Jahres-Überlebensrate mit zunehmendem Alter. Einschränkend ist zu erwähnen, dass es große Therapiefortschritte im betrachteten Zeitraum von 18 bzw. 10 Jahren gab und dass das Patientenkollektiv mit verschiedenen Bestrahlungs- und Chemotherapie-Regimen therapiert wurde. Die Heilungsrate ist auch abhängig vom Stadium, dem Therapieansprechen und den Risikofaktoren (Tab. 2). Insgesamt liegt die Heilungsrate zwischen 80-95%, so dass die Zahl an Langzeitüberlebenden stetig wächst (6). 27

30 Stadium Verabreichte 5- Jahres- FFTF 5-Jahres-PFS 5-Jahres-OS Therapie (95%-Konfi- (95%- Konfi- (95%- Konfi- denzintervall) denzintervall) denzintervall) Behringer Frühes 2x ABVD 93,1% 93,5% 97,6% et al (90,7-95,5%) (91,1-95,9%) (96,1-99,1%) (7) von Tre- Interme- 2x BEACOPP 94,8% 95,4 % 97,2% sckow et al. diäres eskaliert plus (93,1-96,6%) (93,7-97,1%) (95,8-98,6%) 2012 (8) 2x ABVD Engert et al. Fortge- 6x BEACOPP 89,3% 90,3% 95,3% 2012 (9) schrit- eskaliert (86,5-92,1%) (87,6-93,0%) (93,4-97,2%) tenes Tab. 2 Überlebensraten bei Frauen und Männern in Abhängigkeit vom initialen Erkrankungsstadium, dargestellt mit den Outcome-Kriterien: FFTF = Freedom from treatment failure, PFS = Progression free survival und OS = Overall survival Die Patienten werden nach erfolgtem Staging mit Hilfe der Ann Arbor-Klassifikation (beschreibt den Befall der Lymphknotenregionen) und An- oder Abwesenheit bestimmter Risikofaktoren, in drei Risikogruppen eingeteilt: Die klinischen Stadien (Clinical Stage, CS) I-IIA und B ohne Risikofaktoren gelten als frühe, prognostische günstige Stadien; CS IA und B und CS IIA mit einem Risikofaktor oder CS IIB mit den Risikofaktoren: beschleunigte Blutsenkungsgeschwindigkeit und/oder drei befallene Lymphknotenareale werden als intermediäre Patientengruppe geführt; CS II B mit den Risikofaktoren: große mediastinale Tumormasse und/oder extranodale Tumorherde sowie CS III/IV sind als fortgeschrittene Stadien klassifiziert. 28

31 Gemäss der S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Hodgkin-Lymphoms bei erwachsenen Patienten von Februar 2013, lautet die stadienadaptierte Therapieempfehlung, wie folgt (10): In frühen Stadien werden zwei Zyklen ABVD (Adriamycin, Bleomycin, Vinblastin, Dacarbazin) und anschließend eine Involved Field (IF)-RT mit 20 Gray verabreicht. In intermediären Stadien besteht das empfohlene Therapieregime aus einer Kombinationschemotherapie aus zwei Zyklen BEACOPPeskaliert (Bleomycin, Etoposid, Doxorubicin, Cyclophosphamid, Vincristin, Procarbazin, Prednisolon) und zwei Zyklen ABVD (2+2), sowie einer anschließenden IF-RT mit 30 Gray. Fortgeschrittene Stadien werden mit einer Therapie aus 6 Zyklen BEA- COPPeskaliert und bei Vorliegen von PET-positivem Lymphomrestgewebe von 2,5 cm mit einer abschließenden lokalisierten Radiotherapie mit 30 Gray behandelt. Im Rahmen der Auswertungen der HD13-Studie der Deutschen Hodgkin Studiengruppe (GHSG) für die frühen, HD14 für die intermediären und HD15 für die fortgeschrittenen Stadien, zeigten sich mit den aktuellen Standardtherapien in allen Stadien überragende Ergebnisse im Outcome. Die erhobenen Werte beziehen sich alle auf eine Nachbeobachtungszeit von 5 Jahren, in denen folgende Outcome-Kriterien erfasst werden: das Freedom from treatment failure (FFTF), welches die Freiheit von einem Therapieversagen beschreibt, das Progression free survival (PFS), das die Patienten, die nach 5 Jahren progressionsfrei/rezdivfrei überlebt haben, erfasst und das 5-Jahres-Overall survival (OS), welches das Gesamtüberleben nach 5 Jahren darstellt. Es zeigt sich ein stadienabhängiges Outcome mit einem 5-Jahres PFS und OS von 93,5% und 97,6% in den frühen Stadien vs. 90,3% und 95,3% in den fortgeschrittenen Stadien. 29

32 2.2.2 Gonadentoxizität der Therapien Eine chemo- und radiotherapeutische Behandlung birgt immer das Risiko der Gonadentoxizität. Für die beim Hodgkin-Lymphom verabreichten Chemotherapie-Regime zeigt sich eine dosis- und substanzabhängige Gonadentoxizität, wobei das intensivere BEACOPPeskaliert-Regime eine höhere gonadotoxische Wirkung hat als das ABVD-Schema. Von den verabreichten Wirkstoffen spielen v.a. die Alkylantien Procarbazin und Cyclophosphamid eine entscheidende Rolle (11 13). In zwei Studien der Deutschen Hodgkin Studiengruppe (GHSG) wurden Daten zur Fertilität nach einer Hodgkin-Lymphom-Behandlung gewonnen. Die von Behringer et al. veröffentlichten Ergebnisse betrachteten 405 Patientinnen, die bei Erstdiagnose unter 40 Jahre alt waren und im Rahmen der 3. Studiengeneration (HD7-9-Studien) in den Jahren 1994 bis 1998 therapiert wurden (14). Die neueren Daten von Behringer et al. wurden durch Nachbeobachtung von insgesamt männlichen und weiblichen Patienten aus der 5. Studiengeneration (HD13-15-Studien) gewonnen (15). Frauen Die Veröffentlichung von Behringer et al. zeigt bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 3,2 Jahren, dass 51,4% der Patientinnen, die acht Zyklen BEACOPPeskaliert erhielten, unter einer Amenorrhoe litten. Am häufigsten berichteten Frauen über eine Amenorrhoe, wenn ein fortgeschrittenes Stadium vorlag, wenn bei der Erstdiagnose das Alter bei > 30 Jahren lag und wenn während der Chemotherapie keine oralen Kontrazeptiva eingenommen wurden (14). Bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 46 Monaten von insgesamt 562 weiblichen Hodgkin-Lymphom-Überlebenden, die bei der Erstdiagnose < 40 Jahre alt waren, zeigte sich auch in der Auswertung von Behringer et al. ein deutlicher Unterschied in Bezug auf das Alter bei der Erstdiagnose (</ 30 Jahre) und das verabreichte Therapieregime (ABVD oder BEACOPPeskaliert) (Tab. 3 und 4) (15). 30

33 2x ABVD 2x ABVD plus 2x BEACOPP eskaliert 6x BEACOPP eskaliert AMH (microg/l) (95%-Konfidenzintervall) 2,2 (1,4-3,6) 0,9 (0,7-1,2) 0,1 (0,1-0,2) FSH (U/l) (95%-Konfidenzintervall) 2,4 (1,2-4,7) 4,4 (3,2-6,1) 10,6 (6,3-18,0) regulärer Zyklus nach Therapie 94% 100% 88% zum Zeitpunkt der Befragung (Ø 46 Monate nach Therapie) 88% 95% 81% Tab. 3 Hormon- und Zyklusparameter bei Frauen in Abhängigkeit vom Chemotherapie-Regime im Alter von Jahren 2x ABVD 2x ABVD plus 2x BEACOPP eskaliert 6x BEACOPP eskaliert AMH (microg/l) (95%-Konfidenzintervall) 0,7 (0,3-1,6) 0,0 (0,0-0,1) 0,0 (0,0-0,0) FSH (U/l) (95%-Konfidenzintervall) 7,5 (5,9-9,6) 11,8 (8,2-16,9) 23,6 (14,6-38,2) regulärer Zyklus nach Therapie 97% 90% 55% zum Zeitpunkt der Befragung (Ø 46 Monate nach Therapie) 95% 75% 40% Tab. 4 Hormon- und Zyklusparameter bei Frauen in Abhängigkeit vom Chemotherapie-Regime im Alter von Jahren 31

34 Die gemessenen Werte für das follikelstimulierende Hormon (FSH) und das Anti-Müller-Hormon (AMH) waren bei Frauen > 30 Jahren und bei Frauen nach einer Therapie mit BEACOPPeskaliert signifikant schlechter und vereinbar mit einer Schädigung der ovariellen Reserve. Das Auftreten einer regulären Menstruation wurde von mehr als 90% der Frauen nach einer Therapie in den frühen Stadien berichtet, und bei den meisten trat sie innerhalb des ersten Jahres nach Therapie auf. Nach einer Behandlung mit 6-8 Zyklen BEACOPPeskaliert hingegen war die Zeit bis zur Erholung der Ovarialfunktion deutlich länger und stark vom Alter der Patientinnen bei Erstdiagnose abhängig. Das Risiko für eine anhaltende Amenorrhoe nach 4 Jahren lag bei 25-jährigen Patientinnen bei 25%, während es bei 30-jährigen Patientinnen bereits auf 50% anstieg. Männer Bei Männern wirkt sich eine Radiochemotherapie v.a. auf die Spermatogenese aus, die häufig auch schon vor Therapiebeginn, v.a. in den fortgeschrittenen Stadien, eingeschränkt ist. Die Auswirkungen der Therapie auf die Testosteronproduktion fallen hingegen gering aus. So lagen in den erhobenen Studiendaten von Behringer et al. die Mittelwerte für Testosteron nach allen Therapieintensitäten innerhalb der Grenzwerte (15). Für die Beurteilung der Spermiogenese wurden insgesamt 761 männliche Hodgkin-Lymphom-Überlebende, die jünger als 50 Jahre zum Zeitpunkt der Erstdiagnose waren, nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 48 Monaten untersucht. Die Inhibin B- und FSH-Werte korrelierten signifikant mit der Intensität der Chemotherapie (Tab. 5). Nach einer Therapie in den frühen Stadien wiesen 50% der Männer eine InhibinB/FSH-Ratio korrespondierend zu einer sicheren Fertilität auf (Inhibin B/FSH-Ratio > 23,5 ng/u). Der höchste Anteil der Inhibin B/FSH-Werte, die mit einer Oligozoospermie korrelierten, zeigte sich hingegen nach einer Therapie mit 6-8 Zyklen BEACOPPeskaliert (88,8%) (15). Grundsätzlich wird Männern unabhängig vom geplanten Therapieprocedere zur Sperma-Kryokonservierung geraten, da dies eine einfache und effektive Methode zum Fertilitätserhalt ist. Eine Bestrahlung der Hoden ist auch schon in minimalen Dosen toxisch. Aufgrund des Befallmusters (häufiger supradiaphragmaler Befall) ist jedoch nur selten eine Bestrahlung der Hodenregion erforderlich. 32

35 2x ABVD 2x ABVD plus 2x BEACOPP eskaliert 6x BEACOPP eskaliert durchschn. FSH (U/l) (95%-Konfidenzintervall) 5,6 (4,8-6,6) 7,9 (6,8-9,1) 18,7 (17,3-20,3) FSH > 12,4 U/l 13% 29% 80% durchschn. Inhibin B (ng/l) (95%-Konfidenzintervall) 126,1 (111,5-140,7) 93,3 (80,5-107,2) 16,9 (12,9-20,9) Inhibin B < 25 ng/l 7% 22% 75% durchschn. LH (U/l) (95%-Konfidenzintervall) 4,8 (4,3-5,3) 5,1 (4,6-5,6) 7,0 (6,6-7,5) LH > 8,6 U/l 11% 13% 28% durchschn. Gesamt-Testosteron (ng/l) (95%-Konfidenzintervall) 4,2 (3,9-4,6) 4,7 (4,4-5,0) 4,1 (3,8-4,4) Gesamt-Testosteron < 2,8 ng/l 20% 14% 21% Tab. 5 Hormonparameter bei Männern im Alter von Jahren in Abhängigkeit vom Chemotherapie-Regime Wahrscheinlichkeit der gonadalen Metastasierung Die Datenlage zur Abschätzung einer gonadalen Metastasierung ist begrenzt. Studie Anzahl an Patientinnen (n) Stadium der Erkrankung Metastasen gefunden Seshadri et al (16) 26 (24 mit Daten zum Stadium) I/II: n=15 III/IV: n=9 Nein Meirow et al (17) 33 IV: n=8 Nein Bittinger et al (18) 1 IIIB Ja Hoekmann et al (19) 6 IIA: n=3 IIIB: n=1 IVB: n=1 Nein Tab. 6 Studien zur Untersuchung einer ovariellen Kontamination von kryokonservierten Ovargewebeproben mit Hodgkin-Lymphom-Zellen 33

36 In mehreren Studien wurde systematisch versucht, in kryokonserviertem Ovargewebe Tumorzellen nachzuweisen. Tabelle 6 zeigt die den Autoren bekannten bisher publizierten Studien. Insgesamt finden sich selbst bei höhergradigen Tumorstadien fast nie Hinweise für Hodgkin-Lymphomzellen im Ovargewebe. Allerdings wurde ein Fallbericht mit einer ovariellen Beteiligung des Lymphoms publiziert (18). Aufgrund dieses Fallberichts und wissend, dass nie das zu transplantierende Gewebe sondern nur eine Ovarbiopsie untersucht werden kann, sollte eine Gewebeprobe bei der Kryokonservierung oder spätestens vor der Transplantation immer sorgfältig histologisch untersucht werden. Aufgrund dieser Untersuchungen und aufgrund der Vielzahl von Ovargewebe-Transplantationen ohne den Nachweis eines Rezidivs, wurde das Hodgkin-Lymphom als eine Erkrankung mit einem geringen Risiko für eine Metastasierung klassifiziert (Kap. 3.3, Tab. 3) Risiken einer Fertilitätsprotektion Fertilitätsprotektive Massnahmen sind bei einem Hodgkin-Lymphom in der Regel nur mit geringen Risiken verbunden. So sind die Tumorzellen nicht hormonabhängig und das Zeitfenster zur Durchführung aller Massnahmen meist lang genug. Auch scheint das Risiko von Lymphomzellen im Gonadengewebe gering zu sein, da bisher keine Tumorzellen nachgewiesen werden konnten. Zu beachten ist aber, dass Hodgkin-Lymphome häufig mit einem Befall des Mediastinums einhergehen, wodurch eine Intubation und Extubation für eine Laparoskopie risikoreich sein kann. In diesen Fällen sollte eine Entnahme von Ovargewebe erfolgen, wenn die Anästhesisten das Intubations- und Extubationsrisiko für gering halten. Alternativ kann eine hormonelle Stimulation zur Kryokonservierung von unfertilisierten oder fertilisierten Oozyten erwogen werden, da für deren Entnahme keine Intubationsnarkose erforderlich ist Praktische Vorgehensweise Grundsätzlich sollten die Patienten möglichst früh in einem reproduktionsmedizinischen Zentrum vorgestellt werden, um ein möglichst grosses Zeitfenster für die Durchführung der fertilitätsprotektiven Massnahmen zu haben. Eine Vorstellung kann auch bereits vor der Festlegung des Chemotherapie-Regimes erfolgen. 34

37 Diagnose Entscheidungs- kriterium Hodgkin- Lymphom 40 J., Fer8litätsprotek8on gewünscht Therapie POI- Risiko ca %: 6x BEACOOP eskaliert (fortgeschriuenes Stadium) POI- Risiko < ca %: 2x ABVD (frühes Stadium) 2x ABVD plus 2x BEACOOP eskaliert (intermediäres Stadium) Fer8litätsprotek8on dringend empfohlen Fer8litätsprotek8on nach individuellem Risikoprofil zu empfohlen, ggf. nur GnRHa Nicht bei risikoreicher Laparoskopie, z.b. grossem medias8nalem Tumor Zeibenster 1 Woche Zeibenster 2 Wochen Zeibenster 1 Woche ggf. GnRHa Ovarielle S8m., ggf. plus Kryo Ovargewebe, ggf. plus GnRHa, plus Kryo Ovargewebe GnRHa Abb. 1 Grob orientierende Vorgehensweise der Fertilitätsprotektion bei einem Hodgkin-Lymphom (POI = prämature Ovarialinsuffizienz) 35

38 Referenzen 1. Sant M, Allemani C, Tereanu C, De Angelis R, Capocaccia R, Visser O, Marcos-Gragera R, Maynadié M, Simonetti A, Lutz JM, Berrino F. Incidence of hematologic malignancies in Europe by morphologic subtype: results of the HAEMA- CARE project. Blood 2010;116: Robert Koch Institut Krebs in Deutschland Morbus Hodgkin. 3. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over women. Reprod Biomed Online 2015;31: Glimelius I, Ekberg S, Jerkeman M, Chang ET, Björkholm M, Andersson TM, Smedby KE, Eloranta S. Long-term survival in young and middle-aged Hodgkin lymphoma patients in Sweden trends in cure proportions by clinical characteristics. Am J Hematol 2015; Sep 8 [Epub ahead of print]. 5. Pulte D, Jansen L, Gondos A, Emrich K, Holleczek B, Katalinic A, Brenner H. Improved population level survival in younger Hodgkin lymphoma patients in Germany in the early 21st century. Br J Haematol 2014;164: Skoetz N, Trelle S, Rancea M, Haverkamp H, Diehl V, Engert A, Borchmann P. Effect of initial treatment strategy on survival of patients with advanced-stage Hodgkin s lymphoma: A systematic review and network meta-analysis. Lancet Oncol 2013;14: Behringer K, Goergen H, Hitz F, Zijlstra JM, Greil R, Markova J, Sasse S, Fuchs M, Topp MS, Soekler M, Mathas S, Meissner J, Wilhelm M, Koch P, Lindemann HW, Schalk E, Semrau R, Kriz J, Vieler T, Bentz M, Lange E, Mahlberg R, Hassler A, Vogelhuber M, Hahn D, Mezger J, Krause SW, Skoetz N, Böll B, von Tresckow B, Diehl V, Hallek M, Borchmann P, Stein H, Eich H, Engert A. German Hodgkin Study Group; Swiss Group for Clinical Cancer Research; Arbeitsgemeinschaft Medikamentöse Tumortherapie. Omission of dacarbazine or bleomycin, or both, from the ABVD regimen in treatment of early-stage favourable Hodgkin s lymphoma (GHSG HD13): an open-label, randomised, non-inferiority trial. Lancet 2015;385: von Tresckow B, Plütschow A, Fuchs M, Klimm B, Markova J, Lohri A, Kral Z, Greil R, Topp MS, Meissner J, Zijlstra JM, Soekler M, Stein H, Eich HT, Mueller RP, Diehl V, Borchmann P, Engert A. Dose-intensification in early unfavorable Hodgkin s lymphoma: Final analysis of the German Hodgkin study group HD14 trial. J Clin Oncol 2012;30: Engert A, Haverkamp H, Kobe C, Markova J, Renner C, Ho A, Zijlstra J, Král Z, Fuchs M, Hallek M, Kanz L, Döhner H, Dörken B, Engel N, Topp M, Klutmann S, Amthauer H, Bockisch A, Kluge R, Kratochwil C, Schober O, Greil R, Andreesen R, Kneba M, Pfreundschuh M, Stein H, Eich HT, Müller RP, Dietlein M, Borchmann P, Diehl V. German Hodgkin Study Group; Swiss Group for Clinical Cancer Research; Arbeitsgemeinschaft Medikamentöse Tumortherapie. Reduced-intensity chemotherapy and PET-guided radiotherapy in patients with 36

39 advanced stage Hodgkin s lymphoma (HD15 trial): a randomised, open-label, phase 3 non-inferiority trial. Lancet 2012;379: Engert A, Borchmann P, Behringer K, Böll B, Buck A, Dietlein M, Eich HT, Eichenauer DA, Fuchs M, Halbsguth T, Huober J, Hansmann ML, Hentrich M, Holtkamp U, Jahn P, Klimm B, Kobe C, Kriz J, Skoetz N, Müller H, Naumann R, Rancea M, Rosenwald A, Rüffer JU, Schmidberge H, Schmidtke B, Stattaus J, Thielen I, von Tresckow B, Wongso D, Wyen C. Hodgkin Lymphom S3-Leitlinie "Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Hodgkin Lymphoms bei erwachsenen Patienten Version 1.0, Februar van Beek RD, Smit M, van den Heuvel-Eibrink MM, de Jong FH, Hakvoort-Cammel FG, van den Bos C, van den Berg H, Weber RF, Pieters R, de Muinck Keizer-Schrama SM. Inhibin B is superior to FSH as a serum marker for spermatogenesis in men treated for Hodgkin s lymphoma with chemotherapy during childhood. Hum Reprod 2007;22: Kiserud CE, Fosså A, Bjøro T, Holte H, Cvancarova M, Fosså SD. Gonadal function in male patients after treatment for malignant lymphomas, with emphasis on chemotherapy. Br J Cancer 2009;100: Kulkarni SS, Sastry PS, Saikia TK, Parikh PM, Gopal R, Advani SH. Gonadal Function Following ABVD Therapy for Hodgkin s Disease. Am J Clin Oncol 1997;20: Behringer K, Breuer K, Reineke T, May M, Nogova L, Klimm B, Schmitz T, Wildt L, Diehl V, Engert A; German Hodgkin's Lymphoma Study Group. Secondary amenorrhea after Hodgkin's lymphoma is influenced by age at treatment, stage of disease, chemotherapy regimen, and the use of oral contraceptives during therapy: a report from the German Hodgkin's Lymphoma Study Group. J Clin Oncol 2005;23: Behringer K, Mueller H, Goergen H, Thielen I, Eibl AD, Stumpf V, Wessels C, Wiehlpütz M, Rosenbrock J, Halbsguth T, Reiners KS, Schober T, Renno JH, von Wolff M, van der Ven K, Kuehr M, Fuchs M, Diehl V, Engert A, Borchmann P. Gonadal function and fertility in survivors after Hodgkin lymphoma treatment within the German Hodgkin study group HD13 to HD15 Trials. J Clin Oncol 2013;31: Seshadri T, Gook D, Lade S, Spencer A, Grigg A, Tiedemann K, McKendrick J, Mitchell P, Stern C, Seymour JF. Lack of evidence of disease contamination in ovarian tissue harvested for cryopreservation from patients with Hodgkin lymphoma and analysis of factors predictive of oocyte yield. Br J Cancer 2006;94: Meirow D, Hardan I, Dor J, Fridman E, Elizur S, Ra'anani H, Slyusarevsky E, Amariglio N, Schiff E, Rechavi G, Nagler A, Ben Yehuda D. Searching for evidence of disease and malignant cell contamination in ovarian tissue stored from hematologic cancer patients. Hum Reprod 2008;23: Bittinger SE, Nazaretian SP, Gook DA, Parmar C, Harrup RA, Stern CJ. Detection of Hodgkin lymphoma within ovarian tissue. Fertil Steril 2011;95:803 e Hoekman EJ, Smit VT, Fleming TP, Louwe LA, Fleuren GJ, Hilders CG. Searching for metastases in ovarian tissue before autotransplantation: a tailor-made approach. Fertil Steril 2015;103:

40 2.3 Ovarialkarzinom Maren Goeckenjan, Pauline Wimberger Besonderheiten der Ovarialtumoren in Bezug auf die Fertilität Im Netzwerk FertiPROTEKT wurden zwischen 2007 und 2013 ca. 1,5 % aller Beratungen zum Fertilitätserhalt aufgrund eines Ovarialtumors durchgeführt (1). Benigne Tumoren des Ovars werden heute mit Hinblick auf die individuelle Bedeutung der Fertilität im Lebenslauf einer Frau möglichst unter konsequenter Schonung des umliegenden Ovargewebes operiert. Besonders bei chronischen Erkrankungen mit benignen Veränderungen der Ovarien wie der Endometriose ist erst in den letzten Jahrzehnten klar geworden, wie wichtig der Erhalt des umliegenden ovariellen Gewebes mit Schonung der Primordialund Primärfollikel bei jungen Frauen ist. Bei malignen Ovartumoren ist die individuelle Entscheidung zum operativen und onkologischen Vorgehen bei jungen Frauen mit Kinderwunsch schwieriger. Ovartumoren sind unterschiedlichen biologischen Ursprungs und weisen auch ein unterschiedliches biologisches Verhalten auf Stadium-abhängige Prognose Borderline-Tumoren des Ovars Im reproduktiven Alter treten häufig Borderline-Tumoren des Ovars (BOT) auf (Tab. 1). Dabei wird die Diagnose zumeist in frühen Stadien mit einer guten Prognose gestellt (Tab. 2). Beim BOT ist der Nachweis invasiver peritonealer Implantate der wichtigste Prognosefaktor (3). Maligne Keimzelltumoren kommen ebenfalls relativ häufig vor und machen 5% der malignen Ovarialtumoren aus. Sie betreffen besonders Mädchen und junge Frauen. 38

41 Borderline- Tumoren Epitheliale Ovarialkarzinome Maligne Keimzelltumoren Anteil an allen malignen Tumoren im reproduktions- fähigen Alter 31% 50% 19% Tab. 1: Anteil maligner Ovarialtumoren bei Frauen im reproduktiven Alter (2) Epitheliale Ovarialkarzinome Das epitheliale Ovarialkarzinom kommt zwar eher bei Frauen im höheren, aber auch bei Frauen im reproduktiven Lebensalter vor. Es stellt insgesamt die größte Gruppe der malignen Tumoren des Ovars bei jungen Frauen dar (Tab. 1). Im Gegensatz zu anderen gynäkologischen Tumoren ist bis heute eine effektive Früherkennung nicht möglich. Bedingt durch die Diagnose in höherem Krankheitsstadium ist die 5-Jahre-Überlebensrate gering und lag 2010 bei 42% (4). Im Stadium FIGO I hingegen ist die Prognose mit über 90% exzellent (Tab. 2). Die wichtigsten Prognosefaktoren des Ovarialkarzinoms sind der postoperative Tumorrest und das Tumorstadium. Weitere etablierte Prognosefaktoren des Ovarialkarzinoms neben Alter und Allgemeinzustand sind das Tumorgrading, der histologische Typ und die leitliniengerechte Therapie (5). Maligne Keimzelltumoren und maligne Keimstrangtumoren Maligne Keimzelltumoren und maligne Keimstrangtumoren haben eine wesentlich bessere Prognose als das epitheliale Ovarialkarzinom (Tab. 1, 2). 39

42 Art des Tumors Charakteristika Relative 5- Jahres-Überlebensrate Therapie Gutartige Tumoren des Ovars Ovarialtumoren unterschiedlichen Ursprungs: Dermoid, Endometriom, muzinöses und seröses Kystom Keine Verkürzung der Lebenszeit Tumorexzision unter Schonung des funktionellen Ovargewebes Borderline- Tumoren des Ovars Mittleres Erkrankungsalter: 45 Jahre; 1,8-4,8/ Frauen; Bei Diagnose: in 7-30% beidseits, in 75% FIGO I BRCA-Mutation bei FIGO I: 4,3%; 90% Östrogen-Rezeptorpositiv 95-97% FIGO I 65-87% FIGO III Staging-Operation mit bilaterateraler Salpingo-Oophorektomie; Fertilitätserhalt bei einseitigem Befund; Nur operative Therapie, keine Chemotherapie nötig Maligne Keimzell- tumoren 5% der malignen Ovarialtumoren; Diagnose unter 30. Lj 75% mit FIGO I; Hohe Chemosensibilität; meist einseitiger Befall 85-94% Operation Chemotherapie ab Stadium > FIGO IA, 3 Zyklen Platinhaltige Kombination (PEB) Ovarial- karzinom Mittleres Erkrankungsalter: 55 Jahre; 20% FIGO I, 60% FIGO III; BRCA-Mutation FIGO I 24% 42% alle Stadien Leitlinien-gerechte Operation (4); Platinhaltige Chemotherapie ab FIGO > IA G1; Platin-Taxanhaltige Chemotherapie ab FIGO II; ab FIGO IIIB zusätzlich Bevacizumab Tab. 2 Charakteristika der Ovartumoren, 5-Jahres-Überlebensrate und Therapie (3, 5, 6) 40

43 2.3.3 Einfluss der Therapien auf die Fertilität Borderline-Tumor des Ovars Trotz sehr guter Prognose der Borderline-Tumoren des Ovars bei jungen Frauen umfasst die Empfehlung zum operativen Vorgehen grundsätzlich zunächst die komplette Tumorentfernung mit bilateraler Salpingo-Oophorektomie und das adäquate chirurgische Staging, da der postoperative Tumorrest auch hier den bedeutendsten prognostischen Faktor darstellt (5). Oberstes Ziel der operativen Behandlung ist wie beim Ovarialkarzinom die Komplettresektion. Zum Staging gehören die Inspektion des Abdomens mit Gewinnung einer Spülzytologie, Resektion aller auffälligen Areale und exemplarische peritoneale Biopsien auch von unauffälligem Peritoneum sowie Omentektomie und bei muzinösem Subtyp auch Appendektomie. Bei nicht bestehendem Kinderwunsch sollte zusätzlich die kontralaterale Adnexektomie erfolgen. Bei Wunsch nach Fertilitätserhalt können zumeist das kontralaterale Ovar oder bei beidseitigem Befall ein Teil des Ovars und der Uterus erhalten werden (7, 8). Frühes Ovarialkarzinom Beim frühen Ovarialkarzinom umfasst die leitliniengetreue operative Therapie die Empfehlung zur Längsschnittlaparotomie, die beidseitige Salpingo-Oophorektomie, Hysterektomie, Omentektomie, Appendektomie, peritoneale Probexzisionen und die beidseitige pelvine und paraaortale Lymphonodektomie bis zu den Nierenstielen bds. (5). Bei unilateralem Tumorstadium FIGO IA G1 kann bei Kinderwunsch nach adäquatem Staging ein fertilitätserhaltendes operatives Vorgehen gewählt werden. Über die damit verbundenen Risiken muss die Patientin aufgeklärt werden. Bei diesen Patientinnen ist keine adjuvante Chemotherapie indiziert (5). Ab FIGO IA G2 soll mindestens eine Chemotherapie mit Carboplatin mono über 6 Zyklen erfolgen (Tab. 3), ab FIGO II zusätzlich mit Paclitaxel. Eine additive Behandlung mit dem monoklonalen Antikörper Bevacizumab ist bei fortgeschrittenem Ovarialkarzinom ab FIGO IIIB zu erwägen, da dadurch eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien Intervalls erreicht werden kann. 41

44 Maligner Keimzelltumor Maligne Keimzelltumoren werden, wenn möglich, fertilitätserhaltend mit einseitiger Salpingo-Oophorektomie, Omentektomie und Peritoneal-Biopsien therapiert. Eine adjuvante Kombinationschemotherapie, zumeist nach dem BEP-Schema (Tab. 3), wird bei einem Tumorrest oder ab einem Stadium FIGO > IA G1 empfohlen (12). In 70% der Fälle ist die Chemotherapie-induzierte Amenorrhoe reversibel, so dass in Studien eine recht gute Prognose für die Fertilität trotz der Kombination von chirurgischer und gonadotoxischer Reduktion der ovariellen Reserve beschrieben ist (13). Zur Gonadotoxizität von Platinhaltigen Chemotherapien gibt es keine verlässlichen Studien, sie kann jedoch vermutlich altersangepasst im mittleren Bereich der Gonadotoxizität im Vergleich mit anderen Chemotherapien angesiedelt werden. Maligner Keimstrangstromatumor Bei Keimstrangstromatumoren sollte bei einem Uteruserhalt eine Hysteroskopie und fraktionierte Abrasio erfolgen, da ein erhöhtes Endometriumkarzinomrisiko vorliegt. Eine adjuvante Chemotherapie wird erst ab Stadium FIGO IC und höher sowie bei Tumorrest empfohlen (siehe aktuelle S3-Leitlinie). Chemotherapie-Schema Indikation Chemotherapie induzierte Amenorrhoerate BEP - Bleomycin Etoposoid Cisplatin Maligne Keimzelltumoren 95%, nur in 30% persistierend (9, 10) 6 Zyklen Carboplatin mono ab FIGO IA G2 und < FIGO II Keine Daten 6 Zyklen Carboplatin und Paclitaxel über 6 Zyklen Ovarialkarzinom ab FIGO II; ab FIGO IB G1/2 individuell Keine Daten Zusätzlich Bevacizumab ab FIGO IIIB-IV Keine Daten, Effekt Tab. 3 Ovartoxizität der Chemotherapien bei malignen Ovartumoren in vitro nicht beschrieben (11) 42

45 2.3.4 Risiken einer Fertilitätsprotektion bei malignen Ovartumoren Risiken organerhaltender Therapien Borderline-Tumoren des Ovars Bei Borderline-Tumoren (BOT) ist der Ovar- und Uteruserhalt bei exzellenter Prognose im Stadium I nach suffizientem operativem Staging nicht mit einer starken Risikoerhöhung verbunden (Tab. 4). Vermuten lässt sich jedoch aufgrund mehrerer retrospektiver Beobachtungsstudien, dass vor allem bei einer Zystektomie des BOT ein erhöhtes Rezidivrisiko resultiert (14). Die weltweit größte multizentrische retrospektive Studie mit 280 jungen Patientinnen mit einem BOT weist aktuell auf ein erhöhtes Rezidivrisiko im verbliebenen Ovargewebe hin, wenngleich sich die Risiken für ein BOT-Rezidiv und auch für eine invasive Transformation nicht in einer signifikanten Verschlechterung der Überlebensraten widerspiegeln (15). Epitheliale Ovarialkarzinome Beim epithelialen Ovarialkarzinom ist bei einer fertilitätserhaltenden Operation nach guter Selektion der Patientin nicht mit einer signifikanten Änderung des rezidivfreien Intervalls und Überlebens nach einer großen US-amerikanischen Studie mit mehr als beobachteten Frauen zu rechnen (16) (Tab. 4). Voraussetzung dafür ist ein suffizientes operatives Staging und damit eine gute Risikoabschätzung und aufklärung sowie eine engmaschige Nachkontrolle bis zur Geburt und möglichst bei abgeschlossener Familienplanung die komplettierende Operation. Art des Tumors Fertilitätserhaltendes Vorgehen Risiko Borderline Tumoren des Ovars Uteruserhalt und Erhalt von Leichte Erhöhung des Rezidivrisikos, Ovar-schonende Operation. insbesondere bei Zystenentfernung hormonelle Stimulation zur Oozytenkryokonservierung nach der Fraglich leicht erhöhtes Operation Rezidivrisiko 43

46 Art des Tumors Fertilitätserhaltendes Vorgehen Risiko Ovarial - karzinom FIGO IA G1: fertilitätserhaltende Operation. 6 Zyklen Platin-haltige Chemotherapie In verschiedenen retrospektiven Studien kein erhöhtes Rezidivrisiko Wenn Indikation zur Chemotherapie, dann keine fertilitätserhaltende Operation Maligne Keimzell- tumoren Fertilitätserhaltende Operation. GnRH-Agonisten während Kombinations-Chemotherapie mit Platin Nur geringes Risiko für ein Rezidiv bei suffizientem operativen Staging, hohe Chemosensitivität. Keine Reduktion der Effektivität der Chemotherapie, ggf. sogar Verstärkung der antiproliferativen Wirkung Tab. 4 Maligne Ovartumoren und Risiken des fertilitätserhaltenden Vorgehens Risiken fertilitätsprotektiver Therapien Hormonelle Stimulation Es muss kontrovers diskutiert werden, ob eine IVF-Behandlung und die damit verbundene Stimulation das Risiko für ein BOT und ein Ovarialkarzinoms erhöht, wie es in einer Kohortenstudie mit Frauen erscheint (17). In Subanalysen zeigte sich keine Risikoerhöhung in Abhängigkeit von der Anzahl der Stimulationszyklen oder bei höherer Zahl punktierter Eizellen, so dass die Kausalität und somit Plausibilität der Aussage in dieser Kohortenstudie nicht eindeutig nachvollziehbar ist. Offen ist auch, ob die ovarielle Stimulation nach der Behandlung eines BOT das Risiko für ein Rezidiv geringgradig erhöht (18). Kryokonservierung von Ovargewebe Eine Ovarkryokonservierung beim Ovarialkarzinom ist derzeit nicht zu empfehlen. Durch das theoretisch deutlich erhöhte Risiko der Re-Transplantation von Tumorzellen, die im entnommenen, kryokonservierten und später 44

47 retransplantierten Ovar verblieben sind, ist das onkologische Risiko für die Patientin als zu hoch einzuschätzen. Nur wenn die noch experimentellen Techniken zur Generierung von Oozyten in vitro, in anderen Spezies durch Xenotransplantation oder die Bildung eines artifiziellen Ovars (Kap. 3.8) möglich werden, wäre eine Schwangerschaft unter Nutzung des kryokonservierten Gewebes denkbar. GnRH-Agonisten Falls begleitend zur fertilitätserhaltenden Operation eine Chemotherapie induziert wird, sind GnRH-Agonisten zur medikamentösen Ovarprotektion zu erwägen. Eine Beeinträchtigung der Effektivität der Chemotherapie durch GnRH-Agonisten-Gabe bei hormonsensitiven Tumoren wird diskutiert, ist aber eher unwahrscheinlich. Besonderheit BRCA1/2-Mutation Ein besonderer Aspekt bei Beratung von Frauen mit Ovarialkarzinom und Kinderwunsch ist die genetische Prädisposition bei nachgewiesener BR- CA1/2-Mutation. Gemäss der Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren (5) sollten Frauen in Risikokonstellationen genetisch beraten werden und bei Nachweis der BRCA1/2 Mutation nach abgeschlossener Familienplanung eine prophylaktische bilaterale Salpingo-Oophorektomie erhalten (5). Das individuell erhöhte Risiko durch einen Ovarerhalt und das Risiko, die familiäre Belastung an eigene Kinder weiter zu vererben, sollten im Beratungsgespräch zur Fertilitätsprotektion ebenfalls angesprochen werden Praktische Vorgehensweise Nach sorgfältiger Auswahl und guter Risikoberatung kann auch bei Frauen mit malignen Ovartumoren eine fertilitätserhaltende Operation durchgeführt werden. Sinnvoll und onkologisch sicher erscheint die fertilitätserhaltende Operation mit komplettem Staging nur bei Frauen unter 40 Jahren mit Kinderwunsch bei Ovarialkarzinomen bei einem einseitigem Tumorbefall FIGO IA G1 und bei Borderline-Ovarialtumoren. Bei malignen Keimzelltumoren ist ein stadienangepasstes Vorgehen in Kombination mit der adjuvanten Chemotherapie zu erwägen. Bei diesen Frauen kann begleitend zur Chemotherapie die medikamentöse Ovarprotektion mit GnRH-Agonisten sinnvoll sein. 45

48 Borderline- Tumor 40 J., Fer5litätsprotek5on gewünscht Ovarialkarzinom 40 J., Fer5litätsprotek5on gewünscht Diagnose Entscheidungs- kriterium Therapie FIGO IA G1 FIGO IA G2 FIGO > IA G2 Fer5litätserhaltende Opera5on Keine Chemotherapie Zügig Kinderwunsch realisieren, dann KomplePerungsopera5on planen Ggf. fer5litätserhaltende Opera5on Chemotherapie nö5g ggf. Kryo Ovargewebe nach RisikoauKlärung bzgl. Ovarmetastasen; Ggf. GnRHa Radikale Opera5on nö5g: bds. Salpingo- Oophorektomie, Hysterektomie, Omentektomie, pelvine und paraaortale Lymphonodektomie Kein Fer5litätserhalt empfehlenswert Abb. 1 Grob orientierende Vorgehensweise der Fertilitätsprotektion bei Ovarialtumoren 46

49 Alle Frauen müssen darüber aufgeklärt werden, dass grundsätzlich nach erfülltem Kinderwunsch die Komplettierungsoperation erfolgen soll. In Abbildung 1 wird grob orientierend die Vorgehensweise zur Durchführung fertilitätsprotektiver Massnahmen bei Ovarialtumoren dargestellt. Referenzen 1. von Woff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over women. Reprod Biomed Online 2015;31: Kleine W. Results of fertility preserving operations in malignant ovarian tumors. Zentralbl Gynakol 1996;118: Seong SJ, Kim DH, Kim MK, Song T. Controversies in borderline ovarian tumors. J Gynecol Oncol 2015;26: Deutschland/kid_2013/kid_2013_c56_eierstoecke.pdf? blob=publicationfile letzter Aufruf S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge maligner Ovarialtumoren AWMF-Registernummer 032/013OL 6. Ayhan A, Celik H, Taskiran C, Bozdag G, Aksu T. Oncologic and reproductive outcome after fertility-saving surgery in ovarian cancer. Eur J Gynaecol Oncol 2003;24: Uzan C, Kane A, Rey A, Gouy S, Duvillard P, Morice P. Outcomes after conservative treatment of advanced-stage serous borderline tumors of the ovary. Ann Oncol 2010;21: Fauvet R, Poncelet C, Boccara J, Descamps P, Fondrinier E, Daraï E. Fertility after conservative treatment for borderline ovarian tumors: a French multicenter study. Fertil Steril 2005;83: Gadducci A, Lanfredini N, Tana R. Menstrual function and childbearing potential after fertility-sparing surgery and platinum-based chemotherapy for malignant ovarian germ cell tumours. Gynecol Endocrinol 2014;30: Maneschi F, Benedetti-Panici P, Scambia G, Salerno MG, D'Agostino G, Mancuso S. Menstrual and hormone patterns in women treated with high-dose cisplatin and bleomycin. Gynecol Oncol 1994;54:

50 11. Ozer H, Boztosun A, Açmaz G, Atilgan R, Akkar OB, Kosar MI. The efficacy of bevacizumab, sorafenib, and retinoic acid on rat endometriosis model. Reprod Sci 2013;20: Gadducci A, Lanfredini N, Tana R. Menstrual function and childbearing potential after fertility-sparing surgery and platinum-based chemotherapy for malignant ovarian germ cell tumours. Gynecol Endocrinol 2014;30: Park JY, Kim DY, Suh DS, Kim JH, Kim YM, Kim YT, Nam JH. Outcomes of pediatric and adolescent girls with malignant ovarian germ cell tumors. Gynecol Oncol 2015;137: Suh-Burgmann E. Long-term outcomes following conservative surgery for borderline tumor of the ovary: a large population-based study. Gynecol Oncol 2006;103: Trillsch F, Mahner S, Woelber L, Vettorazzi E, Reuss A, Ewald-Riegler N, de Gregorio N, Fotopoulou C, Schmalfeldt B, Burges A, Hilpert F, Fehm T, Meier W, Hillemanns P, Hanker L, Hasenburg A, Strauss HG, Hellriegel M, Wimberger P, Baumann K, Keyver-Paik MD, Canzler U, Wollschlaeger K, Forner D, Pfisterer J, Schroeder W, Muenstedt K, Richter B, Kommoss F, Hauptmann S, du Bois A. Age-dependent differences in borderline ovarian tumours (BOT) regarding clinical characteristics and outcome: results from a sub-analysis of the Arbeitsgemeinschaft Gynaekologische Onkologie (AGO) ROBOT study. Ann Oncol 2014;25: Wright JD, Shah M, Mathew L, Burke WM, Culhane J, Goldman N, Schiff PB, Herzog TJ. Fertility preservation in young women with epithelial ovarian cancer. Cancer 2009;115: Lin QY, Wang YF, Weng HN, Sheng XJ, Jiang QP, Yang ZY. Influence of gonadotropin-releasing hormone agonist on the effect of chemotherapy upon ovarian cancer and the prevention of chemotherapy-induced ovarian damage: an experimental study with nu/nu athymic mice. J Zhejiang Univ Sci B 2012;13: Denschlag D, von Wolff M, Amant F, Kesic V, Reed N, Schneider A, Rodolakis A. Clinical Recommendation on Fertility Preservation in Borderline Ovarian Neoplasm: Ovarian Stimulation and Oocyte Retrieval after Conservative Surgery. Gynecol Obstet Invest 2010;70:

51 2.4 Zervixkarzinom Maren Goeckenjan, Pauline Wimberger Besonderheiten des Zervixkarzinoms in Bezug auf die Fertilität und Stadium-abhängige Prognose Bis heute ist das Zervixkarzinom weltweit die zweithäufigste Krebserkrankung der Frau. Im Netzwerk FertiPROTEKT erfolgen ca. 1,5% der Beratungen aufgrund eines Zervixkarzinoms (1). Noch ist jede zweite Frau bei Erstdiagnose unter 35 Jahren alt (2). Seit Jahrzehnten nimmt jedoch die Inzidenz des Zervixkarzinoms in entwickelten Ländern nach Einführung des gesetzlichen Früherkennungsprogramms kontinuierlich ab. Gleichzeitig werden frühzeitig maligne Veränderungen der Zervix in früheren Stadien erkannt: Ein Drittel aller Zervixkarzinome in entwickelten Ländern wird heute im Stadium FIGO I diagnostiziert (3). Aktuell ist darüber hinaus zu erwarten, dass die Impfung von jungen Mädchen gegen HPV vor dem ersten Geschlechtsverkehr den Anteil der erkrankten Frauen perspektivisch weiter drastisch senken wird. Es wird geschätzt, dass mindestens 70% der Neuerkrankungen des Zervixkarzinoms bei jungen Frauen durch die gängigen Impfungen verhindert werden können und durch den nonavalenten Impfstoff gegen neun HPV-Typen noch eine weitere Reduktion erfolgen kann. In ca. 80% der Fälle handelt sich beim Zervixkarzinom um ein Plattenepithelkarzinom. Das Adenokarzinom, der histologische Subtyp mit einer schlechteren Prognose, betrifft besonders junge Frauen und wird schlechter durch eine Früherkennung erfasst (3). Erkrankungen in Mittleres Erkran- Relative 5-Jah- Mittleres Erkran- Deutschland 2011 (n) kungsalter des res-überlebensrate kungsalter des Zervixkarzinoms des Zervixkarzinoms Ca in situ Jahre FIGO I 93% FIGO II 75% FIGO III 58% FIGO IV 21% 34 Jahre Tab. 1 Charakteristika des Zervixkarzinoms nach Daten des Zentrums für Krebsregisterdaten (4) und des Krebsregisters Bayern nach S3-Leitlinie (5) 49

52 Das Tumorstadium ist beim Zervixkarzinom einer der wichtigsten Parameter zur Abschätzung der Prognose. In frühen Stadien hat das Zervixkarzinom eine sehr gute Prognose (Tab. 1). Weitere klare Prognose- und Risikofaktoren beim Zervixkarzinom sind Lymphknotenbefall, Lymph- und Hämangiosis, Tumorgrading, Histologie und die Resektionsränder. Patientinnen ohne Lymphknotenbefall haben eine 5-Jahres-Überlebensrate von 90%, während der nachgewiesene pelvine Lymphknotenbefall die Überlebensrate je nach Lokalisation auf 20-60% reduziert (3) Einfluss der Karzinomtherapien auf die Fertilität Carcinoma in situ der Zervix Die Therapie des Carcinoma in situ der Zervix schränkt die Fertilität nicht wesentlich ein. Sie sollte so erfolgen, wie es therapeutisch sinnvoll ist. Eine Anpassung des Konus und der Technik, optimal mit LLETZ, der large loop exzision of the transformation zone, verringert den negativen Effekt auf die Verschlussfunktion der Zervix in nachfolgenden Schwangerschaften und damit insbesondere das Risiko der Frühgeburt (6). Zervixkarzinom Die Therapie eines Zervixkarzinoms kann jedoch in vielfältiger Weise einen erheblichen Einfluss auf die Fertilität haben (Abb. 1): Operative Entfernung der Ovarien nur bei fortgeschrittenem Adenokarzinom Schwangerschaftsrisiken durch Konisation und Trachelektomie Radiatio mit Schädigung der ovariellen Reserve Radikale Hysterektomie Einschränkung der Fruchtbarkeit Chemotherapie mit Schädigung der ovariellen Reserve Abb. 1 Einschränkung der Fertilität durch onkologische Therapien beim Zervixkarzinom 50

53 Operation In frühen Stadien des Zervixkarzinoms ist die Operation primär als kurative Therapie indiziert und mit einer primären kombinierten Radiochemotherapie vergleichbar. Nur in frühen Tumorstadien bis maximal FIGO IB und einer Tumorausdehnung < 2 cm kann die Corpus-erhaltende und damit fertilitätserhaltende Therapie ermöglicht werden. Im mikroinvasiven Stadium FIGO IA1 erlaubt die Konisation mit R0-Resektion primär den Erhalt der Fruchtbarkeit. Bei FIGO IA2 und einem zusätzlichen Risikofaktor sowie auch bei FIGO IA1 und zwei Risikofaktoren nimmt das Risiko des Lymphknotenbefalls auf bis zu 5% zu. Ab diesem Stadium soll das Lymphknotenstaging erfolgen, sinnvollerweise vor Entschluss zum Fertilitätserhalt. Die radikale Trachelektomie nach d Argent et al. (7) als Kombination aus Tumorresektion und komplettem Staging sowie permanenter Cerclage ist ein besonderes Beispiel für eine explizit an der Fertilität orientierte operative Tumortherapie. Bei FIGO IB kann unter bestimmten Voraussetzungen, wenn keine weiteren Risikofaktoren und ein Tumordurchmesser < 2 cm vorliegen, ebenfalls eine radikale Trachelektomie erfolgen. Ab FIGO IB1 2cm sollte das Corpus uteri nicht mehr erhalten werden. Es ist die radikale Hysterektomie indiziert, z.b. als totale mesometriale Resektion (TMMR) (8). Hierbei wird entsprechend den embryologisch entwickelten Kompartimenten und nervenschonend operiert. Selbst bei Risikofaktoren erfolgt keine adjuvante Radiatio. Bei Indikation zur radikalen Hysterektomie sollte eine beidseitige Salpingektomie durchgeführt werden, da die Tuben zum Müller schen Kompartiment gehören. Der Erhalt der Ovarien wird beim Zervixkarzinom möglichst angestrebt. Auch beim Adenokarzinom kann im Einzelfall nach Risikoabschätzung Ovar-erhaltend operiert werden. Eine größere retrospektive Analyse von 577 Frauen mit Ovarerhalt bei einem Adenokarzinom der Zervix im Stadium FIGO I zeigte keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Mortalität (9). Ab FIGO IB2 und 51

54 einem Adenokarzinom sollte eine beidseitige Salpingo-Oophorektomie angesprochen werden. Kombinierte Radiochemotherapie Wird eine kombinierte Radiochemotherapie des kleinen Beckens nötig, sollten die Ovarien aus dem Strahlenfeld nach lateral und kranial verlagert werden. Die Lateralverlagerung kann allerdings selbst zu einer Einschränkung der Ovarreserve führen (10) (Kap. 3.6). Der gonadotoxische Effekt der Strahlentherapie im kleinen Becken ist abhängig von der Gesamtdosis und der im Bereich der Ovarien zu berechnenden Lokaldosis sowie dem Alter der Frau bei der Bestrahlung. So liegt die Strahlendosis, bei der 97,5% der behandelten Frauen im Alter von 30 Jahren eine komplette Ovarialinsuffizienz (Sterilisierung) erfahren, bei 14,3 Gy (11) (Kap. 2.9). Bei Uteruserhalt und durchgeführter Radiatio wird eine Gesamtdosis von Gy auf den Uterus und ggf. ein Boost von 9 Gy zumeist als Kombination von perkutaner Bestrahlung und Brachytherapie angewandt. Eine Bestrahlung von mehr als 45 Gy auf den Uterus ist nicht mit einer späteren Schwangerschaft zu vereinbaren (12). Eine Uterustransplantation wäre dann ein experimenteller Ansatz. Bei der kombinierten Radiochemotherapie werden typischerweise zumeist platinhaltige Schemata zur Sensibilisierung genutzt. Der gonadotoxische Effekt potenziert sich mit der gleichzeitigen Bestrahlung des kleinen Beckens. Neoadjuvante Chemotherapie Aktuell wird nur in Einzelfällen eine neoadjuvante Chemotherapie eingesetzt, um den Uteruserhalt nach Downstaging zu ermöglichen (13). Hierbei kann begleitend zum laparoskopischen Lymphknotenstaging (14) vor Beginn der Chemotherapie die Entnahme von Ovargewebe erfolgen. Dies ist ein experimentelles Vorgehen. In höheren Stadien ist der aktive Fertilitätserhalt nicht sinnvoll und gefährdet die onkologische Prognose. 52

55 2.4.3 Wahrscheinlichkeit der ovariellen Metastasierung Eine Metastasierung des frühen Zervixkarzinoms in die Ovarien ist selten und findet sich eher bei Risikofaktoren wie tiefer Infiltration und Beteiligung des Uterus. Dennoch besteht gerade bei Adenokarzinomen der jungen Frau ein erhöhtes Risiko für eine ovarielle Metastasierung (15, 16). Bei einem Plattenepithelkarzinom der Zervix fanden sich im Stadium FIGO IB- IIIB nur in 2 von 485 (0,4%) der Patientinnen ovarielle Metastasen (FIGO IIB und IIIB), während bei Adenokarzinomen der Zervix ovarielle Metastasen bei 12 von 146 (8,2%) der Fälle im Stadium FIGO IB (1/50), FIGO IIB (6/37)und IIIB 5/14) auftraten (15). Bei einem Adenokarzinom der Zervix (n=18) oder einem Carcinoma in situ (n=11) beschrieben Ronnett et al. (16) insgesamt 29 Fälle mit histologisch gesicherten ovariellen Metastasen. Diese Zahlen verdeutlichen eindrücklich das Risiko für ovarielle Metastasen bei einem Adenokarzinom der Zervix. Auf dieses Risiko muss bei jedem Ovarerhalt und vor Kryokonservierung hingewiesen werden. In einer aktuellen Metaanalyse von Studien zu kryokonserviertem Ovargewebe findet sich zwar kein erhöhtes Risiko bei Frauen mit Zervixkarzinom, doch ist die Aussage aufgrund der keinen Fallzahl und geringen histologischen Aussagekraft eingeschränkt (17) Risiken einer Fertilitätsprotektion Neben dem unter genannten Risiko sind weitere zu nennen, die individuell mit der Patientin, aber auch interdisziplinär mit den betreuenden Disziplinen (Onkologie, Strahlentherapie und Reproduktionsmedizin) diskutiert werden müssen (Tab. 2). 53

56 Therapeutisches Vorgehen Radikale Hysterektomie Oophorektomie Modifikation des Vorgehens zum Fertilitätserhalt Uteruserhalt durch Konisation, Trachelektomie Ovarerhalt Mögliche Risiken Inadäquate Operation Erhöhtes Rezidivrisiko Konisation und Trachelektomie bergen das Risiko für Fehl- und Frühgeburt in späteren Schwangerschaften Risiko der ovariellen Metastasierung, insbesondere beim Adenokarzinom Radiatio des kleinen Beckens Lateralverlagerung der Ovarien Einschränkung der ovariellen Reserve durch die operative Verlagerung Chemotherapie Kryokonservierung von Ovargewebe GnRH-Agonisten Transplantation ovarieller Metastasen, insbesondere beim Adenokarzinom Reduktion der Chemotherapie-Effektivität? Wirksamkeit bei gleichzeitiger Radiatio? Tab. 2 Mögliche Risiken bei einem Fertilitätserhalt in Abhängigkeit vom therapeutischen Vorgehen Praktische Vorgehensweise Bei Kinderwunsch und neu diagnostiziertem Zervix-Frühkarzinom FIGO IA1 mit Risikofaktoren und bis IA2 ohne Risikofaktoren ist eine fertilitätserhaltende Operation mit Konisation und bei FIGO IB1 < 2 cm mit radikaler Trachelektomie und Ovarerhalt möglich. Dabei ist ein erhöhtes Rezidivrisiko im Einzelfall jedoch abzuschätzen. Vor einer geplanten Strahlentherapie kann die Lateralverlagerung der Ovarien erfolgen. Lassen sich beim Zervixkarzinom Eizellen kryokonservieren, nicht aber der Uterus erhalten oder muss eine Strahlentherapie erfolgen, so besteht wenngleich auch nicht in Deutschland theoretisch die Möglichkeit einer Leihmutterschaft*. Diese Option ist aber besonders wegen ihrer ethischen Implikationen der Leihmutterschaft* und wegen der schwierigen gesetzlichen Regularien mit der Patientin bzw. dem Paar bei deren Nachfrage detailliert zu besprechen. Kontrovers diskutiert und als experimentell einzustufen ist die neoadjuvante Chemotherapie beim Zervixkarzinom in höheren Stadien, die eine fertilitätserhaltende Operation nach Downstaging ermöglichen soll. * Leihmutterschaft ist in Deutschland gesetzlich verboten 54

57 Diagnose Entscheidungs- kritrium Zervixkarzinom, 40 J., Fer5litätsprotek5on gewünscht Therapie Ca in situ; FIGO IA1- IA2, (IB1 (< 2cm)) (Uterus- erhaltende Opera5on möglich) ab FIGO 1B ( 2 cm) FIGO IA1- IA2 mit max. 1 Risikofaktor: Konisa5on ausreichend FIGO IA2, IB1 (< 2cm) pn0: Trachelektomie (T< 2cm) mit Cerclage und Staging- Opera5on falls Radio- Chemo- therapie Adeno- karzinom ab FIGO IB2: bds. Salpingo- Oophorektomie Radikale Hyster- ektomie keine Fer5litäts- protek5on nö5g falls keine kombinierte Radiochemotherapie: Trachelektomie Transposi5on der Ovarien zur Ovarprotek5on kein Fer5litätserhalt möglich, Fer5litätsprotek5on nicht sinnvoll Abb. 2 Grob orientierende Vorgehensweise der Fertilitätsprotektion bei einem Zervixkarzinom 55

58 Referenzen 1. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over women. Reprod Biomed Online 2015;31: Waggoner SE. Cervical cancer. Lancet 2003;361: Kyrgiou M, Shafi, MI. Invasive cancer of the cervix. Obstet Gynaecol Reprod 2010;20: gebaermutterhalskrebs_node.html, letzter Aufruf S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Zervixkarzinom Version 1.0 September 2014 AWMF-Registernummer 032/033OL 6. Kyrgiou M, Mitra A, Arbyn M, Stasinou SM, Martin-Hirsch P, Bennett P, Paraskevaidis E. Fertility and early pregnancy outcomes after treatment for cervical intraepithelial neoplasia: systematic review and meta-analysis. BMJ 2014;349:g Dargent D, Martin X, Sacchetoni A, Mathevet P. Laparoscopic vaginal radical trachelectomy: a treatment to preserve the fertility of cervical carcinoma patients. Cancer 2000;88: Höckel M, Horn LC, Manthey N, Braumann UD, Wolf U, Teichmann G, Frauenschläger K, Dornhöfer N, Einenkel J. Resection of the embryologically defined uterovaginal (Müllerian) compartment and pelvic control in patients with cervical cancer: a prospective analysis. Lancet Oncol 2009;10: Lyu J, Sun T, Tan X. Ovarian preservation in young patients with stage I cervical adenocarcinoma: a surveillance, epidemiology, and end results study. Int J Gynecol Cancer 2014;24: Buekers TE, Anderson B, Sorosky JI, Buller RE.Pahisa J, Martinez-Roman S, Martinez-Zamora MA, Torne A, Caparros X. Ovarian function after surgical treatment for cervical cancer. Gynecol Oncol 2001;80: Wallace WH, Thomson AB, Saran F, Kelsey TW. Predicting age of ovarian failure after radiation to a field that includes the ovaries. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2005;62: Teh WT, Stern C, Chander S, Hickey M.The impact of uterine radiation on subsequent fertility and pregnancy outcomes. Biomed Res Int 2014;2014: Robova H, Halaska MJ, Pluta M, Skapa P, Matecha J, Lisy J, Rob L.Oncological and pregnancy outcomes after high-dose density neoadjuvant chemotherapy and fertility-sparing surgery in cervical cancer. Gynecol Oncol 2014;135:

59 14. Vercellino GF, Piek JM, Schneider A, Köhler C, Mangler M, Speiser D, Chiantera V. Laparoscopic lymph node dissection should be performed before fertility preserving treatment of patients with cervical cancer. Gynecol Oncol 2012;126: Yamamoto R, Okamoto K, Yukiharu T, Kaneuchi M, Negishi H, Sakuragi N, Fujimoto S. A study of risk factors for ovarian metastases in stage Ib-IIIb cervical carcinoma and analysis of ovarian function after a transposition. Gynecol Oncol 2001;82: Ronnett BM, Yemelyanova AV, Vang R, Gilks CB, Miller D, Gravitt PE, Kurman RJ. Endocervical adenocarcinomas with ovarian metastases: analysis of 29 cases with emphasis on minimally invasive cervical tumors and the ability of the metastases to simulate primary ovarian neoplasms. Am J Surg Pathol 2008;32: Bastings L, Beerendonk CC, Westphal JR, Massuger LF, Kaal SE, van Leeuwen FE, Braat DD, Peek R. Autotransplantation of cryopreserved ovarian tissue in cancer survivors and the risk of reintroducing malignancy: a systematic review. Hum Reprod Update 2013;19:

60 2.5 Komplexe endometriale Hyperplasie mit Atypien und Endometriumkarzinom Maren Goeckenjan, Michael von Wolff, Pauline Wimberger Stadiumabhängige Prognose Die spätere Entscheidung zur aktiven Familienplanung in entwickelten Ländern gepaart mit der Überernährung und dem hohen Anteil von übergewichtigen Frauen führt zur Zunahme der komplexen endometrialen Hyperplasien mit Atypien und des Endometriumkarzinoms auch bei Frauen im reproduktiven Alter. Die komplexe endometriale Hyperplasie ohne Atypien resultiert unbehandelt in ca. 1-3% der Fälle und jene mit Atypien in ca. 30% der Fälle in einem Endometriumkarzinom. Das Typ I-Karzinom ist östrogenabhängig und hat die typischen Risikofaktoren, die auch im Zusammenhang mit einem unerfüllten Kinderwunsch häufig vorkommen wie Nulliparität, polyzystisches Ovarsyndrom, Diabetes mellitus, arterieller Hypertonus und Adipositas. Wenngleich das Endometriumkarzinom selten prämenopausal diagnostiziert wird, so findet sich ein Endometriumkarzinom vor dem 40. Lebensjahr bei etwa 3-14% aller betroffenen Frauen (1). Typischerweise zeigt sich bei jungen Frauen jedoch ein endometrioides Endometriumkarzinom mit niedrigem Tumorstadium und grading und guter Prognose. Tritt das Endometriumkarzinom bei jungen Frauen auf, so sollte eine genetische Prädisposition zur Tumorentwicklung, das hereditäre Tumorsyndrom (hereditäres nicht polypöses kolorektales Karzinom = HNPCC oder Lynch-Syndrom) abgeklärt werden. Hierbei besteht ein Lebenszeitrisiko an einem Endometriumkarzinom zu erkranken von 40-60% (2). 58

61 Prognose Therapiestandard nach Leitlinien Therapie bei Kinderwunsch Komplexe Hyperplasie des Endometriums ohne Atypien Risiko für Endometriumkarzinom: 1-3 % MPA mg /Tag zyklisch; Kontrolle nach 3-6 Monaten mit HSK und Abrasio Verzicht auf Gestagentherapie; Schwangerschaft zeitnah realisieren; Kontrollen Komplexe Hyperplasie des Endometriums mit Atypien Risiko für Endometriumkarzinom: 30%; Endgültige Pathologie des Operationspräparates zeigt in 20-40% ein invasives Karzinom MPA 100 mg/tag oder Gestagen-freisetzendes Intrauterin-Pessar; Histologische Kontrolle nach 3 und 9 Monaten, dann Schwangerschaft möglich Nach Gestagentherapie und Kontrollen Schwangerschaft zeitnah realisieren; anschließend Komplettierungsoperation Endometrioides Endometrium-karzinom Da erhöhtes Rezidivrisiko bei Fertilitätserhalt, nur vertretbar bei FIGO IA, G1; 5-Jahres-Überlebensrate bei FIGO IA G1 93% Standardtherapie bei pt1a, G1 oder G2 (low risk-karzinom) ist die Hysterektomie und beidseitige Salpingo-Oophorektomie. Ab höherem Stadium zusätzlich pelvine u. paraaortale LNE. Bei den low risk-karzinomen ist keine adjuvante Therapie nötig. Bei Wunsch nach Fertilitätserhalt bei endometrioidem Endometriumkarzinom FIGO IA, G1 und positiven Progesteronrezeptoren: Bei Gestagentherapie (z.b. MPA 200 mg/tag) Kontrollhysteroskopien und Verlaufskürettagen. Wenn innerhalb eines Jahres kein Rezidiv, Kinderwunsch zeitnah angehen und nach Abschluss der Familienplanung Komplettierungsoperation empfehlen. Tab. 1 Komplexe endometriale Hyperplasie und Endometriumkarzinom: Prognose und therapeutisches Vorgehen bei Frauen mit und ohne Kinderwunsch (nach Leitlinie Endmetriumkarzinom 2008, aktuell in Überarbeitung, und Empfehlungen der AGO) 59

62 2.5.2 Gonadentoxizität der Therapien Eine Gonadentoxizität aufgrund einer Chemotherapie, wie bei anderen onkologischen Erkrankungen, ist nicht gegeben. Entweder werden Gestagene angewendet, die keine Gonadentoxizität aufweisen oder es erfolgt eine Hysterektomie mit einer Salpingo-Oophorektomie Vorgehensweise und Risiken einer Fertilitätsprotektion Der therapeutische Standard bei der endometrialen komplexen Hyperplasie mit Atypien ist eine Gestagentherapie mit hysteroskopischen und histologischen Kontrollen. Beim Endometriumkarzinom werden standardmässig die Hysterektomie und Salpingo-Oophorektomie durchgeführt. Bei den Karzinomen vom Typ I FIGO1A, G1 und G2 ist dies die alleinige Therapie mit sehr guter Prognose. Ab einem höheren Stadien ist zusätzlich eine systematische pelvine und paraaortale Lymphadenektomie angezeigt. Daten zur Möglichkeit und zu den Risiken einer fertilitätserhaltenden Therapie beim frühen Endometriumkarzinom sind gering. Der Fertilitätserhalt mit einem Erhalt der Ovarien und des Uterus kann in Einzelfällen bei jüngeren Patientinnen bei Diagnose eines gut differenzierten Typ I Endometriumkarzinom, bei auf den Uterus begrenztem Stadium ohne Infiltration des Myometriums, erwogen werden (FIGO IA). Begleitend wird eine Hormontherapie mit Gestagenen, zumeist hochdosiertem Medroxyprogesteronacetat 250 mg/die über mindestens 6-9 Monate, empfohlen (3). In den letzten 5 Jahren wurden einige zumeist retrospektive und kleine Studien zum fertilitätserhaltenden Vorgehen mit einer endokrinen Therapie bei einem Endometriumkarzinom G1 und einer komplexen Endometriumhyperplasie mit Atypien (letztere ist eine Präkanzerose des Endometriumkarzinoms) veröffentlicht. Eine Übersicht dieser Studien zeigt Tabelle 2. 60

63 Studiendesign Vorgehen Studienkollektiv Bemerkungen Koskas et al (4) Retrospektive multizentrische Studie, keine Kontrollen (Frankreich) Fertilitätserhalt und Gestagentherapie mindestens 3 Monate n=8 EC G1; n=14 AH, Alter < 40 Jahre Komplette Remissionen: n=17, 10 Schwangerschaften bei 8 Frauen Kim et al (5) Prospektive Studie, keine Kontrollen (Korea) LNG-Spirale und orale MPA-Gabe, Kontrolle alle 3 Monate mit Endometriumbiopsie n=11 EC G1-2, Alter < 40 Jahre Komplette Remissionen: 87,5%, Nachbeobachtungszeit 31 Monate, 3 Frauen schwanger Shan et al (6) Prospektive Studie, keine Kontrollen (China) Gestagentherapie mindestens 12 Wochen n=14 EC G1, n=12 AH, Alter < 40 Jahre Nachbeobachtungszeit 32 Monate, Rezidiv bei 6/14, 1 Geburt bei 8 Frauen Park et al (7) Retrospektive, multizentrische Analyse, keine Kontrollen (China) Fertilitätserhalt, n=148 EC G1 Gestagentherapie Alter < 40 Jahre Komplette Remissionen: 77,7%, Nachbeobachtungszeit 66 Monate, Rezidiv bei 30,4%, BMI 25 ist Risikofaktor für Rezidiv Gonthier et al (8) Retrospektive Multicenterstudie (Frankreich), keine Kontrollen Gestagen therapie n=17 EC G1, Komplette Remissionen signifikant n=23 AH, Alter 40 Jahre geringer bei übergewichtigen Frauen ( 67% vs. 76%), Nachbeobachtungszeit 35 Monate, Schwangerschaftsrate 35% 61

64 Studiendesign Vorgehen Studienkollektiv Bemerkungen De Marzi et al (9) Chen et al (10) Pronin et al (11) Zhou et al (12) Retrospektive Observationsstudie, keine Kontrollen (Italien) Retrospektive Studie keine Kontrollen (China), Prospektive Studie, keine Kontrollen (Russland) Retrospektive Studie, keine Kontrollen (China) Hysteroskopische Resektion n=20 AH, n=3 mit EC G1, und anschließend Alter 45 Jahre Gestagentherapie Verlaufskontrollen mit Curettage und HSK Gestagentherapie mindestens 6 Monate Behandlung mit LNG-Spirale und GnRH-Agonisten für mindestens 6 Monate Gestagentherapie, bei erhöhtem HbA1c gleichzeitige Metformintherapie mindestens 12 Wochen, regelmäßige Kontrollen n=37 EC G1, n=16 AH, Alter 41 Jahre n=32 EC G1, n=38 AH, Alter 42 Jahre n=19 EC G1, n=13 AH, Alter 40 Jahre Komplette Remissionen nach 3 Monaten 52%, Mediane Rezidivrate nach 6 Monaten 39%. Nachbeobachtungszeit 25 Monate, 7 Schwangerschaften bei 6 Frauen Komplette Remissionen nach durchschnittlich 6 Monaten: 75%, 5-Jahres-Rezidivfreiheit: 71%, Schwangerschaftsrate bei Frauen mit Kinderwunsch 17/33 (52%) Komplette Remissionen: 72% mit EC und 92% mit atypischer Hyperplasie. 8 Frauen schwanger Komplette Remissionen: 84%, Nachbeobachtungszeit 32,5 Monate, 9/21 Frauen wurden schwanger, Insulinresistenz scheint Wahrscheinlichkeit für komplette Remission zu senken, Prognoseverbesserung durch Metformin Tab. 2 Studien zu Maßnahmen des Fertilitätserhaltes bei Frauen < 45 Jahre mit einem endometrioiden Endometriumkarzinom mit Progesteronrezeptoren (EC) FIGO IA G1 oder einer komplexen Hyperplasie des Endometriums mit Atypien (AH). (MEDLINE-Literatursuche: englisch-sprachige Veröffentlichungen von prospektiven oder retrospektiven Studien mit mindestens 20 eingeschlossenen Frauen) 62

65 Aufgrund noch fehlender Studien mit großen Fallzahlen ist der Fertilitätserhalt beim Endometriumkarzinom jedoch eine Einzelfallentscheidung. Die zurzeit aktualisierten deutschen Leitlinien geben zum fertilitätserhaltenden Vorgehen beim Endometriumkarzinom folgendes Vorgehen vor, falls ein dringender Kinderwunsch bei einem gut differenzierten, endometrioiden Endometriumkarzinom FIGO IA vorliegt: Aufklärung über erhöhtes Rezidivrisiko, Vollständiges Abtragen der befallenen Endometriumschleimhaut durch Hysteroskopie und Curettage, Kontinuierlich orale Gestagentherapie über mindestens 6-12 Monate, z.b. MPA 200 mg/d, Nachsorge alle 3 Monate mit Kontrollhysteroskopien und Strichkürettagen, Möglichst geringe Zeit bis zum Schwangerschaftseintritt nach Absetzen der Gestagentherapie, Aufgrund der hohen Rezidiv-Wahrscheinlichkeit nach Erfüllung des Kinderwunsches stadienangepasste Therapie (Hysterektomie und beidseitige Salpingo-Oophorektomie). Ein erhöhtes onkologisches Risiko durch ein inadäquates Staging liegt beim Verzicht auf eine Hysterektomie und eine Salpingo-Oophorektomie vor. Die Chance für eine Komplettremission beträgt je nach Studie 50-84%. Der Verbleib der Ovarien verkürzt in niedrigen Stadien bei einem endometrioidem Endometriumkarzinom das rezidivfreie Intervall nicht (13). Das Risiko eines späteren Ovarialkarzinoms oder einer Metastasierung ins Ovar muss jedoch mitberücksichtigt werden, wenn die Ovarien bei jungen Frauen verbleiben, es beträgt aber vermutlich weniger als 1% beim einem Frühkarzinom (14). Auf dieses Risiko wird in einem Review der Literatur und Darstellung zweier Fälle von synchronem Ovarialkarzinom im engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Fertilitätserhalt bei einem Endometriumkarzinom bei zwei sehr jungen Frauen hingewiesen (15). 63

66 Endometriale Hyperplasie 40 J., Fer8litätserhalt gewünscht Hyperplasie ohne Atypien Hyperplasie mit Atypien z.b. MPA mg/tag zyklisch, HSK/Abrasio- Kontrolle nach 3-6 Monaten, dann SchwangerschaY Diagnose Entscheidungs- kriterium z.b. MPA 100 mg/ Tag oder Gestagen- freisetzendes Intrauterin- Pessar; HSK/Abrasio- Kontrollen nach 3 und 9 Monaten, dann SchwangerschaY Therapie Endometriumkarzinom, 40 J., Fer8litätserhalt gewünscht FIGO IA, G1, Progesteron- Rezeptor- posi8v Tumoren]ernung per Hysteroskopie & Cure`age, Gestagentherapie, z.b. MPA 200mg/Tag 6-12 Monate, Hysteroskopie alle 3 Monate, zügige Realisierung des Kinderwunsches FIGO IA, G1 und Progesteron- Rezeptor nega8v; FIGO IA G2; FIGO > IA FIGO IA, G2: Hysterektomie, Salpingo- oophorektomie bds.; FIGO > IA: plus pelvine und paraaortale LNE nach SchwangerschaY, bei Rezidiv Abb. 1 Grob orientierende Vorgehensweise der Fertilitätsprotektion bei einer endometrialen Hyperplasie und einem Endometriumkarzinom 64

67 Referenzen 1. Park JY, Nam JH. Progestins in the fertility-sparing treatment and retreatment of patients with primary and recurrent endometrial cancer. Oncologist 2015;20: S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie des Endometriumkarzinoms. AWMF-Leitlinie Nr. 032/034, Aktuell in Überarbeitung und Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie des Endometriumkarzinoms auf Grundlage der S2k-Leitlinie (Version 1.0, ). Stand April 2013, letzter Aufrung der Website am empfehlungen_diagnostik_therapie_ec.pdf 3. Kalogera E, Dowdy SC, Bakkum-Gamez JN. Preserving fertility in young patients with endometrial cancer: current perspectives. Int J Womens Health 2014;6: Koskas M, Azria E, Walker F, Luton D, Madelenat P, Yazbeck C. Progestin treatment of atypical hyperplasia and well-differentiated adenocarcinoma of the endometrium to preserve fertility. Anticancer Res 2012;32: Kim MK, Seong SJ, Kim YS, Song T, Kim ML, Yoon BS, Jun HS, Lee YH. Combined medroxyprogesterone acetate/levonorgestrel-intrauterine system treatment in young women with early-stage endometrial cancer. Am J Obstet Gynecol 2013;209:358.e Shan BE, Ren YL, Sun JM, Tu XY, Jiang ZX, Ju XZ, Zang RY, Wang HY. A prospective study of fertility-sparing treatment with megestrol acetate following hysteroscopic curettage for well-differentiated endometrioid carcinoma and atypical hyperplasia in young women. Arch Gynecol Obstet 2013;288: Park JY, Kim DY, Kim JH, Kim KR, Kim YT, Seong SJ, Kim TJ, Kim JW, Kim SM, Bae DS, Nam JH. Long-term oncologic outcomes after fertility-sparing management using oral progestin for oung women with endometrial cancer (KGOG 2002). Eur J Cancer 2013;49: Gonthier C, Walker F, Luton D, Yazbeck C, Madelenat P, Koskas M. Impact of obesity on the results of fertility-sparing management for atypical hyperplasia and grade 1 endometrial cancer. Gynecol Oncol 2014;133: De Marzi P, Bergamini A, Luchini S, Petrone M, Taccagni GL, Mangili G, Colombo G, Candiani M. Hysteroscopic Resection in Fertility-Sparing Surgery for Atypical Hyperplasia and Endometrial Cancer: Safety and Efficacy. J Minim Invasive Gynecol 2015 Dec 24 [Epub ahead of print]. 10. Chen M, Jin Y, Li Y, Bi Y, Shan Y, Pan L. Oncologic and reproductive outcomes after fertility-sparing management with oral progestin for women with complex endometrial hyperplasia and endometrial cancer. Int J Gynaecol Obstet 2015 Oct 1 [Epub ahead of print]. 65

68 11. Pronin SM, Novikova OV, Andreeva JY, Novikova EG. Fertility-Sparing Treatment of Early Endometrial Cancer and Complex Atypical Hyperplasia in Young Women of Childbearing Potential. Int J Gynecol Cancer 2015;25: Zhou R, Yang Y, Lu Q, Wang J, Miao Y, Wang S, Wang Z, Zhao C, Wei L.Prognostic factors of oncological and reproductive outcomes in fertility-sparing treatment of complex atypical hyperplasia and low-grade endometrial cancer using oral progestin in Chinese patients. Gynecol Oncol 2015;139: Lee TS, Lee JY, Kim JW, Oh S, Seong SJ, Lee JM, Kim TJ, Cho CH, Kim SM, Park CY. Outcomes of ovarian preservation in a cohort of premenopausal women with early-stage endometrial cancer: a Korean Gynecologic Oncology Group study. Gynecol Oncol 2013;131: Poilblanc M, Samouelian V, Querleu D. Ovarian preservation during treatment of early stage endometrial cancer. Bull Cancer 2012;99: Zivanovic O, Carter J, Kauff ND, Barakat RR. A review of the challenges faced in the conservative treatment of young women with endometrial carcinoma and risk of ovarian cancer. Gynecol Oncol 2009;115:

69 2.6 Kinderonkologische Erkrankungen Magdalena Balcerek, Michael von Wolff, Anja Borgmann-Staudt Stadiumabhängige Prognose Innerhalb der Kinderonkologie stellen akute Leukämien die häufigsten malignen Tumore mit 31% dar, gefolgt von Hirntumoren mit 24% und Lymphomen mit 14%. Seltener sind Weichteilsarkome (6,1%), Tumore der peripheren Nervenzellen (5,9%), Knochen- (5,2%), Nieren- (4,5%) und Keimzelltumoren (4,1%) (1). Mit der Durchführung von Therapieoptimierungsstudien (TOS) der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) seit den 70er Jahren haben sich die Überlebensraten für Mädchen und Jungen mit malignen Erkrankungen stetig gebessert. So liegt die 15-Jahres-Überlebenswahrscheinlichkeit aktuell bei 81% der Betroffenen mit einer pädiatrisch-onkologischen Erkrankung, welche vor dem 15. Lebensjahr diagnostiziert wurde (1). Derzeit befinden sich ca ehemalige kinderonkologische Patienten in der Langzeitnachbeobachtung des Deutschen Kinderkrebsregisters (1). Diagnosen Gesamte Kinderonkologie Leukämien und myeloproliferative Erkrankungen International Anteil Classification of Childhood Cancer (ICCC-3) Überleben 5 Jahre 15 Jahre 100% 83% 81% I 30,9% 88% 85% Therapieprotokolle der GPOH ALL I(a) 92% 89% AIEOP-BFM ALL, ALL-BFM, Co-ALL AML I(b) 73% 71% AML-BFM CML I(c) 87% 87% CML-paed II MDS, andere myeloproliferative Erkrankungen I(d) 79% 75% EWOG-MDS 2006 Lymphome II 14,1 % 94% 92% M. Hodgkin II(a) 99% 97% EuroNET-PHL-C1, HD 67

70 Diagnosen International Anteil Classification of Childhood Cancer (ICCC-3) Überleben 5 Jahre 15 Jahre Therapieprotokolle der GPOH Burkitt-Lymphom II(c) 93% 92% NHL-BFM, B-NHL BFM, NHL-BFM ZNS Tumore III 23,7 % 78% 71% Ependymome und Choroid plexus Tumore III(a) 81% 69% HIT, HIT-MED, HIT-SKK Astrozytome III(b) 81% 77% SIOP LGG, Intrakranielle/ spinale Embryonaltumore (zb Medulloblastom, PNET) III(c) 67% 56% HIT, HIT-MED, HIT-SKK Andere Gliome III(d) 49% 48% HIT-GBM, HIT-HGG Andere intrakranielle/ spinale Neoplasien (zb Hypophysenadenome, Kraniopharyngiom) III(e) 96% 91% Kraniopharyngeom, HIT-Endo Neuroblastome und IV 5,9% 79% 76% NB Ganglioneuroblastome Knochentumore VIII 5,2% 72% 67% Ewingsarkome: Ewing, Euro EWING, EICESS, CESS Osteosarkome: EU- RAMOS-1, COSS Weichteiltumore IX 6,1% 73% 69% CWS-SoTiSaR, CWS Keimzelltumore X 4,1% 95% 94% MAHO, MAKEI Andere (Retinoblastome, Renale Tummore, Hepatblastome, Karzinome) V, VI, VII, XI Retinoblastomregister Renale Tumore: SIOP 2001/GPOH Hepatoblastome: HB Tab. 1 Überlebensraten und Therapieprotokolle bei verschiedenen Diagnosen und Tumorstadien 68

71 Im Netzwerk FertiPROTEKT erfolgten im Jahr % der Beratungen bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren. Etwa ein Drittel der Patientinnen waren an einem Hodgkin-Lymphom erkrankt und ca. ein Viertel an einer Leukämie. Weitere Beratungen erfolgten wegen Medulloblastomen, myelodysplastischen Syndromen, Sarkomen, Neuroblastomen und Astrozytomen (2) Gonadentoxizität der Therapien Bei bis zu einem Drittel der Mädchen und Jungen ist die Fruchtbarkeit nach einer Chemo- und/oder Strahlentherapie beeinträchtigt (3-5), nach einer Stammzelltransplantation bei über zwei Dritteln (6). In einzelnen Fällen ist innerhalb einiger Jahre nach einer Chemo- und Strahlentherapie eine Erholung der Gonadenfunktion möglich (7). Fast alle ehemaligen Patienten wünschen sich ein eigenes Kind (8). Während die Fehlgeburtenrate bei ehemaligen Patientinnen etwas erhöht sein kann (8), ist die Rate an Schwangerschaftsabbrüchen signifikant niedriger als in der deutschen Allgemeinbevölkerung (9). Ein hohes Risiko für eine spätere Fruchtbarkeitsstörung haben Patienten nach einer hämatopoetischen Stammzelltransplantation, für deren Konditionierungstherapie Busulfan oder eine Ganzkörperbestrahlung (total body irradiation, TBI) verwendet wurde. Auch eine lokale Beckenbestrahlung ist hochgonadotoxisch (6, 7, 10-12) (Tab. 2). Beckenbestrahlung und Ganzkörperbestrahlung (6, 10-12) (s. auch 2.8.2) Chemotherapie Ovarielle Bestrahlungsdosis 10 Gray (Risiko altersabhängig!, ein postpubertäres Organ ist strahlensensibler (10)) Bestrahlung unterhalb LWK 5 erhöhtes Risiko; iliakale Bestrahlung hohes Risiko; inguinale Bestrahlung Risiko individuell unterschiedlich Testikuläre Bestrahlungsdosis 4 Gray Bei Mädchen: Busulfan 14 mg/kg/kg kumulative Dosis (6,7) Bei Jungen: Procarbazin 6 g/m 2 (13) Tab. 2 Therapien mit einem hohen gonadotoxischen Risiko 69

72 Ein mittleres Risiko für eine spätere Fruchtbarkeitsstörung liegt bei folgenden Chemotherapeutika vor (6, 7, 10, 11, 13-15) (Tab. 3): Busulfan > 0,4 g/m 2 ) Carboplatin Cisplatin > 0,5 g/m 2 Cyclophosphamid > 10 g/m 2 Etoposid > 5 g/m 2 Ifosfamid > 42 g/m 2 > 2 g/m 2 (Unsichere Datenlage) Melphalan > 0,14 0,24 g/m 2 Procarbazin bei Mädchen > 6 g/m 2 Procarbazin bei Jungen > 3 g/m 2 Tab. 3 Chemotherapeutika und Dosierungen mit einem mittleren gonadotoxischen Risiko Die in Tabelle 3 genannten Chemotherapeutika werden in folgenden TOS-Protokollen und Studienarmen in den entsprechenden Dosen verwendet (zugehörige Diagnosen siehe Tabelle 1) (Tab. 4): CWS-SoTiSaR: RMS Subgroup C1, D-H; Other RMS-like, Non-RMS-like in HR, Metastatic STS; CWS 02: SR B, HR; 96: SR, HR; 91: SR, HR HR; 86; 81 EURAMOS-1: MAPIE; COSS 96: HR; 91: IOR; 86: LRV-VI, HR Ewing 2008; Euro EWING 99; EICESS 92; CESS 86; 81 HB 1999: HB III SD/PD, IV PR; HCC: III/IV PR EuroNET-PHL-C1: TG2+3 random 07-11; HD 2002 Pilot TG3, HD 95: TG3; 90: TG3; 82: TG3 HIT 2000: HIT2000-AB4, HIT2000-BIS4 -RT; MET-HIT2000-BIS4 CR/PR, P-HIT2000-AB4, P-HIT2000-BIS4-RT; E-HIT2000-AB4, E-HIT2000-BIS4 -RT NB 2004: MR <6M, HR; 97: HR+Mega, HR+DT <6M; 90: RG2+3 A/B-CR, RG3 C-D+4; 82: III +LK, IV SIOP LGG 2004: Standard/Intensivierte Induktion; 96 SIOP 2001/GPOH: II-IV + HR; 93-01: I-V + HR, IV Non-CR Tab. 4 Therapieoptimierungsstudien (TOS) - Protokolle und Studienarme mit Chemotherapeutikadosierungen mit einem mittleren gonadotoxischen Risiko 70

73 Ein geringes Risiko haben Patienten, die eine Therapie gemäß der in Tabelle 5 dargestellten TOS-Protokolle erhalten: AIEOP-BFM ALL 2009, ALL-BFM 2000, 95, 90, 86, 83, 81, 79, 77 AML-BFM 2004, 02, 98, 93, 87, 83, 78 Co-ALL-08-09, 03, 97, 92, 89, 85, 82, 80 CWS SoTiSaR 2009: RMS Subgroup A, B, C2; 02: LR, SR A; 96: LR; 91: LR, HR LR EURAMOS-1: MAP, MAPifn; COSS 96: LR, S1, S2; 91: COSS, COSS/IOR; 90; 89; 86 LR I IV; 85; 82; 80; 77 EuroNET-PHL-C TG1, TG2 + 3 random, seit 2012 TG1-3; EuroNET- PHL-LP1; HD 2002 Pilot; HD 95: TG1; 90: TG1; 87; 85 HB 99: I + II; III PR; HCC: I/II; III/IV PR operabel; SD/PD; PR (operabel, SD/PD); 94; 89 HIT-GBM D, C, B, A HIT-HGG 2007 HIT 2000: HIT2000-BIS4 + RT; MET-HIT2000-BIS4 SD/PD, MET-HIT2000-AB4; PHIT2000-BIS4 + RT; E-HIT2000- BIS4 + RT; HIT-MED 99; HIT-SKK 92; HIT 91; 89; 88; HIT-SKK 87 Kraniopharyngeom 2007, 2000; HIT-Endo 99, 96 NB 2004: Observation, MR N 6M; 97: SR, HR + DT N 6M; 90: RG2 + 3 A/B + CR, RGS-C 85; 82: II II, III-LK; 79 NHL-BFM Registry 2012, B-NHL BFM 04, NHL-BFM 95, 90, 86, 83, 81, 79, 77, 76, 75 MAHO 98; 94; 92; 88; 82 MAKEI 96; 89; 86; 83 SIOP 2001/GPOH: I, II IV ohne HR; I V ohne HR; 89; 82; 80; 79 Tab. 5 Therapieoptimierungsstudien (TOS) Protokolle und Studienarme mit einem geringen gonadotoxischen Risiko Ein präpubertäres Alter bei Therapie geht bei Mädchen und Jungen mit einem niedrigeren Risiko für eine spätere Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit einher (10). Bei einer präpubertären Bestrahlung der Hypophysen-Hypothalamus-Achse der Mädchen ist eine Abweichung des Menarchealters sowohl im 71

74 Sinne einer Pubertas praecox (zur Behandlung siehe (16)) als auch einer Pubertas tarda (zur Behandlung siehe (16)), wobei die Mehrzahl der untersuchten ehemaligen Patientinnen ein normales Alter bei der Menarche nach Chemound/oder Strahlentherapie aufweist (17). Ein Mangel an GnRH bzw. an FSH und/oder LH kann bei Patientinnen und Patienten mit einer Bestrahlung der Hypothalamus-Hypophysen-Achse mit einer Hypophysendosis 30 Gray auftreten und hier zur Funktionsstörung der Gonaden im Sinne eines hypogonadotropen Hypogonadismus führen (3, 18). Dieser ist, auch nach längerem Bestehen, mit einer Hormonersatztherapie behandelbar (zur Behandlung siehe 19). Eine Androgendefizienz wurde auch nach hochdosierten Gaben von Procarbazin und nach einer testikulären Bestrahlung 20 Gray beschrieben (20). Nach einer abdominellen Bestrahlung mit mehr als 14 Gray können Schädigungen des Uterus auftreten, welche zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Schwangerschaftskomplikationen wie Fehlgeburten, Frühgeburtlichkeit, niedriges Geburtsgewicht und erhöhte perinatale Sterblichkeit führen (3, 14, 21) (siehe auch Kap ) Wahrscheinlichkeit der gonadalen Metastasierung Das Risiko einer gonadalen Metastasierung ist bei Kindern und Jugendlichen grundsätzlich besonders zu beachten. So ist das Risiko für maligne Zellen in den Gonaden bei systemischen Erkrankungen, wie den Leukämien und blastären- und Burkitt-Lymphomen hoch (22, 23). Kamiyama et al. (22) fanden in 99 Leukämieautopsien von Kindern in 49% eine testikuläre Infiltration und in 58% eine ovarielle Infiltration. Reid et al. (23) untersuchten Patienten mit Leukämien und Lymphomen post mortem und fanden in 42/65 (65%) Fällen eine testikuläre Infiltration sowie in 20/31 (66%) Fällen eine ovarielle Infiltration. Doch auch bei soliden Tumoren, wie dem Neuroblastom, dem Rhabdomyosarkom, Ewingsarkom und Karzinomen, sind gonadale Metastasierungen beschrieben. Hierbei metastasiert am häufigsten das Neuroblastom und von den Sarkomen das Rhabdomyosarkom in die Gonaden (24, 25). 72

75 Weitere Daten zu dem Risiko einer gonadalen Metastasierung bei Erwachsenen finden sich in Kap. 2.9, 3.3 und in der Übersichtsarbeit von Basting et al. (26). Eine Retransplantation von kryokonserviertem gonadalem Gewebe ist aufgrund der potentiellen gonadalen Metastasierung, auch bei Patienten mit einem hierfür niedrigen Risiko, grundsätzlich als riskant einzustufen. Daher müssen die Patienten und ihre Eltern bereits vor Entnahme des Gewebes darüber informiert werden, dass dieses möglicherweise nicht oder nur nach einer geeigneten Untersuchung einer Probe des zu transplantierenden Gewebes retransplantiert werden kann, was derzeit noch experimentell ist (Kap. 3.8) Besonderheiten der Fertilitätsprotektion bei Kindern und Jugendlichen mit einer Krebserkrankung Die zur Verfügung stehenden fertilitätsprotektiven Maßnahmen für Mädchen und Jungen vor einer pädiatrisch-onkologischen Therapie unterscheiden sich darin, ob der Therapiebeginn vor oder nach Eintritt der Pubertät liegt. Neben etablierten Maßnahmen stehen auch noch experimentelle (insbesondere bei präpubertären Kindern) zur Verfügung (19). Fertilitätsprotektive Maßnahmen bei Mädchen vor Therapiebeginn GnRH-Agonisten (Kap 3.5) GnRH-Agonisten sind bei Kindern nicht indiziert und die Wirksamkeit bei Adoleszenten nur fraglich gegeben. Transposition der Ovarien (Kap. 3.6) Liegen die Ovarien bei einer Radiotherapie im Strahlenfeld, so ist je nach Strahlendosis (Kap , Tab. 2) eine Transposition zu erwägen, deren Nutzen belegt ist. Neben bekannten Komplikationen, wie Durchblutungsstörungen und Zystenbildung des verlagerten Ovars, ist zu beachten, dass bei einer Transposition der Ovarien unter das Diaphragma die Tuben durchtrennt werden müssen, was eine spätere In vitro Fertilisation erforderlich macht. Auch muss bei einer zeitgleichen Bestrahlung je nach Bestrahlungsdosis darauf hingewiesen werden, dass erhöhte Schwangerschaftsrisiken resultieren können oder 73

76 eine Schwangerschaft durch eine Schädigung des Uterus gar unmöglich wird (s. Kap ). Ovarielle Stimulation und Kryokonservierung von Oozyten Die bei einer Kryokonservierung von Oozyten erforderliche vorausgehende ca. 14-tägige hormonelle Stimulation ist, wegen Dringlichkeit der onkologischen Therapie, nicht immer möglich. Eine solche Maßnahme ist nur bei Adoleszenten mit einer bereits aktivierten Follikulogenese durchführbar. Sie erfordert regelmäßige vaginale Ultraschalluntersuchungen und eine vaginale Follikelpunktion, die nur möglich ist, wenn die Größe des Hymenalsaumes eine solche Untersuchung zulässt. Auch ist die psychologische Belastung der vaginalen Manipulationen zu bedenken. Kryokonservierung von Ovargewebe Eine Kryokonservierung ist unter Beachtung der Risiken für eine gonadale Metastasierung (s. oben) möglich und erfordert eine Laparoskopie. Zwei Fallberichte zur Pubertätsinduktion mit retransplantiertem Ovargewebe, welches in der Kindheit kryokonserviert wurde (27, 28) und der Bericht über eine erste Geburt nach der Retransplantation von Ovargewebe, welches bei Beginn der Pubertät entnommen wurde (29), zeigen, dass eine Aktivierung des Gewebes nach einer Retransplantation möglich ist. Da die spätere Schwangerschaftsrate bei einer Retransplantation von Ovargewebe mit einer hohen Follikeldichte, wie sie bei Kindern vorliegt, besonders hoch ist, erscheint diese Maßnahme bei Kindern gut geeignet. Zu beachten ist grundsätzlich jedoch das Risiko der Retransplantation von malignen Zellen Fertilitätsprotektive Maßnahmen bei Jungen vor Therapiebeginn Kryokonservierung von Spermien Eine Kryokonservierung von Spermien nach der Pubertät (Ejakulation, Elektrostimulation, Hodenbiopsie [TESE]) als Fertilitätsreserve für eine spätere assistierte reproduktive Maßnahmen ist ab dem 13. Lebensjahr, Tanner 3 und einem Hodenvolumen 10 ml möglich (30). 74

77 Kryokonservierung von immaturem Hodengewebe Die Kryokonservierung von immaturem, vor der Pubertät operativ entnommenem Hodengewebe, ist noch experimentell. Die erforderliche, anschließende Spermienreifung aus den testikulären Stammzellen ist beim Menschen noch nicht möglich. Auch besteht, je nach maligner Erkrankung, das Risiko für eine Retransplantation von malignen Zellen (siehe Kap ) Praktische Vorgehensweise Eine ausführliche und auf das individuelle Risiko abgestimmte Aufklärung der Betroffenen und deren Angehörigen sollte sowohl das Risiko für eine Fruchtbarkeitsstörung als auch die Chancen und Risiken von fertilitätsprotektiven Massnahmen umfassen, um eine selbstbestimmte Entscheidung zu ermöglichen. Hierbei sollten jugendliche Patienten eine gemeinsame Entscheidung mit den Eltern treffen. Auch die Möglichkeit einer späteren Adoption bei dem Verlust der Fertilität sollte im Beratungsgespräch erwähnt werden. Ebenso sollten die Familien darauf hingewiesen werden, dass es bei den Nachkommen ehemaliger Patienten nach Chemo- und/oder Strahlentherapie keinen Hinweis auf ein erhöhtes Auftreten von Fehlbildungen oder nicht hereditär-bedingten Krebserkrankungen gibt (31-33), um unnötige Sorgen zu vermeiden. Nach Abschluss der onkologischen Therapie ist auf eine regelrechte Pubertäts- und Fruchtbarkeitsentwicklung zu achten, um individuell eine weitere Diagnostik wie etwa eine Hormon- und Spermienanalyse, einleiten zu können. Referenzen 1. Deutsches Kinderkrebsregister. Jahresbericht 2013/14. typo3temp/secure_downloads/22605/0/22cb72c5a76a0e46c1fe d9ab8ecd3c1e/jb2014_s.pdf 2. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over women. Reprod Biomed Online 2015;31: Green DM, Kawashima T, Stovall M, Leisenring W, Sklar CA, Mertens AC, Donaldson SS, Byrne J, Robison LL. Fertility of female survivors of childhood cancer: a report from the childhood cancer survivor study. J Clin Oncol 2009;27:

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79 15. Jahnukainen K, Ehmcke J, Hou M, Schlatt S. Testicular function and fertility preservation in male cancer patients. Best Prac Res Clin Endocrinol Metab 2011;25: AWMF S1 Leitlinie Pubertas tarda tx_szleitlinien/ l_s1_pubertas_tarda_hypogonadismus_ pdf 17. Wessel T, Balcerek M, Reinmuth S, Hohmann C, Keil T, Henze G, Borgmann-Staudt A. Age at Menarche in Childhood Cancer Survivors: Results of a Nationwide Survey in Germany. Horm Res Paediatr 2012;77: Koustenis E, Pfitzer C, Balcerek M, Reinmuth S, Zynda A, Stromberger C, Hohmann C, Keil T, Borgmann-Staudt A. Impact of cranial irradiation and brain tumor location on fertility: a survey. Klin Padiatr 2013;225: AWMF S1 Leitlinie Beeinträchtigung der Gonadenfunktion nach Chemo- und Strahlentherapie im Kindes- und Jugendalter: Risiken, Diagnostik, Prophylaxe- und Behandlungsmöglichkeiten org/uploads/tx_szleitlinien/ _l_s1_beeinträchtigung_gonadenfunktion_ nach_krebs_im_kindesalter_ pdf 20. Howell SJ, Shalet SM. Effect of cancer therapy on pituitary-testicular axis. Int J Androl 2002;25: Reulen RC, Zeegers MP, Wallace WH, Frobisher C, Taylor AJ, Lancashire ER, Winter DL, Hawkins MM. Pregnancy outcomes among adult survivors of childhood cancer in the British Childhood Cancer Survivor Study. Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2009;18: Kamiyama R, Funata N. A study of leukemic cell infiltration in the testis an ovary. Bull Tokyo Med Dent Univ 1976; 23: Reid H, Marsden HB. Gonadal infiltration in children with leukaemia and lymphoma. J Clin Pathol 1980;33: Somjee S, Kurkure PA, Chinoy RF, Deshpande RK, Advani SH. Metastatic ovarian neuroblastoma: a case report. Pediatr Hematol Oncol 1999;16: Young RH, Kozakewich HP, Scully RE. Metastatic ovarian tumors in children: a report of 14 cases and review of the literature. Int J Gynecol Pathol 1993;12: Bastings L, Beerendonk CC, Westphal JR, Massuger LF, Kaal SE, van Leeuwen FE, Braat DD, Peek R. Autotransplantation of cryopreserved ovarian tissue in cancer survivors and the risk of reintroducing malignancy: a systematic review. Hum Reprod Update 2013;19: Poirot C, Abirached F, Prades M, Coussieu C, Bernaudin F, Piver P. Induction of puberty by autograft of cryopreserved ovarian tissue. Lancet 2012;37:

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81 2.7 Rheumatische Erkrankungen schwere Autoimmunerkrankungen Melanie Henes, Michael von Wolff, Jörg Henes Indikationen und Prognose Autoimmunerkrankungen betreffen häufig junge Frauen im gebärfähigen Alter. Ca. 7% aller bei FertiPROTEKT vorgestellten Patientinnen sind an einer benignen Erkrankung erkrankt, zu denen die Autoimmunerkrankungen gezählt werden. Von diesen 7% leiden ca. 25% an einem systemischen Lupus erythematodes (SLE) und 8% an einer Vaskulitis (1). Vor allem rheumatologische Systemerkrankungen wie Kollagenosen und Vaskulitiden, aber auch hämatologische oder neurologische Erkrankungen, wie die Enzephalitis disseminata, stellen, trotz großer therapeutischer Fortschritte in den letzten Jahren, weiterhin häufig eine Indikation zum Einsatz von relativ ungerichteten, aber stark immunsuppressiven Zytostatika dar. Fast ausschließlich wird hierfür Cyclophosphamid (CYC) (Endoxan ) in oraler Darreichungsform oder als intravenöse Pulstherapie verwendet. Auch für eine autologe Stammzelltransplantation als Maximaltherapie einer Immunsuppression bei Autoimmunerkrankungen bildet CYC den zytostatischen Grundpfeiler. Krankheitsbilder, bei denen eine CYC-Therapie notwendig sein kann: Schwere Organmanifestationen (Glomerulonephritis, Alveolitis oder Manifestationen am Zentralnervensystem) bei Kollagenosen wie SLE, Systemische Sklerose, Sjögren-Syndrom, Sharp-Syndrom, Polymyositis oder Dermatomyositis) Schwere Organmanifestationen (meist pulmonal oder renal) bei Anti-Neutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA)-assoziierten Vaskulitiden (z.b. Granulomatose mit Polyangiitis) Therapierefraktäre Formen von Großgefäßvaskulitiden, wobei nur die Takayasu-Arteriitis im reproduktionsfähigen Alter auftritt 79

82 Neurologische Autoimmunerkrankungen: z.b. Encephalitis disseminata (Multiple Sklerose) Nicht-maligne hämatologische Erkrankungen: z.b. Immun-Thrombozytopenien, Hemmkörperhämophilie, Auto-Immunhämolyse Bis auf die ANCA assoziierten Vaskulitiden haben diese Erkrankungen ihren Krankheitsgipfel meist vor Abschluss der Familienplanung. Eine Heilung dieser Erkrankungen ist nicht möglich. Durch eine frühzeitige Diagnose und Einleitung der entsprechenden Therapie können die meisten der Patienten heutzutage jedoch dauerhaft suffizient behandelt werden. Damit hat sich auch die Lebenserwartung dieser Patienten denen der Normalbevölkerung immer mehr angenähert. Somit spielt das Thema Kinderwunsch/Fertilitätserhalt auch für diese Patientinnen eine wichtige Rolle Gonadentoxizität der Therapien Die ovarielle Reserve, bestimmt anhand der Konzentration des Anti-Müller-Hormons (AMH), gilt bei Autoimmunerkrankungen durch die chronische Erkrankung per se als eingeschränkt (2-5). Somit sollte gerade auch bei Autoimmunerkrankungen eine Beratung zum Fertilitätserhalt vor einer CYC-Therapie erfolgen. CYC erhöht das Risiko für eine prämature ovarielle Insuffizienz (POI) bei Autoimmunerkrankungen deutlich. Die Prozentzahlen schwanken in der Literatur zwischen 12% und 54% und werden vor allem vom Alter der Patientinnen zum Zeitpunkt der Therapie sowie der kumulaticen CYC-Dosis beeinflusst. 80

83 Studie Herkunftsland der Studie Erkrankungen Frauen Anzahl untersuchter POI- Rate % Risikofaktoren Boumpas et al (6) Mc Dermott et al (7) Mok et al (8) Ioannidis et al (9) USA SLE Alter, CYC-Dosis UK SLE Alter, CYC-Dosis China SLE Alter, CYC-Dosis Griechenland SLE 67 31,3 Alter, Krankheitsdauer, CYC-Dosis Huong et al (10) Frankreich SLE (56), GPA 84 22,6 Alter Park et al (11) Singh et al (12) Südkorea SLE 67 14,9 Alter Indien SLE 35 31,4 Cytochrom P450- Polymorphismus Appenzeller et al (13) Kanada SLE 57 (CYC 750 mg/m²) 50 (CYC 500 mg/m²) 17,5 0 Alter, CYC-Dosis Alarfaj et al (14) Saudi Arabien SLE ,1 Alter, CYC-Dosis Tab. 1 Studien zur prämaturen ovariellen Insuffizienz (POI) nach Cyclophosphamid (CYC)-Therapie (SLE=Systemischer Lupus erythematodes, GPA=Granulomatose mit Polyangiitis) 81

84 Die Alters- und Dosisabhängigkeit der Ovartoxizität von CYC wird gut in einer chinesischen Untersuchung von 216 Frauen deutlich, bei der die Ovartoxizität anhand der Konzentration des AMH bestimmt wurde. Andere, bei der Behandlung des SLE verwendete Immunsuppressiva, wie Mycophenolat, Azathioprin, Prednisolon, Cyclosporin A, Tacrolismus und Hydroxychloroquin führen gemäß dieser Arbeit zu keiner oder keiner signifikanten Reduktion der Konzentration des AMH (15). 8 7 AMH (ng/ml) Kein CYC 0-5g CYC 5-10g CYC > 10g CYC 0 < 30 Jahre > 30 Jahre Abb. 1 Alter bei der AMH-Bestimmung AMH-Konzentration nach einer Cyclophosphamid (CYC)-Therapie bei Frauen mit einem SLE in Abhängigkeit von der Dosierung und dem Alter (15) Wahrscheinlichkeit einer Exazerbation der Grunderkrankung Eine CYC-Therapie bei Autoimmunerkrankungen ist nur indiziert, wenn eine hohe Krankheitsaktivität vorliegt. Somit ist einerseits meist eine rasche Therapieeinleitung notwendig, andererseits muss auch der Einfluss einer fertilitätserhaltenden Therapie auf die Grunderkrankung bedacht werden. Aufgrund der Pathogenese und der Geschlechtsverteilung vieler Autoimmunerkrankungen muss davon ausgegangen werden, dass eine Erhöhung der weiblichen Hormone die Krankheit negativ beeinflusst, so dass es im Rahmen einer 82

85 Stimulationstherapie zur Gewinnung von Oozyten zu einer weiteren Exazerbation der Grunderkrankung kommen kann. Des Weiteren legen andere Untersuchungen nahe, dass eine Down-Regulation mit einem GnRH-Agonisten einen positiven Einfluss auf die SLE-Erkrankung nimmt (16). Eine Übertragung dieser Erkenntnisse auf andere Autoimmunerkrankungen liegt nahe, ist aber, aufgrund der Seltenheit der Erkrankungen, nicht ausreichend und abschließend untersucht. Insgesamt existieren nur wenige Arbeiten/Empfehlungen zum Fertilitätserhalt speziell bei Autoimmunerkrankungen (17-23). Die weiteren Empfehlungen basieren meist auf Erkenntnissen aus der Behandlung von SLE- Patienten Risiken einer Fertilitätsprotektion GnRH-Agonisten Das Risiko einer GnRH-Agonisten-Therapie ist bei Patientinnen mit rheumatischen Erkrankungen als niedrig anzusehen (siehe Kapitel 3.5). Die Effektivität ist nicht ganz unumstritten. Mehrere Studien zeigen jedoch gerade bei einer CYC-Therapie bei Autoimmunerkrankungen einen effektiven Ovarschutz bei Gabe eines GnRH-Agonisten (17-20). Ovarielle Stimulation Im Falle einer Stimulationstherapie zur Kryokonservierung fertilisierter oder unfertilisierter Eizellen sollte das Vorgehen individuell diskutiert werden. Grundsätzlich sind zwei Risiken hervorzuheben: 1. Risiko der Exazerbation der Erkrankung unter der Stimulation Insbesondere bei Kollagenosen, vor allem dem SLE, kann eine Stimulation zu einer Verschlechterung der Krankheitsaktivität führen. Allerdings ist die Datenlage begrenzt. Guballa et al. (24) untersuchten 17 Frauen (10 mit einem Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom (APS) und 7 Frauen mit einem SLE), bei denen eine Stimulation durchgeführt wurde. In der Auswertung wurden Stimulationen mit Clomifencitrat und hochdosierten Gonadotropinen subsummiert. Bei den Frauen mit einem APS wurde keine Exazerbation dokumentiert. Bei den Frauen mit einem SLE zeigte sich eine leichte Exazerbation bei drei von sieben (43%) Frauen in drei von 16 (16%) Stimulationszyklen. 83

86 2. Risiko von Thrombosen Generell ist das Thromboserisiko bei einer Autoimmunerkrankung erhöht. Das Thromboserisiko ist am höchsten bei einem aktiven APS und einem aktiven SLE. Wenn der Serummarker Lupus Antikoagulans erhöht ist, steigt das Thromboserisiko gemäss einer Metaanalyse um das ca. 6-fache (25). Andere Marker wie Anticardiolipin-Antikörper, anti-β 2 Glycoprotein-Antikörper, Anti-Prothrombin-Antikörper, Anti-Phosphatidylserin-Antikörper und Anti-Phosphatidylethanolamin-Antikörper waren in dieser Studie nur mit einem geringen und nicht signifikanten Anstieg des Thromboserisikos assoziiert. Daten zum Thromboserisiko unter einer Stimulation liegen nur spärlich vor. In der oben genannten Studie von Guballa et al. (24) wurde bei keiner der 17 mit Clomifencitrat oder Gonadotropinen stimulierten Frauen eine Thrombose festgestellt. Allerdings erhielten alle Frauen eine Prophylaxe (Heparin, Aspirin oder Korticosteroide). Somit sollte eine Stimulation bei einem aktiven APS oder SLE nur mit Zurückhaltung indiziert werden und wenn, dann nur unter einem suffizienten Thromboseschutz (26). Kryokonservierung von Ovargewebe Bei jungen Frauen bis zum Alter von 35 bis max. ca. 38 Jahre stellt die Kryokonservierung von Ovargewebe (Kap. 3.3 und 3.4) eine gute Option dar. Da es sich bei Autoimmunerkrankungen um chronische Krankheiten handelt, bietet dieses Verfahren auch dann einen Fertilitätsschutz, wenn eine erneute CYC-Therapie notwendig sein sollte. Aufgrund der oft reduzierten Ovarreserve sollte jedoch vorher eine ausreichende Ovarreserve durch die AMH-Bestimmung und sonographische Beurteilung des AFC sichergestellt werden. Grenzwerte, bis zu denen eine Kryokonservierung durchgeführt werden kann, existieren jedoch nicht Praktische Vorgehensweise Die Wahl der fertilitätserhaltenden Maßnahme ist immer eine individuelle Entscheidung, die in enger Absprache mit der Patientin, dem betreuenden Gynäkologen und Rheumatologen getroffen werden sollte. 84

87 Grundsätzlich sollten die Patienten möglichst früh in einem repro duktions- medizinischen Zentrum vorgestellt werden, um ein möglichst grosses Zeit- fenster für die Durchführung der fertilitätsprotektiven Massnahmen zu haben. Diagnose Entscheidungs- kriterium Schwere Autoimmunerkrankung 40 J. Therapie ggf. GnRH- Agonisten Fer*litätsprotek*on nicht gewünscht Fer*litätsprotek*on gewünscht Hinweis auf begrenzte Datenlage zu GnRHa- Wirksamkeit Ovarreserve (AMH und AFC)ausreichend? Risiko bzgl. einer Exazerba*on und einer Thrombose eher gering? ZeiMenster 1 Woche ZeiMenster 1 Woche ZeiMenster 2 Wochen GnRHa Kryo Ovargewebe ± GnRHa Ovarielle S*mula*on ± GnRHa Abb. 2 Grob orientierende Vorgehensweise der Fertilitätsprotektion bei einer schweren Autoimmunerkrankung 85

88 Referenzen 1. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over 5000 women. Reprod Biomed Online 2015;31: Henes M, Froeschlin J, Taran FA, Brucker S, Rall KK, Xenitidis T, Igney-Oertel A, Lawrenz B, Henes J. Ovarian reserve alterations in premenopausal women with chronic inflammatory rheumatic diseases: impact of rheumatoid arthritis, Behçet's disease and spondyloarthritis on anti-müllerian hormone levels. Rheumatology (Oxford) 2015;54: Lawrenz B, Henes J, Henes M, Neunhoeffer E, Schmalzing M, Fehm T, Kötter I. Impact of systemic lupus erythematosus on ovarian reserve in premenopausal women: evaluation by using anti-muellerian hormone. Lupus 2011;20: Mont'Alverne AR, Pereira RM, Yamakami L, Viana VS, Baracat EC, Bonfá E, Silva CA. Reduced ovarian reserve in patients with takayasu arteriitis. J Rheumatol 2014;41: Thöne J, Kollar S, Nousome D, Ellrichmann G, Kleiter I, Gold R, Hellwig K. Serum anti-müllerian hormone levels in reproductive-age women with relapsing-remitting multiple sclerosis. Mult Scler 2015; 21: Boumpas DT, Austin HA 3rd, Vaughan EM, Yarboro CH, Klippel JH, Balow JE. Risk for sustained amenorrhea in patients with systemic lupus erythematosus receiving intermittent pulse cyclophosphamide therapy. Ann Intern Med 1993;119: McDermott EM, Powell RJ. Incidence of ovarian failure in systemic lupus erythematosus after treatment with pulse cyclophosphamide. Ann Rheum Dis 1996;55: Mok CC, Lau CS, Wong RW. Risk factors for ovarian failure in patients with systemic lupus erythematosus receiving cyclophosphamide therapy. Arthritis Rheum 1998;41: Ioannidis JP, Katsifis GE, Tzioufas AG, Moutsopoulos HM. Predictors of sustained amenorrhea from pulsed intravenous cyclophosphamide in premenopausal women with systemic lupus erythematosus. J Rheumatol 2002;29: Huong DL, Amoura Z, Duhaut P, Sbai A, Costedoat N, Wechsler B, Piette JC. Risk of ovarian failure and fertility after intravenous cyclophosphamide. A study in 84 patients. J Rheumatol 2002;29: Park MC, Park YB, Jung SY, Sbai A, Costedoat N, Wechsler B, Piette JC. Risk of ovarian failure and pregnancy outcome in patients with lupus nephritis treated with intravenous cyclophosphamide pulse therapy. Lupus 2004;13: Singh G, Saxena N, Aggarwal A, Misra R. Cytochrome P450 polymorphism as a predictor of ovarian toxicity to pulse cyclophosphamide in systemic lupus erythematosus. J Rheumatol 2007;34: Appenzeller S, Blatyta PF, Costallat LT. Ovarian failure in SLE patients using pulse cyclophosphamide: comparison of different regimes. Rheumatol Int 2008;28:

89 14. Alarfaj AS, Khalil N. Fertility, ovarian failure, and pregnancy outcome in SLE patients treated with intravenous cyclophosphamide in Saudi Arabia. Clin Rheumatol 2014;33: Mok CC, Chan PT, To CH. Anti-müllerian hormone and ovarian reserve in systemic lupus erythematosus. Arthritis Rheum 2013;65: Mok CC, Wong RW, Lau CS. Ovarian failure and flares of systemic lupus erythematosus. Arthritis Rheum 1999;42: Badawy A, Elnashar A, El-Ashry M, Shahat M. Gonadotropin-releasing hormone agonists for prevention of chemotherapy-induced ovarian damage: prospective randomized study. Fertil Steril 2009;91: Somers EC, Marder W, Christman GM, Ognenovski V, McCune WJ. Use of a gonadotropin-releasing hormone analog for protection against premature ovarian failure during cyclophosphamide therapy in women with severe lupus. Arthritis Rheum 2005;52: Blumenfeld Z, Shapiro D, Shteinberg M, Avivi I, Nahir M. Preservation of fertility and ovarian function and minimizing gonadotoxicity in young women with systemic lupus erythematosus treated by chemotherapy. Lupus 2000;9: Marder W, McCune WJ, Wang L, Wing JJ, Fisseha S, McConnell DS, Christman GM, Somers EC. Adjunctive GnRH-a treatment attenuates depletion of ovarian reserve associated with cyclophosphamide therapy in premenopausal SLE patients. Gynecol Endocrinol 2012;28: Elizur SE, Chian RC, Pineau CA, Son WY, Holzer HE, Huang JY, Gidoni Y, Levin D, Demirtas E, Tan SL. Fertility preservation treatment for young women with autoimmune diseases facing treatment with gonadotoxic agents. Rheumatology 2008;47: Henes JC, Henes M, von Wolff M, Schmalzing M, Kötter I, Lawrenz B. Fertility preservation in women with vasculitis: experiences from the FertiPROTEKT network. Clin Exp Rheumatol 2012;30 (Suppl 70):S Henes M, Henes JC, Neunhoeffer E, von Wolff M, Schmalzing M, Kötter I, Lawrenz B. Fertility preservation methods in young women with systemic lupus erythematosus prior to cytotoxic therapy: experiences from the FertiPROTEKT network. Lupus 2012;21: Guballa N, Sammaritano L, Schwartzman S, Buyon J, Lockshin MD. Ovulation induction and in vitro fertilization in systemic lupus erythematosus and antiphospholipid syndrome.arthritis Rheum 2000;43: Reynaud Q, Lega JC, Mismetti P, Chapelle C, Wahl D, Cathébras P, Laporte S. Risk of venous and arterial thrombosis according to type of antiphospholipid antibodies in adults without systemic lupus erythematosus: a systematic review and meta-analysis. Autoimmun Rev 2014;13: Østensen M, Andreoli L, Brucato A, Cetin I, Chambers C, Clowse ME, Costedoat-Chalumeau N, Cutolo M, Dolhain R, Fenstad MH, Förger F, Wahren-Herlenius M, Ruiz-Irastorza G, Koksvik H, Nelson-Piercy C, Shoenfeld Y, Tincani A, Villiger PM, Wallenius M, von Wolff M. State of the art: Reproduction and pregnancy in rheumatic diseases. Autoimmun Rev 2015;14:

90 2.8 Turner-Syndrom (45,X0 und Mosaike) Andreas Schüring; Frank Nawroth Definition und Klinik des Turner-Syndroms Das Turner-Syndrom ist als numerische oder strukturelle Monosomie X (Karyotyp 45,X0) definiert und betrifft ca. 1 von geborenen Mädchen (1). Die Erstbeschreibung erfolgte durch den Pädiater Ullrich und den Gynäkologen Turner. Klinisch ist das Syndrom u.a. durch Kleinwuchs, Pterygium colli und renale Anomalien charakterisiert. Kardiovaskuläre Fehlbildungen bedingen ein erhöhtes Risiko einer Aortendissektion und ruptur, assoziiert mit einer signifikant erhöhten Morbidität und Mortalität. Die Gonadendysgenesie mit stark reduzierter follikulärer Reserve und prämaturem Ovarversagen als endokrin-reproduktive Charakteristika steht im Fokus der folgenden Ausführungen. Die klinische Ausprägung des Turner-Syndroms ist variabel und korreliert eng mit dem genetischen Befund. Die bei ca. 30% der Patientinnen vorliegenden Mosaike sowie strukturelle chromosomale Abnormalitäten (ca. 40% der Fälle) sind prognostisch günstiger zu bewerten als der numerische Karyotyp 45,X0 (2) Fertilität bei Turner-Syndrom Die Diagnose Turner-Syndrom hat gravierende Folgen für die Fertilität, was für die Patientin eine große Herausforderung darstellt (3, 4). Nur ca % der Patientinnen, nahezu ausschließlich die mit Mosaik-Karyotyp, weisen ohne endokrine Therapie Zeichen einer Pubertätsentwicklung auf. Lediglich 10% erreichen die Menarche, 2-10% erzielen Schwangerschaften (5-7). Ca. 90% aller Mädchen mit Turner-Syndrom haben vor Abschluss der Pubertät die meisten oder alle ihrer Keimzellen verloren und sind dauerhaft unfruchtbar Risiken einer Schwangerschaft bei Turner-Syndrom Turner-Syndrom-Patientinnen unterliegen in der Schwangerschaft, unabhängig vom Konzeptionsmodus, einer erhöhten maternalen und fetalen Morbidität sowie Mortalität (Tab. 1). Auch bei einer Eizellspende ist das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und hypertensive Komplikationen mit ihren 88

91 Konsequenzen für Mutter und Fetus signifikant erhöht (8, 9). Die Beratung über fertilitätsprotektive Maßnahmen muss die assoziierten Risiken berücksichtigen, damit die Patientin ihre Entscheidung gut informiert treffen kann. Ein Screening zur Identifikation von Risikofaktoren und eine engmaschige Überwachung der eingetretenen Schwangerschaft in einem interdisziplinären Experten-Team sind erforderlich Materno-fetale geburtshilfliche Risiken Aortendissektion und Aortenruptur Während der Volumenbelastung einer Schwangerschaft ist durch die häufigen kardiovaskulären Abnormalitäten beim Turner-Syndrom das Risiko einer Aortendissektion oder ruptur signifikant erhöht. Das Mortalitätsrisiko beträgt ca. 2% (8, 10) und entspricht dem 150fachen der maternalen Normalbevölkerung (11). Im Fall einer Mehrlingsschwangerschaft steigt das Risiko einer Aortendissektion um das 5fache (12). Das Ereignis selbst und der Zeitpunkt einer Aortendissektion oder ruptur sind nicht vorhersagbar. Als prädisponierende Faktoren gelten neben einem Hypertonus die häufigen kardialen Anomalien, vor allem Aorten-Dilatation, Koarktation der Aorta, bikuspidale Aortenklappe (13). Die Prävalenz beim Turner-Syndrom beträgt 25-50% (12). Im kardialen MRI geht ein Aortengrößen-Index > 2,0 cm/m³ Körperoberfläche mit einem signifikant erhöhten Risiko einher (14). Auch nach einer Schwangerschaft kann wegen persistierender kardiovaskulärer Schäden das erhöhte Risiko weiter bestehen (15). Hypertensive Komplikationen und weitere Risiken In der Schwangerschaft weisen Turner-Syndrom-Patientinnen ein stark erhöhtes Risiko für hypertensive Erkrankungen mit ihren Komplikationen für Mutter und Fetus auf. Die Inzidenz hypertensiver Störungen beträgt bis zu 67%, in mehr als 50% dieser Fälle treten sie als schwere Manifestationen auf: Präeklampsie, Eklampsie und HELLP-Syndrom (16). Das Risiko eines Gestationsdiabetes und einer Hypothyreose ist ebenfalls erhöht (17). Wegen der körperlichen Statur, der kardiovaskulären und hypertensiven Störungen sowie einer häufiger auftretenden IUGR ist die Sectio-Rate beim Turner-Syndrom erhöht (12, 16). 89

92 Fetale Chromosomenanomalien und Aborte In den wenigen Fällen, in denen Turner-Syndrom-Patientinnen mit eigenen Oozyten konzipieren, besteht ein erhöhtes Risiko für Aborte oder Chromosomenanomalien (5, 18). Interessanterweise wurden vermehrt Aborte und Fehlbildungen nicht nur bei spontanen Schwangerschaften, sondern auch für Donor-Eizellen beschrieben (19). Eine Übersichtsarbeit berichtet über 160 Schwangerschaften von 74 Frauen mit Turner-Syndrom. Es fanden sich in 29% Aborte, in 20% angeborene Fehlbildungen und in 7% der Fälle kam es zum perinatalen Tod (5). Bei den Kindern von 410 Turner-Syndrom-Patientinnen, die über ein zytogenetisches Register identifiziert wurden, zeigten sich in 24% der Fälle Chromosomenanomalien (20). Als mögliche Ursachen für die häufigen Aborte beim Turner-Syndrom werden angeführt: Chromosomenanomalien (3, 21), uterine Fehlbildungen und hypolastischer Uterus (22), verringerte uterine Durchblutung (3, 6), Defizite in endometrialen tight junctions (23) und eine durch ein 21-Dehydroxylase-Defizit verringerte endometriale Rezeptivität (24). Aufgrund der höheren Rate fetaler Chromosomen-Anomalien sollten Patienten mit Turner-Syndrom über eine pränatale Diagnostik oder eine PID informiert werden (25). Aufgrund der reduzierten ovariellen Reserve stehen beim Turner-Syndrom weniger Embyronen für eine PID zur Verfügung, so dass die Schwangerschaftsraten niedriger ausfallen. Wurden die Oozyten vorher kryokonserviert, ist es wahrscheinlich, dass sich die Zahl für eine genetische Testung weiter verringert. Maternale Risiken Aortendissektion, Aortenruptur Hohe Mortalität. Risiko auch nach Schwangerschaft erhöht. Hypertonus Präeklampsie, Eklampsie, HELLP-Syndrom Gestationsdiabetes Hypothyreose Sectio, u.a. aufgrund einer geringen Körpergröße 90

93 Fetale Risiken Aborte Chromosomenanomalien Frühgeburtlichkeit durch maternale Risiken (s.o.) Tab. 1 Maternale und fetale Risiken einer Schwangerschaft bei Turner-Syndrom Maßnahmen der Fertilitätsprotektion Screening, Risikoberatung und multidisziplinäre Überwachung Jede Frau mit Turner-Syndrom, die eine Schwangerschaft in Betracht zieht, muss eingehend über die assoziierten Risiken aufgeklärt werden. Diese Aufklärung sollte erfolgen durch: einen Kardiologen (Spezialist für angeborene Herzkrankheiten), einen Pränatalmediziner und Geburtshelfer eines tertiären Zentrums, und - bei Verwendung von eigenen Oozyten - durch einen Humangenetiker. Die Patientin sollte ein Screening auf zusätzliche Risikofaktoren und assoziierte Erkrankungen erfahren, bevor die endgültige Entscheidung für eine Schwangerschaft getroffen wird (Tab. 2). Während einer Schwangerschaft ist eine engmaschige Überwachung durch ein multidisziplinäres Team in einem tertiären Zentrum erforderlich (26). 91

94 Kardiologisches Konsil (Spezialist für angeborene Herzerkrankungen) Echokardiogramm Elektrokardiogramm (EKG) Kardiale Kernspintomographie (MRT) Ausschluss/Abklärung eines Hypertonus TSH, T4, Schilddrüsen-Antikörper Nüchtern-Glukose, HbA1c, OGTT Leberparameter (γ GT, GOT, GPT), ggf. Sonographie Nieren-Sonographie Nierenfunktionstests bei auffälliger Sonographie oder bestehendem Hypertonus Vaginal-Sonographie, ggf. Hysteroskopie zur Abklärung der uterinen Anatomie PAP-Zytologie Tab. 2 Screening vor Schwangerschaft beim Turner-Syndrom (mod. nach (25)) Einschätzung der ovariellen Reserve Ist eine Schwangerschaftsfähigkeit grundsätzlich gegeben, hängt die Auswahl der fertilitätsprotektiven Maßnahme beim Turner-Syndrom von der individuellen ovariellen Reserve ab. Eine schwedische Gruppe identifizierte Prädiktionsfaktoren für das Vorhandensein von Follikeln bei 74 laparoskopierten Mädchen mit Turner-Syndrom, die bei der Entscheidung für eine fertilitätsprotektive Maßnahme hilfreich sein können (27) (Tab. 3). Aufwändige Maßnahmen mit eigenen Keimzellen wie Kryokonservierung von Ovar oder Oozyten sollten durch einen AMH-Wert deutlich über der Nachweisgrenze sowie das gleichzeitige Vorliegen weiterer Faktoren gerechtfertigt sein, die das Vorhandensein von Follikeln vorhersagen (Tab. 3). 92

95 Mosaik-Karyotyp Normales Serum-FSH Normaler AMH-Wert Spontaner Pubertätseintritt Spontane Menarche Normaler AFC Tab. 3 Prädiktionsfaktoren für das Vorhandensein von Follikeln beim Turner-Syndrom (mod. nach (27, 28)) Maßnahmen der Fertilitätsprotektion Abbildung 1 zeigt das mögliche Vorgehen als Flussschema. Eizellspende mit oder ohne Leihmutterschaft* Die Eizellspende stellt für die Turner-Syndrom-Patientin eine Möglichkeit dar, die assoziierten fetalen chromosomalen Risiken zu umgehen. Trägt sie die Schwangerschaft allerdings selber aus, bleibt das geburtshilfliche Risiko einschließlich der signifikanten kardiovaskulären Risiken bestehen. Insofern ist eine Eizellspende mit Leihmutterschaft* (in Deutschland verboten) als sicherere Alternative in Betracht zu ziehen. Erst diese schließt alle Turner-Syndrom assoziierten Risiken aus. Sollte die Patientin das Austragen der Schwangerschaft bevorzugen, sind ein Screening und eine Risikoberatung durch Kardiologen und Pränatalmediziner erforderlich (siehe ). Fertilitätsprotektion im engeren Sinn: Oozyten-Kryokonservierung und Ovar-Kryokonservierung Ist ein Schutz der eigenen Fruchtbarkeit gewünscht, gilt das Alter der Patientin als ein wichtiges erstes Entscheidungskriterium. Es ermöglicht die bessere Einschätzung der individuellen Schwangerschaftsfähigkeit, so dass nach aktueller Datenlage ein aktives Vorgehen vor allem bei Patientinnen ab dem Lebensjahr in Betracht gezogen wird. Davor würde man aktive Maßnahmen eher nicht in Anspruch nehmen. Andererseits ist zu überlegen, ob * Leihmutterschaft ist in Deutschland gesetzlich verboten 93

96 nicht gerade bei sehr jungen Turner-Syndrom-Mädchen mit noch besserer ovarieller Reserve eine chirurgische Intervention mit Kryokonservierung von Ovargewebe gerechtfertigt und sinnvoll ist. Bei Turner-Syndrom-Patientinnen oberhalb des Lebensjahres sollten aufwändigere Maßnahmen der Fertilitätsprotektion wie Kryokonservierung von Oozyten oder Kryokonservierung von Ovargewebe unter Berücksichtigung von AMH-Wert, der Regelanamnese und dem Vorliegen weiterer Prädiktionsfaktoren (Tab. 3) indiziert werden (Entscheidungspfad siehe Abbildung 1). Wichtige einzelne Punkte: Bei einer Virgo ist möglicherweise der Kryokonservierung von Ovar der Vorzug zu geben oder, wenn eine Kryokonservierung von Oozyten erfolgen soll, eine Follikelpunktion in Vollnarkose mit kleiner Vaginalsonde erforderlich. Bzgl. der ovariellen Stimulation ist bei der zu erwartenden stark eingeschränkten Reserve aufgrund der derzeitigen Datenlage eine hochdosierte Gonadotropin-Applikation als Standardansatz am sinnvollsten, wenn die Patientin eine realistische Chance auf die Gewinnung von mehreren Oozyten hat (28). In ungünstiger Low-Responder-Situation mit fehlenden positiven Prädiktionsfaktoren können eine niedrig dosierte Stimulation oder eine Punktion im natürlichen Zyklus (NC) gerechtfertigt sein. Da noch keine Schwangerschaften nach Kryokonservierung von Ooyzten oder Ovargewebe bei Turner-Syndrom berichtet wurden, gilt die Methode als experimentell und bedarf neben einem informed consent ggf. der Einwilligung einer Ethikkommission (12). Wegen der chromosomalen Risiken bei Verfahren mit eigenen Eizellen sind pränatalmedizinische diagnostische Verfahren anzusprechen, im Falle eines in vitro Verfahrens auch die Präimplantationsdiagnostik (PID). 94

97 Der Transfer von nur einem Embryo ist zu bevorzugen, da Mehrlingsgraviditäten das a priori stark erhöhte Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen (Aortendissektion) verfünffachen (12). Auch die geringe Körpergröße einer Turner-Syndrom-Patientin und die resultierende geburtshilfliche Problematik bei Mehrlingsgravidität sind zu bedenken. Trotz der möglichen Ansätze muss berücksichtigt werden, dass das Turner-Syndrom nicht nur eine reproduktionsmedizinisch schwierige Entität für die Fertilitätsprotektion darstellt. Realistisch kommen vor allem Patientinnen mit Turner-Syndrom-Mosaik oder strukturellen Chromosomenabweichungen für Verfahren mit eigenen Oozyten in Frage. Das Turner-Syndrom ist zudem für eine Schwangere mit einem hohen Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko assoziiert. Der zugewandten Aufklärung der Patientin, die differenziert, klar und offen über die komplexe Situation informiert, kommt daher eine große Bedeutung zu. In diesem Zusammenhang darf nicht vergessen werden, dass die ASRM das Turner-Syndrom als relative Kontraindikation für eine Schwangerschaft klassifiziert hat und eine Leihmutterschaft* empfiehlt (26). Fasst man die möglichen Maßnahmen der Fertilitätsprotektion zusammen, wird klar, dass einfache Methoden die mit dem Turner-Syndrom assoziierten Risiken nicht komplett eliminieren können. Ovar-Kryokonservierung, Oozyten-Kryokonservierung, Eizellspende oder Leihmutterschaft* mit eigenen Eizellen gehen weiterhin mit signifikanten Risiken einher. Erst komplexere Strategien wie Eizellspende mit Leihmutterschaft* oder Kryokonservierung von Oozyten, ICSI kombiniert mit PID und anschließender Leihmutterschaft* können die assoziierten Risiken beim Turner-Syndrom zuverlässig umgehen (Tab. 4). Daher sind aufgrund der beschriebenen Problematik alternativ immer auch eine Adoption oder der Verzicht auf entsprechende Maßnahmen zu erörtern. * Leihmutterschaft ist in Deutschland gesetzlich verboten 95

98 Maternale und fetale geburtshilfliche Risiken (siehe ) Kryokonservierung von Ovargewebe + + Fetale Chromosomenanomalien (siehe ) Kryokonservierung von Oozyten + + Eizellspende + - Leihmutterschaft* mit eigenen Oozyten - + Leihmutterschaft* mit Donor-Oozyten - - Kryo Oozyten, ICSI mit PID, Leihmutterschaft* - - Kryo Ovar, IVM, ICSI mit PID, Leihmutterschaft* - - Keine Maßnahme, Adoption Turner-Syndrom assoziiertes Risiko vorhanden - Turner-Syndrom assoziiertes Risiko nicht vorhanden * Leihmutterschaft ist in Deutschland gesetzlich verboten Tab. 4 Risiken verschiedener fertilitätsprotektiver Maßnahmen beim Turner-Syndrom. Neben einer Adoption eliminieren nur komplexere Maßnahmen alle mit dem Syndrom assoziierten Risiken. 96

99 Turner- Syndrom Eizellspende gewünscht Fer$litätsprotek$on gewünscht Risikoberatung: Kardiologie, Pränatalmedizin Diagnose Alter Jahre Alter > Jahre keine Massnahme, ggf. Kryo Ovar Screening und Risikoberatung: Kardiologie, Pränatalmedizin, Humangene$k Entscheidungs- kriterium Adop$on, LeihmuQerschaO * Pa$en$n ist nicht schwangerschaosfähig Pa$en$n ist schwangerschaosfähig Therapie AMH > 1ng/ml und posi$ve Prädik$onsfaktoren (Kap. 2.8, Tab. 3) AMH 1ng/ml, Eumenorrhoe AMH 1ng/ml, Zyklusstörungen Virgo intacta Keine Virgo intacta ggf. Kryo Ovar, ggf. S$mula$on + Kryo Oozyten ggf. S$mula$on + Kryo Oozyten, ggf. Kryo Ovar ggf. keine oder niedrig dosierte S$m., Kryo Oozyten keine Massnahme, zeitnah Spontan- SchwangerschaO Abb. 1 Grob orientierende Vorgehensweise bei einem Turner-Syndrom * Leihmutterschaft ist in Deutschland gesetzlich verboten 97

100 Referenzen 1 Sybert VP, McCauley E. Turner's syndrome. N Engl J Med 2004;351: Jacobs P, Dalton P, James R, Mosse K, Power M, Robinson D, Skuse D. Turner syndrome: a cytogenetic and molecular study. Ann Hum Genet 1997;61: Abir R, Fisch B, Nahum R, Orvieto R, Nitke S, Ben Rafael Z. Turner's syndrome and fertility: current status and possible putative prospects. Hum Reprod Update 2001;7: Sutton EJ, McInerney-Leo A, Bondy CA, Gollust SE, King D, Biesecker B. Turner syndrome: four challenges across the lifespan. Am J Med Genet 2005;139: Tarani L, Lampariello S, Raguso G, Colloridi F, Pucarelli I, Pasquino AM, Bruni LA. Pregnancy in patients with Turner's syndrome: six new cases and review of literature. Gynecol Endocrinol 1998;12: Hovatta O. Pregnancies in women with Turner's syndrome. Ann Med 1999; 31: Hovatta O. Ovarian function and in vitro fertilization (IVF) in Turner syndrome. Pediatr Endocrinol Rev 2012;9(Suppl 2): Karnis MF, Zimon AE, Lalwani SI, Timmreck LS, Klipstein S, Reindollar RH. Risk of death in pregnancy achieved through oocyte donation in patients with Turner syndrome: a national survey. Fertil Steril 2003;80: Bodri D, Vernaeve V, Figueras F, Vidal R, Guillén JJ, Coll O. Oocyte donation in patients with Turner's syndrome: a successful technique but with an accompanying high risk of hypertensive disorders during pregnancy. Hum Reprod 2006; 21: Chevalier N, Letur H, Lelannou D, Ohl J, Cornet D, Chalas-Boissonnas C, Frydman R, Catteau-Jonard S, Greck-Chassain T, Papaxanthos-Roche A, Dulucq MC, Couet ML, Cédrin-Durnerin I, Pouly JL, Fénichel P; French Study Group for Oocyte Donation. Materno-fetal cardiovascular complications in Turner syndrome after oocyte donation: insufficient prepregnancy screening and pregnancy follow-up are associated with poor outcome. J Clin Endocrinol Metab 2011; 96:E Karnis MF. Fertility, pregnancy, and medical management of Turner syndrome in the reproductive years. Fertil Steril 2012;98: Hadnott TN, Gould HN, Gharib AM, Bondy CA. Outcomes of spontaneous and assisted pregnancies in Turner syndrome: the U.S. National Institutes of Health experience. Fertil Steril 2011;95: Carlson M, Silberbach M. Dissection of the aorta in Turner syndrome: two cases and review of 85 cases in the literature. J Med Genet 2007;44:

101 14. Matura LA, Ho VB, Rosing DR, Bondy CA. Aortic dilatation and dissection in Turner syndrome. Circulation 2007;116: Gravholt CH, Landin-Wilhelmsen K, Stochholm K, Hjerrild BE, Ledet T, Djurhuus CB, Sylvén L, Baandrup U, Kristensen BØ, Christiansen JS. Clinical and epidemiological description of aortic dissection in Turner's syndrome. Cardiol Young 2006;16: Bodri D, Vernaeve V, Figueras F, Vidal R, Guillén JJ, Coll O. Oocyte donation in patients with Turner's syndrome: a successful technique but with an accompanying high risk of hypertensive disorders during pregnancy. Hum Reprod 2006; 21: Bondy CA; Turner Syndrome Study Group. Care of girls and women with Turner syndrome: a guideline of the Turner Syndrome Study Group. J Clin Endocrinol Metab 2007;92: Bryman I, Sylvén L, Berntorp K, Innala E, Bergström I, Hanson C, Oxholm M, Landin-Wilhelmsen K. Pregnancy rate and outcome in Swedish women with Turner syndrome. Fertil Steril 2011;95: Foudila T, Söderström-Anttila V, Hovatta O. Turner's syndrome and pregnancies after oocyte donation. Hum Reprod 1999;14: Birkebaek NH, Crüger D, Hansen J, Nielsen J, Bruun-Petersen G. Fertility and pregnancy outcome in Danish women with Turner syndrome. Clin Genet 2002; 61: Hreinsson JG, Otala M, Fridström M, Borgström B, Rasmussen C, Lundqvist M, Tuuri T, Simberg N, Mikkola M, Dunkel L, Hovatta O. Follicles are found in the ovaries of adolescent girls with Turner's syndrome. J Clin Endocrinol Metab 2002;87: Yaron Y, Ochshorn Y, Amit A, Yovel I, Kogosowki A, Lessing JB. Patients with Turner's syndrome may have an inherent endometrial abnormality affecting receptivity in oocyte donation. Fertil Steril 1996;65: Rogers PA, Murphy CR, Leeton J, Hoise MJ, Beaton L. Turner's syndrome patients lack tight junctions between uterine epithelial cells. Hum Reprod 1992;7: Cohen MA, Sauer MV, Lindheim SR. 21-hydroxylase deficiency and Turner's syndrome: a reason for diminished endometrial receptivity. Fertil Steril 1999;72: Karnis MF. Fertility, pregnancy, and medical management of Turner syndrome in the reproductive years. Fertil Steril 2012;98: Practice Committee of American Society for Reproductive Medicine. Increased maternal cardiovascular mortality associated with pregnancy in women with Turner syndrome. Fertil Steril 2012;97:

102 27. Borgström B, Hreinsson J, Rasmussen C, Sheikhi M, Fried G, Keros V, Fridström M, Hovatta O. Fertility preservation in girls with turner syndrome: prognostic signs of the presence of ovarian follicles. J Clin Endocrinol Metab 2009; 94: Oktay K, Bedoschi G. Oocyte cryopreservation for fertility preservation in postpubertal female children at risk for premature ovarian failure due to accelerated follicle loss in Turner syndrome or cancer treatments. J Pediatr Adolesc Gynecol 2014; 27: Lau NM, Huang JY, MacDonald S, Elizur S, Gidoni Y, Holzer H, Chian RC, Tulandi T, Tan SL. Feasibility of fertility preservation in young females with Turner syndrome. Reprod Biomed Online 2009;18:

103 2.9 Andere maligne Erkrankungen Michael von Wolff, Martin F. Fey Allgemeines Bei ca. 40% der Frauen, die sich für eine fertilitätskonservierende Technik im Netzwerk FertiPROTEKT vorstellten, erfolgte die Konsultation wegen eines Mammakarzinoms (Kap. 2.1), bei ca. 30% wegen eines Hodgkin-Lymphoms (Kap. 2.2) sowie bei ca. 25% wegen einer anderen malignen Erkrankung (1). Unter den anderen malignen Erkrankungen fanden sich im Jahr 2013 in: 11% akute myeloische Leukämien, 8% akute lymphoblastische Leukämien, 7% Borderline-Tumoren der Ovarien (Kap. 2.3), 6,1% Zervixkarzinome (Kap. 2.4), 6% Ewing-Sarkome, 6% unklassifizierte Sarkome, 4% Ovarialkarzinom (Kap. 2.3), 3% Rektumkarzinome, 49% weniger häufige Tumorerkrankungen. Aufgrund dieser Verteilung und der häufigen onkologischen Erkrankungen bei Frauen und Männern im Alter 40 Jahre soll auf die für eine Fertilitätsprotektion relevantesten Krankheitsbilder eingegangen werden (Tabelle 2 bis 8). Dabei sollen die in den Kapiteln 2.1 bis 2.7 dargestellten Kriterien berücksichtigt werden. Zu beachten ist, dass es sich hier nur um orientierende Daten handeln kann. Eine genaue Einschätzung der Prognose und der Gonadentoxizität muss zusammen mit den Onkologen erfolgen. Auch ist zu beachten, dass es bisher nur wenige Untersuchungen von kryokonserviertem Ovargewebe gibt, bei denen systematisch histologisch oder molekularbiologisch nach Metastasen gesucht wurde. Eine bildgebende Diagnostik kann zwar das Risiko für grosse gonadale Metastasen weitgehend ausschliessen, aber nicht Mikrometastasen detektieren. 101

104 2.9.2 Effekte einer Radiatio Da es nicht sinnvoll ist, Daten zu den Effekten einer Radiatio bei allen spezifischen Erkrankungen zu beschreiben, werden diese im Folgenden als Übersicht dargestellt. Beschrieben werden auch die Effekte einer Radiatio auf den Uterus, da eine fertilitätsprotektive Massnahme in der Regel nur dann sinnvoll ist, wenn auch die Chancen und Risiken für die Austragung einer Schwangerschaft vertretbar sind. Effekte einer Radiatio auf die gonadale Funktion Oft ist es schwierig einzuschätzen, ob eine Radiatio eine fertilitätsprotektive Massnahme erfordert, da die Effekte individuell unterschiedlich sein können. Die Daten in Tabelle 1 können deswegen nur orientierend sein. Effekte Frauen: keine relevanten Effekte Frauen: keine relevanten Effekte mit < 40 Jahren Frauen: Risiko einer Ovarialinsuffizienz: ca. 60% mit Jahren Frauen: sterilisierende Dosis mit 0 Jahren Frauen: sterilisierende Dosis mit 10 Jahren Frauen: sterilisierende Dosis mit 20 Jahren Frauen: sterilisierende Dosis mit 30 Jahren Frauen: sterilisierende Dosis mit 40 Jahren Frauen: Reduktion des Follikelpools um ca. 50% Männer: lang andauernde Azoospermie möglich Männer: permanente Azoospermie möglich Männer: permanente Azoospermie möglich Strahlendosis < 0,6 Gy < 1,5 Gy 2,5-5 Gy 20 Gy 18 Gy 16 Gy 14 Gy 7 Gy 2 Gy 2 Gy total 4 Gy total 1,2 Gy fraktioniert Tab. 1 Effekt unterschiedlicher Strahlendosen auf die Gonaden (2, 3) Effekte einer Radiatio auf die uterine Funktion Die Effekte einer Ganzkörperbestrahlung wurde von Salooja et al. (4) untersucht. Verglichen wurden Frauen mit einer Stammzelltransplantation mit und 102

105 ohne Ganzkörperbestrahlung. Analysiert wurden 28 Schwangerschaften bei 21 Frauen (9 Frauen nach einer assistierten Reproduktion) nach einer Ganzkörperbestrahlung (Median 10 Gy, 7-12 Gy) im Vergleich zu 58 Schwangerschaften bei 46 Frauen ohne eine solche Bestrahlung. Bei den Frauen mit einer Ganzkörperbestrahlung lag der Anteil der Kinder mit einem Geburtsgewicht von < 2,5 kg bei ca. 30% im Vergleich zu 10% ohne eine Bestrahlung. Daten zu Schwangerschaften nach einer direkten Bestrahlung des Beckens sind nur sporadisch vorhanden: Hürmüz et al. (5) berichteten von einer Spontan-Einlingsgravidität im Alter von 26 Jahren mit einer Sectio in der 39. Schwangerschaftswoche nach einer Radiatio des Beckens mit 30 Gy wegen eines Analkarzinoms im Alter von 25 Jahren. De Menezes et al. (6) beschrieben eine Zwillingsgravidität nach einer Eizellspende im Alter von 31 Jahren nach einer Radiatio des rechten Beckens mit 36 Gy wegen eines Hodgkin-Lymphoms mit 16 Jahren. In der 35. Schwangerschaftswoche erfolgte eine Sectio wegen einer Präeklampsie. Dabei zeigte sich eine rechtsseitige Adhärenz der Plazenta, was auf die Bestrahlung zurückgeführt wurde. Bath et al. (7) berichteten von einer komplikationslosen Spontan-Einlingsgravidität im Alter von 20 Jahren mit einer Sectio in der 38. Schwangerschaftswoche mit einem Kindsgewicht von g nach einer Radiatio des linken Beckens mit 55 Gy und des rechten Beckens mit 10 Gy wegen eines Ewing-Sarkoms mit 16 Jahren. Teh et al. (8) analysierten systematisch die klinischen Konsequenzen einer Radiatio in der Kindheit und im Erwachsenenalter und kamen zu folgenden Schlussfolgerungen: Eine Radiatio im Kindesalter scheint einen grösseren negativen Effekt auf den Uterus zu haben als eine Radiatio im Erwachsenenalter. Eine Radiatio des adulten Uterus bei einer Ganzkörperbestrahlung (12 Gy) ist mit einem erhöhten Risiko für Aborte, Frühgeburten und einem niedrigen Geburtsgewicht assoziiert. Bei einer Radiatio des Uterus im Kindesalter mit > 25 Gy sollte grundsätzlich von einer Schwangerschaft abgeraten werden. Bei einer Radiatio des Uterus im Erwachsenenalter mit > 45 Gy sollte grundsätzlich von einer Schwangerschaft abgeraten werden. 103

106 2.9.3 Maligne Erkrankungen Häufigkeit 5-Jahres- Überlebensrate (nach Risikoklassifikation) Gonadentoxizität der onkologischen Therapie Risiko für eine Metastasierung in das Ovar Fertilitätsprotektive Massnahmen Neuerkrankungen 3/ Kinder < 15 Jahre, 2,4/ Heranwachsende und junge Erwachsene. Tab. 2 Ewing-Sarkom Risikoklasse Standard : 70-75%: lokalisierter Tumor gutes histologisches Ansprechen auf neoadjuvante Chemotherapie Risikoklasse Hoch : ca. 50%: lokalisierter Tumor und initiales Tumorvolumen > 200 ml oder schlechtes histologisches Ansprechen auf neoadjuvante Chemotherapie oder Lungenmetastasen als einzige Lokalisation der Metastasierung Risikoklasse Sehr hoch : ca %: alle anderen > ca. 50%, insbesondere in Kombination mit einer Radiotherapie oder einer Knochenmarktransplantation (9); Radiatio: s. auch Kap Bei Sarkomen in Einzelfällen möglich. Untersuchung von Ovargewebe: Greve et al. (10): 9 Frauen: kein Tumornachweis; Abir et al. (11): 8 Frauen, 7 Frauen ohne, 1 Frau mit Tumornachweis; Hoekmann et al. (12): 4 Frauen: kein Tumornachweis; Sörensen et al. (13) (Überwiegend bildgebende, nicht aber histologische Diagnostik): 514 Frauen in 3 Studien: 1 Frau mit ovarieller Metastasierung GnRH- Agonisten, Kryokonservierung von Oozyten nach Stimulation und Kryokonservierung von Ovargewebe Spermien- Kryokonservierung, ggf. Kryokonservierung von Hodengewebe 104

107 Häufigkeit Neuerkrankungen ca. 2-3/ Tab. 3 Osteosarkom in Abhängigkeit von der Tumorklassifikation: 20-80% 5-Jahres- Überlebensrate Gonadentoxizität der onkologischen Therapie Prämature Ovarialinsuffizienz bei 6/90 jungen Frauen nach einer Chemotherapie: Longhi et al. (14). Risiko für eine Metastasierung in das Ovar Bei Sarkomen in Einzelfällen möglich. Untersuchung von Ovargewebe: Greve et al. (10): 4 Frauen: kein Tumornachweis; Hoekmann et al. (12): 7 Frauen: kein Tumornachweis Fertilitätsprotektive Massnahmen GnRH-Agonisten, Kryokonservierung von Oozyten nach Stimulation und Kryokonservierung von Ovargewebe Spermien-Kryokonservierung, ggf. Kryokonservierung von Hodengewebe Häufigkeit 5-Jahres- Überlebensrate Gonadentoxizität der onkologischen Therapie Risiko für eine Metastasierung in das Ovar Fertilitätsprotektive Massnahmen Neuerkrankungen ca. 70/ (30% Rektum, 70% Kolon) nach kurativer Resektion (pr0): Kolonkarzinom: 70-80%, Rektumkarzinom: 60-70%, je nach Tumorstadien (pt1-3) für R0-Resektionen: 90, 80, 60% (Kolon), 90, 70, 40% (Rektum) moderat bei Chemotherapie; hoch, falls Radiotherapie des Beckens erforderlich ist und die Ovarien im Bereich der Strahlung/ Streustrahlung liegen (15). Radiatio: s. auch Kap Niedrig. Fernmetastasen nur im Stadium IV, üblicherweise in Lunge und Leber, in Einzelfällen auch in die Ovarien. Untersuchung von Ovargewebe: Hoeckmann et al. (12): 1 Frau mit Rektumkarzinom: kein Tumornachweis Transposition der Ovarien bei einer Radiotherapie, falls die Ovarien im Strahlenfeld liegen. GnRH-Agonisten bei Chemotherapie, Kryokonservierung von Oozyten nach Stimulation und Kryokonservierung von Ovargewebe Spermien-Kryokonservierung, ggf. Kryokonservierung von Hodengewebe Tab. 4 Kolorektales Karzinom 105

108 Häufigkeit 5-Jahres- Überlebensrate Gonadentoxizität der onkologischen Therapie Risiko für eine Metastasierung in das Ovar Fertilitätsprotektive Massnahmen Neuerkrankungen ca. 5-10/ ; eher im höheren Alter ca. 65% Da es sich um eine sehr heterogene Gruppe von Erkrankungen handelt, fallen die Prognosen je nach Erkrankung unterschiedlich aus. je nach Therapie teilweise hoch bis sehr hoch, nach CHOP (n=20) und VA- COP-B (n=16) (16); 20% unreg. Zyklen und 5% Amenorrhoe; Radiatio: s. auch Kap Hoch bei blastären NHL- und Burkitt-Lymphomen. Briseno-Hernandez et al. (17): eine Frau: Nachweis eines Burkitt-Lymphoms in beiden Ovarien ansonsten moderat: Untersuchung von Ovargewebe: Meirow et al. (18): 2 Frauen: ovarielle Metastasen per Bildgebung festgestellt, deswegen keine Kryokonservierung von Ovargewebe, 14 Frauen histolog. Untersuchung von Ovargewebe: kein Tumornachweis; Hoekmann et al. (12): 2 Frauen: kein Tumornachweis GnRH-Agonisten bei Chemotherapie, Kryokonservierung von Oozyten nach Stimulation Kryokonservierung von Ovargewebe eher nicht wegen der Möglichkeit von Tumorzellen im Ovargewebe Spermien-Kryokonservierung, ggf. Kryokonservierung von Hodengewebe Tab. 5 Non-Hodgkin-Lymphom (insbesondere blastäre NHL und Burkitt-Lymphome) 106

109 Häufigkeit 5-Jahres- Überlebensrate Gonadentoxizität der onkologischen Therapie Risiko für eine Metastasierung in das Ovar Fertilitätsprotektive Massnahmen Neuerkrankungen ca. 1,1 / , insbesondere junge Menschen ca. 50% auch ohne Transplantation meist hoch, bei autologer oder allogener Stammzelltransplantation sehr hoch Hoch (Erkrankung des blutbildenden Systems). Untersuchung von Ovargewebe: Dolmans et al. (19): Nachweis von Tumorzellen per PCR; Greve et al. (20): per PCR Nachweis von Tumorzellen bei einigen Frauen selbst bei einer kompletten Remission, bei Xenotransplantation jedoch keine Erkrankung der SCID-Mäuse GnRH-Agonisten bei Chemotherapie, Kryokonservierung von Oozyten nach Stimulation meist nicht möglich, da Zeitfenster bis zur Chemotherapie unzureichend, Kryokonservierung von Ovargewebe: experimentell, da Techniken zur Generierung von Oozyten noch unzureichend sind (Kap. 3.8), falls Kryokonservierung von Ovargewebe: nach Induktions-Chemotherapie und bei kompletter Remission, wenn noch eine ausreichende Ovarreserve vorliegt Spermien-Kryokonservierung, ggf. Kryokonservierung von Hodengewebe Tab. 6 Akute lymphatische Leukämie (ALL) 107

110 Häufigkeit 5-Jahres- Überlebensrate Gonadentoxizität der onkologischen Therapie Risiko für eine Metastasierung in das Ovar Fertilitätsprotektive Massnahmen Neuerkrankungen ca. 3,5 / , insbesondere ältere Menschen ca %, bei älteren Erwachsenen geringer auch ohne Transplantation meist hoch, bei autologer oder allogener Stammzelltransplantation sehr hoch Hoch (Erkrankung des blutbildenden Systems). Untersuchung von Ovargewebe: Greve et al. (20): per PCR Nachweis von Tumorzellen bei einigen Frauen selbst bei einer kompletten Remission, bei Xenotransplantation jedoch keine Erkrankung der SCID-Mäuse GnRH-Agonisten bei Chemotherapie, Kryokonservierung von Oozyten nach Stimulation meist nicht möglich, da Zeitfenster bis zur Chemotherapie unzureichend, Kryokonservierung von Ovargewebe: experimentell, da Techniken zur Generierung von Oozyten noch unzureichend sind (Kap. 3.8), falls Kryokonservierung von Ovargewebe: nach Induktions-Chemotherapie und bei kompletter Remission, wenn noch eine ausreichende Ovarreserve vorliegt Spermien-Kryokonservierung, ggf. Krykoonservierung von Hodengewebe. Tab. 7 Akute myeloische Leukämie (AML) 108

111 Häufigkeit 5-Jahres- Überlebensrate Gonadentoxizität der onkologischen Therapie Fertilitätsprotektive Massnahmen Neuerkrankungen ca. 9/ Männer Alle Stadien: 97%; Im metastasierten Stadium je nach Prognosegruppe: 50-80% Nach Chemo- und/oder Radiotherapie versuchten 207 Männer, ein Kind zu zeugen: 77% erfolgreich, 5% nach Sterilitätsbehandlung, 18% erfolglos (Sterilitätsfaktoren der Frauen nicht berücksichtigt) (21) Oft krankheitsbedingt eingeschränktes Spermiogramm. Kryokonservierung von Spermien oder im Einzelfall von Hodengewebe (TESE); bei präpubertären Knaben ggf. Kryokonservierung von Hodengewebe mit Spezialmedium zur Gewinnung von Spermatogonien (Kap. 3.7) Tab. 8 Hodenkarzinom Referenzen 1. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over 5000 women. Reprod Biomed Online 2015;31: Wallace WH, Thomson AB, Kelsey TW. The radiosensitivity of the human oocyte. Hum Reprod 2003;18: Irtan S, Orbach D, Helfre S, Sarnacki S. Ovarian transposition in prepubescent and adolescent girls with cancer. Lancet Oncol 2013;14: Salooja N, Szydlo RM, Socie G, Rio B, Chatterjee R, Ljungman P, Van Lint MT, Powles R, Jackson G, Hinterberger-Fischer M, Kolb HJ, Apperley JF. Late Effects Working Party of the European Group for Blood and Marrow Transplantation. Pregnancy outcomes after peripheral blood or bone marrow transplantation: a retrospective survey. Lancet 2001;358: Hürmüz P, Sebag-Montefiore D, Byrne P, Cooper R. Successful spontaneous pregnancy after pelvic chemoradiotherapy for anal cancer. Clin Oncol (R Coll Radiol) 2012;24: De Menezes E, Tuck SM. Pelvic radiotherapy damage to the endometrium causing morbid adherence of placenta. A new risk factor? J Obstet Gynaecol 2007;27:

112 7. Bath LE, Tydeman G, Critchley HO, Anderson RA, Baird DT, Wallace WH. Spontaneous conception in a young woman who had ovarian cortical tissue cryopreserved before chemotherapy and radiotherapy for a Ewing's sarcoma of the pelvis: case report. Hum Reprod 2004;19: Teh WT, Stern C, Chander S, Hickey M. The impact of uterine radiation on subsequent fertility and pregnancy outcomes. Biomed Res Int 2014;2014: Raciborska A, Bilska K, Filipp E, Drabko K, Rogowska E, Chaber R, Pogorzała M, Połczyńska K, Adrianowska N, Rodriguez-Galindo C, Maciejewski T. Ovarian function in female survivors after multimodal Ewing sarcoma therapy. Pediatr Blood Cancer 2014 Nov 15 [Epub ahead of print]. 10. Greve T, Wielenga VT, Grauslund M, Sørensen N, Christiansen DB, Rosendahl M, Yding Andersen C. Ovarian tissue cryopreserved for fertility preservation from patients with Ewing or other sarcomas appear to have no tumour cell contamination. Eur J Cancer 2013;49: Abir R, Feinmesser M, Yaniv I, Fisch B, Cohen IJ, Ben-Haroush A, Meirow D, Felz C, Avigad S. Occasional involvement of the ovary in Ewing sarcoma. Hum Reprod 2010;25: Hoekman EJ, Smit VT, Fleming TP, Louwe LA, Fleuren GJ, Hilders CG. Searching for metastases in ovarian tissue before autotransplantation: a tailor-made approach. Fertil Steril 2015;103: Sørensen SD, Greve T, Wielenga VT, Wallace WH, Andersen CY. Safety considerations for transplanting cryopreserved ovarian tissue to restore fertility in female patients who have recovered from Ewing's sarcoma. Future Oncol 2014;10: Longhi A, Pignotti E, Versari M, Asta S, Bacci G.Effect of oral contraceptive on ovarian function in young females undergoing neoadjuvant chemotherapy treatment for osteosarcoma. Oncol Rep 2003;10: O'Neill MT, Ni Dhonnchu T, Brannigan AE. Topic update: effects of colorectal cancer treatments on female fertility and potential methods for fertility preservation. Dis Colon Rectum 2011;54: Elis A, Tevet A, Yerushalmi R, Blickstein D, Bairy O, Dann EJ, Blumenfeld Z, Abraham A, Manor Y, Shpilberg O, Lishner M. Fertility status among women treated for aggressive non-hodgkin's lymphoma. Leuk Lymphoma 2006;47: Briseño-Hernández AA, Quezada-López DR, Castañeda-Chávez A, Dassaejv Macías-Amezcua M, Pintor-Belmontes JC. Bilateral ovarian Burkitt's lymphoma. A case presentation. Cir Cir 2014;82: Meirow D, Hardan I, Dor J, Fridman E, Elizur S, Ra'anani H, Slyusarevsky E, Amariglio N, Schiff E, Rechavi G, Nagler A, Ben Yehuda D. Searching for evidence of disease and malignant cell contamination in ovarian tissue stored from hematologic cancer patients. Hum Reprod 2008;23:

113 19. Dolmans MM, Marinescu C, Saussoy P, Van Langendonckt A, Amorim C, Donnez J. Reimplantation of cryopreserved ovarian tissue from patients with acute lymphoblastic leukemia is potentially unsafe. Blood 2010;116: Greve T, Clasen-Linde E, Andersen MT, Andersen MK, Sørensen SD, Rosendahl M, Ralfkiaer E, Andersen CY. Cryopreserved ovarian cortex from patients with leukemia in complete remission contains no apparent viable malignant cells. Blood 2012;120: Huddart RA, Norman A, Moynihan C, Horwich A, Parker C, Nicholls E, Dearnaley DP. Fertility, gonadal and sexual function in survivors of testicular cancer. Br J Cancer 2005;93:

114 3 Fertilitätskonservierende Techniken 3.1 Ovarielle Stimulation Ariane Germeyer, Michael von Wolff Rationale Ziel der ovariellen Stimulation ist die Gewinnung von reifen Eizellen, um diese unfertilisiert oder fertilisiert als Fertilitätsreserve zu konservieren. Im Netzwerk FertiPROTEKT erfolgte bei ca. 40% aller durchgeführten fertilitätskonservierenden Therapien eine Stimulation zur Entnahme und Kryokonservierung von unfertilisierten oder fertilisierten Oozyten (1). Die Besonderheiten bei dieser Form der Fertilitätsprotektion bestehen zum einen darin, dass die Behandlung so rasch wie möglich erfolgen sollte, um eine notwendige Therapie im Rahmen der zugrundeliegenden Erkrankung nicht unnötig hinauszuzögern. Zum anderen ist in der Regel nur ein Versuch möglich, der so optimal wie möglich verlaufen sollte. Es sollte die maximal mögliche Anzahl an reifen Eizellen gewonnen werden, ohne ein Risiko der Überstimulation einzugehen. Wichtig ist auch, dass befruchtete Eizellen nur nach Zustimmung beider Partner der Frau übertragen werden können. Da die Lagerung der Zellen vor einem möglichen Transfer mehrere Jahre betragen kann, muss in Erwägung gezogen werden, dass es eventuell zu einer Trennung des Paares kommt und die Frau keine Möglichkeit mehr auf eine Rückübertragung hätte, wenn alle Zellen befruchtet wurden. Um dieses Risiko zu umgehen, wird selbst bei einer festen Partnerschaft oft zu einem Splitting (50% befruchtet, 50% unbefruchtet kryokonserviert) geraten, um die Unabhängigkeit der Frau zu gewährleisten. Eine ovarielle Stimulation, die zum Zeitpunkt der Menstruation gestartet wird, ist ein Routineverfahren. Auch sind die Massnahmen zur Risikominimierung eines ovariellen Überstimulationssyndroms klinisch etabliert. Stimulationen, die nach der Menstruation, z.b. in der Lutealphase gestartet werden, um die Stimulationsdauer auf zwei Wochen zu limitieren, sind noch nicht voll etabliert. Sie wurden aber bereits in mehreren klinischen Studien überprüft (2-4). Doppelstimulationen (5-7) und Stimulationen direkt nach 112

115 einer ovariellen Gewebeentnahme sind ebenso noch nicht voll etabliert, wurden aber auch schon in mehreren Studien getestet (8, 9). Vorteile Etabliertes Verfahren Kalkulierbare Schwangerschaftschancen in Abhängigkeit vom Alter der Frau und der Anzahl gewonnener Eizellen Verwendung der Eizellen auch möglich bei einer nach der gonadotoxischen Therapie später auftretenden Sterilität Auch anwendbar bei Erkrankungen mit malignen Zellen im Blut- und Gefässsystem Nachteile Zeitbedarf ca. 2 Wochen Zahl zu gewinnender Eizellen und somit Erfolgschance abhängig von vorhandener Eizellreserve Erhöhte Hormonexposition (bei hormonrezeptorpositiven Tumoren relevant) Hohe Kosten (in Deutschland ggf. Kostenübernahme ganz oder teilweise nur bei verheirateten Frauen) Tab. 1 Vor- und Nachteile einer ovariellen Stimulation Vaginale Sonographie/Follikelpunktion erforderlich (nicht bei Virgo intacta) Effektivität Die Anzahl der gewonnenen Eizellen ist abhängig vom Alter der Patientin und der zugrundeliegenden Ovarialreserve, die sehr individuell ausfällt. Die mittlere gewonnene Oozytenzahl beträgt gemäss dem FertiPROTEKT-Register bei 809 Frauen (1): Alter Durchschnittliche Anzahl gewonnener Oozyten im Netzwerk FertiPROTEKT (9) < 30 J. 11, , ,4 > 40 4,6 Tab

116 Bei adäquater Durchführung der Vitrifikation als Einfriertechnik sind die Überlebens- und Befruchtungsraten ehemals kryokonservierter Eizellen sehr gut. Rienzi et al. (11) verglichen Eizellen, die nach der Entnahme direkt fertilisiert und einem Frischtransfer zugeführt oder zuvor unfertilitisert kryokonserviert worden waren. Die Schwangerschaftsraten waren nicht relevant unterschiedlich. Die Effektivität der Vitrifikation von Oozyten wurde auch bei Krebspatientinnen bestätigt. Bei 11 Frauen, deren Oozyten im Alter von durchschnittlich 35,6 Jahren (30-41 Jahren) entnommen und nach der Krebserkrankung aufgetaut und fertilisiert wurden, zeigte sich eine Oozyten-Überlebensrate von 92%, eine Befruchtungsrate von 77% und eine Implantationsrate von 64%. Bei 7 der 11 Frauen trat eine Schwangerschaft ein, 4 (36%) führten zu einer Geburt (12). Anhand der Anzahl der Oozyten, die vor einer zytotoxischen Therapie entnommen und erfolgreich fertilisiert wurden, erfolgte in einer Studie von FertiPROTEKT (13) die Berechnung der theoretischen Geburtenrate in Abhängigkeit vom Alter der Frau anhand von 125 Follikelaspirationen: Alter Mittlere Anzahl gewonnener Oozyten Mittlere Anzahl fertilisierter Oozyten Daraus abgeleitete geschätzte Geburtenrate (14) < 26 J. 13,5 8,6 40% ,3 7,3 35% ,0 6,1 30% ,3 5,1 25% Tab. 2 Somit kann bei ovarieller Stimulation mit einer Kryokonservierung von unfertilisierten oder fertilisierten Oozyten von den in Tabelle 2 genannten theoretischen Geburtenraten ausgegangen werden, wenn die angegebene Anzahl von Oozyten gewonnen wird. 114

117 3.1.3 Risiken Durch die ovarielle Stimulation kann es zu Nebenwirkungen durch die Medikation, ebenso wie Komplikationen bei der Punktion kommen ( Belastet werden die Frauen möglicherweise durch eine temporäre Gewichtszunahme, Stimmungsschwankungen und Druckgefühl im Bauch durch die Größenzunahme der Ovarien. Klinisch relevante Blutungen bei der Follikelpunktion oder Entzündungen sind selten. Im Rahmen der Stimulation von Patientinnen des Netzwerks FertiPROTEKT ist bei 708 Stimulationen nur einmal eine hochgradige Überstimulation aufgetreten (4). Eine Chemotherapie musste bisher nur einmal um einen Tag verschoben werden Kosten Die Kosten der ovariellen Stimulation sind je nach Zentrum leicht unterschiedlich und setzen sich wie folgt zusammen: Medikamentenkosten (je nach Dauer und Höhe der Stimulationsdosis): ca ,- bis 2.000,- Euro Stimulationsverfahren (Ultraschallkontrolle, Eizellentnahme): ca ,- bis 1.500,- Euro Kryokonservierung (Einfrieren und Lagerung für 1 Jahr): ca. 400,- bis 800,- Euro Sollte das Paar verheiratet sein, kann (in Deutschland) kurzfristig ein Krankenkassenantrag ausgestellt werden, so dass die Kosten ganz oder anteilig (je nach Versicherungsstatus) übernommen werden. Die Lagerung der Oozyten ist immer eine Selbstzahlerleistung. 115

118 3.1.5 Praktische Vorgehensweise Allgemeines Das Standardprotokoll zur Stimulation ist das Antagonistenprotokoll mit einer Ovulationsinduktion mit GnRH-Agonisten (Triptorelin 0,2 mg s.c.), um das Risiko für eine Überstimulationssyndrom zu minimieren (14). In der Praxis wird oft eine um ca. 50 IU höhere Gonadotropindosis/Tag als bei einer Stimulation mit einem intendierten Frischtransfer verabreicht, um die Anzahl an Oozyten zu erhöhen. Random start-stimulation (Abb. 1) Die ovarielle Stimulation kann beim ausschließlichen Ziel der Eizellgewinnung (ohne Embryo-Frischtransfer) mit gleicher Eizellzahl und gleichen Fertilisationsraten (1-3) jederzeit gestartet werden ( Random start-stimulation ). Die Schwangerschaftsraten sind bei einem, Stimulationsstart in der Lutealphase gemäss einer Studie (15) hoch und die Fehlbildungsrate unbeeinflusst (16). Nach den bisherigen Studien dauert die Stimulation bei einem Stimulationsbeginn in der Lutealphase 1-2 Tage länger, und es ist eine um ca. 50 IU höhere Gonadotropindosis/ Tag erforderlich als bei einem Stimulationsstart in der frühen Follikelphase. Eine Stimulation kann je nach Zyklusphase wie folgt durchgeführt werden (Abb. 1): Stimulationsstart in der frühen Follikelphase: konventionelles Antagonistenprotokoll mit HMG oder FSH, Zugabe des Antagonisten bei einem Leitfollikel 14 mm und GnRH-Agonisten-Triggering mit Triptorelin 0,2 mg s.c. bei 3 Follikeln 17 mm. Stimulationsdosis ca. 50 IU höher als bei einem intendierten Frischtransfer Stimulationsstart in der mittleren bis späten Follikelphase mit einem Leitfollikel ca. 12 mm: Start wie in der frühen Follikelphase. Stimulationsstart in der mittleren bis späten Follikelphase mit einem Leitfollikel > ca. 12 mm: Ovulationsinduktion bei Follikelgrösse von ca. 14 mm mit Triptorelin 0,2 mg s.c., gefolgt von einer Lutealphasenstimulation direkt nach der Ovulation. 116

119 Stimulationsstart in der Lutealphase: konventionelles Antagonistenprotokoll mit HMG oder FSH und GnRH-Agonisten-Triggering mit Triptorelin 0,2 mg s.c.. Stimulationsdosierung ca. 100 IU höher als bei einem intendierten Frischtransfer nach einem Stimulationsstart in der frühen Follikelphase. Start des Antagonisten sobald der neu entstandene Leitfollikel ca. 12 mm ist. Doppel-Stimulation (Abb. 2) Einige Autoren berichten über erfolgreiche Doppelstimulationen (5, 7). Die meisten Doppelstimulationen sind im Rahmen von poor respondern beschrieben worden. Dabei finden sich minimal unterschiedliche Protokolle, die allesamt zu einer höheren Zahl reifer Eizellen mit einem gutem Entwicklungsqualität geführt haben (zusammengefasst in (6, 15)). Bei diesen Verfahren werden zunächst eine Stimulation mit einem klassischen Antagonistenprotokoll sowie eine Follikelaspiration nach Ovulationsinduktion mit einem GnRH-Agonisten durchgeführt. Es ist davon auszugehen, dass die erste Stimulation auch in jeder Zyklusphase gestartet werden kann (Random Start-Stimulation), wenngleich dies noch nicht in klinischen Studien überprüft wurde. Eine zweite Stimulation wird direkt im Anschluss entsprechend der oben beschriebenen Lutealphasenstimulation gestartet. Um eine vorzeitige Ovulation auszuschließen, werden GnRH-Antagonisten zusätzlich verabreicht, sobald der Leitfollikel eine Grösse von mm überschreitet (7) (Abb. 2). Durch die doppelte Stimulation ergibt sich ein Zeitbedarf von ca. 30 Tagen. Senkung der Östradiol-Konzentration bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren Eine Besonderheit stellen Hormonrezeptor-positive Tumoren, insbesondere das Hormonrezeptor-positive Mammakarzinom dar, da deren Wachstum zumindest theoretisch durch supraphysiologische Östrogenkonzentrationen gesteigert werden könnte. Um die steigenden Östrogenkonzentrationen im Rahmen einer ovariellen Stimulation zu reduzieren, wird bei einer ovariellen Stimulation hormonrezeptorpositiver Patientinnen die Zugabe von Aromatasehemmern, z.b. Letrozol 5 mg (2,5 mg jeweils morgens und abends ab dem 1. Tag der Stimulation) empfohlen (17). Da Letrozol keine Zulassung für eine Anwendung im Bereich der ovariellen Stimulation aufweist, erfolgt die Behandlung off-label. Bisherige Studien 117

120 konnten keine erhöhte Fehlbildungsraten der Kinder nach einer Stimulation mit Letrozol aufzeigen (18). Zu beachten ist, dass die Stimulation einer Hormonrezeptor-positiven Patientin immer nur nach Absprache mit dem Onkologen erfolgen sollte. Kombination von ovarieller Stimulation mit der Entnahme von Ovargewebe (Abb. 3) Bei Therapien mit einer hohen Gonadentoxizität kann die ovarielle Stimulation mit der Kryokonservierung von Ovargewebe zur Erhöhung der Erfolgschance kombiniert werden (Abb. 3) (7, 8). Es wird 50% eines Ovars laparoskopisch entnommen und ca. 2 Tage nach der Entnahme mit der ovariellen Stimulation begonnen. Zusätzlich können noch GnRH-Agonisten appliziert werden. Gemäss der bisher durchgeführten Studien liegt kein erhöhtes Komplikationsrisiko vor, und die Zahl der gewonnen Oozyten ist nach einer Entnahme von Ovargewebe nicht reduziert. Der Zeitbedarf für die Kombination beider Therapien beträgt ca. 2,5 Wochen. Praktische Anwendungsbeispiele Menstrua'on 1. Konsulta'on Follikel < 12 mm GnRHant, wenn Foll. 14 mm +/- Letrozol 5 mg/d FSH oder HMG Aspira'on Menstrua'on 1. Konsulta'on Follikel 14 mm Triptorelin 0,2 mg Ovula'on GnRHant, wenn Foll. 12 mm +/- Letrozol 5 mg/d FSH oder HMG Aspira'on Frühe & miclere Follikelphase Späte Follikelphase Ovula'on 1. Konsulta'on GnRHant, wenn Foll. 12 mm +/- Letrozol 5 mg/d FSH oder HMG Lutealphase Aspira'on Abb. 1 Stimulation bei einer 1. Konsultation in verschiedenen Zyklusphasen (modifiziert nach Cakmak et al. (3)) 118

121 GnRHant, wenn Foll mm +/- Letrozol 5 mg/d FSH oder HMG Ovula'onsinduk'on Triptorelin 0,2 mg Aspira'on GnRHant, wenn Foll mm +/- Letrozol 5 mg/d FSH oder HMG Ovula'onsinduk'on Triptorelin 0,2 mg Aspira'on Erste S'mula'on (Random Start- S'mula'on?) Zweite S'mula'on (Lutealphasens6mula6on) Abb. 2 Doppelstimulation (modifiziert nach Kuang et al. (15)) Ovulationsinduktion (Triptorelin 0,2 mg) (plus ggf. GnRHa-Depotpräparat) Start ovarielle Stimulation Laparoskopie (Ovargewebe-Entnahme) Follikel- Aspira/on Chemotherapie Tage nach der ersten Konsultation der Patientin Abb. 3 Kombination der ovariellen Stimulation mit der Entnahme von Ovargewebe und der Gabe von GnRH-Agonisten (modifiziert nach Wolff & Dian (3)) 119

122 Referenzen 1. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over women. Reprod Biomed Online 2015;31: von Wolff M, Thaler CJ, Frambach T, Zeeb C, Lawrenz B, Popovici RM, Strowitzki T. Ovarian stimulation to cryopreserve fertilized oocytes in cancer patients can be started in the luteal phase. Fertil Steril 2009;92: Cakmak H, Katz A, Cedars MI, Rosen MP. Effective method for emergency fertility preservation: random-start controlled ovarian stimulation. Fertil Steril 2013;100: von Wolff M, Capp E, Jauckus J, Strowitzki T, Germeyer A. Timing of ovarian stimulation in patients prior to gonadotoxic therapy an analysis of 684 stimulations. EJOGR submitted 5. Moffat R, Pirtea P, Gayet V, Wolf JP, Chapron C, de Ziegler D. Dual ovarian stimulation is a new viable option for enhancing the oocyte yield when the time for assisted reproductive technology is limited. Reprod Biomed Online 2014;29: Zhang J. Luteal phase ovarian stimulation following oocyte retrieval: is it helpful for poor responders? Reprod Biol Endocrinol 2015;13: Turan V, Bedoschi G, Moy F, Oktay K. Safety and feasibility of performing two consecutive ovarian stimulation cycles with the use of letrozole-gonadotropin protocol for fertility preservation in breast cancer patients. Fertil Steril 2013;100: Huober-Zeeb C, Lawrenz B, Popovici RM, Strowitzki T, Germeyer A, Stute P, von Wolff M. Improving fertility preservation in cancer: ovarian tissue cryobanking followed by ovarian stimulation can be efficiently combined. Fertil Steril 2011;95: Dolmans MM, Marotta ML, Pirard C, Donnez J, Donnez O. Ovarian tissue cryopreservation followed by controlled ovarian stimulation and pick-up of mature oocytes does not impair the number or quality of retrieved oocytes. J Ovarian Res 2014;26;7: Rienzi L, Romano S, Albricci L, Maggiulli R, Capalbo A, Baroni E, Colamaria S, Sapienza F, Ubaldi F. Embryo development of fresh 'versus' vitrified metaphase II oocytes after ICSI: a prospective randomized sibling-oocyte study. Hum Reprod 2010;25: Martinez M, Rabadan S, Domingo J, Cobo A, Pellicer A, Garcia-Velasco JA. Obstetric outcome after oocyte vitrification and warming for fertility preservation in women with cancer. Reprod Biomed Online 2014;29:

123 12. Lawrenz B, Jauckus J, Kupka M, Strowitzki T, von Wolff M. Efficacy and safety of ovarian stimulation before chemotherapy in 205 cases. Fertil Steril 2010;94: von Wolff M, Dian D. Fertility preservation in women with malignant tumors and gonadotoxic treatments. Dtsch Arztebl Int 2012;109: Youssef MA, Abdelmoty HI, Ahmed MA, Elmohamady M. GnRH agonist for final oocyte maturation in GnRH antagonist co-treated IVF/ICSI treatment cycles: Systematic review and meta-analysis. J Adv Res 2015;6: Kuang Y, Hong Q, Chen Q, Lyu Q, Ai A, Fu Y, Shoham Z. Luteal-phase ovarian stimulation is feasible for producing competent oocytes in women undergoing in vitro fertilization/intracytoplasmic sperm injection treatment, with optimal pregnancy outcomes in frozen-thawed embryo transfer cycles. Fertil Steril 2014;101: Chen H, Wang Y, Lyu Q, Ai A, Fu Y, Tian H, Cai R, Hong Q, Chen Q, Shoham Z, Kuang Y. Comparison of live-birth defects after luteal-phase ovarian stimulation vs. conventional ovarian stimulation for in vitro fertilization and vitrified embryo transfer cycles. Fertil Steril 2015;103: Oktay K, Turan V, Bedoschi G, Pacheco FS, Moy F. Fertility Preservation Success Subsequent to Concurrent Aromatase Inhibitor Treatment and Ovarian Stimulation in Women With Breast Cancer. J Clin Oncol 2015;33: Sharma S, Ghosh S, Singh S, Chakravarty A, Ganesh A, Rajani S, Chakravarty BN. Congenital malformations among babies born following letrozole or clomiphene for infertility treatment. PLoS One 2014;9:e

124 3.2 Kryokonservierung von unfertilisierten und fertilisierten Oozyten Jana Liebenthron Rationale Die Kryokonservierung von unfertilisierten Oozyten oder Oozyten nach einer In vitro-fertilisation (IVF) und/oder Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) (im Pronukleus- oder Embryonalstadium) sind etablierte reproduktionsmedizinische Techniken, die bei Patientinnen vor einer zytotoxischen Therapie angewendet werden können. Dabei können zwei verschiedene Verfahren zum Einsatz kommen, das sogenannte Slow Freezing-Verfahren (langsames Einfrieren), ein Kryokonservierungsverfahren mit Aquilibrierung und die Vitrifikation, ein Einfrierverfahren ohne Äquilibirierung. Die Vitrifikation kristallisiert sich zunehmend als Methode der Wahl sowohl für unfertilisierte als auch fertilisierte Oozyten heraus. Beide Verfahren verfolgen trotz ihrer unterschiedlichen Protokolle und Anwendungsweisen gemeinsame Ziele (1): eine reversible Arretierung des Zellmetabolismus bei -196 C, die Strukturerhaltung der Keimzelle und ihrer genetischen Integrität, akzeptable Überlebensraten nach Kryokonservierung und dem Auftauen sowie reproduzierbare Ergebnisse Langsames Einfrieren Das Prinzip des Slow Freezing ist die kontrollierte Herstellung und die Aufrechterhaltung eines Äquilibriums zwischen dem intrazellulären Wasser und dem nicht gefrorenen Wasser im niedrig konzentrierten Kryoprotektivum. Dabei kommt es während der langsamen, genau festgelegten Abkühlung (Tab. 1) zur Dehydrierung der Zelle, wodurch eine intrazelluläre Eiskristallbildung und somit eine irreversible Zellschädigung verhindert wird. Die Zeit bis zum Äquilibrium ist dabei abhängig von verschiedenen Faktoren wie zum Beispiel dem Zellvolumen, dem Verhältnis der Oberfläche zum Volumen und der Permeabilität der Zellmembran, wodurch eine zellspezifische Einfriergeschwindigkeit vorgegeben wird (1). 122

125 3.2.3 Vitrifikation Bei sorgfältiger Anwendung des Vitrifikationsverfahrens kann die Eiskristallbildung während des Einfrierens durch Überführung der Zelle vom einem flüssigen in einen amorphen, glasförmigen Zustand gänzlich verhindert werden. Um innerhalb der Zelle und extrazellulär diese glasähnliche Solidifikation zu erreichen und toxische sowie osmotische Verletzungen zu minimieren, müssen sehr hohe Abkühlraten (Tab. 1), hochkonzentrierte Kryoprotektiva (Einsatz einer Mixtur aus permeablen und nicht-permeablen Kryokonservierungsmitteln, die außerdem die spezifische Toxizität jedes einzelnen erniedrigen) und die Verwendung minimaler Volumina (im Nanoliter-Bereich) berücksichtigt werden (1). Ein Standard-Vitrifikationsprotokoll sowohl für unfertilisierte Oozyten, fertilisierte Oozyten als auch Embryonen scheint bis dato ungeeignet und nicht im Gebrauch zu sein, da divergierende Verhältnisse zwischen den einzelnen Zelloberflächen und den Volumina existieren und die verschiedenen Zellstadien unterschiedliche Empfindlichkeiten gegenüber Abkühl- und auch Erwärmungsraten aufweisen. Slow Freezing Konventionelles, langsames Einfrieren Vitrifikation ultraschnelles Einfrieren Physikalisches Prinzip = Äquilibrium-Verfahren: Zellen werden durch fortschreitende Dehydrierung und kontrollierte Bildung (Seeding) von intrazellulären Eiskristallen auf tiefste Temperaturen heruntergekühlt = Nicht-Äquilibrium-Verfahren: Zellen werden ohne intrazelluläre Kristallbildung extrem schnell auf tiefste Temperaturen heruntergekühlt drastische Erhöhung der Viskosität des Zytoplasmas führt dabei zur Verglasung der Zellen Solidifikation = Übergang vom flüssigen in einen glasähnlichen-amorphen Zustand 123

126 Slow Freezing Konventionelles, langsames Einfrieren Vitrifikation ultraschnelles Einfrieren Technische Voraussetzung Einfrierrate ist so optimiert, dass Wasser aus Zellen ohne Eiskristallbildung-induzierte Verletzung von Zellstrukturen austreten kann (0,3-2 C / min) Sehr hohe Abkühlrate erforderlich (> C / min) Erforderliches Kryomedium Erfordert Kryoprotektiva in geringer Konzentration (ca. 1,5 M) Erfordert hypertonische Kryoprotektiva (ca. 4,0-7,0 M) bestehend aus zwei Komponenten: 1. permeabel: Ethylenglykol, DMSO oder Propandiol 2. impermeabel: Sucrose Dauer des Einfrierprozesses ~ 1 ½ Stunden ~ 20 Minuten Tab. 1 Vergleich von Slow Freezing und Vitrifikation Weiterhin unterscheidet man bei der Vitrifikation zwei Systeme, die sich auf den Zellträger beziehen. Ein offenes System stellt dabei den direkten Kontakt der einzufrierenden Zelle mit flüssigem Stickstoff her, wodurch zum einen sehr hohe Abkühlraten erzielt werden können, zum anderen jedoch durch die offene Lagerung ein theoretisches Risiko der langfristigen Kontamination und Infektion besteht. Eine Optimierung ist die Lagerung in der Dampfphase und die strikte Trennung von infektiösen und nicht-infektiösen Gameten. Um den Aspekt möglicher Kontaminationen jedoch gänzlich zu umgehen, wird der Einsatz eines geschlossenen Trägersystems empfohlen, in welchem die einzufrierenden Zellen nicht in den direkten Kontakt mit flüssigem Stickstoff kommen. Der immer wieder beschriebene Nachteil, dass die erzielten Abkühlraten weit unter denen eines offenen Systems liegen, kann mittlerweile durch die Verbesserungen der Vitrifikationsmedien und auch durch Optimierungen des Trägeraufbaus kompensiert werden. 124

127 3.2.4 Eizellgewinnung Damit genügend Oozyten (unfertilisiert und/oder fertilisiert) kryokonserviert werden können, bedarf es einer ovariellen Stimulation, die zu jedem Zeitpunkt im Zyklus starten kann sowie eines Zeitfensters von ca. zwei Wochen (Kap ). Im Durchschnitt können vor zytotoxischen Therapien ca. 13 Oozyten gewonnen werden (2). Die Anzahl gewonnener Eizellen nimmt jedoch im Alter > 35 Jahre deutlich ab (Kap ). Eine detaillierte Darstellung der Stimulationstechniken, deren Effektivität, Risiken und Kosten findet sich im Kapitel Kryokonservierung von fertilisierten Oozyten Im Pronukleusstadium Im Gegensatz zur Kryokonservierung von unfertilisierten Oozyten stellt die Kryokonservierung von fertilisierten Oozyten mit 2 Vorkernen (Pronukleusstadium), d.h. einen Tag nach der Eizellgewinnung, eine schon lange erfolgreiche Methode dar und ist ein wesentlicher Bestandteil von assistierten reproduktionsmedizinischen Techniken. Die hohe gesicherte Auftaurate von 73 bis 95% sowie eine Schwangerschaftsrate von 20 bis 32% (3-5) nach Kryokonservierung und Auftauen sind dabei wohl auf das Fehlen des Spindelapparats nach Beendigung der Meiose zurückzuführen (1). Die Kryokonservierung kann sowohl im Slow freezing-verfahren, welches durch ein einfaches und gut reproduzierbares Handling durch die Verwendung eines automatischen Einfrierprogramms charakterisiert ist, als auch im Rahmen der Vitrifikation, die sich in einer neueren Arbeit von Levi Setti et al. (6) (Tab. 2) als gleichwertig darstellt, erfolgen. Die Vitrifikation setzt dabei jedoch ein hohes Maß an Methodenkompetenz voraus, da eine unsachgemäße bzw. unsichere Handhabung im Einfrier- und Auftauprozess sowie die Nichteinhaltung der strengen Zeitvorgaben während der einzelnen Inkubationsschritte in den hochkonzentrierten Kryoprotektiva zu irreversiblen Schädigungen der Einzeller führen kann, was die guten Auftau- und auch Fertilisationsraten wieder deutlich mindert. Wird eine Kryokonservierung von fertilisierten Oozyten geplant, sollte sich die Patientin in einer festen Partnerschaft befinden. 125

128 Slow Freezing Vitrifikation Embryogewinnungsrate 68,9 % 68,0 % Tab. 2 Embryogewinnungsrate nach dem Auftauen von fertilisierten Oozyten, die mittels Slow freezing oder Vitrifikation im Pronukleusstadium kryokonserviert wurden (mod. n. Levi Setti et al. (6)) Im Embryonalstadium Auch die Kryokonservierung von fertilisierten Oozyten im Embryonalstadium, d.h. 2-5 Tage nach der Eizellgewinnung, ist international eine etablierte Methode. Vergleicht man dabei die zwei unterschiedlichen Einfrierverfahren und ihre Erfolgsraten in aktuellen Arbeiten, dann zeigen langsam eingefrorene Tag 2- und Tag 3-Embryonen nach dem Auftauen signifikant geringere Überlebens- und Teilungsraten im Vergleich zu Blastozysten (Tab. 3). Des Weiteren zeigen langsam eingefrorene Blastozysten nach dem Auftauen signifikant geringere klinische Schwangerschafts- und Lebendgeburtraten pro Embryotransfer-Zyklus im Vergleich zur Vitrifikation (Tab. 4) (7, 8). Slow Freezing Vitrifikation offen / geschlossen Überlebensrate pro Embryo nach Kryokonservierung/Auftauen Intakte Morphologie aller Blastomere pro Embryo nach Kryokonservierung/Auftauen Entwicklungsrate zu Blastozyste pro Embryo nach Kryokonservierung/Auftauen Blastozystentransfer nach Kryokonservierung/Auftauen Klinische Schwangerschaftsrate pro transferierte Blastozyste Lebendgeburtrate pro transferierte Blastozyste 63,8% 89,4%* / 87,6%* 44,3% 80,1%* / 76,1%* 72,2% 87,8%* / 81,3%** 46,1% 78,5%* / 71,2%* 21,4% 15,8% / 17,0% 13,2% 10,0% / 10,6% Tab. 3 Outcome von Tag 2- und Tag 3-Embryonen nach Slow freezing oder Vitrifikation (offen/ geschlossen). *p <.001, **p <.05 (mod. nach Fasano et al. (7)) 126

129 Slow Freezing Vitrifikation Transferierte Blastozysten pro Kryokonservierung/Auftauen 71,4% 84,5%* Klinische Schwangerschaftsrate pro transferierter Blastozyste 23,8% 32,7%** Lebendgeburtrate pro transferierter Blastozyste 17,7% 24,8%*** Abortrate 5,1% 6,6% Tab. 4 Schwangerschaftsoutcome von Blastozysten nach Slow freezing oder Vitrifikation. *P < 0,001, ** ARR: 1,38, 95% CI: 1,32-1,45, *** ARR: 1,41, 95% CI: 1,34-1,49 (mod. nach Li et al. (8)) Kryokonservierung von unfertilisierten Oozyten Nachdem es über zwei Jahrzehnte nicht gelungen war, das Einfrieren von unfertilisierten Oozyten als klinische Anwendung zu etablieren, brachte die Vitrifikation den erhofften Durchbruch. Es konnten die besonders kryosensitiven Gameten mit gleichbleibendem Erfolg kryokonserviert und die Vitrifikation als Methode der Wahl erklärt werden (Tab. 5). Slow Freezing Vitrifikation Überlebensrate pro unbefruchteter Oozyte nach Kryokonservierung/Auftauen Fertilisierungsrate pro unbefruchteter Oozyte nach Kryokonservierung/Auftauen Embryogewinnungsrate pro unbefruchteter Oozyte nach Kryokonservierung/Auftauen Implantationsrate pro unbefruchteter Oozyte nach Kryokonservierung/Auftauen 51,1% 63,1%* 71,6% 70,1% 35,2% 42,9%* 8,1% 9,5%* Klinische Schwangerschaftsrate/Transfer 14,8% 18,0%* Fehlbildungsrate 0,5% 1,3% Tab. 5 Überlebensrate unbefruchteter Oozyten nach Slow freezing oder Vitrifikation. *P < 0,001 (mod. nach Levi Setti et al. (6)) 127

130 Als Ausdruck der Akzeptanz veröffentlichte außerdem die US-amerikanischen Fachgesellschaft für Reproduktionsmedizin (ASRM) 2013 eine Leitlinie, in der u.a. die Kryokonservierung unfertilisierter Oozyten ihren bis dato experimentellen Charakter verlor und zur Routinemethode erklärt wurde, da weder eine erhöhte Rate von chromosomalen Aberrationen noch von Fehlbildungen oder Entwicklungsdefiziten bekannt wurde. Auch die europäische Fachgesellschaft (ESHRE) beschrieb keinerlei Vorbehalte gegenüber dieser Methode (9). Cil et al. (10) schätzten die altersabhängige Reduktion der Lebendgeburtenrate bei einer Oozytenkonservierung anhand der Daten aus zehn Studien. Sie zeigten, dass diese im Altersbereich von 25 bis 42 Jahren mit zunehmendem Alter kontinuierlich abnimmt. Des Weiteren unterstreicht die Studie, dass eine Kryokonservierung von unfertilisierten Oozyten im Alter von < 35 Jahre durchgeführt werden sollte zumal auch die Zahl der zu gewinnenden Oozyten aufgrund der altersbedingten Reduktion der ovariellen Reserve sinkt. Werden die unfertilisierten Oozyten später im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung aufgetaut, ist da vor der Kryokonservierung zur Beurteilung der Reife die Kumuluszellen entfernt wurden eine konventionelle IVF nicht mehr möglich. Zur Fertilisierung wird daher, auch bei einem unauffälligen Spermiogramm, eine ICSI angewendet Fazit für die Praxis Die Einführung neuer Stimulationsprotokolle und die Etablierung der Vitrifikation ermöglichen es, innerhalb von ca. 2 Wochen Oozyten zu gewinnen, die sowohl unfertilisiert als auch fertilisiert im Pronukleusstadium und im Embryonalstadium kryokonserviert werden können. Da selbst bei festen Partnerschaften empfohlen wird, zumindest einen Teil der Oozyten unfertilisiert zu konservieren (Kap ), ist die Vitrifikation eine unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung fertilitätskonservierender Techniken. 128

131 Referenzen 1. Liebermann J, Nawroth F in Reproduktionsmedizin, Springer Verlag GmbH von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over women. Reprod Biomed Online 2015;31: Deutsches IVF Register Anderson RA, Wallace WH. Fertility preservation in girls and young women. Clin Endocrinol (Oxf) 2011;75: von Wolff M, Thaler CJ, Frambach T, Zeeb C, Lawrenz B, Popovici RM, Strowitzki T. Ovarian stimulation to cryopreserve fertilized oocytes in cancer patients can be started in the luteal phase. Fertil Steril 2009;92: Levi Setti PE, Porcu E, Patrizio P, Vigiliano V, de Luca R, d'aloja P, Spoletini R, Scaravelli G. Human oocyte cryopreservation with slow freezing versus vitrification. Results from the National Italian Registry data, Fertil Steril 2014;102: Fasano G, Fontenelle N, Vannin AS, Biramane J, Devreker F, Englert Y, Delbaere A. A randomized controlled trial comparing two vitrification methods versus slow-freezing for cryopreservation of human cleavage stage embryos. J Assist Reprod Genet 2014;31: Li Z, Wang YA, Ledger W, Edgar DH, Sullivan EA. Clinical outcomes following cryopreservation of blastocysts by vitrification or slow freezing: a population-based cohort study. Hum Reprod 2014;29: von Wolff M, Germeyer A, Nawroth F. Fertility preservation for non-medical reasons - controversial but increasingly common. Dtsch Arztebl Int 2015;112: Cil AP, Bang H, Oktay K. Age-specific probability of live birth with oocyte cryopreservation: an individual patient data metaanalysis. Fertil Steril 2013;100:

132 3.3 Entnahme und Transplantation von Ovarialgewebe Michael von Wolff Rationale Ovargewebe kann vor einer zytotoxischen Therapie entnommen, kryokonserviert und im Fall einer prämaturen Ovarialinsuffizienz (POI) transplantiert werden, um die Fertilität wieder herzustellen. Im Netzwerk FertiPROTEKT wurde bei ca. 20% aller durchgeführten fertilitätskonservierenden Therapien Ovargewebe entnommen und kryokonserviert (1). Da die kryokonservierte Gewebemenge nicht sehr gross ist und ein Teil der Follikel bei der Kryokonservierung und Transplantation degeneriert, sind die Transplantate bisher nur einige Jahre aktiv. Deswegen dient die Transplantation auch nicht der Wiederherstellung einer langjährigen Ovarfunktion, die eine ggf. erforderliche Hormonersatztherapie ersetzen würde, sondern nur der zeitlich begrenzten Wiederaufnahme einer Follikulogenese zur Generierung einer Schwangerschaft. Es wurde zwar von Transplantationen zur Induktion der Pubertät (2, 3) sowie zur Verschiebung der Menopause berichtet (4), aber da Transplantationen bei diesen Indikationen endokrinologisch nur bedingt sinnvoll sind (5), sollte eine Kryokonservierung von Ovargewebe ausschliesslich zur Anlage einer Fertilitätsreserve erfolgen. Grundsätzlich gilt, dass die Chancen für eine Schwangerschaft umso grösser sind, desto besser die Ovarreserve, d.h. die Follikeldichte im kryokonservierten und transplantierten Ovargewebe ist. Deswegen ist die Kryokonservierung von Ovargewebe ideal für jüngere Frauen oder sogar bei Kindern geeignet. Als Altersobergrenze gibt FertiPROTEKT 35 Jahre vor, wobei diese Grenze im Einzelfall in Abhängigkeit von der Ovarialreserve auch bei ca. 38 Jahren liegen kann. 130

133 Vorteile Kryokonservierung Nachteile Kryokonservierung Zeitbedarf ca. ½-1 Woche Invasive Massnahme in Allgemein-Anästhesie mit erhöhten Risiken bei einer Immunsuppression und Blutgerinnungsstörung Entnahme und Kryokonservierung von Ovargewebe etabliertes Verfahren Erfolgschance abhängig von vorhandener Eizellreserve, Altersobergrenze ca Jahre Kosten der Entnahme und Kryokonservierung niedriger als bei einer ovariellen Stimulation / Kryokonservierung von Oozyten Tumorzellen im Ovargewebe möglich mit dem Risiko eines Rezidivs Für Entnahme und Kryokonservierung von Ovargewebe keine vaginale Sonographie erforderlich Experimentell bei Erkrankungen mit malignen Zellen im Blut- und Gefässsystem Entnahme und Kryokonservierung von Ovargewebe auch bei Kindern durchführbar Bei Kindern ist aufgrund der Ovargrösse die Entnahme eines ganzen Ovars erforderlich Fertilitätsprotektive Massnahme mit einem hohen Entwicklungspotential Vorteile Transplantation Wiederholte Transplantationen sind möglich Nachteile Transplantation Schwangerschaftschancen nach Transplantation aufgrund begrenzter Datenlage noch nicht exakt zu beziffern Transplantation von Ovargewebe noch nicht klinisch etabliert, die optimale Lokalisation des Transplantates, die Operationstechnik und die erforderliche Menge von Ovargewebe sind noch unklar Tab. 1 Mögliche Vor- und Nachteile der Kryokonservierung und Transplantation von Ovargewebe 131

134 3.3.2 Effektivität Die Datenlage zur Beurteilung der Effektivität ist noch begrenzt. Da die Daten der bisher publizierten Fallserien ähnliche Erfolgsraten aufweisen, kann die Geburtenchance pro Transplantation aber bereits grob abgeschätzt werden. In der weltweit zweitgrössten Fallserie aus Dänemark mit 41 Frauen wurden 53 Transplantationen durchgeführt (6). Bei 32 Frauen erfolgten insgesamt 42 Transplantationen wegen eines Kinderwunsches. 31% der transplantierten Frauen gebaren mindestens ein Kind. 5 der 32 Frauen hatten allerdings noch eine ovarielle Restfunktion. Wie hoch die Geburtenrate bei Frauen ohne eine ovarielle Restfunktion war, ist aus der Publikation nicht ersichtlich. In der weltweiten grössten Fallserie (FertiPROTEKT-Netzwerk) wurden bis Juli 2015 bei 74 Frauen 95 Transplantationen durchgeführt (7). Eine Subanalyse der 40 Frauen, bei denen eine Erst-Transplantation bei einer nachgewiesenen POI, also ohne erkennbare ovarielle Restfunktion durchgeführt wurde, zählte 11 Schwangerschaften und 9 Geburten. Das entspricht einer Geburtenrate von 23% pro Transplantation. Da nach den Daten aus Dänemark Schwangerschaften oft erst nach einer wiederholten Transplantation generiert werden (8), ist in Zukunft von einer höheren Erfolgsrate pro Frau auszugehen. Ob bei einer Kryokonservierung mit < 35 Jahren, nach einer Optimierung der Transplantationstechniken und nach Durchführung wiederholter Transplantationen eine Geburtenrate von 50% pro transplantierter Frau zu erreichen ist, erscheint wahrscheinlich, muss aber in zukünftigen Studien noch bestätigt werden. Inzwischen wurde auch ein Fallbericht publiziert, der über eine Geburt nach der Kryokonservierung von Ovargewebe im Alter von 13 Jahren (prämenarchal) und der Transplantation im Alter von 27 Jahren berichtet (9). Dieser Fallbericht zeigt, dass auch eine Transplantation nach einer präpubertären Kryokonservierung von Ovargewebe zu Schwangerschaften führen kann. Unterstützt wird dies auch durch zwei Fallberichte, die eine Induktion der Pubertät durch die Transplantation von präpubertär kryokonserviertem Ovargewebe nachgewiesen haben (2, 3). 132

135 Nr. Diagnose Alter bei Kryokonservierung Alter bei Transplantation Übernacht-Transport des Gewebes POI vor Transplantation Transplantationsort Anzahl Schwangerschaften Anzahl Geburten 1 Non-Hodgkin- Lymphom 2 Hodgkin- Lymphom Nein Nein Ovar, Peritoneum 3 1 (1 Abort, 1 EUG) Ja Ja Peritoneum Mamma-Ca Nein Ja Ovar, Peritoneum 4 Hodgkin- Lymphom Ja Ja Peritoneum Mamma-Ca Ja Ja Peritoneum Hodgkin- Lymphom Ja Ja Peritoneum Hodgkin- Lymphom Nein Ja Peritoneum 1 0 (1 EUG) 8 Ovarial-Ca Nein Nein Peritoneum 2 (IVF) 9 Mamma-Ca Ja Ja Peritoneum 2 1 (1 Abort) 10 Zystadenofibrom Ja Ja Peritoneum Hodgkin- Lymphom Ja Ja Peritoneum Mamma-Ca Ja Nein Peritoneum Mamma-Ca Ja Ja Peritoneum 1 (IVF) 1 14 Mamma-Ca Ja Ja Peritoneum Hodgkin- Lymphom Ja Ja Ovar, Peritoneum Ewing-Sarkom Ja Ja Peritoneum 1 0 Tab. 2 Schwangerschaften und Geburten, die im Netzwerk FertiPROTEKT nach einer Transplantation von Ovargewebe bis zum September 2015 gezählt wurden (mod. nach (7)) 133

136 3.3.3 Risiken Die Entnahme von Ovargewebe erfordert eine Laparoskopie, die Transplantation erneut eine Laparoskopie, ggf. auch Laparotomie. Bei der Entnahme von Ovargewebe besteht je nach onkologischer Erkrankung ein erhöhtes Risiko für Infektionen und Blutungen (z.b. bei Leukämien). Gemäss des FertiPROTEKT-Registers ist bei der Entnahme von Ovargewebe mit einer Komplikation pro 500 Laparoskopien zu rechnen, die eine operative Revision erforderlich macht (10). Allerdings ist im Register der Anteil der Gewebeentnahmen bei Kindern und Frauen mit einem erhöhten Operationsrisiko und bei Erkrankungen mit einer funktionellen Einschränkung des Immunsystems und der Blutgerinnung relativ gering (1). Bei der Transplantation von Ovargewebe sind die Operationsrisiken nicht höher als bei jeder anderen Laparoskopie, da die Frauen zum Zeitpunkt der Operation keine gesundheitlichen Einschränkungen mehr haben. Die Gewebetransplantation erfordert intraabdominell kleine Inzisionen des Beckenperitoneums und/oder der Ovarien mit einem sehr geringen Blutungsrisiko. Aufgrund der Kenntnisse des ovariellen Metastasierungspotentials onkologischer Erkrankungen und basierend auf systematischen Untersuchungen von kryokonserviertem Ovargewebe wurden erste, aber noch unvollständige Risikokategorisierungen für ovarielle Metastasen bei einzelnen onkologischen Erkrankungen entwickelt (Tab. 3). Angaben zum Risiko einer ovariellen Metastasierung finden sich auch in den Kapiteln 2.1, 2.2, 2.4, 2.6 und 2.9 dieses Buches. Des Weiteren wurde 2013 ein guter systematischer Review zu dem Thema publiziert (11). Zu beachten ist, dass die Datenlage bzgl. einer ovariellen Metastasierung meist überschaubar ist. Bei einem hohen Risiko ist die Kryokonservierung von Ovargewebe als experimentell zu erachten und die Patientin darüber zu informieren, dass das Gewebe möglicherweise nicht oder nur nach einer weiteren Etablierung der in Kap. 3.8 genannten Techniken verwendet werden kann. Bei einem geringen und insbesondere bei einem moderaten Risiko sollten vor der 134

137 Transplantation geeignete Untersuchungen einer Gewebeprobe des zu transplantierenden Gewebes erfolgen. Niedriges Risiko Mittleres Risiko Hohes Risiko Mamma-Ca Stadium I-II, Squamöses Zervix-Ca, Hodgkin-Lymphom, Osteogene Karzinome, Wilms-Tumor Mamma-Ca: Stadium IV und lobulär invasives Karzinom, Kolon-Ca, Adeno-Ca der Zervix, Non-Hodgkin-Lymphom, Ewing-Sarkom Leukämie, Neuroblastom, Burkitt-Lymphom, Ovarialkarzinom bzw. Ovarialmalignome Tab. 3 Risiko für eine ovarielle Metastasierung bzw. ovarielle Tumorzellen (mod. nach (12) und ergänzt) Kosten Die Kosten der Entnahme und Transplantation von Ovargewebe sind je nach Klinik und Operationstechnik unterschiedlich und setzen sich wie folgt zusammen: Entnahme von Ovargewebe (als ambulante Laparoskopie): ca ,- bis 1.500,- Euro Kryokonservierung (Einfrieren und Lagerung für 1 Jahr): ca. 400,- bis 800,- Euro Transplantation von Ovargewebe: ca ,- bis mehrere Tausend Euro. Die Kosten für die Entnahme von Ovargewebe und die Transplantation werden in manchen Fällen von den Krankenkassen übernommen. Die Lagerung des Gewebes ist immer eine Selbstzahlerleistung. 135

138 5.9Praktische TherapieVorgehensweise bei Fertilitätsstörungen des Mannes Kausale medikamentöse Therapieoptionen (Abb. Hypogonadismus 41 Entnahme von Ovargewebe 1): Hyperprolaktinämie 42 Vor einer Ovargewebeentnahme sollte sonographische der AFC bestimmt Infektionen und Entzündungen werden, idealerweise ergänzt durch die Messung der Serumkonzentration des Genitaltraktes 42 von AMH, um die ovarielle Reserve zu bestimmen. Somit kann eine Kryokon Samentransportstörungen 42 servierung bei einer geringen Ovarreserve vermieden werden. Auch sollte vor Therapie- und Heilversuche bei idiopathischer der Operation geprüft werden, ob und wenn ja, auf welcher Seite ein Follikel Subfertilität 43 heranreift oder ein Corpus luteum zu finden ist. Auf dieser Seite sollte das 6. Kryospermakonservierung 45 Ovargewebe nicht entnommen werden, da das Blutungsrisiko grösser und möglicherweise auch die Qualität des Ovargewebes geringer ist. 7. Vaterschaft bei älteren Männern 45 Abbildung 1 8. Hypogonadismus 46 Die Gewebeentnahme erfolgt meist ambulant laparoskopisch. Vom Ovar wer8.1 Definition 46 den antimesenterial ca. 50% des Organs mit einer Schere ohne elektrische 8.2 Physiologische Grundlagen 47 Koagulation abgesetzt. Im Netzwerk FertiPROTEKT wurde 2013 bei 97% der 8.3 Klassifizierung des Hypogonadismus 47 Frauen 50% des Gewebes eines Ovars entnommen (1). Nur bei präpubertären Primärer und sekundärer Hypogonadismus 47 Laparoskopische vargewebeentnahme (1/2 Ovar) Mädchen aufgrund dero geringen Grösse der Ovarien die Entnahme eines 8.4 ist Klinik des Hypogonadismus Endokrinologische Diagnostik Therapie Therapie des sekundären Hypogonadismus bei Kinderwunsch Therapie des primären oder sekundären Hypogonadismus mit Testosteron Intramuskuläre Gabe von Testosteronestern Transdermale Applikation von Testosteron Kontraindikationen der Testosteronsubstitution Sicherheitsparameter unter Testosteronsubstitutionstherapie Gynäkomastie Abb Definition Pathophysiologie Diagnostik Therapie Universitäts- Frauenklinik Bern der Laparoskopische Ovargewebeentnahme (1/2 Ovar) mit freundlicher Genehmigung 10. Literatur Universitäts-Frauenklinik Bern

139 ganzen Ovars erforderlich. Die Ovarhälfte kann über einen 12 mm-trokar geborgen werden. Die Wundfläche wird gespült, um die kleinen, meist subcortikal gelegenen Blutungsquellen zu identifizieren und gezielt zu koagulieren. Eine flächige Koagulation der Wundfläche sowie Nähte zum Verschluss der Wundfläche sind nicht erforderlich. Vom Ovargewebe wird ein kleines Gewebestück abgesetzt und in Formalin in die Pathologie zum Ausschluss von Metastasen gegeben. Das restliche Ovargewebe wird in ein dafür geeignetes 4 C kaltes Medium überführt und z.b. in eine der zentralen Kryobänke des Netzwerks FertiPROTEKT in Bonn, Erlangen, Bern oder Innsbruck mit entsprechenden Transportkisten transportiert oder direkt vor Ort kryokonserviert. Transplantation von Ovargewebe (Abb. 2): Das Gewebe wird durch speziell geschulte Biologen oder durch einen Biologen der Kryobank kurz vor der Transplantation aufgetaut. Eine Transplantation kann typischerweise laparoskopisch, ggf. auch per Laparotomie erfolgen. Inzwischen wird überwiegend orthotop transplantiert, das heisst in die Beckenwand lateral der Ovarien, in oder auf das Ovar. Eine Transplantation auf das Ovar imitiert am besten die physiologische Anatomie, erfordert aber die grösste laparoskopisch-mikrochirurgische Expertise sowie mit 1-2 Stunden die längste Operationszeit. Eine Transplantation in die Beckenwand ist die am wenigsten physiologische Lokalisation, aber operativ die am einfachsten durchzuführende Operation und dauert nur ca. ½ -1 Stunde. Welche der Lokalisationen zu den höchsten Schwangerschaftschancen führen, ist noch unklar. Auch ist offen, wie viel Ovargewebe transplantiert werden soll. Bei den Transplantationen, die im Netzwerk FertiPROTEKT zu einer Schwangerschaft geführt haben (Tab. 2), wurden meist ca % des Ovargewebes transplantiert (1 Ovar = 100%). Im Rahmen der Transplantation sollte die Durchgängigkeit der Tuben überprüft und ggf. auch eine Hysteroskopie erwogen werden. 137

140 5.9 Therapie bei Fertilitätsstörungen Mannes 40 Transplantation in das Beckenperitoneum des (Abb. 2a): Kausale Therapieoptionen 41 Das parietale Peritoneum wirdmedikamentöse lateral des Ovars über eine Länge von ca. 0, Hypogonadismus 41 cm inzidiert. Eine subperitoneale Tasche wird stumpf präpariert und die Gewe Hyperprolaktinämie 42 bestücke so eingebracht, dass die Kortexoberflächen dem Becken zugewandt Infektionen und Entzündungen sind. Die 2 Gewebestücke sollten nebeneinander und nicht übereinander liegen. Abbildung des Genitaltraktes 42 Der Verschluss des Peritoneums erfolgt meist mit einer Einzelknopfnaht (z.b Samentransportstörungen 42 mit PDS 5-0), auch mit Fibrinkleber. A: ggf. Transplanta>on in die Beckenwand Therapie- und Heilversuche bei idiopathischer Subfertilität Kryospermakonservierung Vaterschaft bei älteren Männern Hypogonadismus 46 Abbildung Definition 46 Abb.8.2 2a Physiologische Grundlagen 47 Transplantation die Beckenwand mit freundlicher Genehmigung der UniversitätsA: intransplanta>on in die Beckenwand 8.3 Klassifizierung des Hypogonadismus 47 Frauenklinik8.3.1 Bern Primärer und sekundärer Hypogonadismus 47 B: Transplanta>on in das Ovar 8.4 Klinik des Hypogonadismus 48 Transplantation in das Ovar Diagnostik (Abb. 2b): 8.5 Endokrinologische 49 Das 8.6 Gewebe wird idealerweise in das grössere Ovar und somit meist in das Therapie 49 Organ eingebracht, von dem das vor der gonadotoxischen The8.6.1 Therapie desovargewebe sekundären Hypogonadismus bei Kinderwunsch 50 rapie nicht stammt. Das Ovar wird inzidiert, so dass eine subkortikale Tasche dies Therapie des primären oder resultiert. Sollte nicht möglich sein, wird es sekundären zentral inzidiert. Die GewebeHypogonadismus Testosteron dass die Kortexober51 stücke werden in die Tasche möglichstmit so transplantiert, Intramuskuläre Gabe von Testosteronestern 51 flächen der Ovaraussenfläche zugewandt sind. Der Verschluss des Ovars Transdermale Applikation von Testosteron 52 erfolgt meist mitb: einer Einzelknopfnaht. in das Ovar T ransplanta>on Kontraindikationen der TestosteronC: Transplanta>on substitutionauf das Ovar Sicherheitsparameter unter Testosteronsubstitutionstherapie Gynäkomastie Abb. 2b Definition Pathophysiologie Diagnostik Therapie 53 C: Transplanta>on auf das Ovar Literatur in das Ovar mit freundlicher Genehmigung der Universitäts-Frauenklinik Bern 58 Transplantation Universitäts- Frauenklinik Bern 138 7

141 5.9 Therapie Fertilitätsstörungen 40 Transplantation aufbei das Ovar (Abb. 2c): des Mannes Kausale 41 Eine Transplantation auf die medikamentöse OvaroberflächeTherapieoptionen setzt eine ausreichende Grösse damitHypogonadismus 41 der Gewebestücke voraus, diese auch fixiert werden können. In der LiteB: T ransplanta>on in das Ovar Hyperprolaktinämie 42 ratur wurde beschrieben, dass die Ovaroberfläche vor der Fixierung der Gewe Infektionen und Entzündungen bestücke zunächst dekortikiert wird (12). Dies ist jedoch laparoskopisch kaum des Genitaltraktes 42 möglich und wenn, dann auch nur bei einer glatten Ovaroberfläche. Auch be Samentransportstörungen 42 steht das Risiko, dass dabei eine relevante Kortexmenge verloren geht, die Therapie- und Heilversuche bei idiopathischer entweder noch aktivsubfertilität ist oder durch das transplantierte Ovargewebe reakti43 viert werden könnte. Deswegen kann die Ovaroberfläche auch nur mit einer 6. Kryospermakonservierung Schere oberflächlich inzidiert werden, wodurch sich ein Wundspalt öffnet, 45 der stumpf erweitert Auf diesen können die Gewebestücke mit Einzelknopf7. Vaterschaft beiwird. älteren Männern 45 nähten (z.b. mit PDS 5-0) fixiert werden. Auch wurde von einer Fixierung mit 8. Hypogonadismus 46 C: Transplanta>on auf das Ovar berichtet (13). Fibrinkleber und einer Abdeckung mit einem Interceed -Netz 8.1 Definition Physiologische Grundlagen Klassifizierung des Hypogonadismus Primärer und sekundärer Hypogonadismus Klinik des Hypogonadismus Endokrinologische Diagnostik Therapie Therapie des sekundären Hypogonadismus bei Kinderwunsch 50 Abb. 2c Therapie des primären oder sekundären Universitäts- Frauenklinik Bern Transplantation auf dashypogonadismus Ovar mit freundlicher Genehmigung der Universitäts-Frauenmit Testosteron 51 klinik Bern Intramuskuläre Gabe von Testosteronestern Transdermale Applikation von Testosteron 52 Follow up: Kontraindikationen der TestosteronErste Aktivitätszeichen des Ovargewebes zeigen sich nach ca. 3 Monaten, substitution 52 ggf. aber auch erst nach 6 Monaten. Sollten die Tuben offen sein und kein Sicherheitsparameter unter Testosteronanderer relevanter Sterilitätsfaktor vorliegen, kann eine Spontanschwangersubstitutionstherapie 53 schaft angestrebt werden. Dazu wird oft ein Zyklusmonitoring durchgeführt, 9. Gynäkomastie 53 die Ovulation mit HCG induziert und der Zeitpunkt des Geschlechtsverkehrs 9.1 Die Definition 53 optimiert. vielen Spontanschwangerschaften (6, 9) bestätigen, dass über 9.2 Pathophysiologie 53 mindestens ½ Jahr eine spontane Konzeption angestrebt werden sollte. Sollte Diagnostik nicht eintreten oder ein anderweitiger relevanter Ste56 eine9.3 Schwangerschaft 9.4 Therapie 57 rilitätsfaktor vorliegen, kann eine IVF, ggf. kombiniert mit einer ICSI, durchge führtliteratur werden. Eine Gonadotropin-Stimulation zur Generierung von mehreren 139 7

142 Follikeln kann versucht werden, führt jedoch aufgrund der geringen Ovarreserve oft nicht zu einer multifollikulären Reaktion und geht auch mit höheren Kosten einher. Alternativ kann eine modifizierte Natural Cycle -IVF durchgeführt werden (14). Gemäss der Transplantationen im Netzwerk FertiPROTEKT sind ca. 2 / 3 der Transplantate nach einem Jahr noch aktiv (9). Meist ist das Gewebe, das initial eine gute Aktivität zeigt, über mehrere Jahre aktiv. Da bisher unklar ist, welche Lokalisation des Transplantates ideal ist und wie viel Gewebe transplantiert werden muss, sollten Transplantationen von Ovargewebe, wenn möglich, nur im Rahmen klinischer Studien durchgeführt werden. FertiPROTEKT bereitet eine Studie zur Bestimmung des idealen Transplantationsortes vor ( Studiennummer folgt). Referenzen 1. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over women. Reprod Biomed Online 2015;31: Poirot C, Abirached F, Prades M, Coussieu C, Bernaudin F, Piver P. Induction of puberty by autograft of cryopreserved ovarian tissue. Lancet 2012;37: Ernst E, Kjaersgaard M, Birkebaek NH, Clausen N, Andersen CY. Case report: stimulation of puberty in a girl with chemo- and radiation therapy induced ovarian failure by transplantation of a small part of her frozen/thawed ovarian tissue. Eur J Cancer 2013;49: Andersen CY, Kristensen SG. Novel use of the ovarian follicular pool to postpone menopause and delay osteoporosis. Reprod Biomed Online 2015;31: von Wolff M, Stute P. Cryopreservation and transplantation of ovarian tissue exclusively to postpone menopause: technically possible but endocrinologically doubtful. Reprod Biomed Online 2015;31: Jensen AK, Kristensen SG, Macklon KT, Jeppesen JV, Fedder J, Ernst E, Andersen CY. Outcomes of transplantations of cryopreserved ovarian tissue to 41 women in Denmark. Hum Reprod 2015;30:

143 7. Liebenthron J, Dittrich R, Toth B, Korell M, Krüssel J, van der Ven K, Winkler K, Frambach T, Döhmen G, Häberlin F, Kupka M, Schwab R, Seitz S, von Wolff M. Orthotopic ovarian tissue transplantation results in relation to experience of the transplanting centers, overnight tissue transportation and transplantation into the peritoneum. Hum Reprod 2015;30(Suppl 1):i97-i Rosendahl M, Schmidt KT, Ernst E, Rasmussen PE, Loft A, Byskov AG, Andersen AN, Andersen CY. Cryopreservation of ovarian tissue for a decade in Denmark: a view of the technique. Reprod Biomed Online 2011;22: Demeestere I, Simon P, Dedeken L, Moffa F, Tsépélidis S, Brachet C, Delbaere A, Devreker F, Ferster A. Live birth after autograft of ovarian tissue cryopreserved during childhood. Hum Reprod 2015;30: Lawrenz B, Jauckus J, Kupka MS, Strowitzki T, von Wolff M. Fertility preservation in > 1,000 patients: patient's characteristics, spectrum, efficacy and risks of applied preservation techniques. Arch Gynecol Obstet 2011;283: Bastings L, Beerendonk CC, Westphal JR, Massuger LF, Kaal SE, van Leeuwen FE, Braat DD, Peek R. Autotransplantation of cryopreserved ovarian tissue in cancer survivors and the risk of reintroducing malignancy: a systematic review. Hum Reprod Update 2013;19: Dolmans MM, Luyckx V, Donnez J, Andersen CY, Greve T. Risk of transferring malignant cells with transplanted frozen-thawed ovarian tissue. Fertil Steril 2013;99: Donnez J, Dolmans MM. Transplantation of ovarian tissue. Best Pract Res Clin Obstet Gynaecol 2014;28: von Wolff M, Nitzschke M, Stute P, Bitterlich N, Rohner S. Low-dosage clomiphene reduces premature ovulation rates and increases transfer rates in natural-cycle IVF. Reprod Biomed Online 2014;29:

144 3.4 Kryokonservierung von Ovarialgewebe Jana Liebenthron Rationale Die Kryokonservierung von Ovarialkortexgewebe ist seit den ersten Geburten nach einer Ovarialgewebetransplantation 2004 weltweit (1) und 2008 in Deutschland (2) eine zunehmend empfohlene Technik zur Konservierung der Fertilität vor zytotoxischen Therapien. In Deutschland werden pro Jahr in etwa 400 Kryokonservierungen von Ovarialgewebe vorgenommen, was zur Zeit einer Gesamtanzahl von ca Kryokonservierungen entspricht (3). Davon werden ca in der Kryobank der Universitäts-Frauenklinik Bonn, ca. 500 in der Kryobank der Universitäts-Frauenklinik Erlangen, ca. 170 in der Kryobank der Universitäts-Frauenklinik Innsbruck und ca. 100 in der Kryobank der Universitäts-Frauenklinik Bern gelagert (Stand: November 2015). Nach Bewältigung der primären Krebserkrankung kann kryokonserviertes Ovarialgewebe aufgetaut und in oder auf das noch vorhandene Ovar oder in eine Peritonealtasche nahe der Fimbrientrichter transplantiert werden (siehe Kapitel 3.3). Eine Wiederaufnahme des zyklischen Hormonkreislaufs kann nach einer aktuellen Registerauswertung des Netzwerkes FertiPROTEKT bei bis zu 63 % aller Patientinnen erreicht werden, die sich dieser Methode unterziehen (4). Auch eine Induktion der Pubertät von Patientinnen, denen präpubertär Gewebe zum Fertilitätserhalt entnommen wurde, ist bereits möglich was als Besonderheit und Alleinstellungsmerkmal bei dieser fertilitätsprotektiven Maßnahme besonders hervorzuheben ist (Tab. 1). 142

145 Vorteile Nachteile Zeitbedarf ca. ½-1 Woche Invasive Massnahme in Allgemein-Anästhesie Entnahme und Kryokonservierung von ovariellem Kortex = etabliertes Verfahren Erfolgschancen sind abhängig von vorhandener Eizellreserve (AMH, AFC, Calcein-Färbung in Kortexbiopsie nach Entnahme) sowie Art und Dosis der gonadotoxischen Therapie Sowohl präpubertär als postpubertär durchführbar Rezidivrisiko durch mögliche Persistenz von malignen Zellen im Ovarialkortex - Histopathologischer/zellbiologischer Befund spiegelt nicht eindeutig den Zellbestand der zu transplantierenden Stückchen wieder Geburtenrate nach Transplantation derzeit ca %. Eine weitere Steigerung ist durch die Optimierung der Technik zu erwarten Experimentell bei Erkrankungen mit malignen Zellen im Blut- und Gefäßsystem In Kombination mit Kryokonservierung von unbefruchteten oder befruchteten Oozyten sowie der Applikation von Gn- RH-Agonisten kann der Erfolg gesteigert werden Bei Kindern ist aufgrund der Ovargröße die Entnahme eines ganzen Ovars erforderlich Tab. 1 Vor- und Nachteile der Kryokonservierung von Ovarialgewebe Entnahme des Gewebes In der Regel wird das Ovarialgewebe laparoskopisch entnommen. Wichtig ist, dabei ohne Elektrokoagulation (Hitzeeinwirkung) zu arbeiten, um eine Schädigung des Ovarialgewebes zu vermeiden. Bei der Inspektion der Adnexe sollte darauf geachtet werden, dass das zyklisch inaktive Ovar identifiziert wird, da 143

146 interne Untersuchungen ergaben, dass ein frisches Corpus rubrum/luteum die umliegende Qualität des ovariellen Kortex beträchtlich qualitativ und quantitativ einschränkt (5). Nach Inspektion der Adnexe erfolgt die Darstellung des Ligamentum suspensorium und der Tube. Das Ovar wird mit einer Zange am äußeren Pol gegriffen, ca. 50 % des Gewebes abgetrennt und sofort in ein bereitstehendes Transportmedium eingebracht (s. Kap ) Aufbewahrung und Transport des entnommenen Gewebes bis zur Aufbereitung und Kryokonservierung Das gewonnene Ovarialgewebe sollte unmittelbar nach Entnahme in ein steriles Transplantationsmedium (z. B. Custodiol, Franz Köhler Chemie, Bensheim, Deutschland) überführt und bei 4 bis 8 C zum Aufbereitungsort transportiert werden. Kann eine Kryokonservierung des Gewebes nicht direkt am Ort erfolgen, gibt es die Möglichkeit, mit spezialisierten, externen Kryobanken, z.b. der Universitäts-Frauenklinik Bonn, Erlangen, Innsbruck und Bern, zu kooperieren. Der Transport dorthin erfolgt direkt postoperativ in speziellen Versandbehältern. Die Transportbedingungen beinhalten ein Zeitlimit von 22 ± 2 Stunden, welches nicht überschritten werden sollte sowie eine konstante Kühlung bei 4 bis 8 C, die durch spezielle Kühlakkupaare (z. B. 3 Paar 4 C TempShell-Element-pair, delta T Gesellschaft für Medizintechnik mbh, Fernwald, Deutschland) und geeignete Transportbehälter (z. B. TransPorter Blue Line 10 L, delta T Gesellschaft für Medizintechnik mbh, Fernwald, Deutschland) gewährleistet werden kann. Dass diese Methode uneingeschränkt funktioniert und auch scheinbar zu keinen Einbußen hinsichtlich der Gewebevitalität und auch den Erfolgsraten nach Transplantation führt, zeigen diverse Veröffentlichungen (4, 6, 7). Abb. 1 Transportbehälter für den Transport von Ovarialgewebe bei 4 bis 8 C 144

147 3.4.4 Präparation des entnommenen Ovarialgewebes zur Kryokonservierung Für die Aufbereitung sollten ein Reinraumlabor mit einer kontaminationsfreien Umgebung und eine sterile Klasse II Lamina air flow zur Verfügung stehen, in welcher steril und gekühlt (z. B. mittels einer integrierten Kühlplatte, UKH602, FRYKA Kältetechnik GmbH, Esslingen, Deutschland) präpariert werden kann. Es gilt, bei der Präparation vorsichtig die Medulla ovarii vom Cortex ovarii mit Hilfe von Präzisionsskalpellen und anatomischen Pinzetten abzupräparieren (Abb. 2), wobei ein dünner Reststroma-Anteil belassen werden sollte, damit später ein optimaler Ansatzpunkt zur Neovaskularisierung der Transplantate gegeben ist (8). Aus dem fertig präparierten Kortex werden in Abhängigkeit von der Größe und Qualität rechteckige, ca. 4 x 6 x 1 mm große Kortexstücke zugeschnitten, in einem geeigneten Medium zur Kryokoservierung gekühlt, äquilibriert und anschließend auf einzelne Kryo-Röhrchen, die mit Kryomedium befüllt sind, verteilt. Abb. 2 Präparation von Ovarialgewebe unter sterilen und gekühlten Bedingungen mit freundlicher Genehmigung der Universitäts-Frauenklinik-Erlangen Kryokonservierung des präparierten Ovarialgewebes In einem computergesteuerten Slow freezing-verfahren (z. B. unter der Verwendung eines IceCube 14S-A, SY-LAB, Neupurkersdorf, Österreich) werden die Proben nach einem modifizierten Programm von Gosden et al. (9) so heruntergekühlt, dass sie im Anschluss in einer Stickstoffgasphase (bei C) unbegrenzt gelagert werden können. 145

148 Neben dem Slow freezing-verfahren gibt es ein weiteres Verfahren, die Vitrifikation. Beide Methoden finden weltweit Anwendung. Eine eingehende Literaturrecherche zeigt jedoch, dass bisher alle Geburten (bis auf eine) (10) ausschließlich aus der Slow freezing-methode resultieren (4, 7, 11). Die richtige Wahl des eingesetzten Kryoprotektivums ist ein wichtiger Punkt, der maßgeblich dafür verantwortlich ist, ob eine Kryokonservierungstechnik erfolgreich verläuft oder nicht. Permeable Kryoprotektiva, wie Glycerin, Ethylenglykol, DMSO und Propandiol in Kombination mit oder ohne Nicht-permeablen Kryoprotektiva, wie z. B. Sucrose, stehen hierbei zur Auswahl, gelöst in entsprechenden Trägermedien und einem Proteinzusatz (1, 12-15). Unter Verwendung der Kryoprotektiva Ethylenglykol, Propandiol oder DMSO lassen sich ähnlich gute Überlebensraten der Keimzellen sowie intakte Gewebemorphologien und Zellstrukturen nach Kryokonservierung und dem Auftauen nachweisen. Glycerin schnitt am schlechtesten ab Maßnahmen zur Vorbereitung einer Transplantation von kryokonserviertem Ovarialgewebe Die Dichte vitaler Follikel im Gewebe sollte vor und nach der Kryokonservierung bestimmt werden. Dafür werden vor der Kryokonservierung (neben der sonographischen Bestimmung des AFC und der AMH-Konzentration) bei der Präparation des Gewebes genormte Biopsiestanzen aus verschiedenen Gewebe-Randbereichen, angefertigt (siehe 3.4.7). Diese Analyseergebnisse werden mit jenen, die vor der Kryokonservierung des Gewebes dokumentiert wurden, gemittelt. Anhand dieser Werte sowie dem Alter der Patientin zum Entnahmezeitpunkt des Gewebes, dem AMH- Wert und dem AFC wird die zu transplantierende Anzahl an Gewebestückchen festgelegt. In der Regel entspricht die zu transplantierende Menge an Ovarialgewebe ca. 15 % eines ganzen Ovars (geht man 50% des Ovars aus, das der Patientin entnommen wurde, woraus 10 Stückchen präpariert und kryokonserviert wurden, werden im Erstversuch 3 Stückchen aufgetaut und transplantiert). Bei einer niedrigen Follikeldichte sowie bei einem fortgeschrittenem 146

149 Alter zum Entnahmezeitpunkt (ca. > 30 Jahre), sollte die Stückchenzahl auf 20 bis 25 % (insgesamt 4 bis 5 Stücke) erhöht werden. Abb. 3 Darstellung vitaler Follikel in einer Calcein-Acetoxymethylester AM-Färbung nach Gewebeverdauung mittels Collagenase Auch sollten zum Zeitpunkt der Operationsplanung immunhistochemische, zell- oder molekularbiologische Untersuchungsergebnisse vom Ovarialkortex vorliegen, die das Vorhandensein von malignen Zellen und somit ein Tumorrezidiv nach Transplantation weitestgehend ausschließen. Diese Untersuchung wird in der Regel zum Entnahmezeitpunkt durch das operative Zentrum veranlasst und nach Befunderhebung sowie dem primären Krankheitsbild bewertet. Zu den Risiken einer ovariellen Metastasierung und den sich daraus ableitenden Konsequenzen s. Kapitel Qualitätskontrollen Bestimmung des Kortexpotentials vor und nach der Kryokonservierung Diese stellt sicher, dass die Entnahme des Gewebes, dessen Transport sowie die Kryokonservierung zu keiner relevanten Schädigung des Gewebes geführt haben. Es empfiehlt sich, aus dem präparierten Ovarialkortex kleine genormte Biopsien aus verschiedenen Randbereichen anzufertigen (z. B. 2 mm Stanzen mittels Biopsiepunches, pfm medical ag, Köln, Deutschland). Diese dienen der Feststellung des Ovarialkortexpotentials nach Entnahme und Transport des Gewebes durch Auszählung fluoreszierender = vitaler Primordialfollikel. Die Anzahl vitaler Primordialfollikel wird für eine spätere Transplantation neben der AMH-Konzentration i.s. und dem AFC dokumentiert. 147

150 Zusätzlich können in vitro-tests durchgeführt werden, die die gesamte Gewebefunktionalität widerspiegeln, da nur ein komplett intakter Ovarialkortex die Follikel ausreichend versorgen und im Wachstum unterstützen kann. Sowohl die Messung des in vitro-glukoseverbrauchs von genormten Kortexbiopsien vor und nach der Kryokonservierung (Glucose-Uptake Assay) als auch die Bestimmung von Östradiol und Progesteron im Mediumüberstand von kultivierten Kortexbiopsien stellen solche Tests dar (16). Validierung einer Ovarialgewebe-verarbeitenden Einrichtung Diese stellt die Qualität der Aufbereitung, der Kryokonservierung und des Auftauens eines jeden einzelnen Zentrums sicher mit dem Ziel, einen optimalen und gleichbleibenden Standard bieten zu können. Dafür empfiehlt das Netzwerk FertiPROTEKT, dass kryokonservierende Zentren ihre Einfriertechnik durch eine Xenotransplantation von Ovarialgewebe auf immundefiziente (severe combined immunodeficiency) SCID-Mäuse überprüfen lassen, bevor sie eine Transplantation in der klinischen Routine anbieten. Es soll gezeigt werden, dass die Follikel nach Kryokonservierung und Auftauen ein qualitatives Entwicklungspotential/Follikelwachstum aufweisen. Referenzen 1. Donnez J, Dolmans MM, Demylle D, Jadoul P, Pirard C, Squifflet J, Martinez-Madrid B, van Langendonckt A. Livebirth after orthotopic transplantation of cryopreserved ovarian tissue. Lancet 2004; 364: Dittrich R, Mueller A, Binder H, Oppelt PG, Renner SP, Goecke T, Hoffmann I, Beckmann WM. First retransplantation of cryopreserved ovariantissue following cancer therapy in Germany. Dtsch Arztebl Int 2008;105: von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over women. Reprod Biomed Online 2015;31: Liebenthron J, Dittrich R, Toth B, Korell M, Krüssel J, van der Ven K, Winkler K, Frambach T, Döhmen G, Häberlin F, Kupka M, Schwab R, Seitz S, von Wolff M. Orthotopic ovarian tissue transplantation results in relation to experience of the transplanting centers, overnight tissue transportation and transplantation into the peritoneum. Hum Reprod 2015;30(Suppl 1):i97-i

151 5. Liebenthron J, Montag M, Köster M, van der Ven H, van der Ven K. Ovarian cortical strips derived from an area close to the corpus luteum show compromised follicular development in vitro. Posterpräsentation beim 6th Workshop on Mammalian folliculogenesis and oogenesis: from basic science to the clinic, ESHRE Campus, Potsdam Isachenko E, Isachenko V, Nawroth F, Rahimi G, Weiss JM. Effect of long-term exposure at suprazero temperatures on activity and viability of human ovarian cortex. Fertil Steril 2009;91(Suppl 4): Dittrich R, Hackl J, Lotz L, Hoffmann I, Beckmann MW. Pregnancies and live births after 20 transplantations of cryopreserved ovarian tissue in a single center. Fertil Steril 2015;103: Donnez J, Dolmans MM. Ovarian tissue freezing: current status. Curr Opin Obstet Gynecol 2015;27: Gosden RG, Baird DT, Wade JC, Webb R. Restoration of fertility to oophorectomized sheep by ovarian autografts stored at 196 C. Hum Reprod 1994;9: Kawamura K, Cheng Y, Suzuki N, Deguchi M, Sato Y, Takae S, Ho CH, Kawamura N, Tamura M, Hashimoto S, Sugishita Y, Morimoto Y, Hosoi Y, Yoshioka N, Ishizuka B, Hsueh AJ. Hippo signaling disruption and Akt stimulation of ovarian follicles for infertility treatment. Proc Natl Acad Sci U S A 2013;110: Donnez J, Dolmans MM. Ovarian cortex transplantation: 60 reported live births brings the success and worldwide expansion of the technique towards routine clinical practice. J Assist Reprod Genet 2015;32: Dittrich R, Lotz L, Keck G, Hoffmann I, Mueller A, Beckmann MW, van der Ven H, Montag M. Live birth after ovarian tissue autotransplantation following overnight transportation before cryopreservation. Fertil Steril 2012;97: Sanfilippo S, Canis M, Romero S, Sion B, Déchelotte P, Pouly JL, Janny L, Smitz J, Brugnon F. Quality and functionality of human ovarian tissue after cryopreservation using an original slow freezing procedure. J Assist Reprod Genet 2013;30: Gracia CR, Chang J, Kondapalli L, Prewitt M, Carlson CA, Mattei P, Jeffers S, Ginsberg JP. Ovarian tissue cryopreservation for fertility preservation in cancer patients: successful establishment and feasibility of a multidisciplinary collaboration. J Assist Reprod Genet 2012;29: Oktay K, Oktem O. Ovarian cryopreservation and transplantation for fertility preservation for medical indications: report of an ongoing experience. Fertil Steril 2010;93: Bastings L, Liebenthron J, Westphal JR, Beerendonk CC, van der Ven H, Meinecke B, Montag M, Braat DD, Peek R. Efficacy of ovarian tissue cryopreservation in a major European center. J Assist Reprod Genet 2014;31:

152 3.5 GnRH-Agonisten und kombinierte hormonelle Kontrazeptiva Frank Nawroth Rationale Grundlage der ersten Überlegungen über die Anwendung von GnRH-Agonisten (GnRHa) sowie kombinierten hormonellen Kontrazeptiva zur Fertilitätsprotektion war die Hypothese, dass die resultierende hypophysäre Down-Regulation und Ruhigstellung der ovariellen Aktivität zu einer reduzierten Sensitivität des Germinalgewebes gegenüber zytotoxischen Effekten führen müsste. Ziel einer Behandlung mit GnRHa ist es also, die Stimulation der Ovarien zu reduzieren. Im Netzwerk FertiPROTEKT wurden bei ca. 40% aller durchgeführten fertilitätskonservierenden Therapien GnRH-Agonisten (GnRHa) verabreicht (1). Allerdings erfolgt die Aktivierung der Primordialfollikel gonadotropinunabhängig, was einen Einfluss über diesen Weg nicht plausibel erklärt (2). Weil zahlreiche Chemotherapeutika in gleicher Weise außerdem ebenso nicht bzw. wenig stoffwechsel- sowie teilungsaktive Zellen beeinflussen, muss dieser Wirkungsmechanismus zusätzlich kritisch hinterfragt werden (3). Eine spezifische molekulare Erklärung für die effektive Wirkung der GnRHa zur Fertilitätsprotektion existiert momentan nicht. Aus aktuellen Tierversuchen existieren Hinweise, dass für den protektiven Effekt eines GnRHa entscheidend sein könnte, mit welchem Chemotherapeutikum er kombiniert wird. Während die Kombination eines GnRHa mit Doxorubicin die toxische Wirkung auf die Follikel sogar verstärkte, zeigte sich in Kombination des GnRHa mit Cyclophosphamid ein protektiver Einfluss (2). GnRHa können i.m. (1x/d, als Monats- oder 3 Monat-Depot), s.c. (1x/d) oder intranasal (2-3x/d) appliziert werden. Sie binden an den spezifischen hypophysären Rezeptor und führen zu einem initialen Flare up"-effekt über ca. 5-7 Tage, einer kurzfristig deutlich verstärkten Gonadotropin-Sekretion. Erst nach Entleerung der FSH-/LH-Speicher der Hypophyse resultiert eine Abnahme der Gonadotropin-Serumkonzentration sowie in Folge eine Inaktivierung der Ovarien. In Abhängigkeit von ihrer Wirkung am GnRH-Rezeptor der Hypophyse 150

153 lassen sich GnRH-Agonisten (GnRHa) bzw. GnRH-Antagonisten (GnRHant) unterscheiden. Letztere führen zu einer Blockade des GnRH-Rezeptors und damit auch der hypophysären FSH- und LH-Ausschüttung innerhalb von nur etwa 8 Stunden. Ein wesentlicher Unterschied zwischen GnRHa und GnRHant besteht somit darin, dass der Wirkungseintritt bei GnRHant unmittelbar erfolgt, während er bei GnRHa mit einer Verzögerung von ca. 7 Tagen eintritt. Allerdings sind die GnRHant momentan noch nicht als mehrwöchig wirkende Depotpräparate verfügbar und teurer. Liegt zwischen Beratungsgespräch und dem geplanten Beginn einer Chemotherapie nur wenig Zeit, lässt sich die hypophysäre (und damit auch ovarielle) Down-Regulation deutlich verkürzen, indem die erste GnRHa-Gabe zusätzlich einige Tage mit einem GnRHant kombiniert wird. Dadurch lässt sich der Flare up"-effekt zwar nicht völlig verhindern, aber bei den meisten Patientinnen signifikant reduzieren (4). Betrachtet man die Ergebnisse in den GnRHa-Studien sind die Kollektive zwar durchaus groß, aber überaus heterogen und auch die Aussagen beruhen oft auf ungeeigneten Outcome-Parametern (Amenorrhoerate, FSH-Wert etc.) und nicht auf ausreichend großen Patientengruppen, in denen die AMH-Spiegel vor der Therapie sowie in einem ausreichend langen Zeitraum danach gemessen wurde. Auch die Aussagen zur Fertilität sind nur eingeschränkt verwendbar, weil die Nachbeobachtungszeiträume noch zu kurz sind. Damit bleibt bis heute nicht endgültig geklärt, ob die Gabe von GnRHa während der Chemotherapie einen protektiven Effekt auf das Ovar hat. Unabhängig davon muss beachtet werden, dass GnRHa bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren theoretisch die Wirksamkeit einer Chemotherapie beeinträchtigen könnten. Eine aktuelle Arbeit spricht aber eher gegen einen negativen Einfluss der GnRHa auf den Effekt der Chemotherapie (5). Trotz der in Tabelle 1 dargestellten Vor- und Nachteile bleiben GnRHa momentan angesichts der später dargestellten Meta-Analysen bis zum Vorliegen weiterer Studien eine individuell zu entscheidende Option zur Fertilitätsprotektion. Die unter einem GnRHa, oft aber auch durch die Chemotherapie, auftretenden 151

154 klimakterischen Beschwerden lassen sich ggf. durch eine hormonelle add back-therapie (vergleichbar z.b. den Erfahrungen mit der GnRHa-Anwendung bei der Endometriose) (6) lindern, wobei hier in Abhängigkeit von der onkologischen Erkrankung (Hormonrezeptoren?) entschieden werden muss. Vorteile Nachteile Zeitbedarf vor Chemotherapie: maximal eine Woche keine definitiv nachgewiesene Wirksamkeit Moderate Kosten (ca. 180 /Monat) evtl. klimakterische Beschwerden schon vor der Chemotherapie (ggf. add back-therapie) evtl. negativer Einfluss auf die Effektivität einer Chemotherapie bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren Tab. 1 Mögliche Vor- und Nachteile der Anwendung von GnRHa zur Fertilitätsprotektion während einer Chemotherapie Die kombinierten hormonellen Kontrazeptiva finden in den weiteren Ausführungen hier keine Berücksichtigung, da es zu ihnen keine größeren aktuellen und randomisierten Studien gibt, welche die fertilitätsprotektive Wirksamkeit in ausreichendem Umfang und Qualität überprüft haben Effektivität Die meisten Meta-Analysen seit 2011 (7-12) zeigten nach der parallelen Chemotherapie/GnRHa-Gabe eine signifikant niedrigere Rate für das Auftreten einer prämaturen Ovarialinsuffizienz (premature ovarian insufficiency, POI). Das Risiko lässt sich bei allerdings heterogener Datenlage um etwa die Hälfte reduzieren. Ein signifikanter Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer späteren Schwangerschaft (also auf die Fertilität) wurde in den Meta-Analysen bis 2014 nicht nachgewiesen. Eine Arbeit beschrieb keinen signifikanten Unterschied hinsichtlich der wieder eintretenden Regelblutung (13). 152

155 Eine prospektiv-randomisierten Studie (14) sowie die aktuellste Meta-Analyse (15) zeigten in der GnRHa-Gruppe eine signifikant höhere Schwangerschaftsrate (Tab. 2). Referenz Design Ergebnisse in der GnRHa-Gruppe Chen et al (7) Bedaiwy et al (8) Wang et al (9) Meta-Analyse Meta-Analyse Meta-Analyse signifikant häufiger wieder eintretende Regel: RR 1,90 (1,30 2,79) signifikante Reduktion der Amenorrhoe-Rate: RR 0,08 (0,01 0,58) signifikant höhere Ovulations-Rate: RR 2,70 (1,52 4,79) kein signifikanter Einfluss auf die Schwangerschafts-Rate signifikant höhere Inzidenz spontaner Ovulationen: OR 2,70 (1,52 4,79) signifikant höhere Inzidenz eines nicht eintretenden POI: OR 3,46 (1,13 10,57) signifikant häufiger wieder eintretende Regel: OR 2,83 (1,52 5,25) Yang et al (10) Zhang et al (11) Meta-Analyse signifikante Reduktion des POI: RR 0,40 (0,21 0,75) kein signifikanter Einfluss auf die Schwangerschafts-Rate Meta-Analyse signifikante Reduktion des POI: OR 0,32 (0,13 0,77) kein signifikanter Einfluss auf die Schwangerschafts-Rate Del Mastro Meta-Analyse signifikante Reduktion des POI: OR 0,43 (0,22 0,84) et al (12) Vitek et al (13) Moore et al (14) Munhoz et al (15) Meta-Analyse prospektiv-randomisierte Studie Meta-Analyse kein signifikanter Unterschied im Wiedereintritt der Regel: OR 1,47 (0,60 3,62) signifikante Reduktion des POI: OR 0,30 (0,09 0,97) signifikant höhere Schwangerschafts-Rate (21 vs. 11%) signifikant besseres krankheitsfreies und Gesamtüberleben signifikant häufiger Eumenorrhoe 6 bzw. wenigstens 12 Monate nach letzter Chemotherapie: OR 2,41 (1,40 4,15) bzw. OR 1,85 (1,33 2,59) signifikant höhere Schwangerschafts-Rate: OR 1,85 (1,02 3,36) Tab. 2 Darstellung der relevanten Studienergebnisse von 2011 Januar

156 3.5.3 Risiken Grundsätzlich können GnRHa zu klimakterischen Beschwerden wie Hitzewallungen etc. führen. Während einer Chemotherapie resultiert aber sowieso eine Suppression der Ovarialfunktion, so dass derartige Symptome durch den zuvor applizierten GnRHa allenfalls einige Tage früher möglich sind. Der bei einer Anwendung > 6 Monate mögliche irreversible Verlust an Knochendichte spielt normalerweise keine Rolle, weil die Chemotherapien diese Zeitdauer in aller Regel nicht überschreiten. Für die oben bereits genannte Vermutung, dass GnRHa bei Hormonrezeptor-positiven Tumoren theoretisch die Wirksamkeit einer Chemotherapie beeinträchtigen könnten, existieren aktuell keine Beweise Kosten Die Kosten für einen über 4 Wochen wirkenden Depot-GnRHa liegen bei ca Bei einer über 6 Monate laufenden Chemotherapie liegen die Gesamtkosten daher bei 6x ca Wird zusätzlich initial bei einem kleinen Zeitfenster bis zur Chemotherapie einige Tage ein GnRHant appliziert, kostet dieser ca. 50 /d. Die Kosten für den GnRHa werden nur selten von den Krankenkassen übernommen Praktische Vorgehensweise Wenn nach dem Beratungsgespräch die Indikation zur Anwendung eines Gn- RHa vor einer Chemotherapie gestellt wird, ist für das weitere Vorgehen die Dringlichkeit der gewünschten Down-Regulation entscheidend. Hat die Patientin bis zum Beginn der onkologischen Behandlung ca. 7 Tage Zeit, kann der GnRHa z.b. als Monats-Depot s.c. oder i.m. appliziert werden. Die Chemotherapie kann dann nach etwa einer Woche begonnen werden (Abb. 1a). Muss bei hoher Dringlichkeit die onkologische Therapie deutlich schneller beginnen, erreicht man durch die tägliche s.c.-gabe eines GnRHant über ca

157 Tage eine Down-Regulation innerhalb von ca. 8 Stunden (ab 1. Injektion) und bei Kombination mit der Anwendung eines Depot-GnRHa während der Antagonistenapplikation eine Reduktion des flare up-effektes, d.h. der gesteigerten initialen Gonadotropinausschüttung (4). Die Chemotherapie kann dann bereits am Tag nach der Injektion des GnRHa/GnRHant begonnen werden (Abb. 1b). Grundsätzlich muss man allerdings kritisch anmerken, dass nicht bekannt ist, ob der flare up überhaupt abgewartet bzw. verhindert werden muss, da die zu schützenden Primordialfollikel wie oben beschrieben nicht gonadotropinsensitiv sind. Daher muss man bis zur Klärung durch weitere Studien die Notwendigkeit des Abwartens nach Erstapplikation des GnRHa (Abb. 1a) bzw. der zusätzlichen Verwendung eines GnRHant (Abb. 1b) kritisch diskutieren. Ein Depot-GnRHa sollte wiederholt injiziert werden, damit die Down-Regulation ca. 1-2 Wochen über das Ende des letzten Chemotherapiezyklus hinaus anhält (siehe 3.5.6). Dargestellt sind im Folgenden in Abhängigkeit vom Zeitfenster bis zum Beginn der onkologischen Behandlung 2 Vorgehensweisen. GnRHa-Depotpräparat GnRHa-Depotpräparat Chemotherapie Chemotherapie 1 7 Tage Tage GnRHant Abb. 1a Zeit bis zur Chemotherapie 7d Abb. 1b Zeit bis zur Chemotherapie < 7d 155

158 Referenzen 1. von Wolff M, Dittrich R, Liebenthron J, Nawroth F, Schüring AN, Bruckner T, Germeyer A. Fertility-preservation counselling and treatment for medical reasons: data from a multinational network of over 5000 women. Reprod Biomed Online 2015;31: Xu M, Pavone ME, Woodruff T. Fruitful progress to fertility: Preserving oocytes from chemodestruction. Nat Med 2011;17: Hasky N, Uri-Belapolsky S, Goldberg K, Miller I, Grossman H, Stemmer SM, Ben-Aharon I, Shalgi R. GnRH agonists for fertility preservation: unraveling the enigma? Hum Reprod 2015;30: von Wolff M, Kämmerer U, Kollmann Z, Santi A, Dietl J, Frambach T. Combination of gonadotropin-releasing hormone (GnRH) agonists with GnRH antagonists before chemotherapy reduce but does not completely prevent a follicle-stimulating hormone flare-up. Fertil Steril 2011;95: Pagani O, Regan MM, Walley BA, Fleming GF, Colleoni M, Láng I, Gomez HL, Tondini C, Burstein HJ, Perez EA, Ciruelos E, Stearns V, Bonnefoi HR, Martino S, Geyer CE Jr, Pinotti G, Puglisi F, Crivellari D, Ruhstaller T, Winer EP, Rabaglio-Poretti M, Maibach R, Ruepp B, Giobbie-Hurder A, Price KN, Bernhard J, Luo W, Ribi K, Viale G, Coates AS, Gelber RD, Goldhirsch A, Francis PA; TEXT and SOFT Investigators; International Breast Cancer Study Group. Adjuvant exemestane with ovarian suppression in premenopausal breast cancer. N Engl J Med 2014;371: DiVasta AD, Feldman HA, Sadler Gallagher J, Stokes NA, Laufer MR, Hornstein MD, Gordon CM. Hormonal add-back therapy for females treated with gonadotropin-releasing hormone agonist for endometriosis: a randomized controlled trial. Obstet Gynecol 2015;126: Chen H, Li J, Cui T, Hu L. Adjuvant GnRH analogues for the prevention of chemotherapy induced premature ovarian failure in premenopausal women. Cochrane Database Syst Rev 2011;11:CD Bedaiwy MA, Abou-Setta AM, Desai N, Hurd W, Starks D, El-Nashar SA, Al-Inany HG, Falcone T. Gonadotropin-releasing hormone analog cotreatment for preservation of ovarian function during gonadotoxic chemotherapy: a systematic review and meta-analysis. Fertil Steril 2011;95: Wang C, Chen M, Fu F, Huang M. Gonadotropin-releasing hormone analog cotreatment for the preservation of ovarian function during gonadotoxic chemotherapy for breast cancer: a meta-analysis. PLoS One 2013;8:e Yang B, Shi W, Yang J, Liu H, Zhao H, Li X, Jiao S. Concurrent treatment with GnRH agonists for chemotherapy-induced ovarian damage in premenopausal women with breast cancer: A meta-analysis of randomized controlled trials. Breast 2013;22:

159 11. Zhang Y, Xiao Z, Wang Y, Luo S, Li X, Li S. Gonadotropin-releasing hormone for preservation of ovarian function during chemotherapy in lymphoma patients of reproductive age: a summary based on 434 patients. PLoS One 2013;8:e Del Mastro L, Ceppi M, Poggio F, Bighin C, Peccatori F, Demeestere I, Levaggi A, Giraudi S, Lambertini M, D'Alonzo A, Canavese G, Pronzato P, Bruzzi P. Gonadotropin-releasing hormone analogues for the prevention of chemotherapy-induced premature ovarian failure in cancer women: systematic review and meta-analysis of randomized trials. Cancer Treat Rev 2014;40: Vitek WS, Shayne M, Hoeger K, Han Y, Messing S, Fung C. Gonadotropin-releasing hormone agonists for the preservation of ovarian function among women with breast cancer who did not use tamoxifen after chemotherapy: a systematic review and meta-analysis. Fertil Steril 2014;102: e Moore HC, Unger JM, Phillips KA, Boyle F, Hitre E, Porter D, Francis PA, Goldstein LJ, Gomez HL, Vallejos CS, Partridge AH, Dakhil SR, Garcia AA, Gralow J, Lombard JM, Forbes JF, Martino S, Barlow WE, Fabian CJ, Minasian L, Meyskens FL Jr, Gelber RD, Hortobagyi GN, Albain KS; POEMS/S0230 Investigators. Goserelin for ovarian protection during breast-cancer adjuvant chemotherapy. N Engl J Med 2015;372: Munhoz RR, Pereira AA, Sasse AD, Hoff PM, Traina TA, Hudis CA, Marques RJ. Gonadotropin-releasing hormone agonists for ovarian function preservation in premenopausal women undergoing chemotherapy for early-stage breast cancer: a systematic review and meta-analysis. JAMA Oncol 2016;2:

160 3.6 Transposition der Ovarien Matthias Korell Rationale Ziel einer Transposition der Ovarien ist deren Funktionserhalt trotz einer geplanten Strahlentherapie. Dieses Verfahren wurde 1958 erstmals bei Frauen mit einem Zervixkarzinom beschrieben (1). Für Frauen mit notwendiger Y-Feld-Bestrahlung beim Hodgkin-Lymphom wurde die Methode 1970 publiziert (2). Dabei waren die angestrebten Ziele einerseits ein Erhalt der hormonellen Ovarfunktion und andererseits die Möglichkeit einer Schwangerschaft auch nach der onkologischen Therapie. In der Literatur existiert keine einheitliche Terminologie es wird von Ovartransposition, lateraler bzw. medialer Ovariopexie, ovarian suspension oder von Oophoropexy gesprochen. Die Auswirkungen einer Bestrahlung auf die Ovarfunktion sind erheblich. Bereits eine Strahlendosis von 2 Gy für die Ovarien (LD50) reduziert die Follikeldichte um die Hälfte (3). Eine Radiatio zur kompletten Ausschaltung der Ovarialfunktion wird bei einer 30-jährigen Frau mit 16 Gy angegeben (4). Weitere Angaben zur Gonadentoxizität einer Radiatio sind im Kap dargestellt. Eine Transposition kann insbesondere dann zum Einsatz kommen, wenn eine gezielte Bestrahlung im Bereich des Beckens durchgeführt wird, nicht aber bei einer Ganzkörperbestrahlung (Tab. 1). Hodgkin-Lymphom Non Hodgkin-Lymphomen Rektumkarzinom Ewing-Sarkom des Beckens Zervixkarzinom Andere Indikationen zur Beckenbestrahlung Tab. 1 Häufige Erkrankungen mit einer möglichen Indikation zur Ovartransposition bei Durchführung einer Bestrahlung im Beckenbereich 158

161 Das Ausmaß einer Schädigung der Ovarien durch eine Bestrahlung lässt sich durch eine Bestimmung des AMH gut quantifizieren. Das AMH kann dabei auch im Kindesalter als Marker der ovariellen Reserve herangezogen werden (5). Inhibin und FSH sind dagegen zur Verlaufskontrolle weniger geeignet. Die Frage, ob vor einer Radiatio eine beid- oder einseitige Ovartransposition erfolgen soll, kann immer nur individuell entschieden werden. Dabei spielt neben der zu erwartenden Gonadentoxizität (unter Berücksichtigung einer ggf. zusätzlich geplanten Chemotherapie) auch der eventuelle Wunsch nach einer nur einseitigen Transposition eine Rolle, um über die verbliebene kontralaterale Seite gegebenenfalls eine Spontankonzeption zu ermöglichen. Vorteile Nachteile Etabliertes Verfahren Zeitbedarf ca. 1 Woche Hohe Rate an ovariellem Funktionserhalt Operation erforderlich (Laparoskopie) Kombinierbar mit Entnahme von Ovargewebe zur Kryokonservierung Reduktion der Erfolgsrate bei zusätzlicher Chemotherapie (Kryokonservierung erforderlich) Operation mit anderen Eingriffen kombinierbar (z.b. Lymphonodektomie) Kosten (meist keine Kostenübernahme durch die Krankenkasse) Niedrige spontane Schwangerschaftsrate, insbesondere bei einer zeitgleichen Bestrahlung des Uterus Tab. 2 Vor- und Nachteile einer Transposition der Ovarien vor einer Radiatio Effektivität Die Ergebnisse einer Ovartransposition vor einer Radiatio sind von verschiedenen Faktoren abhängig und daher schwierig zu beziffern. In einer Metaanalyse von 32 Publikationen mit insgesamt Patientinnen wird eine Erfolgsrate im Sinne einer erhaltenen Ovarialfunktion mit 80,8% (17% bis 159

162 95%) angegeben (6). Dabei ist auch ein Publikationsbias anzunehmen, da viele Fälle bzw. Studien mit schlechter Erfolgsrate nicht veröffentlicht sein dürften (7). Einflussfaktor auf die Effektivität ist neben dem Alter die zusätzliche Durchführung einer Chemotherapie, wobei eine Monotherapie als Radiosensitizer eine geringere Auswirkung hat als eine Kombinationstherapie (8, 9). Des Weiteren wird die Erfolgsrate einer Ovartransposition auch von der Operationstechnik bestimmt. Es werden verschiedene Techniken wie die kraniale, die laterale, die mediale und auch die anteriore Transposition beschrieben (10). Aufgrund der Inhomogenität der Kollektive und dem Fehlen prospektiv randomisierter Studien ist keine verlässliche Aussage zum Vergleich der verschiedenen Techniken möglich. Nachgewiesen ist hingegen die Bedeutung der neuen Position der Ovarien. Entscheidend ist dabei der Abstand zum Bestrahlungsfeld, da in einer Distanz von 10 cm vom Bestrahlungsfeld noch ca. 10 % der Strahlendosis wirkt (11). So führt eine Radiatio des gesamten Beckens trotz einer Transposition wesentlich häufiger zu einem Ovarialversagen als ein lokal stark begrenztes Afterloading (35% versus 6%) (12). Insofern ist eine genaue Absprache des Operateurs mit dem Strahlentherapeuten vor der geplanten Transposition wesentlich. Entsprechend ist auch die Höhe der ovariellen Position ein relevanter Prognosefaktor. In einer multivariaten Analyse war die Höhe der Aufhängung mit einer Odds ratio von 11,72 der relevanteste Prognosefaktor für den ovariellen Funktionserhalt. Das Ovar sollte mindestens 2 cm oberhalb des Beckenkammes liegen (13). Es muss zusätzlich ein Sicherheitsabstand von etwa 2 cm einkalkuliert werden, da sich die Position der Ovarien postoperativ verändern kann (14). Insgesamt ist von einer hohen Effektivität der Ovartransposition im Sinne eines Erhalts der Ovarfunktion auszugehen. Schwangerschaften sind nach einer Radiatio jedoch nicht sehr häufig (15). 160

163 Zum einen liegt nach der Beendigung der onkologischen Therapie ggf. kein Kinderwunsch mehr vor oder die Durchführung assistierter Reproduktionstechniken wird nicht erwogen (16). Zum anderen reduziert oder verhindert die Bestrahlung der Gebärmutter ggf. die Schwangerschaftschancen (s. Kap ) Risiken Die operativen Risiken einer Ovartransposition sind als gering einzustufen. Zumeist ist der Eingriff über eine Laparoskopie möglich. Wird wegen einer anderen Indikation eine Laparatomie durchgeführt, kann simultan die Ovartransposition ohne wesentliche Erhöhung der Komplikationsrate erfolgen. Postoperativ bilden sich selten Ovarialzysten und sind eher Ausdruck einer gestörten Ovarfunktion (6). Diese Zysten sind aber in den meisten Fällen nicht therapiebedürftig. Ovarial-Metastasen scheinen gemäss Sutton et al. beim Adenokarzinom der Zervix mit 1,7% häufiger als beim Plattenepithel-Karzinom mit 0,5% aufzutreten (17). Die Häufigkeit von Metastasen an den Trokareinstichstellen ( port site metastasis ) wird mit < 1% angegeben (6) Kosten Die Kosten einer alleinigen Ovartransposition entsprechen denen einer Laparoskopie unter Vollnarkose. Die Kosten für eine alleinige Transposition werden von den Krankenkassen oft nicht übernommen. Wird die Verlagerung der Eierstöcke im Rahmen anderer Operationen wie z.b. einer Lymphonodektomie durchgeführt, entstehen in der Regel keine zusätzlichen Kosten Praktische Vorgehensweise Zunächst wird, meist über einen laparoskopischen Zugang, das Abdomen begutachtet. Wichtig ist hierbei besonders der Ausschluss einer intra- 161

164 abdominellen Tumorausbreitung. Sind zusätzlich andere Eingriffe wie z.b. eine Lymphonodektomie indiziert, sollten diese zuerst erfolgen (18). Soll gleichzeitig Ovargewebe entnommen werden, ist dieser Eingriff ebenfalls vorzuziehen und das Ovar mit einer Naht zu verschließen. Oft ist es erforderlich, die Adnexe nach Darstellung des ipsilateralen Ureters (Abb. 1A) vom Uterus abzusetzen (Abb. 1B). Hierzu können idealerweise Klammernahtgeräte eingesetzt werden, da dadurch keine Koagulationen erforderlich sind, welche die Ovarfunktion beeinträchtigen könnten. Zudem wird dadurch das Ovar markiert, was für die Bestrahlungsplanung erforderlich ist. Ansonsten ist die Anbringung von Metall-Clips am Ovar notwendig. Der Infundibulumstiel wird soweit nach kranial freipräpariert (Abb. 1C), bis eine spannungsfreie Fixierung des Ovars in der Zielposition möglich ist. Eine Koagulation und/oder Torsion der Ovargefäße ist unbedingt zu vermeiden. Die Durchblutung kann anhand der Tube gut visualisiert werden, während dies beim Eierstock nicht möglich ist. Das Ovar wird an der Zielposition z.b. mit Einzelknopfnähten fixiert (Abb. 1D). Zur Vermeidung eines Darmverschlusses sollte der Gefäßstiel ebenfalls an der Bauchwand fixiert werden. 162

165 5.9 Therapie bei Fertilitätsstörungen des Mannes Kausale medikamentöse Therapieoptionen Hypogonadismus Hyperprolaktinämie Infektionen und Entzündungen des Genitaltraktes Samentransportstörungen Therapie- und Heilversuche bei idiopathischer Subfertilität Kryospermakonservierung Vaterschaft bei älteren Männern Hypogonadismus 46 D C Quelle: Prof. M. Korell 10. Literatur A: Präparation des Retroperitonealraumes zur Darstellung des Ureters und Mobilisation der Adnexe Definition Pathophysiologie Diagnostik Therapie Abb. 1 Durchführung einer laparoskopischen Transposition mit Verlagerung eines Ovars subdiaphragmal D: Fixierung der Adnexe mit Naht 9. Gynäkomastie C: Präparation des Infundibulumstiels A Definition Physiologische Grundlagen Klassifizierung des Hypogonadismus Primärer und sekundärer Hypogonadismus Klinik des Hypogonadismus Endokrinologische Diagnostik Therapie Therapie des sekundären Hypogonadismus bei Kinderwunsch Therapie des primären oder sekundären Hypogonadismus mit Testosteron Intramuskuläre Gabe von Testosteronestern Transdermale Applikation von Testosteron Kontraindikationen der Testosteronsubstitution Sicherheitsparameter unter Testosteronsubstitutionstherapie B: Absetzen der Adnexe mit einem Linearcutter B

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